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Nr. 238 Mittmoch den 19. October 1898 XXII XXXVIII. Jahrgang. farlsbader: Abonnements-Preise: und Für Karlsbad: Vierteljährig ... 2 f. ..4 f. 8*. uſtellunginsHaus pro Quartat 20 kr. Wochenblatt. Mit Hostversendung. Inland: Erscheint ganzjährig täglich mit Ausnahme nach Vierteljahrig3 f. albjr6. Sonn- und Feiertagen. 12 f. Ausland: ...12„ Herausgeber: Ernest Franieckh. Inferate übernehmen die Annoncen-Bureaus Haasenstein & Vogler in Wien, Rudolf Mosse in Berlin und Wien und sämmtliche anderen Filialen dieser beiden Firmen. Redaktion und Administration im Hause „Bellevue“, Stefanopromnade Teleyhon-Nr. 59. Infernte werden nur gegen Vorauszahlung an- genommen. Dreis der Amal gespaltenen Betit- zeile6 kr. Inferate, für den nächsten Tag bestimmt, werden nur bis 2 Uhr Rachmittags in der dmintſtratton und in „3ämmer“,Mar Manuseripte werden nicht zurückgegeben Quoten-Tactik. Die ganze Ausgleichspolitik der ungarischen Regierung lässt sich auf die einfache Formel zu- rückführen, uns möglichst viele und wertvolle wirt- schaftliche Zugeständnisse abzunehmen, um uns dafür möglichst wenig oder gar nichts zu geben. So einfach die Formel, so compliciert ihre Ausführung. Auch Hans im Glücke hätte bei all seiner märchen. haften Dummheit seinen Goldklumpen nicht sofort für zwei wertlose Steine hergegeben. Es bedurfte selbst im Märchen einer ganzen Reihe von auf- einanderfolgenden schlechten Tauschgeschäften, bis der dumme Hans des Wertes seines ursprünglichen Goldklumpens so gut wie ganz veraubt war. Und nicht minder bei den österreichisch ungarischen Aus- gleichsverhandlungen. Der Goldklumpen unserer traurigen Fabel ist in den zweiundzwanzig Ausgleichsgesetzen nieder- gelegt. Um diese der österreichischen Regierung hherauszulocken, bediente sich die ungarische Regierung schon unter dem glotreichen Ministerium Baden. der Quote. Das erste Tausch- oder, besser gesagt, Täuschgeschäft, das die ungarische Regierung der österreichischen unter Badeni-Bilinski aufschwatzte, bestand darin, daſs sie principiell die Quote, welche, im Vergleich' zu den im Ausgleich in Betracht kommenden enormen wirtschaftlichen Werten, eine verhältnismäßig nebensächliche Bedeutung hat, als das Compenfationsobject für alle die zahllosen von ihr geforderten und erlangten Ausgleichszugeständ- nisse feststellte — das Junctim. Wenn wirklich damals, wie jetzt behauptet wird, Graf Badeni Herr v. Bilinski auf eine Erhöhung der un- garischen Quote von 30 auf 42 Percent rechnen zu können glaubten, dann erscheint allerdings ihr Pact im milderen Licht bäuerischer Leichtgläubig- Aber selbst diesen Pact hat das Ministerium Banffy unter dem Ministerium Thun-Kaizl-Baern- reither gelöst. Sobald das Ausgleichsoperat die Vorsanction erhalten hatte, entdeckte Baron Banffy, in einem Anfall von constitutioneller Correctheit, plötzlich, daſs die Quotenvereinbarung eigentlich nicht Sache der Regierungen, sondern zunächst der Quotendeputationen sei, und das Joch des Junctim war abgestreift. Der zweite Handel war geglückt. Aber noch lag es, wenn die Ungarn nicht, auch ohne formell vertragsmäßiges Junctim, eine aus- giebige Erhöhung der Quote zugeben wollten, in der Macht des österreichischen Parlaments, des- wegen die Zustimmung zum Ausgleich zu versagen und so den Goldklumpen wieder zurückzuerobern, um ihn neuerdings verhandeln zu können. Dieser Gefahr suchte die ungarische Regierung durch den berüchtigten Geheimvertrag vorzubeugen. Die grundlegende Idee — soweit der Uneingeweihte zu muthmaßen in der Lage ist — war nun, den Ausgleich unter Dach zu bringen, ehe die Quote bestimmt war. Der Operationsplan der ungarischen Regierung war darauf gegründet, daſs das öster- reichische Parlament in der neuen Session den Aus- gleich und die Quote genau so behandeln werde, wie in der vorigen Session, daſs, genauer gesprochen, die Verhandlung des Ausgleichs im Abgeordneten- haus durch die wilde Obstruction verhindert werden, daſs die Vereinbarung über die Quote an den ge- wohnten statistischen Spielereien der beiden Referenten Hofrath Dr. Beer und Dr. Falk scheitern würde. In diesem Fall wäre dann der Ausgleich zunächst, so wie er dem Ministerium Badeni-Bilinski ab- geluchst worden war, nur ohne das Junctim. auf Grund des § 14 zum Gesetz gemacht, und die Quote wäre, so wie letztes Jahr, auch dieses Jahr wieder für das nächste und eventuell auch noch für einige weitere § 14 Jahre, vom Kaiser in der alten 30- procentigen Höhe festgesetzt worden. Die Ungarn hätten dann unseren Goldklumpen gehabt und wir die Steine. Diesen Plan, soweit er den Ausgleich betrifft, hat nun die Opposition im Abgeordnetenhaus vor- erst zerstört, indem sie die parlamentarische Aus- gleichsberathung zugelassen, beziehungsweise er- zwungen hat. Der zweite, auf die Quote bezüg- liche Theil des Planes scheint aber gelingen zu wollen. Statt einen tactischen Coup auszuführen, hat sich die österreichische Quotendeputation wieder in ihre abstrusen statistischen Untersuchungen über die exacle Messung der wirtschaftlichen Leistungs- fähigkeit beider Reichshälften vertieft. Mit der- selben gelehrten Gründlichkeit, mit der er unter Badeni die ihm von Badeni eingeflüsterte 42pro- centige Quote „ausgerechnet“ hat, hat diesmal der österreichische Quotenreferent die ihm von Dr. Kaizl soufflierte 38procentige Quote „be- wiesen“. Und der ungarische Quotenreferent Dr. Falk wird mit der gleich gelehrten Gründlichkeit, mit der er früher die „Gerechtigkeit“ der 30pro- centigen Quote, zuletzt die der 31.997procentigen Quote außer Zweifel gestellt, jetzt wieder irgend eine alleinseligmachende niedrige Quote aus seinen statistischen Tabellen herausdestillieren. Und dann hat die ungarische Regierung das Spiel gewonnen. Die Deputations-Gelehrten können sich nicht einigen, die Regierungen treten in Action, die Quote wird auf absolutistischem Weg in der alten Höhe pro- longiert, wir verlieren dabei, selbst im Vergleich zu Dr. Falks Vorschlag, gleich für das nächste Jahr wieder einige Millionen. Inzwischen wird — so hoffen die Regierungen — die Majorität des Ab- geordnetenhauses genügend corrumpiert sein, um den Ausgleich ohne wesentliche Abänderungen anzu- nehmen, und wir haben für neun Jahre das Nach- sehen. Pflicht der öffentlichen Meinung wäre es, dieses keit. Die Alten. Lebensbild von Thomas Kobor. Die Alten waren arme Leute. Ihre Wohnung bestand aus einem Zimmer und einer Küche, wofür hundertsechzig Gulden Zins bezahlten. Das Zimmer war also nicht groß und auch nicht die Küche. Sie wohnten darin und ihre Tochter, ebenso ihr Sohn. Sie lebten sehr kümmerlich. Der Vater arbeitete in einer Schuhfabrik, das Mädchen ging nähen. Seit fünfzehn Jahren sitzt sie mit der Nadel in der Hand und sie hat es auch bereits zu einem Wochenlohn von fünf Gulden gebracht. Sie ist alt geworden. Einst war sie schön gewesen. Aber Elend und Arbeit pflücken die Rosen aus dem Antlitz und das abgenützte Kleid lässt die Armen vergessen, daſs es auch Schönheit gibt auf der Welt. Am schwersten lagerte das Elend auf dem Sohne. Er wäre ganz besonders zum Reichthum geboren gewesen. Die Familie hatte ihn auch dozu bestimmt, daſs er einmal ein reicher Mann werde. Er war das zukünftige Kapital der armen Leute, von ihm erwarteten sie eine Aenderung ihres Schicksals. Er ging in die Schule, dann ins Gym nasium, später in die Handelsakademie. Oft ar- beitete er bis zur völligen Ermüdung. Er lief Lectionen nach und wenn am Avend drei Menschen in dem engen Stübchen schliefen, saß er in der Küche und lernte dort unbekümmert seine Aufgaben. Wenn sein Auge schon glühte und sich in seinem Kopfe die Begriffe verwirrten, packte er seine Schriften zusammen und begann zu zaubern. Eins, zwei, und aus dem Küchentische wurde ein Bett, in das der Junge hineinkroch. Als Letzter legte er sich schlafen und als Erster musste er aufstehen, denn er schlief in der Küche und die Küche braucht man bereits am frühen Morgen. Endlich begann das Kapital sich zu verzinsen. Ein freundliches Glück lächelte der Familie. Der Junge hatte die Schule beendet und trat in ein Amt ein, es war eine Actiengesellschaft. Er bekam einen Gehalt von dreißig Gulden, nach einem Jahre sogar fünfzig Gulden. Damit hatte die Sorge um's Brod ihr Ende erreicht. Zu essen hatten sie nun. Das Fleisch hörte auf, eine Feiertagsspeise zu sein. Sie ertappten sich sogar hie und da bei einem Bischen Leichtsinn. Die Frau ging zuweilen mit ihrer Tochter ins Theater und der Sohn hatte zwei Paar Schuhe. Der Sohn war sehr fleißig und sehr ver- wendbar, er kam rasch vorwärts. Nach Ablauf von vier Jahren verfügte er bereits über ein Ein- kommen von zweitausend Gulden. Da ging das Mädchen nicht mehr nähen und der Vater nicht mehr in die Schuhfabrik. Dieser verdiente die Ruhe, er hatte genug gearbeitet. Aus der kleinen, unreinlichen Wohnung waren sie auch ausgezogen. Sie besaßen drei Zimmer, deren Fenster alle freundlich auf die Gasse blickten. Es war vorerst nur eine Vorstadtgasse, aber die aus dem Elend hinausgewachsene Familie fühlte sich außerordentlich glücklich. Besonders die Mutter. Anfangs stellte sie sich in die äußerste Ecke des Schlafzimmers und übersah mit vor Freude er- strahlenden Augen die blanken Zimmer, die ihre Wohnung bildeten. Es gab auch ein Badezimmer mit einem runden, wunderbaren Ofen und anderen Requisiten, die sie zu gebrauchen lernte. Das machte sie glücklich. Der Vater ging täglich ins Kaffeehaus und las die Zeitungen. Freilich langweilte er sich dabei, aber mein Gott, die Langweile that ihm wohl. Er war ja bislang noch nicht dazu gekommen, sich zu langweilen und er erblickte darin die letzte Grenze des Wohlbefindens. Aus dem Jungen aber war ein Cavalier ge- worden. Er kleidete sich schön, ja sogar elegant, er nahm aus der allgemeinen Glückseligkeit auch für
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