Text na stránkách 6
Text:
Selte 6.
„Ascher Zeitung“.
Mittwoch, 26. April 1933.
keiner Dorfmechaniker war. Rolls erkannte die
Begabung Royce's und redete ihm zu, es doch
mit dem Bau von Motoren zu versuchen.
Der Dorfmechaniker wird weltberühmt.
Die ersten Versuche gelangen und George
Rolls, der ein sehr reicher Mann war, stellte
nun dem Mechaniker unbeschränkte Geldmittel
für seine Arbeiten zur Verfügung. Er ging von
vornherein von dem Grundsatz aus, das beste
und sicherste, wenn auch nicht eben billigste
Kraftfahrzeug der Welt zu konstruieren, das in
jeder Hinsicht eine Spitzenleistung darstellen soll-
te. Rolls war auch großzügig genug, den Ruhm
seiner erfolgreichen Idee mit dem talentierten
Mechaniker zu teilen; das Auto, das nach jahre-
langen Versuchen zustande kam, wurde Rolls-
Royce getauft.
Im Laufe der Jahre haben die Rolls-Royce-
Werke nicht nur eine Spitzenposition zu erringen,
sondern diese auch zu behaupten gewußt. So
manche Automobil- und flugsportliche Großleistung
wurde mit Rolls-Royce-Motoren vollbracht, so
der Schnellflug des englischen Fliegers Drebar
und der kürzlich aufgestellte Weltrekord Malcolm
Campbells. In allen Weltteilen laufen die Wa-
gen aus den Fabriken Henry Royce's und George
Rolls, natürlich nur im Besitz derjenigen, die sich
das noch immer teure Fahrzeug leisten können.
Henry Royce's Lebensarbeit hat auch darin ein
Zeichen der Anerkennung gefunden, daß er in
den Adelsstand erhoben wurde.
Der unsichtbare Bandit.
Rewyork, 26. April. 22 Jahre hindurch
konnte sich Felix Leopold Tratuco der Freiheit
erfreuen, nachdem er 1911 von der französischen
Strafkolonie Guayana entwichen war. Erst jetzt
konnte er durch einen glücklichen Griff der ameri-
kanischen Polizei in San Francisco wieder ver-
haftet werden und sieht nunmehr dem Rücktrans-
port auf die Teufelsinsel entgegen.
Tratuco, der u. a. während seiner langen
Verbrecherlaufbahn unter den Namen Amati,
Pierre Dupre, Tignetto, Masson ufw. aufgetreten
ist und von dem man auch nicht mit voller Be-
stimmtheit weiß, ob Tratuco sein wirklicher Name
ist, wurde 1886 in Südfrankreich geboren. Mit
17 Jahren geriet er in die Gesellschaft korsischer
Banditen und entwickelte sich dann in kurzer Frist
zu einem der gefährlichsten Verbrecher Frank-
reichs. Schon damals verstand er es ausgezeich-
net, sich unsichtbar zu machen und der Verfolgung
durch die Polizei immer wieder zu entgehen. Im-
merhin war er bereits siebenmal mit kürzeren
Gefängnisstrafen vorbestraft, als er endlich 1911
auf Lebenszeit auf die Teufelsinsel verbannt
wurde.
Nur wenigen ist es jemals gelungen, aus der
Hölle von Guayana lebend zu entkommen, und
diejenigen, die nicht schon sehr bald wieder ein-
gefangen werden konnten, sind mit wenigen Fin-
gern aufzuzählen. Tratuco gehört zu ihnen. Er
entkam und verstand es, sich nach den Vereinigten
Staaten durchzuschlagen, wo er auf 22 Jahre in
der Verbrecherwelt untertauchte.
Seine berufliche Tätigkeit als Bandit war
in Amerika womöglich noch erfolgreicher als in
Frankreich. Insbesondere konnte Tratuco 22 Jah-
re hindurch jeder Verhaftung entgehen, obwohl
er die kühnsten Ueberfälle, die einträglichsten
Räubereien beging. In der Unterwelt von Rew-
york und Chicago war er deshalb unter dem
Namen „der unsichtbare Bandit“ bekannt.
Daß er schließlich doch in San Francisco
verhaftet wurde und nun dem Rücktransport auf
die Teufelsinsel, wo man ihn in Zukunft wohl
ausreichend bewachen wird, entgegensehen muß,
hat er lediglich einer verhältnismäßig nebensäch-
lichen Anvorsichtigkeit zu verdanken. Einen Fehler
macht eben doch jeder Verbrecher.
Der „unsichtbare Bandit“ hatte wohl in San
Francisco“ irgendeine ganz große Sache vor und
mietete sich zu diesem Zwecke unter verschiedenen
Namen mehrere möblierte Zimmer. Hierbei unter-
lief ihm das Versehen, zwei Zimmer in ein- und
demselben Polizeirevier zu nehmen. Wohl zur
Nachprüfung seiner Meldezettel wurde er von
einem Beamten erst in dem einen und dann zu-
fällig von demselben Beamten in dem anderen
Zimmer aufgesucht. Natürlich schritt der Polizist
sofort zu seiner Festnahme, als er denselben Mann
hintereinander unter zwei Namen kennenlernte.
Der Beamte ahnte jedoch noch nicht im ge-
ringsten, was für einen guten Fang er da ge-
macht hatte. Das stellte sich erst an Hand von
Fingerabdrücken heraus, die noch aus der Zeit,
als Tratuco wegen seiner Flucht von der Teufels-
insel gesucht wurde, herstammten.
Die amerikanische Justiz hat bereits auf die
Bestrafung des Verbrechers wegen seiner in
Amerika begangenen Untaten verzichtet, sondern
stattdessen die französischen Behörden benachrich-
tigt, die Tratuco alsbald nach Guayana zurück-
schaffen werden.
Riesenfeuerwerl in Berlin
am 1. Mai.
Deutschland ist ein armes Volk. Aber ob-
wohl die nationale Regierung unter der Kanz-
lerschaft Hitlers nicht im entferntesten daran
denkt, mit den Steuergroschen der Bevölke-
rung in leichtsinniger Weise umzugehen, so hat
es sich die Regierung nicht nehmen lassen, den
Tag der nationalen Arbeit am Abend des 1.
Mai auf dem Tempelhofer Feld durch ein in
solchem Ausmaße
noch nie gesehenes Riesenfeuerwerk
zu krönen.
Das Feuerwerk wird nicht aus Geldern
der Steuerzahlungen bestritten, sondern es
wird getragen von den Eintrittspreisen, die
die Besucher der Tribüne zu entrichten haben.
Auch hier verfährt die nationale Regierung
durchaus sozial, indem sie den, der mehr Geld
hat, auch mehr zahlen läßt, als den anderen
Volksgenossen.
Die einzelnen Fronten, die durch das Feu-
erwerk erfaßt werden, sind über vierhundert
Meter lang. Sie verlangen den Einsatz sämt-
licher Berliner Feuerwerksfirmen. Die Leitung
dieser rein technisch schon sehr schwierigen An-
lage liegt in den Händen der Berliner Kunst-
feuerwerke. Der Ingenieur Mussel arbeitet
mit einem Stabe von 50 Pyro-Technikern, die
das Feuerwerk abbrennen. Die Anlage ist so
groß, daß die einzelnen Feuerwerkstrupps
durch Feldtelephone verbunden werden müssen,
um mit der Feuerwerksleitung und unterein-
ander in Verbindung bleiben zu können.
Bei Beginn des Feuerwerks rast eine aus
Hunderten der größten Raketen gebildete, sich
dauernd bewegende, in allen Farben schim-
mernde Feuerwand in den dunklen Nachthim-
mel hinein. Dann zeigen sich in strahlendem
Licht in gewaltiger Größe auf dem Hinter-
grund des Nachthimmels zwei sich vereinigen-
de Hände, unter denen in Riesenbuchstaben zu
lesen ist: „Tag der deutschen Arbeit“. Dieses
symbolische Bild wird eingerahmt und umschlos-
sen von Tausenden und Abertausenden Feuer-
blumen.
Der rührige Ingenieur Mussel, ein Fach-
mann auf seinem Gebiete, hat außerdem noch
mit dem bekannten Kunstflieger Kern ein Ab-
kommen getroffen, dessen Verwirklichung in
ganz Europa zum ersten Male vor sich geht
und das bisher nur in den Vereinigten Staa-
ten von Amerika gezeigt wurde. Der Kunst-
flieger Kern stößt nämlich mit seinem Flugzeug
in die dunkle Nacht und wird über dem Fest-
platz mit seiner Maschine, die in genialer Kon-
struktion mit Feuerwerkskörpern bestückt ist,
gewaltige Feuerspiele vorführen.
Kaum ist der fliegende Feuerspuk ver-
schwunden, so rasen siebenhundert Bomben
schwersten und größten Kalibers — Bomben
bis zu 30 Zentimeter Durchmesser — gegen den
Himmel. Diese Bomben überschlagen sich auf
ihrer feuerspeienden Fahrt und werden be-
gleitet durch das Bombardement Hunderter
von Feuertöpfen.
Dann fällt auf einer Front von vierhun-
dert Metern aus zehn Metern Höhe ein ge-
waltiger Silber-Wasserfall hernieder. Kaum
ist das Silberlicht des Wasserfalles im uner-
sättlichen Schlund der dunklen Nacht versun-
ken, so werden in 70 Sekunden, also in kaum
mehr als einer Minute, von drei Stellen aus
zweihundert Bomben batterieweise abgeschossen
und bilden am nächtlichen Himmel ein neues
Farbenwunder märchenhafter Pracht. Jetzt
folgt ein Trommelfeuer von 60.000 Platzkano-
nenschlägen.
Auch dieses Feuerwerk soll dazu beitra-
gen, in einer Stunde der Feier und der Freude
die Arbeiter der Stirn und die Arbeiter der
Faust nach dem Willen der nationalen Regie-
rung und des Reichskanzlers Hitler zu ver-
brüdern und die ehemaligen Klassengegensätze
aufzuheben.
Flammen der Freude strahlen über den
Tag der nationalen Arbeit.
Embolie kann vermieden werden.
Die neuesten Errungenschaften auf dem Gebiet
der Chirurgie.
Zu den gefährlichsten Krankheitserschei-
nungen nach Operationen gehört eine Kreis-
laufstörung, die man als Thrombose bezeichnet.
In den Hauptschlagadern des Körpers bilden
sich Blutgerinsel, Thromben, die die Arterie
verstopfen können, und wenn nicht entsprechend
eingegriffen wird, zur Embolie führen kön-
nen, die nicht selten den Tod bedeutet.
Es ist auffallend, daß die erhöhte Throm-
bose- und Emboliebereitschaft in den letzten
Jahren außerordentlich zugenommen hat, auch
bei inneren Erkrankungen. Die verschiedensten
Theorien über diese rätselhafte Erkrankung
und ihre Häufigkeit tauchten auf, bis man die
überraschende Entdeckung machte, daß anschei-
nend die starke Verseuchung der Atemluft durch
Benzin und Benzoldämpfe, Rauch, Staub, Oel-
gestank, Ruß der Grund sein müsse. So hat der
Chirurg Dr. Edwin Blos die Embolie als eine
„spezifische Gasvergiftung“ bezeichnet und Pro-
fessor Dr. Aschner, der diese Ansicht auch durch
zahlreiche Versuche erhärten konnte, hat eine
besondere Therapie gefunden, nach der er Em-
bolien und Venenentzündungen mit Hilfe von
Aderlässen nach Bauchoperationen fast immer
mit Sicherheit vermeiden kann.
Auf dem Berliner Chirurgen-
kongreß wurde jetzt ein sinnreicher Apparat
demonstriert, der den Patienten nach einge-
tretener Thrombose an das ergriffene Bein
geschnallt wird und eine gefahrlose Bewegung
aller wichtigen Muskeln gestattet, so daß die
Möglichkeit einer thrombischen Arterienver-
stopfung fast ausgeschlossen erscheint. Eine vor-
sichtige Uebungstherapie der Gelenke und der
Muskulatur an den unteren Extremitäten
wird von den bedeutendsten Aerzten seit lan-
gem angeraten. Aktive und passive Gymnastik,
vorsichtige Massage, milde Anwendungen zur
Anregung der Haupttätigkeit. Zweck ist, einen
regelmäßigen und dauernden Blutabfluß aus
den gefährdeten Körperteilen zu ermöglichen.
Gerade bei dieser Erkrankung bedeutet die
Prophylaxe, das rechtzeitige und richtige Vor-
beugen alles. Beim ersten Anzeichen, insbe-
sonders wenn Fieber auftritt, ist Hoch-
lagerung und feuchte Umschläge anzuwenden.
Erst dann, wenn die Temperatur sich wieder
in normalen Grenzen bewegt, darf das Bein
flachgelagert, häufige Stellungsveränderun-
gen und leichte Bewegung der Zehen vorge-
nommen werden.
Nach den letzten Ergebnissen der medizi-
nischen Forschung darf man wohl annehmen,
daß eine der gefürchtetsten postoperativen Er-
krankungen durch verhältnismäßig einfache
vorbeugende Mittel in den meisten Fällen be-
seitigt werden kann. Auch die bereits eingetre-
tene Embolie kann heute durch die verfeinerte
Operationstechnik sehr oft aufgehalten, der
Thrombus aus der Herz- oder Lungenarterie
entfernt, damit das Leben des Kranken gerettet
werden.
Vor kurzem ist es einem Berliner Chirur-
gen gelungen, eine Patientin zu retten, deren
große Bauchschlagader durch ein Blutgerinsel
verstopft wurde, so daß der Unterleib und die
Beine von der Blutversorgung gänzlich abge-
schnitten waren. Erst sechs Stunden nach Ein-
tritt der Embolie wurde die Operation vor-
genommen, und hatte vollen Erfolg. Der Blut-
kreislauf zeigte wieder völlig normale Funk-
tionen. Auch auf die alte halbvergessene Blut-
egeltherapie hat man zurückgegriffen, d. h. auf
die jahrhundertealten Schröpfköpfe, um die
Blutstauung zu vermindern und den Abfluß
des Blutes zu beschleunigen. Auch mit dieser
Methode wurden gute Erfolge erzielt.
Das menschliche Gehirn wird genäht.
Auf dem chirurgischen Kongreß demon-
strierte Professor Heymanns, der Chefarzt der
chirurgischen Abteilung einer großen Berliner
Klinik, zum erstenmal einen Fall, an dem sich
das Wunder einer Gehirnnaht vollzogen hat.
Mali schon von ihrem Sitz weggschlüpft und
hatte sie hingeschubst. Nun saßen sie Hand in
Hand, der Ferdl und die Mili, und die Gesell-
schaft schrie und johlte, und Vater Altmaier,
der vor Lachen schon blaurot im Gesicht war,
begann zu singen?“
„Hoch soll'n sie leben — dreimal hoch!“
Der Loifl und die Wettl waren viel zu
sehr von ihren eigenen Gedanken hingenom-
men, als daß sie sofort die Situation erfaßt
hätten. Auf den höllischen Wirbel hin wurden
sie aufmerksam, und so melancholisch können
Wiener Kinder gar nicht gelaunt sein, als daß
sie sich so etwas entgehen ließen.
Die Wettl sprang auf, lief mit ihrem
Glas herzu und rief: „Hoch, hoch, hoch!“ Und
dies brachte dem Ferdl Verderben, wenn man's
so nehmen will.
Denn durch ihre Stimme gewissermaßen
halb geweckt, war er nicht im mindesten im
Zweifel, vor der richtigen Schmiede zu stehen,
faßte die Mili, die mehr tot als lebendig war,
und halste sie mit beiden Armen, drückte sie
leidenschaftlich an sich, küßte sie, daß es nur so
schnalzte.
Nun hätte sich die Jungfer Mili, die doch
kein heuriger Hase war, ja ihrer Haut wehren
können. Das fiel ihr aber gar nicht ein; denn
dazu soufflierte die Mali Lohinger, die hinter
ihr stehengeblieben war, viel zu gut.
Der Ferdl zog seinen großmächtigen Sie-
gelring vom Zeigefinger, nahm die Rechte der
Mili umständlich und schob nicht ohne einige
Schwierigkeit den breiten Reif mit dem mäch-
tigen Karneol an deren Ringfinger.
Was jetzt folgte, bildete jahrzehntelang
bei jedem Verspruch den Gesprächsstoff. Die
Anwesenden, von Vater Altmaier angeführt,
nahmen ihr Glas zur Hand, und es begann
eine regelrechte Gratulation. Jeder drängte sich
herzu, stieß mit dem neugebackenen Brautpaar
an und Ferdl Höllriegl weinte dicke Tränen der
Rührung.
Einigermaßen ängstlich war nur die Mili. dies unmöglich gemacht: „Fräul'n Wettl, bitt“
Sie konnte ihres Glücks nicht froh werden,
schön, kummens S' net a mit?“
denn morgen war auch ein Tag. Und sie
Wettl schlug die Augen nieder. „Leider,
wispelte es der Mali zu. Das hörte Vater Alt-
es geht net, Herr Kapral! 's is scho spät und
maier und flüsterte nun seinerseits: „Laß mi
i muß morgen zeitli furt.“
nur mach'n, der kummt d'r net aus — laß
„Furt?“ erkundigte sich der Loifl, und sei-
mi nur mach'n .
ne Stimme wurde beißend. „Vielleicht wieder
Und in der Folge kam es auch tatsächlich
zum Herrn Fürsten?“
so. Der eitle Ferdl hätte im Leben niemals
Da schlug die Wettl ihre schönen Augen
zugestanden, daß er so einen „Mordsrausch“
voll zu ihm auf, und Stolz und Trauer strit-
gehabt hat, wie es tatsächlich der Fall war,
ten darin um die Herrschaft: „Das wissen S'
denn er war groß in Wetten abschließen über
auch?“ Sie war bisher doch nicht sicher gewe-
seine unbesiegbare Trinkfestigkeit. Und darauf
sen, ob er sie gestern erkannt hatte.
hatte der listige Franz, sein Spezi, gerechnet.
„Natürlich weiß ich's — oder soll's epper a
Wer mit menschlicher Eitelkeit rechnet, behält
Geheimnis sein?“ zischte der unkluge Jüng-
immer recht.
ling, mit dem das Temperament wieder durch-
Einstweilen aber war man noch beim alten
ging. „J kann schon schweigen, wann's sein
Tage, wenn sich der Uhrzeiger auch bedenklich
muß — wann's bald die Spatzen vom Dach
der Geisterstunde näherte.
pfeifen; mei' Schuld is net ...
Die Gundl hatte vor lauter Lachen schon
Die Wettl wandte sich halb ab, und über
Seitenstechen. Ueberdies begann der kleine Otto
die Schulter sprach sie wie oben hin:
Alois seine Serenade, wie allnächtlich um die-
„Meint der Herr Kapral, daß i wieder
se Zeit. Das wirkte dämpfend auf die entfes-
was Unrecht's tu'? Ja, wie kann er nachher
selten Lebensgeister, und die Mutter des jun-
mit so einer — Person überhaupt noch reden?“
gen Erdenbürgers dachte sich, wenn ihre lieben
Sprach es und ging hoch erhobenen Haup-
Gäste nur schon wären, wo der Pfeffer wächst.
tes hinüber, wo die Mutter stand, als habe sie
Die Tafel sah aus, als ob ein Heuschrecken-
schwarm darüber hergewesen wäre. Flaschen
dieser etwas Wichtiges zu sagen.“
Der Loisl stand da wie vor den Kopf ge-
und Fasseln waren auch schon leer.
schlagen.
Da hatte die verständige Mutter Altmaier
Seine guten Vorsätze der vergangenen
eine gute Idee: „Herrschaft'n und Leut'!“ rief
Nacht fielen ihm wieder ein. Die hatte er ganz
sie in ihrer schmucklosen, aber verständlichen
und gar vergessen. Noch aber war es nicht zu
Art, „halt's ent z’samm; mir gengan jetz'n
übri zu die Altmaierschen, dieweil's bei die
spät. Schluß machen — Schluß machen, hatte
die Formel gelautet.
Petermichlschen eh nix mehr gibt
Eine dröhnende Lachsalve beantwortete
diese wohlangebrachte Rede, und man fand,
es war seit Stunden nicht Klügeres geredet
worden als dies.
Während man sich mit Mänteln und Tü-
chern drapierte, war der Loisl zur Wettl ge-
treten. Es war das erstemal, daß er sie heute
ansprach, denn schon die Sitzordnung hatte
Geräuschvoll waren die Gäste endlich ab-
gezogen. —
Der Weg vom Zwölferhaus bis zu den
Altmaiers war zwar nur kurz. Immerhin war
er lang genug, daß der Loisl sich die Mali aus
der Menge der Gäste herausfing, sich in ihren
Arm hängte und ihr erregt zuflüsterte:
„Maltschi, hör' mich an: Mir zwa, mir
gengan mitanand', und wann mei' Dienstzeit
um is, nacher wird g'heirat' — einverstanden?“
Mit einem Ruck war die Mali stehenge-
blieben: „Mir scheint, du spinnst a — was
fallt denn dir ein?“ Ernstlich böse, riß sie ihren
Arm an sich: „Des Mannsbilder überanand',
wann's a Glasl trunken haben über ’n Durst,
kunnt ma's reinweg in Narrenturm steck'n ..“
Es war das zweitemal in vierundzwanzig
Stunden, daß dem armen Loisl der Vorwurf
gemacht wurde, er „spinnt“ — das war zuviel.
Empört ließ er von seiner Jugendgespielin ab
und wandte ihr ebenso kurz wie unhöflich den
Rücken. Und was das Schlimmste war, das
Schlußmachen mit der Wettl, das sich der Loift
so eisenfest vorgenommen hatte — einen un-
lösbaren Riegel vorzuschieben zwischen sich und
dieser demütigenden Liebe —, das war nun
wieder nicht gelungen. Der Loisl hatte es sich
so einfach vorgestellt. Der anständige Junge,
der er war, vermeinte sich durch einen Eid an
eine andere retten zu können.
Es war schon graue Morgenfrühe, als bei
Altmaiers Kehraus gemacht wurde. Um sechs
Uhr hatte der Loisl in der Kaserne zu sein,
und jetzt war es halb vier Uhr. Da lohnte es
sich erst gar nicht, Schlaf zu suchen.
Er saß mit seiner Zigarre am Eßtische, der
noch nicht abgeräumt war und darum einen
unordentlichen Anblick bot. Mutter Altmaier
hatte das Ordnungmachen ihrer Wabi über-
lassen, aber die schlief noch. Die Hausfrau selbst
wollte sich eine Stunde Ruhe gönnen, ehe sie
mit ihrem Manne, wie gewöhnlich am zeiti-
gen Morgen, in die Fleischbank ging. Dagegen
hatte der Vater dem Loifl recht gegeben: es
lohnt sich nicht, erst mit dem Schlafen anzu-
fangen, wenn man es nicht ordentlich tun
kann.
(Fortsetzung folgt.)
Název souboru:
ascher-zeitung-1933-04-26-n98_4260.jp2