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Nr. 232.
Donnerstag, 12. October 1899.
23. 39. Jahrgang.
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Die „Harmlosen.“
Man schreibt uns aus Berlin:
Der bisherige Verlauf des in Berlin sich ab-
spielenden Spielerprocesses hat ergeben, daſs die
„Harmlosen“ zwar nicht harmlos im bürgerlichen
und moralischen, aber doch im juridischen Sinne
des Wortes sind. Die Enthastung der Angeklagten,
die nahezu drei Vierteljahre sich in Untersuchungs-
haft befunden hatten, aus eigener Initiative des
Gerichtshofes ist der beste Beweis für die juristi-
sche Harmlosigkeit der sorst freilich nicht harmlosen
„Harmlosen“. Es ist sogar anzunehmen und wird
auch vielfach angenommen, daſs die gänzliche Frei-
sprechung der Angeklagten erfolgen werde. Ge-
schieht dies, dann wird der Process hoffentlich etwas
Gutes auch für die Allgemeinheit haben. Man
wird, nachdem junge Männer aus vornehmen
Familien so lange ohne hinlänglichen Grund in
Untersuchungshaft haben schmachten müssen, wahr-
scheinlich endlich daran gehen, die discretionäre Ge-
walt, vermöge welcher ganz unschuldige Leute so
lange in Haft gehalten werden können, nach dem
Beispiele anderer Länder erheblich einzuschränken.
Den jungen Leuten, die hier in Rede stehen, hat
die lange Haft ja wahrlich nicht sonderlich geschadet.
Sie werden sich gut haben verpflegen können, sind
wohl auch nicht, wie es anderen Untersuchungs-
gefangenen leider nur zu oft geht, gleich Verbrechern
behandelt worden, haben keine geschäftliche Einbuße
erlitten, im Gegentheil Zeit und Muße gehabt,
über ihren bisherigen Levenswandel nachzudenken
und sind in der ganzen Zeit gegen ihren Willen
vor Schaden an Beutel, Leib und Seele bewahrt
worden. Da geht es schlichten Bürgersleuten,
Handwerkern, Arbeitern und vielen Anderen, die
täglich zu arbeiten haben, um für sich und ihre
Fam lie den Unterhalt zu verdienen, oft ganz, ganz
anders. Eine auf einen leichten Verdacht hin ver-
fügte Untersuchungshaft kann manche Familie wirt-
schaftlich, gesellschaftlich, und selbst moralisch für
immer vernichten. Das liegt so sehr auf der Hand,
daſs wir uns eine nähere Ausführung wohl ersparen
können. Man darf namentlich auch nicht vergessen,
daſs in schlichteren Kreisen, die nicht alle Für und
Wider so reiflich erwägen, Zeit und Geisteskraft
haben, dem noch so unschuldigen Untersuchungs-
gefangenen auch nach seiner Enthaftung nach dem
Satze semper aliquid haerat ein ewiger Makel
anhaftet. „Er hat gesessen“, heißt es und damit
fertig. Die Kreise aber, denen die Herren v. Kayser
und von Kröcher angehören, wissen ganz genau,
daſs diese Herren nichts gethan haben, was ihre
Haft gerechtfertigt hätte, und weiter, obwohl wahr-
lich nicht harmlos, doch nur gethan haben, was
Tausend Andere ihres Standes tagtäglich auch
thun. Die Angeklagten, falls sie gänzlich freige-
sprochen werden, werden in den doch sonst so viel
penibleren Kreisen als interessante Märtyrer ange-
sehen werden, und das ist um so bedauerlicher, als
sie weder Märtyter sind noch als solche angesehen
zu werden verdienen, auch wenn die völlige Frei-
sprechung erfolgt.
Der Process der „Harmlosen“ hat gezeigt,
wie es in gewissen Kreisen zuge)t. Wir wollen
nicht pharisäerhaft einen Stein auf die Angeklagten
und auf die im Grunde mitangeklagten prinzlichen,
gräflichen, freiherrlichen und plutokratischen —
Zeugen werfen. Wir wollen auch nicht behaupten,
daſs die Herren typisch sind für die ganze vor-
nehme Welt. Wir wissen im Gegentheil ganz
genau, daſs gerade in der Officierswelt im Allge-
meinen jetzt ein viel sittlicherer, ernsterer Ton
herrscht, als vor wenigen Jahrzehnten, da es noch
nicht so viel geistige und physische Anstrengung
kostete, Lieutenant zu werden und Lieutenant zu
sein. Wir wollen noch weniger pharisäerhaft be-
haupten, daſs in bürgerlichen Kreisen nicht gespielt,
gezecht, über die Mittel hinaus gelebt und leicht-
sinnig und unsittlich Zeit und Mittel vergeudet
werden. Aber es wird dies alles in den gesell-
schaftlich minder bevorzugten Kreisen ganz gewiss
nicht mit der Selbstverſtändlichkeit getrieben, wie
in den Kreisen, deren Vertreter in dem Process der
„Harmlosen“ scharenweise aussagen. Das Schlimmste
ist, daſs die Sünder nicht die alleinigen Opfer ihres
Thuns sind, wenn sie auch fast immer Opfer
werden. Die Eltern und die Geschwister sind die
eigentlichen und bedauernswertesten Opfer. Nicht
die Angeklagten, nicht die Zeugen, nicht die Ver-
führten haben wir so bedauert, als den ehrwürdi-
gen General v. Kröcher, der nicht einmal wusste,
daſs er durch den Ausdruck „gewerbsmäßiger
Spieler“ seinen Sohn so schwer belastete. Diese
juristische Unwissenheit des Generals, dessen Herz
und Beutel so sehr bluten muſsten, spricht allein
so viel zu Gunsten der höheren und ernsteren Kreise,
wie die wüsten Orgien von hundert jungen Leuten
zum Nachtheil der vornehmen Welt spricht.
Es ist nicht unsere Aufgabe, hier eine Sitten-
predigt zu halten. Sie ist bereits von höchster und
berufenster Seite gehalten worden, und wir wüssten
nicht, wer nachdrücklicher gegen das in diesem Pro-
csse blosgestellte Treiben predigen könnte, als der
Kaiser es nach dem Spielerprocesse in Hannover
Die Stiefschwestern.
Roman von Anna Seyffert.
12. Fortsetzung.)
Tiefschwarzes Haar von so mächtiger Fülle,
daſs es der Besitzerin unmöglich sein mochte, das-
selbe aufzustecken, umhüllte gleich einem dunklen,
anschmiegenden Mantel die schön geformte Büfte
des Mädchens und reichte weit hinab über den
Taillenschluss. Wie sie jetzt so dastand, die dunkel-
blaue Plüschportiere mit der kleinen, reizenden Hand
zurückgehalten, die großen räthselhaften Augen voll
auf Elsa' gerichtet, da konnte man sie schon für eine
jener bestrickenden Sirenen halten, von denen die
Sage erzählt, daſs sie jedes Menschenherz nach
ihrem Willen regieren.
Wie magnekisch angezogen starrte noch immer
Elsa auf die junonische Gestalt dort drüben und
unwillkürlich war ihr auch das Auge des Stafen
gefolgt.
Dabei erfasste sie plötzlich eine geradezu
schmerzende Angst — wie, wenn sie hier nur der
Störenfried war?
Wenn Ewald sich durch die Reize dieses
Weibes hatte fesseln lassen, um sie, die arme Elsa
zu vergessen? Dieser Gedanke schnürte ihr fast
Kehle zusammen, und kaum verständlich brachte
die
wenigen Worte hervor:
„Lassen Sie mich meinen Gatten sehen, Herr
[Rachdruct verboten.]
die
sie
Graf, unsern vereinten Bitten wird es gelingen,
Ihr Herz zu erweichen!“
„O ich ftöre“, bemerkte in diesem Augenblicke
das schöne Mädchen gleichgiltig, „ich bitte um
Verzeihung, Herr Graf.“
Sie verneigte sich leicht gegen den Schloss-
herrn, und entschwand Elsas Blcken wie ein schönes
Bild, das man auf immer in der Erinnerung fest-
halten muse. Der jangen Frau wenigstens hatten
sich die Züge der Fremden sest und klar eingeprägt,
daſs sie dieselben zu jeder Stunde und in jeder
Unhüllung wieder erkennen musste.
Der Graf aber war plötzlich total verändert.
Jede weichere Regung, die darin aufgetaucht, war
aus seinem G sicht entschwunden. Ein verächtlicher, an
Hass streifender Blick traf die Aermste, welche noch
immer am Boden knieete.
„Ihren Gatten?“ fuhr er Elsa an, „was habe
ich mit Ihrem Gatten zu schaffen, Madame! Kehren
Sie zurück zu demselben, und berichten Sie ihm,
daſs Graf Feodor zu Northof keinen Erben besitzt,
daſs —“ nun brach doch seine Stimme in schmerz-
lichem Weh — „daſs Graf Northofs einziger Sohn
todt ist.“
Elsa hatte sich mit einer energischen Bewegung
erhoben.
„Nein, Herr Graf, dahin soll es nicht kommen“,
entgegnete sie kurz und fest. „An dieser Stelle
mag Ewald selbst entscheiden über unser Aller
Schicksal. Aus seinem Munde wollen wir hören,
zu wem sein Herz ihn treibt! Wendet er sich
Ihnen, dem Vater zu, dann Herr Graf, will ich
mich still bescheiden, mich, ohne zu klagen, in den
entferntesten Winkel der Erde zurückziehen, wo ich
meinen Gram und meine Schmach überwinden
kaun.“
Und wieder traf der wahrhaftige, hoheitsvolle
Ton, den das tiefgekränkte Weib angeschlagen, das
Herz des Grafen, und seine Stimme klang unsicher,
als er entgegnete:
„Sie sprechen gerade, als läge es in meiner
Macht, meinen Sohn hierher zu citieren — Sie
müssen doch bedenken, daſs ich seit Monaten kein
Lebenszeichen von ihm erhalten habe, und Sie selbst
müssten doch am besten wissen “
„Großer Gott!“ schrie Elsa, am ganzen
Körper zitternd, auf, „Ewald ist also nicht bei
Ihnen, weilt nicht seit Moaaten schon hier im
Schlosse?
Der Graf zuckte verständnislos die Achseln.
„Ich weiß nicht, was ich von Ihrem Benehmen
denken soll, Madame!“
„Mein Gatte ist vor Monaten von mir ge-
gangen,“ berichtete die Gräfin mit fliegendem Athem,
„er wollte sich unverzüglich zu seiner Familiebe-
geben — damals, als Sie ihn zurückriefen ...
Seit unserem Abschied habe ich noch kein Lebens-
zeichen wieder von meinem Gatten erhalten, und
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