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12. März 1899
„Karlsbader Badeblatt und Wochenblatt“ Nr. 59
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gehrenden „Führer“ nimmt überhand und die „Ge-
nossen“ werden immer heller und zahlen nicht mehr
so willig, wie dies aus der im letzten „Volkswillen“
veröffentlichten Liste der „Ausgeschlossenen“ er-
sichtlich ist. Der Verwaltung der Karlsbader Be-
zirkskrankencassa hat man nichts vorzuwerfen ver-
mocht, denn seit Jahren ist nicht ein einziger Schieds-
gerichtsfall anhängig gemacht worden und die Ge-
darung in der Cassa selbst wird sogar von den
Socialdemokraten anerkannt. Nun sucht man sich
andere Angriffs-Objecte, und was ist naheliegender,
als daſs man sich hiezu den gehaſsten Ob-
mann und den Obmann-Stellvertreter als Ziel
herausgreift. Vorzuwerfen vermag man denselben
nur das Eine: sie sind keine Socialdemokraten,
aber dieses einzige Verbrechen genügt. Auf Grund
dieses Verbrechens müssen sie angegriffen, verleumdet,
bekämpft werden mit allen unflätigen Mitteln, die
eben der journalistischen socialdemokratischen Jauchen-
spritze zu Gebote stehen. Jedoch alle diese Angriffe
werden den Hintermännern der beutelüsternen Agi-
tatoren nichts nützen Die Arbeiterschaft und auch
jene, die sich zur Socialdemokratie bekennen, weiß
heute schon zu beurtheilen, wem sie das Institut
der Bezirkskrankencassa anvertrauen kann, geht's ja
um ihre Arbeiterkreuzer. Die Personenfrage kommt
da nicht in Betracht, sicher aber ist das Eine, dass
alle jene, die schon heute Amt und Würde unter
sich vertheilt haben, mit sammt dem zukünftigen
Herrn Chefarzt, diese Arbeit sich hätten ersparen
können. Diese Leute weiß sich die Karlsbader Ar-
beiterschaft schon vom Halse zu halten!
(Hofrath Rudolf Bunge), der jedem
Deutschen, besonders den Literaturfreunden nicht
etwa nur durch seine Textbücher zu Neſsler's
„Trompeter von Säkkingen“ und „Otto
dier Schütz“, zu Förster's „Mädchen von
Schilda“, sondern auch durch seine anderen
schriftstellerischen Werke aufs vortheilhafteste bekannt
ist, so durch die Heldendichtung „Prinz Louis
Ferdinand“, den Roman „Camoëns“, das in
der Reclam'schen Universalbidliothek erschienene
Trauerspiel „Der Herzog von Kurland“ und
das Lustspiel „Die Zigeunerin“, ferner die
Schau piele „Der Verschollene“, „Zer-
rissene Ketten“ und „Nur ein Schau-
spiel“, außerdem durch das prächuge Werk:
„Deutsche Samariterinnen“ und das einzig-
schöne Gedichtebuch „Heimat und Fremde“
u. a. m. der Verfasser aller dieser höchst
lesenswerten Werke, den wir Karlsbader übrigens
auch als treuen Gast unserer Quellen bestens kennen,
hat uns durch die in Pierson's renommiertem Ver-
lage (Dresden und Leipzig) erschienene vierte ver-
änderte und sehr vermehrte Auflage der letzt-
erwähnten Gedichtsammlung (diesmal mit einem
Anhange: „Im Abendsonnenschein“ und dem Bilde
machte ein Zeichen, woraus ich ersah, daſs er auch
ein Mitglied unseres Ordens war.
„Ah, ich dachte mir's,“ fuhr er fort, als ich
das Antwortzeichen gegeben hatte; „wir hörten,
daſs Sie kommen wollten, und ich freue mich dessen,
denn ich hin müde, des Sonntags Wunden zu ver-
binden, und vielleicht können Sie diesen Kämpfen
hier Einhalt thun. Das Mädchen war natürlich
die Veranlassung dazu, Senor; und das sind nicht
die ersten, die sie zu Tode gebracht,“ fuhr er fort,
indem er mit dem Kopfe nach dem Mädchen deutete,
das bei der Leiche kauette.
„Sie war nämlich mit diesem Indianer hier“
er zeigte auf seinen Patienten — „verlobt.
Aber dann fing sie ein Verhältnis mit dem
andern da an, worauf Nr. 1, vom Meskal be-
rauscht, sich auf die Lauer legte und Nr. 2 er-
mordete. Das Mädchen eilte zu Nr. 3, dem
Bruder von Nr. 2, aber Nr. 1 tödtete den gleich-
falls. Da kam die Dorfwache, von dem Lärm
aufmerksam gemacht, herbei und brachte unsern
Freund hier mit ihren Macheten zur Ruhe. Leider
ist er mit dem Leben davon gekommen.“
Ich hörte seine Worte und der Zorn über-
mannte mich. An das Mädchen herantretend
sagte ich: „Das ist dein Werk, du Frauenzimmer.“
„Was weiter?“ entgegnete sie verdrossen.
„Kann ich dafür, daſs ich hübsch bin und die
Männer sich um' mich streiten? Und überhaupt,
wer seid Ihr, daſs Ihr mich zur Rede stellt.“
des Dichters) aufs Angenehmste überrascht. Wir
nehmen von dieser Neuerscheinung umso lieber
Notiz, als diese Auflage unter der Ueberschrift
„Karlsbader Spaziergänge“ zehn Gedichte bringt,
deren Entstehung dem Aufenthalte des Dichters in
Karlsbad zuzuschreiben sind. Die Einleitung zu
diesen Dichtungen bildet das Lied „Frühlingslüfte“.
Demselben folgen: „Russelsitz, Echo, Am Mühl-
brunnen, Aberg, Findlaterstempel. Dreikreuzberg,
Ewiges Leben, Mecsery Höhe, Abschied, Fahr'
wohl!“
(Eine Bauarbeiter-Versammlung)
findet heute vormittags 10 Uhr im „Hotel Weber“
mit folgendem Programm statt: 1. Stellungnahme
zu dem von den Herren Baumeistern abschlägig
beantworteten Memorandum; 2. Discussion über
den ersten Programmspunkt.
(Gemeindeumlagen.) Der Bezirks-
ausschuss Karlsbad hat die Bewilligung zur Ein-
hebung von 15 % der directen Steuern übersteigenden
Gemeindeumlagen für das Verwaltungsjahr 1899
ertheilt den Gemeinden: Donaw tz 30 % Engelhaus
20%. Fischern 25 %, Grosengrün 20%0. Lapprs.
dorf 30 /%, Putschirn 23% Tuppelsgrün 30%.
Sitimesgrun 25/9. Welchau 30°/° und Zettl tz 23 %
(Nachstelrungen.) Die Nachstellungen
im Jahre 1899/190) finden beim k. k. Ergz. Bez.
Commando 73 in Eger an nachbenannten T gen
statt: 5, 12., 20 und 27. Mai 1899, 5. und 20.
Juni, 5. und 20 Juli, 5. August, 5. und 20.
September, 5 und 20. Oc ober, 6. und 20 No
vember, 5 und 20. December. In den Monatn
Jänner und Feber 1900 am: 5. und 20. Jänner
1900, 5. und 20. Feber.
(Der Landesausschuss) hat in der am
1. März abgehaltenen Sitzung beschlossen, die bisher
üblichen Zusätze bei den Tuulaturen und die Höf
lichkeitsphrasen auf den Aoressen und im Amtsnyle
sowohl im Verkehre mit den autonomen Behörden
sämmtlicher Instanzen untereinander, als auch mit
den Civilstaatsbehörden zu beseitigen.
(Aus den socialistischen Organisa-
tionen.) Der Falkenauer „Lügenwille“ bestätigt
in seiner letzten Nummer den Abfall der Arbeiter
von den socialdemokratischen Org inisationen, wenig-
stens scheint vielen Arbeitern ein Lichtlein dahin
aufzugehen, daſs es besser ist, das bisher in den
Organisationsfond gesteuerte Geld, von welchen
Blutkreuzern die Herren „Führer“ ein ganz be-
schaulich-a genehmes Dasein „führen“, selbst für
sich oder für die Familie zu behalten! So finden
sich folgende Berichte in der betreffenden Nummer:
Zettlitz, wegen Steuerungsrest ausgeschlossen: acht
Genossen. Aich: ausgeschlossen acht Genossen und
aus Grünlas kommt der Klageruf: Auch werden
die Genossen, die im Rückstande sind, aufgefordert,
ihre „Sachen“ zu begleichen. Solche Berichte
„Närrin!“ rief der Barbiet; „wagst Du es,
so mit dem Bewahrer des Herzens zu sprechen!“
Das Mädchen zuckte zusammen und antwortete:
„Warum nicht? Ist er denn min Herr?“
„Höre, Mädchen“, sagte ich, „noch andere,
außer diesen, sind durch deine Schuld geftorben.“
„Woher weißt du das?“ entgegnete sie.
„Doch was brauche ich zu fragen? Wenn du
der Bewahrer des Herzens bist, so hast du das
böse Auge, und kannst Geheimnisse lesen, ohne
daſs man sie dir entdeckt.“
„Du hast das böse Auge, Weib, wie viele
andere deines Geschlechts!“ erwizerte ich. „Nun höre:
du meidest diesen Ott und kehrst nie wieder hier-
her zurück. Gehorchst du nicht, so sollst du sterben?“
„Du bist nicht die Regierung und hast kein
Recht, mich zu tödten“, entgegnete sie, bemüht, die
Furcht zu verhehlen, die sich in ihre duskeln
Augen stahl.
„Nein, ich bin nicht die Regierung, aber unter
deinem Volke bin ich mächtiger, als die Regi-rung.
Wenn du mir nicht glaubst, so frage den Doctor
dort, und er wird dir bestätigen, daſs mir die Leute
selbst da gehorchen würden, wo sie einen Trupp
Soldaten verspotten Wenn ich sage, du sollst
sterben, so geschieht das in irgend einer Weise,
denn mein Fuch liegt auf dir. Vielleicht stürzest
du in einen Abgrund, oder du wirst vom Fieber
ergriffen, oder du ertrinkst in einem Flusse.“
sind natürlich oftmals in diesem Blatte zu finden.
Ja, ja die „Genossen“ werden helle! Es ist dies
zwar recht traurig für die „Führer“, die nicht
gerne arbeiten, aber sehr gesund für die arbeiten-
den „Geführten“.
(Juviläums-Erinnerungsmedaille.)
Anlässlich einer Anfrage, ob die Miliärpersonen
des activen Standes, welche in der Präsenzdienst-
pflicht gestanden sind und diese auch vollstreckt haben,
im Sinne der Statuten für die Jabiläums Er-
inn rungsmedaille hinsichtlich des Anspruches auf
diese Medaille eine ununterbrochene Präsenzdienst-
pflicht vollstreckt haben müssen, hat das Reichskriegs-
Ministerium entschieden, daſs auch jene in der
Päsenzdienstpflicht geständenen Personen den An-
spruch auf die erwähnte Medaille besitzen, welche
den Päsenzdienst durch Beurlaubung (z. B. im
Superarvit ierungswege, wegen Standesüberzahl
u. s. w.) unterbroch n, jedoch die Präsenzdienstpflicht
vollstreckt haben.
Fischern, 10. März. [O.-C.] (Die bedrängte
Minorität) Auch hier bei uns machen sich die
Herren Tschechen, die in der Brutanstalt am Bahnhofe
groß gezogen werden, recht unangenehm bemerkbar, wie
nachstehender Fall beweist. Vor Kurzen saßen 2 Helden-
söhne Libuschas ganz abseits an einem kleinen Tischchen,
im Hotel Central; die an einem andern Tische sitzenden
deutschen Gäste kümmerten sich um diese Gesellschaft gar
nicht, sondern sprachen über die Bewegung „Los von Rom.“
Dieses paſste diesen Wenzelsläusen nicht, einer von ihnen
ei Postbeamte, begab sich zu dem Tische der Deutschen
und versuchte einen der Herren zu frozzeln; als er kurz
abgespeist wurde, da war die Provolace fertig. Nun
gieng das tschechische Geschimpfe los; als es den Deutschen
zu bunt wurde, da wurde der tschechische Postbeamte bei
den Flügeln genommen und demselben das fliegen practisch
beigebracht, dem anderen einen tschechischen Apotheker,
hier in Fischern in Stellung, wurde bedeu'et, er möge
die Thüre von draußen zumachen. Beim Hinausgehen
gebrauchte dieser feine Herr einen Ausdruck, den wieder-
zugeben der Anstand verbietet. So etwas erlaubt sich
ein Tscheche, der deutsches Brod genießt. Wir fragen,
was würde wohl geschehen, wenn Deutsche sich in
Tschechoven ähnlich betragen würden?
Vermilchtes
(Oesterreich und der bewaffnete Friede)
Bei den Ministerconferenzen am 7. d. soll, wie dem „Pr.
Tgbl.“ aus Wien berichtet wird, die Steigerung des Re-
crutencontingents und die Erhöhung der Officiersgagen
in ernste Erwägung gezogen worden sein, beides selbst-
verständlich in Verbindung mit den nothwendig gewor-
denen Steuererböhungen in beiden Reichshälften. — Der
„Pester Lloyd“ sucht in einem offenbar vom Kriegsmini-
sterium inspirierten Artikel die Nothwendigkeit der Er-
höhung des Recrut-ncontingents zu rechtfertigen. Die
Raschheit der Mobilisierung hänge von der Stärke des
Friedensstandes ab. Ruſsland hatte im Jahre 1894 einen
Friedensstand von 860.000 Mann und 119.000 Pferden-
Frankreich hat zur Stunde 573000 Mann und 141.000
Pferde unter den Waffen. Deutschland zühlt 526.000
Mann und 96000 Pferde, bereitet aber gegenwärtig ein
Gesetz vor, um diesen Friedensstand bedeutend zu erhöhen.
Diesen Zahlen gegenüber sei der Friedensstand unserer
Armee inclusive beider Landwehren mit 330,000 Mann
und 61000 Pferden stark im Rückstande geblieben und
nur die italienische Armee mit 216000 Mann und
48.000 Pferden rangiere hinter uns. Auf die Friedens-
conferenz zu Haag dürfe man keine Phantasiegebäude
bauen, im Gegentheil, so paradox das auch klingen mag,
werden die angestrengtesten Rüstungen der einzelnen
Staaten gegenwärtig mehr dazu beitragen, die Pläne
dieser löblichen Vereinigung zu fördern, als das Herab-
mindern der militärischen Vorsichtsmaßregeln.
(Die österreichisch-ungarische Armee)
zählt dermalen mit Ausschluſs der beiden Landwehren
und der k u. k Kriegsmarine 15.000 active Officiere,
und zwar 32 Feldzeugmeister und Generale der Caval-
lerie, 105 Feldmarschall-Lieutenante, 147 Generalmajore,
394 Oberste, 435 Oberstlieutenante, 737 Majore, 4189
Hauptleute und Rittmeister und 8990 Subalternofficiere.
Es dienen in der Armee: 4 Grafen Alberti, 7 Grafen
Auersperg, 6 Freiherrn von Basseli, 4 Coudenhove, 9
Fürsten und Grafen Esterhazy, 7 Grafen Hardegg, 9
Ritter v. Henriquez, 5 Prinzen Hessen und bei Rhein.
6 Prinzen Hohenlohe, 8 Grafen Hoyos, 10 Fürsten und
(Fortsetzung folgt.)
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