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„Karlebader Badeblatt und Wochenblatt“ Nr. 283
13. December 1899
den
best
Obstructionshelden von Anfang nicht täuschen lassen.
So lange indess — so schreibt das Organ der
deutschen Großgrundbesitzer — die Verständigungs-
action zwischen rechts und links in Schwebe war,
hatten die Vertreter der Rechten einen billigen
Vorward, um ihre zweideutige Haltung in
Bezug auf den Fortgang der parlamentatischen
Arbeiten mit der gebotenen Rücksichtnahme auf die
Stimmungen des Tschechenclubs zu begeünden.
Mit der Zauderpolitik der angeblichen „Staats-
parteien“ von rechts und links sind kostbare Wochen
ungenützt verstrichen. Die unerbittliche Macht des
Kalenders allein kann darnach angethan sein, über
den kaum wiedererwachten Parlamentarismus in
Oesterreich eine neuerliche schwere Krisis zu ver-
hängen Das aber wollen gerade die Tichechen....
Die Lage im Abgeordnetenhause ist nun für die
Parteien der Rechten insoweit völlig geklärt, als
knapp vor die Entscheidung gestellt sind, wer sich
in diesem Hause für oder gegen die Obstruction
bekennen und sein politisches B'kenntnis diesem Be-
kenntnisse entsprechend einrichten will. Das gelobte
Eintreten für den Staat und seine Bedürfnisse
kann in der erübrigten Spanne Zeit nicht mehr
durch passide Assistenz, sondern durch active
Bekämpfung der tschechischen Obstruction ver-
wirklicht werden. Ein platonisches Ableugnen nach
Außen, gleichzeitig aber freundliches Augenzwinkern
und verständnisvolle Händedrücke im Hintergrunde
sind gar nicht danach angethan, um ein verpfände-
tes Manneswort rechtschaffen einzulösen. Nicht in
den nächsten Tagen: in den nächsten Stunden
muss es sich erweisen, inwieweit die maßgebenden
außertschechischen Gruppen der Rechten gewillt
sind, dem Staatsgedanken gebürend Raum zu
geben.“
Mit diesem Doppelspiel wird endlich aufge-
räumt werden iüssen. Die parlamentarischen
Verhältnisse gehören ebenso zur Gesundheit des
ganzen Staatswesens wie die täglichen Waschungen
zur körperlichen Gesundheit. Ein moderner Staat
ohne Parlamentarismus ist nicht denkbar Wenn
sich die Herren von der Rechten noch so sehr be-
mühen, entweder einen Parlamentarismus durchzu-
setzen, der nur allein ihnen dient oder das Ver-
tretungswesen ganz zu verderben, um zu einem
Absolutismus zu gelangen, der abermals nur ihre
Geschäfte besorgen soll, so rechnen sie nicht mit der
Kraft und dem Willen der Krone, die gezeigt hat,
daſs sie nicht gesonnen ist, dieser Majorität weiter
das Staatsruder zu überlassen. Wenn dieses Par-
lament nicht die von ihm verlangte Arbeit leisten
will, die hinüberleiten soll zu einem verständigeren
Systeme als die bisherigen, so bleibt nichts übrig,
als dieses Parlamert aufzulösen und
Neuwahlen auszuschreiben.
Local-Nachrichten.
(Vom Karlsbader Renuplatze.) Am
10. d. M. 1/28 Uhr abends fand in der Prager
Adelsressource eine Comité Sitzung des böhmischen
Rennvereins statt, bei welcher unter anderem ein
für die Karlsbader Rennbahn und
Karlsbad überhaupt höchst wichtiger Pro-
grammspunkt zur Berathung gelangte. Es war
dies der Entwurf eines Uebereinkommens mit dem
Jockeyclub für Oesterreich bezüglich der weiteren
Veranstaltungen von Rennen in Karlsbad, welches
nach Durchberathung der einzelnen Punkte des
Uebereinkommens einstimmig vom Comi é des höhm.
Rennvereines angenommen wurde. Nach diesem
Uebereinkommen tritt der Jeck yelub vorläufig auf
die Dauer von 10 Jahren an Stelle des böhm.
R nuvereins in den mit der Stadt Karlsbad ab-
geschlossenen Vertrag ein und übernimmt daher die
selbstständige Leitnng und Do-
tierurg der Rennen in Karlsbad.
Für die Karlsbader Rennbahn würde eine separate
Verrechnung geschaffen, wobei ein allfälliger Ge-
winn nach Abzug aller Spesen und Ergänzung
der Verzinsung der Rennbahnantheilscheine bis auf
41/2 % zwischen dem böhn. Reunverein und dem
Jockey-Club getheilt würde, ein Deficit aber vom
Jockey Club allein zu tragen wäre. Den Mit-
gliedern des höhm. Rennvereines bleibt der freie
Eintritt wie bisher gewahrt, alle politischen Con-
cessionen würden an den Jockey Club übertragen.
Der Jocky Club. der die Kaelsbader Rennen
lediglich im Interesse der Hebung der Pferdezucht
in Oesterreich und der Ausgestaltung des Sports
übernimmt, behält sich für den Fall der Nicht-
erfüllung dieses Zweck s das Recht vor, den Ver-
trag mit dem böhm. Rennvereine nach sechswöchent-
licher Kündigung mit Ende eines jeden Jahres auf-
zulass u, was indessen gleichbedeutend ist mit einer
3—4-jährigen Kündigung, da am 31. D cember
die Rennen für das nächste Jahr bereits festgesetzt sind
und für die großen Preise die Nennungen sich über
3 Jahre vorher erstrecken. Dieser Vorbehalt dürfte
nach der allgemeinen Ansicht der Fachkreise ein zur
Anwendung kommen, da über die günstige
Zukunft der Karlsbader Reunbahn
nur eine Stimme herrscht. Für 1900
werden bereits 9 Renntage mit Gesammt-
preisen von 318000 Kronen in Aussicht ge-
nommen. Dieses Uevereinkommen sollte der General-
versammlung des „Jockey Club“ am 11. d. M.
also gestern vorgelegt werden und würde für der
Fall der Annahme die Uebergabe der Karlsbader
Reunbahn baldmöglichst zu erfolgen haben. Be-
züglich etwaiger Erweiterungsbauten auf der Reun-
bah“, würde dann sich der Jockey Club mit dem
Stadtrathe ins Einvernehmen setzen, wobei wahr-
scheinlich Modificatiouen der vom böhmischen Renn-
verein geforderten Bauten eintreten dürften, deren
Pläne vom Stadtbauamte fertig gestellt vorlagen.
Von Seite des Comité's des böhmischen Renn-
vereins waren anwesend die Herren Baron
Aehrenthal als Vorsitzender, Ihre Durchl.
Fürst Franz Auersperg, Prinz Hohenlohe,
Graf Ermein Nostitz, Graf Rudolf Kinsky,
Graf Clam-Martinic; von Karlsbad
Bürgermeister Ludwig Schäffler und Stadt-
rath Leo von Mattoni. Fürst Frauz Auers-
perg ist gleichzeitig Mitglied des Directoriums des
österr. Jeckey Cluds. Es versteht sich von selbst,
daſs die Karlsbader Comitémitglieder das Ueberein-
kommen mit dem Jockey Club auf das freudigste
begrüßten und ebenso für die Schaffung eines
Heröstmeetings eintraten. Welche enorme Bedeu-
tung die Uebernahme der Rennbahn durch den
Jockey Club für Karlsbadzbesitzt, brauchen wir nicht
erst zu sagen. In Sportkreisen hat der Jock y Club sein
unantastbares Renommee und wo der Club eingreift,
war bisher ein Gelingen nie ausgeschlossen. Durch
diese Uedernahme werden zweifellos auch die deutschen
Rennställe lebhaft angezogen werden und Karlsbad
kann sich — die Perfectionierung obigen Ueberein-
kommens vorausgesetzt — auf eine ungemein rege
Sportsaison, aber auch auf den Besach illustrer
Persönlichkeiten des österreichischen und deutschen
Hochadels gefasst machen.
(Nachmittagsconcert der Kurkapelle.)
Heute Nachmittag 4 Uhr findet im Kurhause ein
eintrittsfreies Concert mit nachstehendem Programme
statt: 1. Castaldo-Marsch von Novadek. 2. Un-
garische Lustspiel Oaverture von Kéler Béla. 3.
Die Schlittschuhläufer, Walzer von Waldteufel.
4. Fantasie a. d. Muſikdrama „I Pagliacci“ von
Leoncavallo. 5. Sphären-Musik für Streichinstru-
mente von Ruhinstein. 6. Der Klapperstorch, Con-
cert Polka von Kahnt. 7. Die Post im Walde v.
Schäffer. 8. Le reveil du lion, Caprice von A.
Kontsky. 9. Neue Wiener Volksmusik, Potponrri
von Komzák.
(Für den Fond der Rumfordsuppe)
sind auch heuer wieder zahlreiche Spenden an Geld
und Victualien eingegangen. So wurden der
Armencommission in Baar 843 fl. und große Quan-
titäten von Reis, Gries ꝛc. übermittelt.
(Besitzwechsel.) Die Karlsbader Spar-
cassa hat das Haus „Ananas“ um 220.000 fl.
käuflich erworben.
(Theater Variété im Hotel Weber.)
Heute Mittwoch gelangt Sudermanns vielbegehrtes
Schauspiel „Die Ehre“ zur Aufführung. Die
Rolle der Frau Heinecke befindet sich in den Händen
der Frau Director Zähler, die des Grafen Trast
als
„a“
„Ein Knabe, der mit Spielsachen handelt,“
meldete er, „ich habe ihn natürlich weggeschickt.“
„Natürlich weggeschickt!“ wiederholte da
Herbett, indem er die Dam: des Hauses fragend
ansah.
„Holen Sie den Knaben zurück!“ befahl Va-
leska dem Diener. „Sie hätten ihn überhaupt nicht
eigenmächtig abweisen sollen.“
„Aber gnädige Frau,“ wehrte Herr v. Wichern,
„dies Bettelvolk ..
„Hat zwar keinen Stammbaum aufzuweisen“,
fiel ihm Herbert ins Wort,“ aber immerhin sind es
Menschen, also unsere Brüder.“
„So zu sagen“, sekundierte der Referendar,
innerlich belustigt über die Abfettigung des alten,
etwas sehr eitlen Herrn, der eine Bewegung
machte, als ob er sagen wollte: „Ich für meine
eigene Person lehne diese Art von Brüderschaft
dankend ab.“
Juzwischen hatte der Diener den Knaben
zurückgebracht.
„Führen Sie ihn herein!“ gebot Valeska.
Judigniert stand der Baron auf — das
Sonper war längst schon zu Ende — und trat aus
Fenster.
Der zaghaft eintretende Knabe mochte etwa
zehn Jahr alt sein, doch ließ sein blasses, einge-
fallenes Gesicht und der ernste Blick seiner Augen
auf ein höheres Alter schließen. Die kleine hagere
Figur steckte in einem viel zu weiten Sommer-
anzuge. Am Arm trug er einen Korb mit allerlei
Kuderspielsachen. Seine Bewegungen waren scheu
und ängstlich.
Valeska forderte ihn nun auf, seine Schätze zu
zeigen.
Mit seinen steifgefrorenen zitternden Händen
kam er der Aufforderung nach, so gut es gehen
wollte. Kleine Pappen mit dicken, knallrothen
Backen, Bajazzos mit Schellen, Waldteufel,
hölzerne Kaarren und ähnliche Herrlichkeiten brachte
er hervor.
Herbert nahm eine kleine zappelnde Papp-
figur, welche beim Anziehen des Bindfadens Arme
und Beine in die Höhe warf. Sie sollte Boulan
ger vorstellen und hatte fürchterliche Augen.
„Ich werde diesen Gegenstand kaufen,“ sagte
Herbert und legte ein Zwanzigmarkstück auf einen
Teller, mit welchem er sich an Grumbow wandte,
der sich für einen Waldteufel entschied und zehn
Mark auf den Teller warf. Der Baron hatte den
Vorgang beobachtet und wurde unruhig. Er zog sein
Pottemonnaie heraus und suchte.
Valeska, die seine wachsende Verlegenheit be-
merkte, kam ihm zuvor und rief lachend:
„Ich erhebe Protest. Die gesammten Sachen
gehören mir, denn ich als Frau des Hauses nehme
das Vorkaufsrecht für mich in Anspruch.“
Der Knave ward am warmen Kamin durch
Speise und Trank erquickt. Während dessen be-
antwortete er zögernd und schüchtern die an ihn
gestellten Fragen. Sein Vater sei längst gestorben,
erzählte er, und die Mutter sei krank. Früher
habe sie viel gearbeitet, jetzt könne sie nur wenig
thun. Die Puppen habe sie schon im Sommer
gemacht, wobei Louise, die Schwester, geholfen
habe. Waldteufel und Knarren seien Werke des
älteren Bruders. Die „Hampelmänner“ fertige er
selbst an. — Diese schlichten Mittheilungen er-
schlossen den Blick in eine Welt trostlosen, ver-
schwiegenen Elends.
Eingehüllt in eine schützende Decke und mit
einer ihm ungeheuer scheinenden Summe versehen,
trat der Kaabe seinen Heimweg an. Ihm war
es, als sei ihm der heilige Christ schon heute er-
schienen. —
Draußen flimmerten die Sterne lustiger als
zuvor. In der Ferne zerflatterte der lichte, dünne
Rauch der Schornsteine rasch im scharf wehenden
Ost, und die Räder eines vorüberfahrenden Wagens
knirschten in dem gefrorenen, im kalten Licht des
Mondes weithin leuchtender Schnee.
Düren stand am Feuster, und dem schnell
davoneilenden Kuaben nachblickend murmelte er:
„Was ihr gethan habt einem dieser Geringsten,
das habt ihr mir gethan.“
Die Stimme des Barons weckte ihn aus
seinen Träumen.
„Darf man fragen, Herr Düren“, sagte dieser
mit einem unverkebaren Anfluge von Spott, „ob
Ihre Vorliebe für Kinderspielsachen nur Ihrem
allgemein menschlichen Empfinden entspringt, oder
ob ihr — wie ich vermuthen möchte — eine be-
stimmte Ursache zu Grunde liegt?“
(Fortsetzung folgt.)
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