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„Karlsbader Badeblatt und Wochenblatt“ Nr. 197
30. August 1899
Jetzt, da die Tschechen merken, es sei ein
besseres Geschäft zu machen mit dem Adler-
aufstecken, als mit dem bisherigen Adler-
beschmieren, sind sie eben daran, die k. k.
Amtsdiener-Livree anzuziehen. Diesmal empfiehlt
der bisherige Omladinistenvater Podlipny den
tschechischen Dorfpaschas, die bisher gegen das
„Hier“ fürchterliche Grimassen geschnitten, sich
gelegentlich der Durchreise des Kaisers auf den
Bahnhöfen „hier“ zu präsentieten, in der ange-
nehmen Hoffnung, die frischgebockene Leylität
werde auch mit politisch annehmbarem Trinkgelde
entlohnt werden; denn ein braver Mann thut
Alles ums Trinkgeld. Vielleicht existieren irgendwo
noch einige Exenplare des — k.? Rescripis, auf
weiches Papier gedruckt, um das Trinkgeld einzu-
wickeln. Auch hätte es für das Schnorrergeschäft
wirklich seinen Vortheil, wenn es die neugefärbten
Patrioten erbetteln könnten, daſs ein Mitglied des
Kaiserhauses in Prag seinen ständigen Aufenthalt
nähme. Da hoffen die Herren infolge ihrer welt-
bekannten Liebenswürdigkeit die hohen Kreise sich
näher rücken zu können, damit sich diese an dem
Geruch ihrer patriotischen Tugenden erlaben, was
inmerhin einige Stellen und Pfründen eintragen
könnte, abgesehen von der geheimen Rohr-
post, durch die man geschickt und ganz in der
Stille so manche saftige Vernaderung an die gewisse
Stelle zu besördern die Canäle fände.
Diese urplötzliche Galafrisur der struppigen
Karyatidenhäupter wirkt äußerst possierlich; denn
das böse Gewissen hat dieser etwas zugesetzt und
nahegelegt, sie mussten nun Alles daran setzen, um
in den höchsten Kreisen die Erinnerung an Moskau-
pilgerschaft, Riegersche Briefe an Napeleon, R.script-
papier, Clam'sche Steuerverweigerung, Omladina,
Adlerbeschmieren, Fohnenherabreißen, Aufruhr mit
Ladendieberei und Brandlegung, Komarow- und
Zdegeschichten durch möglichst grelle Register auf
der Loyalitätsorgel, die bei den Tschechen immer
eine Dreh Orgel ist, zu übertäuben. Dazu drängt
sich die seit 1892 eidbrüchige Feudal-
camarilla wieder aufdringlich an den Monarchen
heran, man läſst das Gerücht in den Lüsten
schwirren, die Stellung des Grasen Coudenhove,
der doch nicht immer so ganz die tschechischen
„Gefühle begreife“, sei erschüttert und ein „hoher
Cavalier“, der in Böhmen große Latifundien besitzt,
sei für den Statthalterposten bestimmt — natür-
lich ein Ultralsch'che. Daueben bemüht sich das
Hussitenthum — das gehört j2 zum Geschäft —
die Loyalität jener deutschen Gemeinden, durch
welche der Kaiser seinen Weg nehmen wird,
pränumerando zu verdächtigen. Ohne Verdächtigen
geht es ja tschechischerseits ebenso wenig, als beim
Bartkratzer ohne Seifenschaum.
Auf ein Leyalitätswettrennen mit den Haus-
tschechen Thuns wird deutscherseits verzichtet. Haben
die entscheidenden Kreise soviel klare Einsicht be-
halten, um zu erkennen, daſs die heftigen Convul-
sionen, zumal in Nordwestböhmen lediglich als der
Ausdruck des Volksingrimms gegen die
Feudalregierung des § 14 gerichtet sind
und sich gegen die ganze Betrugspolitik der Re-
gierung von Taaffe und die von den Tschechen dem
Grafen Badent abgegaunerten Spra-
chenverodrnungen, aber keineswegs gegen
das Herrscherhaus oder die Reichsein-
heit sich kehren, deren Wiederherstellung ja eben
in den Pfingstforderungen der Deutschen als uner-
lässliche Versöhnungsbedingung verlangt wurde:
dann kann dies den Deutschen genügen. Wäre
aber diese Einsicht infolge gewisser Camarillakünste
noch nicht zum Durchbruche gekommen, dann würde
auch asiatisches Zubodenkriechen wie es der Schah
verlangt, und wozu die Tschechen gegen Trinkgeld
immer bereit wären, daran nichts ändern. In dieser
Richtung hat der Bürgermeister von Leitmeritz,
Abg. Funke einen kaiserlichen Prinzen gegenüber
in aller Ehrfurcht ein treffliches Wort gesprochen:
ein echtes, loyales deutsches Bürger-
wort.
Neben einem hündischen Kriechen nach der ge-
wissen Gegend hin, von woher es auch Orden und
Stellen regnen kann, verstehen die ci-devant Omla-
dinisten und Adlerbeschmierer nichts so vortrefflich
als das wüthende Zähnefleischen gegen die Deutschen.
Unlängst haben die Hussnenblätter dem Grafen Thun
die Faust gezeigt, weil die Regierung gegen die
deutschen „Hochverräther“ große Lauheit bewiesen
habe, statt mit der „eisernen Hand“ dreinzufahren;
weil sie in Graslitz nicht noch blutiger habe drein-
hauen, stechen und schießen lassen! Damit singen
sie in rührendstem Gleichklange das Lied des Prese-
feldwebels Badeni. Dieser möchte wohl bis über
die Knöchel in deutschem Blute waten. „Erst muss
man scharf schießen, heult dieser Pole, dann
kann man blind schießen! Diese Herren haben ganz
auf den December 1897 vergessen, wo in Prag
unter den Augen von Polizei und Militär ge-
plündert, eingebrochen, verwünet, die Häuser der
Deutschen belagert und demoliert, ein Saratorium
bombardiert und Soldaten derart durch Steinwürfe
verletzt wurden, daſs der Kaiser eine Summe für
die verwundeten Soldaten spendete Wer hat in
Graslitz geplündert, und auf was hin sind dort die
Unruhen erst vom Zann gebrochen worden?
Wie hoch den Jungtschechen übrigens der
Kamm geschwollen ist, beweisen auch nicht zum we-
nigsten ihre letzten Grimassen, die sie gegen die
famose „Katholische Volkspartei“ schneiden. Die
hochmögenden Herren in Prag haben nämlich die
Gewogenheit, zu finden, daſs sich die „Gescherten“
noch immer nicht mit der erforderlichen Stallknechts-
unterwürfigkeit gegen hochdero Hussitengnaden be-
nehmen und wollen nun die Römline sörmlich
coramisieren; d. h. sie wollen „in allerkürzester
Zeit“ ihre Führer vor ihren Richterstuhl zerren
und diesen mit Daumschrauben die hochnothpein-
liche Frage vorlegen: Wollt Ihr durch Dick und
Dünn mit uns gehen oder wollt Ihr nicht?! Ge-
schieht den schwarzen Herren vollkommen recht!
Nach ihrem infamen Benehnen in der letzten Cllier
Angelegenheit, wobei zumal Karlon das Unglaub-
lichste an nationaler Ehrlosigkeit geleistet hat, werden
diese Herren nun von links wie von rechts als
Watschenmänner“ behandelt. Wohl ver-
dienter Lohn für die Rolle des „ehrlichen Maklers“,
welche diese verrätherische Sorte sich in heuch-
lerischer Doppelzüngigkeit anmaßt. Es geht ihnen
nun, wie in der bekannten Fabel der Fiedermaus,
welche von den Vögeln wie von den Mäusen gleicher-
maßen ausgestoßen wurde. Der fromme Missions-
pater Kathrein hat es beim verkehrten Ende
augefosst, indem er den Besonnenen Mäßigung ge-
predigt hat, anstatt die Unbesonnenen zu bekehren.
Da hat er nun die Bescherung! Die Unbesonnenen
— und das ist das Schnurrigste an der ganzen
Geschichte — nennen seine Predigt unsitklich,
und sie stehe einem frommen Christen und guten
O sterreicher schlecht an! — die Besonnenen lachen
ihn nun erst recht aus. Nein, Ihr frommen Herren!
Es geht wirlich nicht länger, zwischen den Regen-
tropfen spaz eren zu gehen, ohne nass zu werden!
Die Bezirkskrankenrasse Karlsbad.
Einen so recht ausführlichen Ueberblick welche
Wohlthaten die Karlsbader Bezirkskrankencasse im
Laufe der letzten zehn Jahre geschaffen, gibt der
Bericht des Vorstandes dieser Casse, welchen der-
slbe in der sonntägigen Generalversammlung er-
stattete. Derselbe wirft aber auch einige interessante
Streiflichter auf die Mängel des Krankenver-
sicherungsgesetzes, woshalb wir den Bericht aus-
zugsweise nachstehend folgen lassen. Es heißt in
demselben:
Durch das Gesetz vom 30. März 1888, Nr. 33, R.-
G.=Bl. für 1888, betreffend die Krankenversicherung der
Arbeiter wurde eine Wohlfahrtseinrichtung für die wirt-
schaftlich Schwächsten des Volkes geschaffen, dessen hohen
sittlichen Wert jeder Vorurtheilslose, ob Arbeitgeber oder
Arbeitnehmer, heute anerkennen wird und anerkennen muss.
Wenn auch jede Geldabgabe oder Steuer, wenn man
die Beitragsleistungen an die Kranker cassen als solche auf-
fassen oder bezeichnen will, von jedermann unangenehm
empfunden wird, so übersteigt doch die moralische Bedeutung
im Bewuſstsein des einzelnen in der schlimmsten Lebens-
lage, im Krankheitsfalle, bei seiner schwachen Vermögens-
lage nicht ohne Hilfe und Unterstützung zu sein, thurmhoch
die gebrachten Geldopfer.
Da am 1. August 1899 zehn Jahre vorüber, daſs
die gesetzliche Krankenversicherung ins Leben getreten ist,
und die Thätigkeit der Krankencassen unter diesem Gesetze
begann, möge es gestattet sein, dem Wesen der Kranken-
Tschechische Capriolen.
Meine heurige Radreise.
Von Karl Bernhart, Karlsbad.
(Original-Beitrag.)
12. Fortsetzung.)
3. Erste Eindrücke von Italien.
Eine prächtige, sanft geneigte Straße führt
weiter ins sonnige Italien; von den Höhen erschollen
wehmüthig stimmende, in mehrstimmige Zusammen-
klänge austönende Gesänge im Grün versteckter Per-
sonen, und uns wurde inmitten der herrlichen Natur
ganz weich zu Muthe. Doch „kurz ist die Lust“,
sie dauerte nur eine Viertelstunde, da begann es zu
regnen, leise, ganz schwach, und wir setzten uns vor
einer Osteria zu einem Steintische unter einer Ross-
kastanie, um das Ende des Regens abzuwarten; die
Bewohner des Häuschens, ein alter Mann und ein
nicht mehr junges Weib brachten uns unaufgefordert
einfache, lehnenlose Sesselchen mit Strohsitz, fragten
uns dann ein wenig aus, sperrten hierauf die Haus-
thür zu und entfernten sich mit dem Ersuchen, wir
möchten die Stühlchen später unter den Steintisch
schieben. Der Regen wurde aber stärker, die Berge
hüllten sich in Wolken, und darum mussten wir
wohl oder übel eine bessere Unterkunft suchen. Die
Straße war bereits stark durchnäſst und wies große
Pfützen auf, und in kurzer Zeit war auch an uns
kein trockener Faden mehr, und wir, sowie unsere
Räder waren über und über mit Sand bespritzt.
Wir kamen durch kleine Dörfer; lauter Häuser, aus
rohen Steinen ohne Bewurf aufgeführt, aus denen
höchst üble Gerüche strömten; endlich ein Städtchen,
aber auch kein Unterschied in der Bauart der Häuser.
Wir versuchten in einer Osteria einzukehren und
stiegen die an dem Hause außen befindliche Holz-
treppe hinauf, prallten aber oben rasch zurück:
Wir fanden eine finstere Höhle, die ihr Licht durch
die Thüröffnung erhielt, und in der sich Geflügel
und Schweine umhertrieben; in einem Winkel lagen
trockene Aeste, und darüber hieng ein Kessel; zwei
ungemein schmutzige Tische deuteten darauf hin, daſs
der Raum Gaststude war; er diente auch als Küche,
Wohn- und Schlafzimmer und, weiß Gott, was noch.
Dazu der beklemmende Gestank; nur fort, dachten
wir und fuhren im Regen weiter, bis wir endlich
eine kleine Bahnstation sahen, in die wir uns flüchteten,
nachdem wir vorher einen Hund in die Flucht gejagt
hatten, der uns mit der allerfeindlichsten Miene aus
dem Gebäude entgegengeschossen war. Nichts zu
essen, zu trinken und zu rauchen, da lieber auf der
Bahn bis nach Colico (3 Bahnstationen weit) fahren,
wo es wenigstens ein Bahnhofsposthaus gibt, dachten
wir; aber der nächste Zug gieng erst um 3/47, und
es war noch nicht 3 Uhr. Da ließ der Regen nach,
und wir machten uns wieder auf; gleich darauf ver-
doppelte sich der Guſs, und mit Mühe erreichten
wir die nächste Bahnstation, schon am See von
Mezzolo, der nördlichsten Ausbuchtung des Comer-
Sees, gelegen. Auch von dort trieb es uns wieder
fort, nun wurden wir aber gehörig gewaschen; alle
Berge waren in die Wolken eingehüllt, und auf 8 km.
Länge muſsten wir dem ärgsten Unwetter standhalten;
dazu hinderte uns starker Wind oft gänzlich am
Vorwärtskommen.
Endlich sahen wir die letzte Station vor Colico:
ein winziges Häuschen, enthaltend ein Warte- und
ein kleines Dienstzimmer, und keine Seele darin zu
sehen; der „dienstthuende“ Beamte stat im nächsten
Wächterhause, das jedenfalls angenehmeren Aufenthalt
bot. Hier saßen wir nun, zähneklappernd vor Kälte,
hungrig und durstig, an niederträchtigen „Cigarren“
saugend, die ich in der Eile in einem Dorfe ergattert
hatte; da dachten wir an Siegenburg in Baiern
und verwünschten „das Land, wo die Citronen blüh'n.“
Endlich kam der ersehnte Zug, der uns zur
nächsten Station, Colico, führte. Doch war dort
kein ordentliches Unterkommen zu finden, und darum
lösten wir Karten nach der viertnächsten Station,
Bellano. Baedeker mahnt nicht mit Unrecht zur
Aufmerksamkeit bei den Cassen der italienischen
Bahnen; da heißt es gut nachzählen und jedes Geld-
stück, auch die kupfernen, wegen der vielen ungiltigen,
die man bekommen kann, gut anschauen. Wir wurden
in der Eile bezüglich des Beförderungspreises unserer
Räder übers Ohr gehauen. In Colico mündet die
Název souboru:
karlsbader-badeblatt-1899-08-30-n197_3010.jp2
Porta fontium