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Nr. 232. Donnerstag, 12. October 1899. 23. 39. Jahrgang. Abonnements-Preise: Cenzjährig Für Karlsbad: Verteljährig ......2 fl. lbjährg ........4 fl. .......8 fl. Karlsbader Redaktion und Administratien: im Hause „Bellevue,“ Stefaus- promenade. Zustellung ins Haus: pro Quartal 20 kr. Mit Postversendung: Inland: Vierteljährig 3 fl. halbjährig ....... 6 fl. Canzjährig .12 fl. Ausland: Vierteljährig .......6 M. Halbjährig ........12 M. Ganzjährig ......24 M. Gadeblatt (Wochenblatt) Erscheint ganzjährig täglich mit Ausnahme nach Sonn- und Feiertagen. Celephon-Nr. 591. Inserate werden nur gegen Voraum zahlung angenommen. Preis der amdll gespaltenen Petitzeile 6 kr. Inserate, für den nächsten Tag be- stimmt, werden nur bis 3 Uhr nach- mittags in der Administration und in der Franieck'schen Leihbibliothek Mannt, „5 Lämmer“ entgegengenommen. Manuscripte werden nicht zurückgegeben Einzelne Nummern 5 kr. Einzelne Nummern 5 kr. Herausgeber: Ernest Franieck. Inserate übernehmen die Annoncen-Bureans Haasenstein à Vogler in Wien, Rudolf Mosse in Berlin und Wien und sämmtliche anderen Filialen dieser beiden Firmen. Die „Harmlosen.“ Man schreibt uns aus Berlin: Der bisherige Verlauf des in Berlin sich ab- spielenden Spielerprocesses hat ergeben, daſs die „Harmlosen“ zwar nicht harmlos im bürgerlichen und moralischen, aber doch im juridischen Sinne des Wortes sind. Die Enthastung der Angeklagten, die nahezu drei Vierteljahre sich in Untersuchungs- haft befunden hatten, aus eigener Initiative des Gerichtshofes ist der beste Beweis für die juristi- sche Harmlosigkeit der sorst freilich nicht harmlosen „Harmlosen“. Es ist sogar anzunehmen und wird auch vielfach angenommen, daſs die gänzliche Frei- sprechung der Angeklagten erfolgen werde. Ge- schieht dies, dann wird der Process hoffentlich etwas Gutes auch für die Allgemeinheit haben. Man wird, nachdem junge Männer aus vornehmen Familien so lange ohne hinlänglichen Grund in Untersuchungshaft haben schmachten müssen, wahr- scheinlich endlich daran gehen, die discretionäre Ge- walt, vermöge welcher ganz unschuldige Leute so lange in Haft gehalten werden können, nach dem Beispiele anderer Länder erheblich einzuschränken. Den jungen Leuten, die hier in Rede stehen, hat die lange Haft ja wahrlich nicht sonderlich geschadet. Sie werden sich gut haben verpflegen können, sind wohl auch nicht, wie es anderen Untersuchungs- gefangenen leider nur zu oft geht, gleich Verbrechern behandelt worden, haben keine geschäftliche Einbuße erlitten, im Gegentheil Zeit und Muße gehabt, über ihren bisherigen Levenswandel nachzudenken und sind in der ganzen Zeit gegen ihren Willen vor Schaden an Beutel, Leib und Seele bewahrt worden. Da geht es schlichten Bürgersleuten, Handwerkern, Arbeitern und vielen Anderen, die täglich zu arbeiten haben, um für sich und ihre Fam lie den Unterhalt zu verdienen, oft ganz, ganz anders. Eine auf einen leichten Verdacht hin ver- fügte Untersuchungshaft kann manche Familie wirt- schaftlich, gesellschaftlich, und selbst moralisch für immer vernichten. Das liegt so sehr auf der Hand, daſs wir uns eine nähere Ausführung wohl ersparen können. Man darf namentlich auch nicht vergessen, daſs in schlichteren Kreisen, die nicht alle Für und Wider so reiflich erwägen, Zeit und Geisteskraft haben, dem noch so unschuldigen Untersuchungs- gefangenen auch nach seiner Enthaftung nach dem Satze semper aliquid haerat ein ewiger Makel anhaftet. „Er hat gesessen“, heißt es und damit fertig. Die Kreise aber, denen die Herren v. Kayser und von Kröcher angehören, wissen ganz genau, daſs diese Herren nichts gethan haben, was ihre Haft gerechtfertigt hätte, und weiter, obwohl wahr- lich nicht harmlos, doch nur gethan haben, was Tausend Andere ihres Standes tagtäglich auch thun. Die Angeklagten, falls sie gänzlich freige- sprochen werden, werden in den doch sonst so viel penibleren Kreisen als interessante Märtyrer ange- sehen werden, und das ist um so bedauerlicher, als sie weder Märtyter sind noch als solche angesehen zu werden verdienen, auch wenn die völlige Frei- sprechung erfolgt. Der Process der „Harmlosen“ hat gezeigt, wie es in gewissen Kreisen zuge)t. Wir wollen nicht pharisäerhaft einen Stein auf die Angeklagten und auf die im Grunde mitangeklagten prinzlichen, gräflichen, freiherrlichen und plutokratischen — Zeugen werfen. Wir wollen auch nicht behaupten, daſs die Herren typisch sind für die ganze vor- nehme Welt. Wir wissen im Gegentheil ganz genau, daſs gerade in der Officierswelt im Allge- meinen jetzt ein viel sittlicherer, ernsterer Ton herrscht, als vor wenigen Jahrzehnten, da es noch nicht so viel geistige und physische Anstrengung kostete, Lieutenant zu werden und Lieutenant zu sein. Wir wollen noch weniger pharisäerhaft be- haupten, daſs in bürgerlichen Kreisen nicht gespielt, gezecht, über die Mittel hinaus gelebt und leicht- sinnig und unsittlich Zeit und Mittel vergeudet werden. Aber es wird dies alles in den gesell- schaftlich minder bevorzugten Kreisen ganz gewiss nicht mit der Selbstverſtändlichkeit getrieben, wie in den Kreisen, deren Vertreter in dem Process der „Harmlosen“ scharenweise aussagen. Das Schlimmste ist, daſs die Sünder nicht die alleinigen Opfer ihres Thuns sind, wenn sie auch fast immer Opfer werden. Die Eltern und die Geschwister sind die eigentlichen und bedauernswertesten Opfer. Nicht die Angeklagten, nicht die Zeugen, nicht die Ver- führten haben wir so bedauert, als den ehrwürdi- gen General v. Kröcher, der nicht einmal wusste, daſs er durch den Ausdruck „gewerbsmäßiger Spieler“ seinen Sohn so schwer belastete. Diese juristische Unwissenheit des Generals, dessen Herz und Beutel so sehr bluten muſsten, spricht allein so viel zu Gunsten der höheren und ernsteren Kreise, wie die wüsten Orgien von hundert jungen Leuten zum Nachtheil der vornehmen Welt spricht. Es ist nicht unsere Aufgabe, hier eine Sitten- predigt zu halten. Sie ist bereits von höchster und berufenster Seite gehalten worden, und wir wüssten nicht, wer nachdrücklicher gegen das in diesem Pro- csse blosgestellte Treiben predigen könnte, als der Kaiser es nach dem Spielerprocesse in Hannover Die Stiefschwestern. Roman von Anna Seyffert. 12. Fortsetzung.) Tiefschwarzes Haar von so mächtiger Fülle, daſs es der Besitzerin unmöglich sein mochte, das- selbe aufzustecken, umhüllte gleich einem dunklen, anschmiegenden Mantel die schön geformte Büfte des Mädchens und reichte weit hinab über den Taillenschluss. Wie sie jetzt so dastand, die dunkel- blaue Plüschportiere mit der kleinen, reizenden Hand zurückgehalten, die großen räthselhaften Augen voll auf Elsa' gerichtet, da konnte man sie schon für eine jener bestrickenden Sirenen halten, von denen die Sage erzählt, daſs sie jedes Menschenherz nach ihrem Willen regieren. Wie magnekisch angezogen starrte noch immer Elsa auf die junonische Gestalt dort drüben und unwillkürlich war ihr auch das Auge des Stafen gefolgt. Dabei erfasste sie plötzlich eine geradezu schmerzende Angst — wie, wenn sie hier nur der Störenfried war? Wenn Ewald sich durch die Reize dieses Weibes hatte fesseln lassen, um sie, die arme Elsa zu vergessen? Dieser Gedanke schnürte ihr fast Kehle zusammen, und kaum verständlich brachte die wenigen Worte hervor: „Lassen Sie mich meinen Gatten sehen, Herr [Rachdruct verboten.] die sie Graf, unsern vereinten Bitten wird es gelingen, Ihr Herz zu erweichen!“ „O ich ftöre“, bemerkte in diesem Augenblicke das schöne Mädchen gleichgiltig, „ich bitte um Verzeihung, Herr Graf.“ Sie verneigte sich leicht gegen den Schloss- herrn, und entschwand Elsas Blcken wie ein schönes Bild, das man auf immer in der Erinnerung fest- halten muse. Der jangen Frau wenigstens hatten sich die Züge der Fremden sest und klar eingeprägt, daſs sie dieselben zu jeder Stunde und in jeder Unhüllung wieder erkennen musste. Der Graf aber war plötzlich total verändert. Jede weichere Regung, die darin aufgetaucht, war aus seinem G sicht entschwunden. Ein verächtlicher, an Hass streifender Blick traf die Aermste, welche noch immer am Boden knieete. „Ihren Gatten?“ fuhr er Elsa an, „was habe ich mit Ihrem Gatten zu schaffen, Madame! Kehren Sie zurück zu demselben, und berichten Sie ihm, daſs Graf Feodor zu Northof keinen Erben besitzt, daſs —“ nun brach doch seine Stimme in schmerz- lichem Weh — „daſs Graf Northofs einziger Sohn todt ist.“ Elsa hatte sich mit einer energischen Bewegung erhoben. „Nein, Herr Graf, dahin soll es nicht kommen“, entgegnete sie kurz und fest. „An dieser Stelle mag Ewald selbst entscheiden über unser Aller Schicksal. Aus seinem Munde wollen wir hören, zu wem sein Herz ihn treibt! Wendet er sich Ihnen, dem Vater zu, dann Herr Graf, will ich mich still bescheiden, mich, ohne zu klagen, in den entferntesten Winkel der Erde zurückziehen, wo ich meinen Gram und meine Schmach überwinden kaun.“ Und wieder traf der wahrhaftige, hoheitsvolle Ton, den das tiefgekränkte Weib angeschlagen, das Herz des Grafen, und seine Stimme klang unsicher, als er entgegnete: „Sie sprechen gerade, als läge es in meiner Macht, meinen Sohn hierher zu citieren — Sie müssen doch bedenken, daſs ich seit Monaten kein Lebenszeichen von ihm erhalten habe, und Sie selbst müssten doch am besten wissen “ „Großer Gott!“ schrie Elsa, am ganzen Körper zitternd, auf, „Ewald ist also nicht bei Ihnen, weilt nicht seit Moaaten schon hier im Schlosse? Der Graf zuckte verständnislos die Achseln. „Ich weiß nicht, was ich von Ihrem Benehmen denken soll, Madame!“ „Mein Gatte ist vor Monaten von mir ge- gangen,“ berichtete die Gräfin mit fliegendem Athem, „er wollte sich unverzüglich zu seiner Familiebe- geben — damals, als Sie ihn zurückriefen ... Seit unserem Abschied habe ich noch kein Lebens- zeichen wieder von meinem Gatten erhalten, und
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