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„Karlsbader Badeblatt und Wochenblatt“ Nr. 3
5. Jänner 1898
Von hohen Staatsmännern und Beamten
starben der weltbekannte Staatssecretär des Reichs-
postamtes Stephan und der spanische Ministerplä-
sident Canovas, letzterer eines gewaltsamen Todes.
Beide Männer wurden in weitesten Kreisen tief
beklagt.
Von bekannten Militärs sind zur großen Ar-
mee abberufen worden: General v. Albedyll, be-
kannt als langjähriger Cabinetschef Kaiser Wil-
helms I., der französische General Bourbaki, der
einstige osmanische General v. Drigalski und der
in den afrikanischen Kämpfen vielgenannte abessynische
Heerführer Ras Alula.
Das Wort für immer entzogen ist den be-
kannten Patlamentariern Dr. Max Weber (nat.-
lib.), Graf v. Preysing (Centr.), Grillenberger (Soc)
und von Tiedemann (frei cons.)
Die juristische und staatswirtschaftliche Welt
verlor den Professor des Handelsrechts Dr. Levin
Goldschmidt, Professor Maiquardson, den Berliner
Justizrath Makower. Von bekannten Theologen
sind gestorben Propst Jahnel, Thoma, Erzbischof
von München, von hervorragenden Me icinern die
Professoren Welcker, Wilhelm Preyer, Oertel und
der Director der Irrenanstalt Geh. Sanitätsrath
Dr. Zinn, von hervorragenden Gelehrten der be-
rühmte Mathematiker Weierstraß, die Chemiker
Fresenius und Victor Meyer, der Philosoph Jürgen
Bona Meyer und der Culturhistoriker v. Riehl
Ganz furchtbar aufgeräumt hat der Tod unter
den berühmten Dichtern, Schriftstellern, Künstlern.
So haben das Jahr 1897 nicht mehr überlebt der
bekannte Romanschriftsteller Conrad Telman, der
berühmte Dichter Emil Rittershaus, die französischen
Schriftsteller Alphons Daudet und Henri Meilhac,
beide weit über die Grenzen ihres Vaterlandes
hinaus bekannt, die Maler Otto Heyden und Sir
John Gilbert, die Componisten Johannes Brahms
und Heyser, die Bühnenkoryphäen Mitterwurzer,
Charlotte Wolter, Marie Seebach und Franz Crolop,
sowie der überall bekannte Theaterdirector Pollini.
Von großen Industriellen, Kaufleuten, Ver-
legern sind gestorben: Arnold Borsig, Geh. Commer-
cienrath Louis Baare-Bochum, der Eisenbahnindu-
strielle Pullmann, der Geheim. Commercienrath
Schiller in Breslau, die Verlagsbuchhändler Engel-
horn, Klasing, Dunker, Janke, Wasmuth und Reimer.
uletzt wollen wir noch collegialisch einiger
Männer gedenken, die selbst nur berühmt waten,
weil sie redlich zum Ruhme Anderer beigetragen
haben, die Chefredacteure Davidsohn und Vindter
(Börsencurier und Nordd. Allg. Z'g.), Max Horwitz,
Redacteur der Nationalzeitung, Schérenberg, Jllu
strator des „Ulk“.
Alle, die wir hier aufgezählt, sind während
ihres Lebens viel und zum Theil weit und breit
Local-Nachrichten.
(Vortrag. ) Wir machen hiemit nochmals
auf den heute Abend 8 Uhr im Kurhause statt-
sindenden Vortrag des Docenten Herrn J von
Geitler-Armingen aufmerksam, welcher das
Thema „Ueber die Versuche von Herz und ihre
Verwendung für die drahtlose Telegrafie“ wählte.
Der Eintritt zu diesem Vortrage ist frei gegen
Karten, welche in der Jakob'schen und Stark'schen
Buchhandlung, ferner in der Papierhandlung des
Herrn A. Bayer (Elisabethquai) erhältlich sind.
(In Angelegenheit des deutschen
Schulvereins) schreibt man uns: Sehr ge-
ehrter Herr Redacteur! Sie haben in der gestrigen
Nummer Ihres Blattes gelegentlich der Besprechung
des Neujahrs Promenaden-Concertes in der Sprudel-
Colonaade die ganz richtige Bemerkung gemacht,
daſs die jüngere Karlsbader Gesellschaft fast gar
nicht an der von den hiesigen Schulvereinsorts-
gruppen inscenierten Veranstaltung sich betheiligte.
—- Es ist wahrlich traurig, daſs gerade in der
jetzigen Zeit bei uns das nationale Interesse sich
gar nicht lebhafter entwickeln will u. zw. gerade
bei der jüngeren Generation, der ja doch eigentlich
die Zukunft gehört. — Muss es nicht Wunder
nehmes, daſs in der Bevölkerung unserer Stadt,
die sich einer so intelligent sein wollenden jungen
Generation erfreut, nicht das Bewusstsein lebhaftest
zum Durchbruch kommt, daſs dem gefährdeten
Deutschthum in unserem Vaterlande alle Opfer ge-
bracht werden müssen? — Die Zahl der bemittelten
deutschen Familien in Karlsbad allein ist eine weit
größete als in manchem ausgedehnten deutschen
Gaue Böhmens und doch geschieht hier so wenig
für unsere gemeinsame nationale Noth- und Ehren-
sache; — Und was wird denn verlangt — es ist
blutwenig! — Am Neujahrstage hätte mit einer
Krone, von Hunderten geopfert, eine nationale
Großthat ermöglicht werden können — so aber war
der Erfolg ein nahezu entmuthigender! — Das sollte
endlich anders werden in Karlsvad — möge man
sich doch aufraffen und einbekennen, daſs wir eine
deutschfühlende Bewohnerschaft sind. — Diese Ge-
sinnung zu bethätigen, ist vor Allem dadurch Ge-
legenheit geboten, daſs man dem deutschen Schul-
vereine, diesem Hort für Erhaltung des Deutsch-
thums in den bedrängten Sprachgebieten unseres
Vaterlandes alle nur mögliche Unterstützung ange-
deihen lässt. — Das Wirken des deutschen Schul-
vereines ist für uns alle ein eminent segensreiches
und wer denselben anfeindet, ist kein Deutscher —
alle Spaltungen, die in der letzten Zeit versucht
wurden, sind ebenso tief bedauerlich als verfehlt.
Der deutsche Schulverein darf nichts einbüßen von
seiner Wirkungsfähigkeit und ihn in voller Actions-
möglichkeit zu erhalten, muſs das Bestreben aller
Deutschen sein. — Im heurigen Jahre wird die
Haupt-Versammlung des deutschen Schulvereins
wieder in Karlsbad tagen — möge unsere Stadt
als diesmaliger Vorort dadurch lebhaftest bekunden,
daſs deren Bewohnerschaft deutsch fühlt und denkt,
daſs in den hiesigen Oltsgruppen reges Leben sich
entwickle. — Wir haben geeignete Elemente zur
Förderung desselben genug in Karlsbad — mögen
es dieselben nur nicht an der Initiative fehlen
A. S.
lassen.
(Kirchenmusik.) An dem morgigen heil.
Dreikönigs-Festtage werden im Hochamte nach der
um 1/210 Uhr beginnenden Predigt die Pastoraï-
Messe in A und D von Robert Führer und das
Offertorium „Ubi est, qui natus est“ (Soloterzett,
die Herren: Hans Stolz, Tevor, Rudolf Messerer
I. Baſs, Emanuel Feige II. Baſs) von Anton
Diabelli op. 184 zur Aufführung gelangen.
(Faschings-Repertoire im Kurhause.)
Der tanz- und verngügungslustigen Welt gibt das
Repertoire im Kurhause reichlich Gelegenheit sich
zu amüsiren. Den heurigen Carnevalsreigen er-
öffnet am 15. d. das Böhmerwaldbundkränzchen,
am 29. folgt der Ball des Kriegercorps, am
2. Feber findet ein Wohlthätigkeits Concert statt,
für den 5. Feber ist eine Unterhaltung zu Gunsten
des Deutschen Schulvereines anberaumt, dann folgen
die Bälle des Officiersvereines und der Schützen;
am 20. findet der Jux Abend des Turnvereins
statt, am 21. die große Redoute. Also an Gelegen-
heit sich zu unterhalten ist wahrlich kein Mangel.
(Unterhaltungs-Abend.) Der Radfahrer-
Club „Adler“ veranstaltet morgen Abend im Re-
staurant „Heilbronn“, einen Unterhaltungs-Abend
bei zwangslosem Programm.
(Aeußere Form der gerichtlichen
Eingaben.) Mit dem 1. Jänner 1898 erhielten
die bei Gericht manipulierten Acten eine neue
äußere Form; dieselben werden in Hinkunft nicht
mehr gebrochen, sondern offen behandelt werden,
so daſs immer die erste Seite des Actenstückes,
eventuell die vordere Seite des Actenumschlages
obenauf zu stehen kommt und daraus die Sache,
um die es sich handelt, entnommen werden kann.
Das Justizministerium hat nun in der Ueberzeugung,
daſs es bei Durchführung der weittragenden Reform,
welche durch die Einführung der neuen Civilprocess-
gesetze und durch die Aenderung des gesammten
inneren gerichtlichen Dienstes sich vollziehen wird,
auf die Unterstützung des Anwaltstandes zählen
genannt worden. Einige, namentlich Gelehrte und
Künstler werden, obschon todt, noch lange bekannt
und genannt sein. Und von nun an dem neuen
Jahre, den Lebenden die Zeitungsarbeit!
Warte, Du Kujon, ich will D'r 'n Appetit ver-
treiben!“
Das Zimmer des Caplans lag auf der Hof-
seite des Hauses, und auf den Hof eilte Hocke-
wanzel, schleppte eine Leiter vom Schupfen her
und lehnte sie vorsichtig an die Wand unter dem
Fenster der Caplanswohnung. Mit einer Behendig-
keit, die er sich selbst kaum zugetraut hätte, kletterte
er hinauf, und den Kopf nur bis zur untersten
Scheibe des Fensters erhebend, konnte er das ganze
Zimmer deutlich überblicken.
Richtig! Da auf dem Tische stand der Teller,
daneben das Brot und ein geöffnetes Taschenmesser.
„Aha!“ flüsterte Hockewanzel, „Alles ist zur
Unthat bereit. Er geht aber noch unschlüssig im
Zimmer auf und ab; 's ringt noch mit 'n. Sein
guter Geist zieht'n 'nüber und d'r böse Geist rüber
auf die Würste zu. Ein schrecklicher Kampf; ich
kann mir's denken. Wer wird wohl gewinnen?
Hm! Hm! Er sieht sich die Würste immer wieder
an; 's steht schlimm mit 'n, sehr schlimm! Aber sei
nur getrost, lieber Seff, ich bin ja da, Dein Schutz
engel. Wenn die Noth am größten sein wird, werd'
ich schon dazwischentreten. Jetzt setzt 'r sich zum
Tische — wahrhaftig, nunmehto ist's die höchste
Zeit“ — und ein heftiger Schlag, von seiner Hand
gegen den Fensterrahmen gefuhrt, macht alle
Scheiben erzittern, so daſs der Caplan erschrocken
ven se nem Sitze emporfuhr und das Messer seiner
Hand entfiel. Er eilte rasch zum Fenster und be-
merkte zu seinem Erstaunen, wie der Herr Erz-
dechant mit der Geschwindigkeit einer Katze die
Sprossen der Leiter hinabkletterte.
„Na warte,“ drohie er ihm mit der geballten
Faust nach, „das sollst Du mir entgelten!“
„Er ist gerettet!“ sprach Hockewanzel, unten
angekommen und hielt sich den Bauch vor Lachen.
Er begab sich sofort in die Küche und ertheilte der
Wirtschafterin den Auftrag dass heute zum Abend-
essen nichts Anderes als aufgewärmte Nudeln auf
den Tisch gebracht werden sollen und daſs sie ver-
stohlener Weise die Wurst vom Zimmer des Caplans
herabbringen und in der Küche aufbewahren möge.
Beim Nachtmahl war der Caplan sehr ein-
silbig und niedergeschlagen. Seine Lieblingsspeise
rührte er gar nicht an; dagegen sprach er um so
herzhafter dem Biere zu, welches nach seiner Ver-
sicherung so erbärmlich, wie heute schon lange Zeit
nicht mehr gewesen war.
Hockewanzel beobachtete ihn längere Zeit still.
schweigend. „'s hat 'n doch schrecklich mitgenom',
hätt's nicht gedacht,“ meinte er für sich, und weil
das Schweigen nicht nach seinem Geschmacke war
und er anfieng, mit dem Seelenzustande seines
Amtsgenossen wirkliches Mitleid zu empfinden, redete
er ihn endlich mit wohlwollendem Tone an: „Was
ist denn mit Dir heute, Seff, die Hühner haben D'r
wohl 's Brot geftessen, was?“ Der Caplan aut-
wortete nur mit einem schweren Seufzer und stützte
den Kopf in die Hand.
„Nu ja,“ fuhr der Herr Erzdechant fort, „bei
dem Essen da kann der Mensch freilich nicht muth-
willig werden. Aber weißt Du was, Seff, ich hab'
heute Abend auch ein' Teller Würste gekriegt —
bring' sie 'rein Kathi — und da denk ich halt, mir
werd'n sie essen miteinander, ich zweie und Du
zweie. Der Fasttag is wohl vorüber, wenn's
Abends bald halber Neune ist. Da lang' ok zu,
ausgezeichnet sein se, ein bissel stark gepfeffert!“
„Ah!“ dachte der Caplan, „hängt m'rs da
heraus? Den Teller kenne ich. Na, warte, jetzt
hab ich Dich!“
„Ich danke,“ sagte er laut, „ich danke, Herr
Erzdechant, ich werde in meinem Leben, keine Würste
mehr essen, das habe ich mir heute in einem schreck-
lichen Augenblicke feierlich gelobt. Ich will über-
haupt ein ganz anderer Mensch werden.“
„Was der Tausend!“
„Ja, ja, Sie werden mir glauben, wenn Sie
mein reutges Geständnis werden angehört haben.“
„So, so,“ erwiderte Hockewanzel, „da bin ich
doch neugierig; was hat's denn gegeben? 's hat'n
doch sehr erschüttert!“, setzte er für sich, eifrig
kauend, hinzu.
„Sehen Sie,“ fuhr jener fort, „ich war heute
nahe daran, das Fastengebot zu übertreten. Wenn
ich Etwas zu meiner Entschuldigung anführen darf,
fo waren es die Nudeln, der Hunger und die un-
glückseligen Würste, die mich zu Bösem reizten. Ich
habe lange gegen die Sünde gekämpft. —“
Hockewanzel nickte mit dem Kopfe.
„Aber ich war schwach“, fuhr der Kaplan mit
zerknirschter Miene fort, ich war nahe daran zu
unterliegen, uneingedenk der guten Lehren und Er-
mahnungen, die ich in meiner Kindheit empfieng
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