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Mittwoch, 26. Mai 1026
Hat er an einem Gaste seine Kunst erwiesen, dann
beantwortet er noch lächelnd ein paar neugierige Quer-
fragen, streicht dankend ein, was man ihm gibt, macht
eine Verbeugung und geht langsam zum nächsten Tisch.
Ja, er versteht sein Geschäft, dieser nächtlich durch
die Lokale der Großstadt schreitende Gentlemann und
Chirologe.
Ascher Zeitung.
Die Jahresfahrkarte für einen Handelsreisenden
möge im Falle seines Ausscheidens aus dem Dienst
der Firma auf ein anderes Mitglied desselben Un-
ternehmens übertragbar sein.
Seite 3.
Zlavazs in der Slowakei. Er erklärfe, daß er
die Tat aus politischer Rache verübt habe, da
er in einer Angelegenheit bereits viermal im Klub
ohne einen Erfolg vorgesprochen habe. Er wurde
auf die Wache abgeführt. Die Sache wird ein ge-
richtliches Nachspiel haben.
Von Dienstag, den 25. bis Donnerstag, den 2. Mai:
Apollo-Theater Asch.
“
„Dalekarlien
Naturaufnahme (Bilder aus Schweden).
„Jurgarten der Liebe
(Der lebende Tnte)
Eine dramatische Erzählung über Irrwege der Liebe
mit Corinne Grisfith
in der Hauptrolle.
A
Kartenvorverkauf täglich ab 3 Uhr nach-
mittags an der Kinokasse.
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Reformvorschlüge für den Eisenbahnverkehr.
Prag, 24. Mai. Am 10. Juni findet die Ar-
beitssitzung der Generalversammlung des Zentraleisen-
bahnrates statt. Für diese liegen u. a. folgende
Vorschläge vor: Das Eisenbahnministerium möge
die Abnahme der Fahrkarten vor der Endstation
anordnen, so daß die Kontrolle bei der Ankunft
in der Station entfallen würde. Bei dem Bau neuer
Personenwaggons möge auf den Transport von
Kranken besondere Rücksicht genommen werden, und
eigene Sanitätswagen eingeführt werden, wobei der
Dransport von Kranken zu erhöhtem Tarife erfol-
gen würde. Bei der Neuregelung der Tarife mö-
gen die Preise der Fahrkarten auf Kronen
und halbe Kronen abgerundet werden; für Retour-
karten möge eine Ermäßigung gewährt werden;
Ausgabe von 151 bis 30tägigen Abonnementskarten.
Mit den Eisenbahnverwaltungen der mitteleuropäi.
schen Staaten möge ein Abkommen über die Wie-
dereinführung von Rundreisebilletts getros-
fen werden Die Erhöhung der Tarife soll die
Ausflügszüge an Sonn- und Feiertagen nicht be-
treffen. In den Waggons dritter Klasse sollen die
Plätze breiter und mit Polstern versehen werden.
Erfolge der Bodenreform.
Ueber 59.000 Angestellte verloren den Posten.
Prag, 24. Mai. Durch die Zuteilung des land-
wirtschaftlichen Bodens haben bis Ende März
1926 59.806 Beamte, Angestellte ihren
Posten verloren und mußten vom Bodenamte
durch Bodenzuteilung, Abfertigungen oder Pensionen
versorgt werden. Die Versorgung ist jedoch abso-
lut unzulänglich. Boden erhielten nur 25 Prozent
der Angestellten (deutsche Angestellten wurden grund-
sätzlich nicht mit Boden beteilt), zugeteilt, 27,641 An-
gestellte wurden abgefertigt, und zwar erhielt durch-
schnittlich ein Beamter 27000 Kr., ein Angestellter
ter 9500 Kr., ein Deputatist 4800 Kr. und ein stän-
diger Arbeiter 3400 Kr. Diese Beträge reichen, so
führt Ing. Camillo Worliczek in der „Boh.“ zutref-
fend aus, — nicht einmal für einige Monate zur
Bestreitung des allernotwendigsten Lebensunter al-
tes aus, auf keinen Fall kann man sie jedoch als
eine wirkliche Existenzsicherung bezeichnen. Die Bo-
denreform hat diesen Angestellten daher an Stelle
des verheißenen, wirtschaftlichen Aufstieges
nur Not und Elend gebracht.
Hiezu kommen noch, daß die mit Geld Abgefertig-
ten, unter ihnen befinden sich oft die besten Fach-
leute, der landwirtschaftlichen Produktion für immer
verloren gehen. Die Gewährung von Pensionen
(433 Proz.) kommt nur dann in Betracht, wenn
der Betroffene 65 Jahre alt ist oder seine Invalidi-
tät nach Erreichung seines 60 Lebensjahres nach-
weist. Auch die gezahlten Pensionen sind vollkom-
men ungenügend. Die vorzügliche Bewirtschaftung
haben wir zum Großteil den Bediensteten ver-
dankt. Nun sind mehr als zwei Drittel der Be-
diensteten durch die Durchführung der Bodenreform
gezwungen worden, in vorzeitigen Ruhestand zu tre-
ten oder sich eine neue Beschäftigung außerhalb der
Landwirtschaftsproduktion zu suchen. An ihre Stelle
treten die neuen Bodenbewerber, die in der Mehr-
zahl der Fälle von einer wirklichen rationellen und
intensiven Bodenbearbeitung keine Ahnung ha-
ben. Die künftige Produktionsminderung, die wir
als Folgeerscheinung der Reform zu erwarten ha-
ben, ist die Folge der Ausschaltung der Bediensteten.
Sonderbarer politischer Nacheakt.
Ein slowakischer Geistlicher wirft Steine gegen das
Parlament.
Gestern vormittags erschien
Prag, 23. Mai.
vor dem Parlamentsgebäude ein slowakischer
Geistlicher, der nach einem längeren Selbstge-
spräche Steine aufhob und gegen die Fen-
ster des Klubs der slowakischen Volkspar-
tei warf. Er zertrümmerte hiebei vier Fen-
sterscheiben. Der Wache und den Parlaments-
dienern legitimierte er sich als der Pfarrer Josef
Der Tschechen-Faschismus.
Absage des Sokols. — Für Masaryk.
Prag, 23. Mai. Die tschechische Turnerschaft, der
Sokol, nimmt gegen die tschechischen Jaschisten energisch
Stellung und erklärt u. a. im „Sokolsky Vestnik“: „S
dig wird uns irgendeine Verbindung oder wenigstens
eine Sympathie mit den tschecho-slowakischen Faschisten
aufoktroyiert. Ueberflüssig. Schon der Vorstand der
tschecho-slowakischen Sokolgemeinde hat in seiner am 1.
Mai stattgefundenen Sitzung seinen Standpunkt zum tsche-
cho-slowakischen Faschismus gekennzeichnet und auf das
entschiedenste irgendeine direkte oder indirekte Annäherung
an den Faschismus abgelehnt. Wir hier brauchen über-
haupt keinen Faschismus, er ist uns vollkommen fremd.
er verkörpert Gedanken, die auf fremden Boden ent-
sprossen sind und verfolgt Ziele, die für uns fremde
sind und bleiben.“ Am Schlusse dieses Aufrufes heißt
es: „In Prag wird es Hunderttausende unterschiedliche
Stände, verschiedenen Alters und ebensolcher politischer
Zugehörigkeit geben, aber alle sind eines Gedenkens,
eines Gefühles? Alles für die Nation, alles für die
Republik, alles für ihren ersten Präsidenten, den Bruder
Thomas Garrick Masaryk!“
Das Regierungsblatt über den Faschismus.
Ueber die Bewegung des tschechischen Faschismus
schreibt das Regierungsblatt „Ceskoslovenska Republika“:
„Es gibt Gifte, an die sich ein Organismus gewöhnt und
dadurch immun wird. Wir wollen nicht sagen, daß ein
solches Gift der Kommunismus sei, es wäre dies eine
Unvorsichtigkeit, die sich rächen könnte. Aber dieses Gist
wirkt nicht bloß bei uns, sondern auch anderwärts schon
einige Jahre ohne größeren Schaden anzurichten. Wir
waren dabei eine „Insel der Ruhe und Ordnung“, wie
ein großes Prager Journal schreibt, dessen Abendaus-
gabe offenbar nach dem Grundsatze, die Linke dürfe
nicht wissen, was die Rechte tut, das faschistische Gegen-
gift eifrig fördert und dessen Sonntagsausgabe laut den
Wunsch äußert, daß wir eine solche Insel der Ruhe und
Ordnung bleiben. Wozu also ein Gegengift, wenn sich
die gute Lebensführung bewährt? Nur der, der ein
lauer Demokrat ist und dem die Demokratie ein gering-
fügiges Ziel ist, könnte daran zweifeln. Also kehren
wir zu den bewährten Methoden zurück! Keine Raufereien
mit den Kommunisten, keine Raufereien mit den Faschisten,
Die Ordnung in den Straßen ist Sache der Polizei:
Und die Ordnung in der Gesetzgebung, im ganzen staat-
lichen Leben, ist Sache der gewählten Volksvertreter, also
der politischen Parteien.“
Der Tod des Exsultans.
Der geheimnisvolle Selbstmord des Leibarztes.
Rom, 24. Mai. Der plötzliche Tod des letzten Sul-
Nein. Seiner Artung nach konnte er es nicht. Ihn
schreckte alles, was aus dem Rahmen des ihm gewohnten
fiel, er war kein Mann mit weitem geistigen Horizont.
ler würde sich verletzt und angewidert von ihr wenden, wenn
sie sich ihm in ihrer wahren Gestalt zu erkennen gab.
Ah — welche Beherrschung, welche Ueberwindung
kostete es sie oft, sich ihm zu zeigen, wie er sie zu sehen
wünschte!
Marie Valerie wäre die passende Frau für ihn
gewesen.
Und da war sie gekommen — und hatte das Bündnis
zweier Herzen mit grausamer Hand auseinandergerissen!
Ah — wie hatte es ihr wohlgetan, die stolze Fürstin
in der hochmütigen Pflegetochter zu treffen!
Die Fürstin, die sich Madame Helene zu Hilfe holte.
Wie diese Weiber sich gegen sie verschworen hatten?!
Glaubten sie wirklich, daß ihnen das Wild so leicht
fin die Falle ging?
O nein, eine Frau wie sie, wehrte sich ihrer Verfolger!
Wer hatte Beweise gegen sie?
Niemand! Wer konnte behaupten, daß sie nicht
die Gräfin Sarolta Nagyary war?
Niemand!
Wer hatte Gräfin Sarolta Nagyary, die von einem
Krankenzimmer ins andere reiste, ob es nun in der
Schweiz, Frankreich oder Italien war, gekannt?
Niemand! Selbst den eigenen Verwandten war sie
entfremdet gewesen. Pah — sie konnte eine Welt in
die Schranken fordern!
O nein, Madame Helene, so leicht gab man den
Kampf nicht auf.
Sie wollen einen „Fall“, eine Sensation, die ihren
Namen wieder einmal durch alle Zeitungen trägt, sie
wollen beweisen, daß sie die Meisterschaftsdetektivin sind,
die die feinsten Netze mit ihren schlanken weißen Händen
entwirrt, aber ich werde Ihnen nicht den Gefallen tun,
zur Erhöhung Ihres Rufes beizutragen. Sie haben schon
einmal Schiffbruch gelitten an mir und Sie werden es ein
zweites Mal, Madame Helene!
Ich werfe Ihnen den Jehdehandschuh hin! Hüten
Sie sich vor mir, trachten Sie nicht danach, mich ins
Verderben zu stürzen, denn ich schwöre es Ihnen, ich würde
Sie mit mir reißen!
Sie kennen mich nicht, Sie wissen nicht, wessen ich
fähig bin
Bestürzt sah sich Sarolta Wheyersberg in ihrem
Ankleidezimmer um. Nein, niemand hatte sie beobachtet,
niemand sie gehört.
Sie wusch ihr Gesicht mit Kölnischen Wasser und
betupfte es mit Puder. Dann ordnete sie ihr Haar vor
dem Spiegel.
Erschrecht fuhr sie zurück.
Das Gesicht der echten Sarolta Nagyary hatte ihr
plötzlich daraus entgegengeblicht.
Drohend, vorwurfsvoll und anklagend.
Nur sehundenlang dauerte die Anwandlung ner-
vöser Schwäche.
Dann war sie wieder Herrin ihrer selbst.
War sie nicht die rechtmäßige Gräfin Wheyersberg?
Die Mutter des Grafen Ottokar?
Frederich würde sie verdammen, aber er war ihr
Sklave. Ein triumphierendes Lächeln glitt über ihr Ge-
sicht, sie rechte ihren stolzen, schlanken Oberkörper zu seiner
vollen Höhe empor.
Er kam nicht los von ihr — niemals!
Auf seinen Lippen lag der Brand von ihren Küssen,
die sie zur Herrin über ihn machten.
Und wenn er Schmach und Schande auf ihr Haupt
häufen ließ, traf er den Sohn in ihr.
Madame Helene sollte nur den Waffengang beginnen,
sie war gewappnet und bereit, ihn zu parieren!
Die Toten blieben stumm!
Ein neuer Gedanke fand Eingang in ihr gereiztes
Hirn.
Sie wollte mit der Detektivin sprechen. Die Empörte,
die Beleidigte spielen, mit Gegenmaßregeln drohen, wenn
sie sich weiterhin als Verfolgerin an ihre Fersen zu heften
wagte. Und dabei aus ihr herauslochen, was sie eigent-
lich wußte.
Sarolta Wheyersberg blieb sinnend vor ihrem spitzen-
verhangenen Ankleidetisch steyen, auf dem Kristallflaschen,
Dosen und Schalen funkelten.
Wie hatte sie auch nur sekundenlang an die Möglich-
keit glauben können, einen solchen Plan auszuführen! Wer
sagte ihr, daß Madame Helene sie verfolgte? Womit
hhatte sie es bewiesen?
Damals in Zürich freilich
Ein höhnisches Lächeln glitt über das Gesicht der
Gräfin. Die Detektivin war die Hereingefallene ge-
wesen.
Das Diadem hatte sie nicht in die Hände bekommen,
so wenig wie die Diebin, Da kam ihr ein erlösender
Gedanke. Seine Ausführung war schwierig, aber es
mußte geschehen. Die Detektivin sollte das Diadem er-
halten. Damit wollte sie sich loskaufen, sie mußte dann
ablassen von ihr. Und wenn sie es doch nicht tat?
Gräfin Sarolta nahm den silbernen Zerstäuber von
ihrem Ankleidetisch und ließ einen Regen von Parfüm auf
sich herniedergehen. Das Spiel zerstreute sie einen Augen-
blick. Sie hatte eine unbesiegbare Vorliebe für Wohl-
gerüche.
Und dann fiel ihr plötzlich ein: Warum hatte Madame
Helene den Professor Lemare in Paris aufgesucht?
Sarolta erblaßte. Doch nur zu dem Zweche, Material
gegen sie zu sammeln, das sich eines Tages zur Anklage
verdichten konnte.
Welche Auskunft mochte er der Detektivin gegeben
haben?
Sie warf den Kopf zurück.
Sie brauchte nicht fürchten und sorgen. Dieser Kron-
zeuge war unschädlich. Auf sein Zeugnis allein konnte
sie niemand verdammen. Ein großer Arzt, den Hunderte
von Menschen alljährlich konsultieren, wie konnte er sich
auf sein Personengedächtnis verlassen?
Der Gedanke nörgelte und quälte an ihr herum, ob
die Detektivin Gravierendes über sie erfahren?
Sollte alles, alles, was sie erstrebt und aufgebaut
hatte, vernichtet werden, bloß weil eine ehrgeizige Frau
es sich in den Kopf gesetzt, in ihrer Vergangenheit zu
wühlen, sie zu brandmarken, um ihrem Ruhmeskranz
als Meisterschaftsdetektivin ein neues Blatt hinzuzufügen?!
Man würde ihr den Mund schließen mit dem Diadem.
Ihre Gedanken jagten weiter.
Hatte sie keine Verdienste?
Spendete sie nicht mit vollen Händen?
Galt ihr soziales Rettungswerk für nichts? Schul-
dete Deutschland ihr keinen Dank für die tatkräftige Hilfe,
die sie den Aermsten unter den Armen, den vaterlosen.
verlassenen Kindern leistete?
Název souboru:
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