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Nr. 238
Mittmoch den 19. October 1898
XXII XXXVIII. Jahrgang.
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Herausgeber: Ernest Franieckh.
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Redaktion und Administration
im Hause „Bellevue“, Stefanopromnade
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„3ämmer“,Mar
Manuseripte werden nicht zurückgegeben
Quoten-Tactik.
Die ganze Ausgleichspolitik der ungarischen
Regierung lässt sich auf die einfache Formel zu-
rückführen, uns möglichst viele und wertvolle wirt-
schaftliche Zugeständnisse abzunehmen, um uns dafür
möglichst wenig oder gar nichts zu geben. So
einfach die Formel, so compliciert ihre Ausführung.
Auch Hans im Glücke hätte bei all seiner märchen.
haften Dummheit seinen Goldklumpen nicht sofort
für zwei wertlose Steine hergegeben. Es bedurfte
selbst im Märchen einer ganzen Reihe von auf-
einanderfolgenden schlechten Tauschgeschäften, bis
der dumme Hans des Wertes seines ursprünglichen
Goldklumpens so gut wie ganz veraubt war. Und
nicht minder bei den österreichisch ungarischen Aus-
gleichsverhandlungen.
Der Goldklumpen unserer traurigen Fabel ist
in den zweiundzwanzig Ausgleichsgesetzen nieder-
gelegt. Um diese der österreichischen Regierung
hherauszulocken, bediente sich die ungarische Regierung
schon unter dem glotreichen Ministerium Baden.
der Quote. Das erste Tausch- oder, besser gesagt,
Täuschgeschäft, das die ungarische Regierung der
österreichischen unter Badeni-Bilinski aufschwatzte,
bestand darin, daſs sie principiell die Quote, welche,
im Vergleich' zu den im Ausgleich in Betracht
kommenden enormen wirtschaftlichen Werten, eine
verhältnismäßig nebensächliche Bedeutung hat, als
das Compenfationsobject für alle die zahllosen von
ihr geforderten und erlangten Ausgleichszugeständ-
nisse feststellte — das Junctim. Wenn wirklich
damals, wie jetzt behauptet wird, Graf Badeni
Herr v. Bilinski auf eine Erhöhung der un-
garischen Quote von 30 auf 42 Percent rechnen
zu können glaubten, dann erscheint allerdings ihr
Pact im milderen Licht bäuerischer Leichtgläubig-
Aber selbst diesen Pact hat das Ministerium
Banffy unter dem Ministerium Thun-Kaizl-Baern-
reither gelöst. Sobald das Ausgleichsoperat die
Vorsanction erhalten hatte, entdeckte Baron Banffy,
in einem Anfall von constitutioneller Correctheit,
plötzlich, daſs die Quotenvereinbarung eigentlich
nicht Sache der Regierungen, sondern zunächst der
Quotendeputationen sei, und das Joch des Junctim
war abgestreift. Der zweite Handel war geglückt.
Aber noch lag es, wenn die Ungarn nicht, auch
ohne formell vertragsmäßiges Junctim, eine aus-
giebige Erhöhung der Quote zugeben wollten, in
der Macht des österreichischen Parlaments, des-
wegen die Zustimmung zum Ausgleich zu versagen
und so den Goldklumpen wieder zurückzuerobern,
um ihn neuerdings verhandeln zu können.
Dieser Gefahr suchte die ungarische Regierung
durch den berüchtigten Geheimvertrag vorzubeugen.
Die grundlegende Idee — soweit der Uneingeweihte
zu muthmaßen in der Lage ist — war nun, den
Ausgleich unter Dach zu bringen, ehe die Quote
bestimmt war. Der Operationsplan der ungarischen
Regierung war darauf gegründet, daſs das öster-
reichische Parlament in der neuen Session den Aus-
gleich und die Quote genau so behandeln werde,
wie in der vorigen Session, daſs, genauer gesprochen,
die Verhandlung des Ausgleichs im Abgeordneten-
haus durch die wilde Obstruction verhindert werden,
daſs die Vereinbarung über die Quote an den ge-
wohnten statistischen Spielereien der beiden Referenten
Hofrath Dr. Beer und Dr. Falk scheitern würde.
In diesem Fall wäre dann der Ausgleich zunächst,
so wie er dem Ministerium Badeni-Bilinski ab-
geluchst worden war, nur ohne das Junctim. auf
Grund des § 14 zum Gesetz gemacht, und die Quote
wäre, so wie letztes Jahr, auch dieses Jahr wieder
für das nächste und eventuell auch noch für einige
weitere § 14 Jahre, vom Kaiser in der alten 30-
procentigen Höhe festgesetzt worden. Die Ungarn
hätten dann unseren Goldklumpen gehabt und wir
die Steine.
Diesen Plan, soweit er den Ausgleich betrifft,
hat nun die Opposition im Abgeordnetenhaus vor-
erst zerstört, indem sie die parlamentarische Aus-
gleichsberathung zugelassen, beziehungsweise er-
zwungen hat. Der zweite, auf die Quote bezüg-
liche Theil des Planes scheint aber gelingen zu
wollen. Statt einen tactischen Coup auszuführen,
hat sich die österreichische Quotendeputation wieder
in ihre abstrusen statistischen Untersuchungen über
die exacle Messung der wirtschaftlichen Leistungs-
fähigkeit beider Reichshälften vertieft. Mit der-
selben gelehrten Gründlichkeit, mit der er unter
Badeni die ihm von Badeni eingeflüsterte 42pro-
centige Quote „ausgerechnet“ hat, hat diesmal
der österreichische Quotenreferent die ihm von
Dr. Kaizl soufflierte 38procentige Quote „be-
wiesen“. Und der ungarische Quotenreferent Dr.
Falk wird mit der gleich gelehrten Gründlichkeit,
mit der er früher die „Gerechtigkeit“ der 30pro-
centigen Quote, zuletzt die der 31.997procentigen
Quote außer Zweifel gestellt, jetzt wieder irgend
eine alleinseligmachende niedrige Quote aus seinen
statistischen Tabellen herausdestillieren. Und dann
hat die ungarische Regierung das Spiel gewonnen.
Die Deputations-Gelehrten können sich nicht einigen,
die Regierungen treten in Action, die Quote wird
auf absolutistischem Weg in der alten Höhe pro-
longiert, wir verlieren dabei, selbst im Vergleich
zu Dr. Falks Vorschlag, gleich für das nächste Jahr
wieder einige Millionen. Inzwischen wird — so
hoffen die Regierungen — die Majorität des Ab-
geordnetenhauses genügend corrumpiert sein, um
den Ausgleich ohne wesentliche Abänderungen anzu-
nehmen, und wir haben für neun Jahre das Nach-
sehen.
Pflicht der öffentlichen Meinung wäre es, dieses
keit.
Die Alten.
Lebensbild von Thomas Kobor.
Die Alten waren arme Leute. Ihre Wohnung
bestand aus einem Zimmer und einer Küche, wofür
hundertsechzig Gulden Zins bezahlten. Das
Zimmer war also nicht groß und auch nicht die
Küche. Sie wohnten darin und ihre Tochter, ebenso
ihr Sohn. Sie lebten sehr kümmerlich. Der
Vater arbeitete in einer Schuhfabrik, das Mädchen
ging nähen. Seit fünfzehn Jahren sitzt sie mit der
Nadel in der Hand und sie hat es auch bereits zu
einem Wochenlohn von fünf Gulden gebracht. Sie
ist alt geworden. Einst war sie schön gewesen.
Aber Elend und Arbeit pflücken die Rosen aus dem
Antlitz und das abgenützte Kleid lässt die Armen
vergessen, daſs es auch Schönheit gibt auf der Welt.
Am schwersten lagerte das Elend auf dem
Sohne. Er wäre ganz besonders zum Reichthum
geboren gewesen. Die Familie hatte ihn auch dozu
bestimmt, daſs er einmal ein reicher Mann werde.
Er war das zukünftige Kapital der armen Leute,
von ihm erwarteten sie eine Aenderung ihres
Schicksals. Er ging in die Schule, dann ins Gym
nasium, später in die Handelsakademie. Oft ar-
beitete er bis zur völligen Ermüdung. Er lief
Lectionen nach und wenn am Avend drei Menschen
in dem engen Stübchen schliefen, saß er in der
Küche und lernte dort unbekümmert seine Aufgaben.
Wenn sein Auge schon glühte und sich in seinem
Kopfe die Begriffe verwirrten, packte er seine
Schriften zusammen und begann zu zaubern. Eins,
zwei, und aus dem Küchentische wurde ein Bett,
in das der Junge hineinkroch. Als Letzter legte
er sich schlafen und als Erster musste er aufstehen,
denn er schlief in der Küche und die Küche braucht
man bereits am frühen Morgen.
Endlich begann das Kapital sich zu verzinsen.
Ein freundliches Glück lächelte der Familie. Der
Junge hatte die Schule beendet und trat in ein
Amt ein, es war eine Actiengesellschaft. Er bekam
einen Gehalt von dreißig Gulden, nach einem Jahre
sogar fünfzig Gulden. Damit hatte die Sorge
um's Brod ihr Ende erreicht. Zu essen hatten sie
nun. Das Fleisch hörte auf, eine Feiertagsspeise
zu sein. Sie ertappten sich sogar hie und da bei
einem Bischen Leichtsinn. Die Frau ging zuweilen
mit ihrer Tochter ins Theater und der Sohn hatte
zwei Paar Schuhe.
Der Sohn war sehr fleißig und sehr ver-
wendbar, er kam rasch vorwärts. Nach Ablauf
von vier Jahren verfügte er bereits über ein Ein-
kommen von zweitausend Gulden. Da ging das
Mädchen nicht mehr nähen und der Vater nicht
mehr in die Schuhfabrik. Dieser verdiente die
Ruhe, er hatte genug gearbeitet.
Aus der kleinen, unreinlichen Wohnung waren
sie auch ausgezogen. Sie besaßen drei Zimmer,
deren Fenster alle freundlich auf die Gasse blickten.
Es war vorerst nur eine Vorstadtgasse, aber die
aus dem Elend hinausgewachsene Familie fühlte
sich außerordentlich glücklich. Besonders die Mutter.
Anfangs stellte sie sich in die äußerste Ecke des
Schlafzimmers und übersah mit vor Freude er-
strahlenden Augen die blanken Zimmer, die ihre
Wohnung bildeten. Es gab auch ein Badezimmer
mit einem runden, wunderbaren Ofen und anderen
Requisiten, die sie zu gebrauchen lernte. Das
machte sie glücklich.
Der Vater ging täglich ins Kaffeehaus und
las die Zeitungen. Freilich langweilte er sich dabei,
aber mein Gott, die Langweile that ihm wohl. Er
war ja bislang noch nicht dazu gekommen, sich zu
langweilen und er erblickte darin die letzte Grenze
des Wohlbefindens.
Aus dem Jungen aber war ein Cavalier ge-
worden. Er kleidete sich schön, ja sogar elegant,
er nahm aus der allgemeinen Glückseligkeit auch für
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