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„Karlsbader Badeblatt und Wochenblatt“ Nr. 58
12. März 1898
wählten Volksvertretungen neuerlich Quotendeputa-
tionen entsendet, welche die Verhandlungen wieder
aufnahmen. Aber auch diese Verhandlungen führten
nicht zu einer Einigung, sie wurden definitiv ge-
schlossen und jede Deputation erstattete ihr geson-
dertes Gutachten..
Der weitere Vorgang muſste nun verfassungs-
mäßig folgender sein. Der in der Sitzung der
österreich schen Quotendeputation vom 21. Mai 1897
beschlossene Bericht musste durch das Ministerium
dem Abgeordnetenhause vorgelegt und von diesem
einem Ausschusse zugewiesen werden behufs Aus-
arbeitung einer Gesetzvorlage, welche dann die
Grundlage der weiteren Ausgleichsverhandlungen
zu bilden hatte. Dieser gesetzliche Vorgang ist nicht
eingehalten worden. Der Quotenbericht wurde
zwar in der Herbstsession den Abgeordneten zur
Kenntnis gebracht, wurde aber trotz der Erinnerung
seitens der Opposition nicht der Verhandlung zu-
geführt und nicht der Berathung des Ausgleiches
zu Grunde gelegt. Es hat vielmehr die Regierung
einen vollständ gen Ausgleichsvorschlag vorgelegt,
welcher auch die Quotenbestimmung betraf und nur
dieser wurde der parlamentarischen Behandlung
unterzogen. Es sollte also diesmal über die Quote
bestimmt werden, auf Grund der Initiative der
Regierung und nicht auf Grund der Initiative der
Volksvertretungen.
Zur Entschuldigung dieser Formverletzung ist
zwar angeführt worden, daſs es sich bei der letzten
Regierungsvorlage nicht um einen zehnjährigen,
sondern nur um einen einjährigen Ausgleich,
also um ein „Ausgleichsprovisorium“ im Gegen-
satze zu einem eigentlichen Ausgleich gehandelt habe.
Allein diese Entschuldigung ist juristisch ganz be-
langlos. Auch dafür bieten die Verhandlungen von
1877 einen treffenden Anhalt. Der Bericht des
damaligen Ausgleichsausschusses hat über die noth-
wendig gewordene Verlängerung der bisherigen
Quotenvereinbarung Folgendes gesagt: „Eine solche
Verlängerung ist nach der Anschauung der Mehrheit
des Ausschusses keineswegs im Widerspruche mit
den Bestimmungen des Gesetzes vom 21. Dec mber
1867, Nr. 146. Denn behufs der Vereinbarung
Es ist die Frage aufgeworfen worden, ob das
Mandat der im April 1897 gewählten österreichischen
Quotendeputation durch die Schließung der damaligen
XII. Session erloschen ist. Die Frage dürfte an sich zu
bejahen sein, war aber ganz gegenstandslos. Denn die
im April 1897 gewählte Quotendeputation hatte ohnedies
ihre gesetzliche Aufgabe vollständig erfüllt, dieVerhand-
lungen mit der ungarischen Deputation zu Ende geführt,
und ihr „Gutachten“ erstattet, welches die gesetzliche Grund-
lage aller weiteren Verhandlungen über die Quote sein
musste. Das Mandat der Quotendeputation war also
schon am 21. Mai 1897 durch die Erfüllung ihrer Auf-
gabe beendet, das Gutachten derselben aber blieb auch
weiterhin maßgebend.
über das Beitragsverhältnis zu den Kosten der gemein-
samen Angelegenheiten wurden, dem § 36 jenes Gesetzes
entsprechend, von den beiderseitigen Vertretungskör-
pern Deputationen gewählt welche ihre Vorschläge
bereite ausgearbeitet und darüber den Legislativen
Bericht erstattet haben. Die Legislativen sind nach § 3
desselben Gesetzes zunächst berufen, das Verhältnis,
in welchem die Kosten der gemeinsamen Angelegen-
heiten von beiden Reichstheilen zu tragen sind,
durch ein Uebereinkommen „von Zeit zu Zeit“
festzusetzen. Wenn daher dieselben bisher noch nicht
in der Lage waren, hierüber ein für längere
Zeit wirksames Uebereinkommen zu vereinbaren, so
steht doch kein gesetzliches Hindernis entgegen, daſs
sie mitt erweile das Uebereinkommen dahin treffen,
es werde die Wirksamkeit des bisherigen Gesetzes
auf eine kürzere Zeit verlängert.“
Es wurde also im Jahre 1877 nur darüber
ein Zweifel laut, ob ein kurzfristiges und gleichsam
provisorisches Uebereinkommen über die Quote ver-
fassungsmäßig überhaupt zulässig sei, ob nicht viel-
mehr die kaiserliche Bestimmung der Quote sofort
zu erfolgen habe, wenn die Legislativen nicht recht-
zeitig eine Quotenbestimmung für eine angemessene
Frist vereinbart haben. Dieser Zweifel wurde ab-
gelehnt. Allein es wurde damals ausdrücklich be-
kont, daſs auch das kurzfristige Uebereinkommen —
damals war es auf drei Monate beschränkt —
formell verfassungsmäßig nach § 36 behandelt
werden muss.
Die im Jahre 1877 allgemein anerkannte
Ansicht folgt aus den einfachsten juristischen Er-
wägungen. Weder das österreichische, noch das
ungarische Gesetz gibt den geringsten Anhalt zu
einer Unterscheidung zwischen einem Ausgleich auf
längere Zeit und einem solchen auf kürzere Zeit.
Die ohne Unterscheidung ausgesprochenen gesetz-
lichen Vorschriften müssen auch ohne weitere
Unterscheidung zur Anwendung kommen, umso-
mehr, als ihre allgemeine Anwendung keine
practischen Schwierigkeiten macht, wie das Beispiel
von 1877 zeigt. Daſs man eine auf kürzere
Zeit bestimmte Vereinbarung eine „provisorische“
nennen kann, hat juristisch gar keine Bedeutung.
Ein praktischer Unterschied liegt insofern vor, als
ein kurzfristiges Uebereinkommen eine unmittelbare
Fortsetzung der langwierigen Ausgleichsverhand-
lungen nothwendig machen kann. Darum ist aber
der Ausdruck „Ausgleichsprovisorium“ noch keine
Zauberformel welche die Dinge auf den Kopf stellen
und von der Einhaltung der Gesetze befreien könnte.
Was die Zukunft betrifft, so scheint volle Ueber-
einstimmung zu herrschen. Nachdem das Zoll- und
Handelsbündnis mit dem Vorjahre ohne neue Ver-
einbarung abgelaufen ist, stehen sich Oesterreich und
Ungarn vorläufig wirtschaftlich frei gegenüber, so-
fern nicht einzelne Verträge, wie z. B. der Währungs-
vertrag, noch auf längere Zeit laufen. Es muss
also eine Wiederanknüpfung des wirtschaftlichen
Vertragssystems in derselben Weise erfolgen, wie es
bei Beginn des Dualismus, 1867, der Fall war.
Die Quote aber, welche durch kaiserliche Entscheidung
für 1898 festgestellt ist, muss für die spätere Zeit
durch neue Deputationsverhandlungen und durch
die Initiative der Parlamente in der vorerwähnten
Weise bestimmt werden.
Eine Abweichung von der formgerechten Er-
ledigung wird jetzt voraussichtlich vermieden werden.
Denn es ist nicht nur die Einbringung eines neuen
„Provisoriums“ durch das ungarische Gesetz aus-
geschlossen worden, sondern es soll nach Zeitungs-
kerichten auch die von dem Ministerium Badeni
aufgestellte gegenseitige Bedingtheit der einzelnen
Ausgleichsgesetze aufgegeben oder in entsprechender
Weise eingeschränkt worden sein. U.ber diesen Punkt
hat vom Anfang an eine gewisse Unklarheit be-
standen. Wie konnte die Zustimmung des öfter-
reichischen Ministeriums zu den wirtschaftlichen Aus-
gleichsgesetzen und die Einbringung derselben im
Parlament abhängig gemacht werden von einer
Einigung über die Quote, da doch die Einigung
der Ministerien über die Quote gar nicht ausschlag-
gebend ist? Da über die Quoke auf Grund der
Deputationsbeschlüsse, über das Zoll- und Handels-
bündnis auf Grund der Regierungsentwürfe ver-
handelt wird, so ist nicht gut einzusehen, wie eine
gegenseitige Abhängigkeit der beiden Punkte schon
für den Beginn der Verhandlungen äußerlich her-
gestellt werden sollte. Man hat daher nicht recht
glauben wollen, dass das Ministerium Badeni nur
aus Rücksicht auf die Junclim Clausel die Veröffent-
lichung und Einbringung der angeblich vereinbarten
wirtschaftlichen Ausgleichsgesetze unterlassen hat.
Dieser Vorgang ebenso wie die vorerwähte Ver-
letzung der Ausgleichsformalitäten müssen wohl ein-
fach als Ungeschicklichkeiten angesehen werden, wenn
sie nicht gegen alle Wahrscheinlichkeit mit geheimen
Plänen zusammenhiengen.
(„Die Zit.“)
Socal-Nachrichten.
(Stadtverordneten-Sitzung.) Heute
Samstag den 12. März l. J. nachmittags 4 Uhr
findet im Sitzungssaale des Neuvades eine
ordentliche Sitzung, u. zw. die erste des neu-
gewählten Karlsbader Stadtverordneten-Collegiums
mit folgender Tagesordnung statt: I. Ein-
tragung in die Sectionen II. Wahl der ständigen
Commissionen u. zw.: 1. Commission für Rechts-
Angelegenheiten, 2. Schul-Commission, 3. Beleuch-
tungs-Commission, 4. Commission für Quellenpro-
ducte, 5. Commission für Wasserversorgung und
Kanalisierung, 6. Commission für Heimatsrechts-
revolutionären Geist durch den gegen jegliche freie-
Meinungsäußerung seit Jahrzehnten geführten Kampf
erstickt zu haben. So nahmen sie das Anschwellen
des Sturmes überhaupt gar nicht wahr, sie konnten
daher weder ihn hemmen, noch mit ihm schwimmen;
er riſs sie einfach fort. Ein kurzer Sieg der euro-
päischen Revolution auf der ganzen Linie — dann
ihre blutige Niederwerfung, zuerst in Polen und
Ungarn, zuletzt durch Rapoleon III in Frankreich.
Der einheitliche Kriegsruf, unter welchem in
allen Staaten die Aufständischen sich erhoben hatten,
hieß „Freiheit“. Keins der Völker errang sie voll-
ständig; einigen wurde ein Bruchtheil mit Ver-
tröstung im Uebrigen auf die Zukunft gewährt,
andere verloren selbst den blassen Schein von Frei-
heit, den man ihnen bis dahin noch gelassen.
Einen unmittelbaren äußeren Sieg hat also die
Revolution von 1848 nicht gebracht. Wohl aber
einen innerlichen, das ganze, inzwischen verflossene
Jahrhundert beherrschenden. Denn mit dem Rufe
nach Freiheit wurde 1848 zugleich das Natio-
nalitätsprincip und der Gedanke der socialen
Befreiung des vierten Standes, der Arbeiter,
verkündet. Diese beiden Ideen haben sich mächtig
genug erwiesen, um Europa politisch umzugestalten
und den Regierungen der seitdem rechtlich geeinten
Nationalstaaten die wichtigsten socialpolitischen Auf-
gaben zu stellen. Deutschlands und Italiens
nationale Einigungen, ebenso wie die nationale
Selbständigkeit Ungarns und die Bildung vieler
neuer nationaler Staatskörper am Balkan sind auf
dem Boden der Revolution von 1848 erwachsen.
Wenn irgend eine der 1848er revolutionären
Bewegungen Earopas berechtigt gewesen ist, so
war es die Deutsche. Durch die Kraft und
äußerste Opferwilligkeit des deutschen Volk s allein
wurden jene napoleonischen Fesseln gesprengt, welche
die Fürsten jeder Würde entkleidet hatten. Der
Gottheit dankten dafür Kaiser und Könige auf dem
Schlachtfelde zu Leipzig. Der Dank hätte auch
der Nation gegenüber bethätigt werden müssen,
blieb aber aus. Die deutschen Bundesacte gewähr-
leisteten nur ein karges und formelles Maß nationaler
Rechte ihre wichtigste Vorschrift: „jeder Bundes-
staat wird eine constituttonelle Verfassung haben“
ist von einzelnen Regierungen niemals ausgeführt,
von anderen mangelhaft und ungenügend gehalten
worden. Metternich galt als der „Kutscher aller
Politik“ und Polizeiherrschaft in ziemlich ganz
Deutschland. Niemals sind heilige Versprechungen
einem Volke so grausam gebrochen worden, wie
dem Deutschen nach den Freiheitskriegen.
Als nach den fortgesetzten Knebelungen auch
die Langmuth des geduldigsten aller Völker ein
Ende hatte und die Wogen der Revolution von
Frankreich ausgehend auch über Deutschland giengen,
waren die Machthaber merkwürdigerweise darauf
völlig unvorbereitet. Es wäre damals nicht nur
um die Minister, sondern auch um die Fürsten ge-
schehen gewesen, wenn ein anderes Volk, als ge-
rade die Deutschen, diese Revolution gemacht hätte.
Aber die Gewalt der idealen Bestrebungen war in
den Deutschen so stark, daſs sie die praktischen
Ziele aus dem Auge verloren und nicht darauf
achteten, für die Ausführung der Ideen rasch und
durchgreifend dem neuen Parlamente und der neuen
Regierung den materiellen Rückhalt zu geben. So
verpuffte in Jahr und Tag dieser ideale Ausbruch
deutschnationalen Geistes, diese wunderlichste aller
europäischen Revolutionen, äußerlich fast wirkungs-
los. Aber die Ideen von Freiheit und Einheit
haben nachhaltig gewirkt: die Alten von 48 haben
die Deutsche Nation erweckt!
Die 1848er Märztage haben — von welchem
Parteistandpunkte auch immer man heute jene
historischen Vorgänge betrachten mag — ohne alle
Frage den Gedanken der politischen und bürger-
lichen Freiheit zum Siege verholfen und damit
jene nationalen und socialen Kräfte entfaltet, welche
gegenwärtig den geistigen Inhalt unseres Daseins
ausmachen. Hierin beruht für den rückschauenden
Politiker die Hauptbedeutung der Volkserhebung
von 1848. Darum ziemt es dem lebenden Ge-
schlechte, dankbar Derer zu gedenken, welche vor
einem halben Jahrhundert die Bahn gebrochen und
der Freiheit eine Gasse geschaffen haben.
Eine schwere Bühne.
(25. Fortsetzung.)
Machdruck verboten.]
Mit dem Kennenlernen des Schitzlings seiner
Mutter war in ihm zum ersten Male die Liebe zu
einem Weibe erwacht. Mademoiselle Martha war
nach ihrem Aeußeren wie in ihrem ganzen Wesen
die Verwirklichung des Ideals, welches er sich ge-
Von Adolf Reiter.
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