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4. Juli 1899
„Karlsbader Badeblatt und Wochenblatt“ Nr. 149
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verschiedenen Rennen reducierten. Daſs als erster
Sieger ein Pferd Sr. k. u. k. Hoheit Erzherzog
Ottos mit dem aufmunternden Namen „Alle
weil fidel“ über das Ziel lief, wird als
ein besonders gutes Omen hier aufgefafst;
man folgert jedenfalls daraus, daſs vom Aller-
höchsten Hofe auch dem Karlsbader Rennen ein
klein wenig Wohlwollen geschenkt werden wird und
die hohen Persönlichkeiten nun des öfteren unser
Karlsbad mit ihrem Besuche beehren werden. Es
wäre nur lebhaft zu wünschen, daſs diese Voraus-
setzung keine trügerische bliebe! Doch zum Rennen
selbst. — Die Logen, die 6 fl-Plätze und die
Einguldenplätze waren sehr gut besetzt; am letzteren
Platze herrschte sogar ein dichtes Gedränge. Ein
besonders Lustre erhielt das Eröffnungs Meeting
durch den hohen Besuch Ihrer k. u. k. Hoheiten
Erzherzogin Isabella und Erzherzogin Maria
Christine, welche in der mit dem Doppeladler
decorierten provisorischen Hofloge Platz genommen, so-
wie durch die Anwesenheit Ihrer hochfürstl. Durchl.
Frau Fürstinmutter zu Schaumburg-Lippe,
ferner durch das Erscheinen zahlreicher Cavaliere
des österreichischen Hochadels, dessen Vertreter sich
theils in Karlsbad, theils in Marienbad zum Kur-
gebrauche befinden. Das Ganze bot ein bewegtes
buntes, für Karlsbad vollständig neuartiges Bild.
Bald nahm der Totalisateur, bald die Bookmaker, oder
das Abwiegen der Jockeys, bald die Pferde und beson-
ders die Wetten das Interesse in Anspruch. Wer
halowegs im Geruche stand, etwas von dem Rennen
„zu verstehen“, wurde von allen Seiten hombar-
diert, und mit wichtiger, geheimnisvoller Mien-
warde bald der, bald jener Name des Pferdes
das „Chancen“ habe, genannt. Dass es nicht an
tüchtigen Reinfällen mangelte, ist selbstverständlich,
doch auch mancher glücklich Begünstigte wanderte
wohlgemuth nach Hause. Die verschiedenen Tips
die im vorhinein gegeben wurden, zeigten sich aber
allesammt meistens als falsch. — Das schrille Glocken-
zeichen zu dem Eröffnungsrennen brachte eine leb-
hafte Bewegung in das Pablikum und gespannt
wurden die hippologischen Leistungen der durchwegs
schönen Thiere verfolgt, die um die Siegespalme
wetteiferten. Von den zehn Nennungen zu dem
Eröffnungsrennen, starteten nur vier, u. zw.
Erzberzog Otto's „Alleweil fidel“ (Jockey Kapousek),
Drehers „Antigone“ (Jockey Bulford), Baron
Springers „Duenna“ (Jockey Hiams) und kgl.
Württemb. Privatgestüt Weils „Küchenfee“ (Jockey
Rositter). Die Distanz betrug 1100 M'ter. Das
Rennen ergab folgendes Resultat: Ziemlich gelun-
gener Statt, nur „Duenna“ konnte schlecht vom
Start weg. „Alleweil fidel“ übernimmt die Führung,
die sie leicht bis zum Richter behält; knapp vor
der Tribüne kommen „Duenna“ und „Küchenfee“
an den Ersten heran, erreichen aber nur ein totes
Rennen auf dem zweiten Platze. Das officielle
Bulletin lautet: „Sieger mit 11/2 Pferdelängen
gewonnen. Todtes Rennen für den 2. Platz“
II. Haider Preis. 2000 Meter. Von 15 Nennungen
starten sieben u. zw.: Erzherzog Ottos „Highest
time“ (Jockey Imre); Fürst Auerspergs „Syl-
vester“ (Jockey Adams); Drehers „Gehst vira“
(Jecky Bulford); v. Péty's „Da capo“ (Jockey
Wilion); Boron Springers „Almaviva“ (Jock y
May); Graf Szárav's „Cid“ (Jeck y Gil-
chrift) und Wahrmanns „Duna“ (Jock y
Barke:)
„Highest time“ und „Sylvester“
übernehmen vom Statt aus abwechselnd die Führung
undknapp vorm Ziele schlägt „Dung“ den „Highest
Time“ um eine Pferdelänge. Off cielles Bulletin:
„Duna“ erster, „Highest Time“ zweiter, Cid dritter,
„Sylvester“ vierter; nach hartem Kampfe kommt
„Duna“ um Pferdelänge als erster am Ziele an. „Cid“
mit acht Längen zurück — III. Sprudel-Handicap
1200 Meter. Von zehn Nennungen starten sechs
u. zw Baton Springers „Pavolin“ (Jocky Hyams),
kgl. Württ. Prio.-Gestüt Weil,s „Irrthum“ (Jockey
Rositter); Prinz Taxis „Eclair“ (Jockey Adams);
Dreher's „Dogma“ (Jockey S Bulford); v. Pechy's
„Prosa“ (Jockey Poole) und Baron Königswarter's
„Sandwich“ (Jockey Wilton). Die Führung über-
nehmen abwechselnd „Prosa“ und „Sandwich“;
sodann halten beide gleiches Tempo, bis knapp vor
dem Ziele „Sandwich“ die „Prosa“ mit 11/2 Pferde-
längen schlägt Offecielles Bulletin: „Sandwich“
leicht mit 11/2 Pferdelängen gewonnen. Als zweiter
„Prosa“, 3 Längen zurück, „Dogma“ mit einer
Kopflänge vor dem vierten. — IV. Donitzer Hürden-
rennen. 2400 Meter. Von fünf Nennungen starten
vier und zwar Erzherzog Otto's „Senator II.“
(Jockey Buckeham); Fürst Anersperg's „Paesirta“
(Jocky Williamson); Dittl v. Wehrberg's „Vertes“
(Jodey Wheeler); Mr. Janoff's „Acetylen“
(Jockey Slina). „Acetylen“ setzt mit der Führung
ein und behält selbe bis zum Ziele; „Pacsirta“
zweiter, kämpft um den ersten Preis, was ihm
nicht gelingt. Dritter „Senator“. Officielles
Bulletin: „Acetylen“ gewinnt den ersten Preis
leicht mit 11/2 Länge. 4 Längen zurück der
Dritte. — V. Aberg-Steeple-chase.
4000 Meter. Von 14 Nennungen starten nur
vier und zwar Erzherzog Otto's „Hernök“ (Jockey
Buckeham); Fürst Auerspergs „Sarolta“
(Jock-y
Williamson), Mr. Janoff's „Driver“
(Jock-y
Shinn) und Rittw. Tränkels „Millefleur“ (Jockey
Wilton). Sämmtliche halten gleiches Tempo, bis
zum Schlusse „Millefleur“ die Führung übernimmt
und den Sieg behauptet. Als zweiter kommt
„Sarolta“, mit einer Kopflänge zurück; dritter
„Hirnök“. Offiziölles Bulletin: Nach einem Kampfe
mit 1142 Länge gewonnen. Einem Proteste des Reiters
des zweiten Pferdes wurde nicht stattgegeben. Dieses
letzte Rennen war zweifellos das interessanteste;
leider goss es nun in Strömen, so daſs das Pub-
likum sich fluchtartig vom Rennplatze entfernen
musste, außer es war durch die Wetten gefesselt.
Gewettet wurde überhaupt sehr stark und der Geld-
umsatz war ein äußerst großer. Am Totalisateur
wurden folgende Quoten ausbezahlt: I. Rennen:
Sieger „Alleweil fidel“ Quote für 5 fl: 28 fl.
und am Platz für „Alleweil fidel“ 26 fl, „Duenna“
25 fl. und „Küchenfee“ 27 fl. II. Rennen:
Sieger „Duna“ für 5 fl. Quote 89 fl.; am
Platz „Duna“ für 25 fl: 69 fl., „Highest
time“ 25 fl: 69 fl., „Cid“ für 25 fl.: 34 fl.
III. Rennen: „Sandwich“ für 5 fl.: 20 fl; am
Platze: „Sandwich“ und „Prosa“ für 25: 56' und
52 fl. IV. Rennen: „Acetylen“ für 5 fl: 25 fl.;
am Platze: „Acetylen“ für 25 fl : 53 fl., „Pac-
sirta“ für 25 fl.: 38 fl. V. Rennen: „Mille-
fleurs“ für 5 fl.: 17 fl.; am Platze: für 25 fl.:
39 fl., „Sarolta“ für 25 fl.: 37 fl. — Eintcitt
zahlten im Ganzen 6000 Personen. — Schon bei
dem vierten Rennen setzte der Regen ein und hielt
ununterbrochen an, so daſs das ganze Arrangement
eine unliebsame Störung erfuhr. In wenigen
Minuten war der ganze Rennplatz leer. Die Extra-
züge vermochten die Passagiere kaum zu fassen und
das Gros der Gäste kam bis auf die Haut durch-
nässt in der Stadt an. Hoffentlich ist dem heutigen
zweiten Renntage ein besseres Wetter beschieden.
(Ernennung.) Herr k. k. Statthalterei-
Concipist Dr. Müller von Müllersheim in Karls-
bad wurde zum k. k. Bezirkscommissär ernannt.
(Ausfall der Tombola.) Die für
gestern im Etablissement Papp zu Gunsten des
Frauenhilfsvereines vom Rothen Kreuze anberaumte
Tombola wurde des ungünstigen Wetters halber
verschohen.
(Im Theater Variété) übt das der-
malige, seit Sonntag aufgenommene Programm
eine Zugkraft ersten Ranges aus — Sonntag
schon waren beide Vorstellungen ausverkauft und
die gestrige war es wieder und auch die folgenden
werden es sein. — Herr Stalla hat für die Zeit
der Rennen für ein großartiges Programm ge-
sorgt, was sich ihm auch verlohnen wird. Es ge-
langen durchwegs erstclassige Nummern zur Vor-
führung: die Duettistinnen Odillon sind angenehme
hübsche Erscheinungen mit weit besseren Stimmen,
als man sie heuer bis jetzt auf der Variétébühne
gehört. — Das Rollschuhläufer-Paar „Vincentia
und Armand“ leistet Großartiges, der Komiker
Modl gab gestern eine Fülle der humor-
vollsten Sachen zum Besten und musste immer
wieder zu neuen Zugaben sich verstehen. Die
Parterre-Acrobatin Blanca Braselly erregt mit ihren
Lawinensprüngen Sensation; das aus zwei Damen
und einem Herrn bestehende Braatz Trio ist einzig
Der Alte schloss deshalb mit den Worten:
„Wenn er si' sicher woaß, der nui (neue)
Förster, warum fürcht' er si' nacha vor so an'
Brett? Warum bet' er nöd aa diecmalen an'
Vaterunser für die arme Seel? J bin a Lump,
a recht a schlechter, aber auf etli Vaterunser kimmts
mir nöd an. No', was sinnierst denn jetzt, Deandl?
„I sinnier drüber, wie dös Totenbreit 'n
Girgl zu seiner Unschuld verhelfen möcht? Wirst
du's b'haupten, was d' mir da alles vorplauscht hast?“
„Ja, ja, i b'haupt's.“
„So geh nur glei mit ummi zum Gmoa'vor-
stand, dem wiederholſt es. Kimm nur! I schenk
dir schon a Geld zu an' Schnaps, aber den därfst
erst hintnach trinka, wenn's d' der Aussag g’macht
hast, nöd vorhinein. Verstanden?“
„G'wiss, Deandl. Gehn ma ummi zum Vor-
stand. Du sollst sehgn, daſs i red, wie r a Buach.“
Wenige Minuten später traten die beiden beim
Vorsteher ein, der sofort den Gemeindeschreiber, den
Lehrer des Ortes, kommen und Wastls Aussage
zu Protokoll nehmen ließ.
Alle wünschten, daſs Girgls Sache eine bessere
Wendung nehmen möchte, denn er war allgemein
beliebt und seines Unglücks wegen bedauert. Doch
schien die Aussage des Pechlers von keiner großen
Bedeutung zu sein, falls sich nicht noch andere
Verdachtsgründe gegen den Förster ergeben würden.
Katherl hatte sich aber bereits einen Plan
zurecht gelegt, den sie nun auch den anderen mit-
theilte. Sie hatte heute Nachmittag eine Arbeit
nach Fuchsberg zu tragen. Auf dem Heimwege
wollte sie am Forsthause vorübergehen und sie hoffte,
der Förster würde sich dann gewiſs anschicken, sie
nach Hause zu begleiten. Da werde sie dann den
Weg an der Feldkapelle vorüber nehmen und da
würde sich's zeigen, ob Benno der Schuldige sei,
oder nicht.
„Aber dazua brauch i Zeugen,“ meinte das
Mädchen. „Etliche Manna müssen hinter der
Kapelln versteckt hören, wie der Förster si' stellt.“
Der Vorsteher und der Lehrer erklärten sich hiezu
bereit. Es ward genau die Zeit bestimmt, um welche
Katherl zur Kapelle kommen sollte. Der Pechler-
wastl aber, dem man nicht traute, sollte im Hause
des Vorstehers zurückgehalten werden, bis die Sache
vorüber wäre. Dem Wastl war dieser Aufenthalt
in der warmen Stube nur erwünscht, zudem es ein
ergiebiges Mittagsmahl für den Schlemmer im Ge-
folge hatte.
Gleich nach Mittag machte sich Katherl auf
den Weg nach dem nahen Fuchsberg, um der Wir-
tin dortselbst die bestellten Klöppelspitzen zu über-
bringen, und kam schon auf dem Hinwege an der
Feldkapelle vorüber, an welcher, gleichwie an vielen
anderen Plätzen, die buntbemalten Totenbretter
gleichsam in Reth und Glied aufgestellt sind und
deren Sprüche die Vorübergehenden zu einem Gebet
für die armen Seelen veranlassen. Es sind dies
jene Bretter, auf welchen der Verstorbene bis zur
Beerdigung ausgestellt war. Sie werden nachher
abgehobelt, bemalt und mit einer Inschrift versehen.
Man pflegt sie an einzeln stehenden Bäumen, an
den Außenwänden der Feldkapellen oder auch frei
längs eines vielbegangenen Weges aufzustellen,
gleichsam als Denkmäler für die Verstorbenen. An
manchen Orten legt man sie auch unbemalt und
nur mit drei eingebrannten Kreuzen versehen, an
Stelle von Stegen über Gräben und feuchte Wie-
senplätze, um sie eher verfaulen zu lassen, denn nach
dem Volksglauben ist die arme Heele, welche darauf
gelegen, aus dem Fegfeuer erlöst, wenn das Brett
vermodert und zerfallen.
Der Gebrauch der Totenbretter ist in vielen
Gegenden Altbayerns und im Gebiete der künischen
Freibauern üblich. Daſs solche Totenbretterplätze
oft zur Gespensterfurcht Veranlassung geben, ist
selbstverständlich; bei Nachtzeit umgeht man sie
gern, am Tage aber bleibt man vor denselben
stehen und befolgt die unter dem Namen des einstigen
Inhabers stehende Bitte:
„Komm' her, mein Freund, steh still',
Und merk', was ich dir sagen will:
Bet mir ein Vaterunser mit heller Stimm',
Weil ich so früh gestorben bin.“ u. s. w.
Katherl suchte, an der Kapelle augekommen,
nach dem Todtenbrette des ermordeten Försters,
auf dem zu lesen war:
„Er fand den Tod bei treuer Pflichterfüllung
durch die ruchlose That eines Wilderers.“
Sie flehte zu dem Geiste des Verstorbenen,
daſs er ihr beistehen möge, den wahren Mörder
zu entlarven.
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