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6. Feber 1897
�Karlsbader Badeblatt und Wochenblatt“ Nr. 29
Seite 5
Verkennung der Thatsachen, die Juden für die socia-
en Schäden verantwortlich zu machen. Das Vor-
gehen der Antisemiten sei unmenschlich und unlogisch!
Abg. Gregorig: Die Juden stehlen! Abg. Kick:
Gegen Diebstahl ist das Gesetz da; gegen Diebstahl
und Uebervortheilung setzt man sich zur Wehr, wer
dies nicht thut, ist entweder feig oder dumm! Abg.
Schneider sagt, die Einheimischen sollen dieses Ge-
sindel endlich hinauswerfen! Abg. Noske: Hat das
Präsidium nicht gehört? (Lärm bei den Antise-
miten) Vorsitzender Landmarschall-Stellvertreter
Strobach: Herr Abg. Noske, Sie haben nicht das
Wort! Abg. Noske: Da rufen Sie nicht zur Ord-
nung?! Vors. Strobach: Nein! Ich werde es
nicht thun! Abg. Dr. Ofner: Es sind hier zwei
oder drei Herren, welche sich ein Geschäft daraus
machen, um gegen die Juden zu hetzen. Abg.
Schneider: (schreiend und hestig gesticulierend) Das
ist eine Frechheit! Vorsitzender Strobach: (zu
Schneider) Verhalten Sie sich endlich ruhig! (Abg.
Schneider lärmt weiter und wird sogar von Dr.
Lueger zurechtgewiesen.) Abg. Dr. Ofner sagt,
daſs man gegen Beschimpfungen, wie sie von der
Gegenseite kommen, wehrlos sei, wofern das Präsi-
dium nicht seine Pflicht thue. Abg. Gregorig er-
zählt unter deutlicher Bezeichnung des Abg. Dr.
Kronawetter, daſs ein Magistratsrath aus seinem
Hause Parteien rücksichtslos hinausgeworfen habe.
Abg. Dr. Kronawetter weist diesen Vorwurf
zurück. Der Berichterstatter befürwortet die Be-
willigung der Subvention und sagt, wo die Ver-
hältnisse krank seien, „die Juden erscheinen.“ —
Vors. Strobach: Ich wurde aufmerksam gemacht,
daſs Abg. Schneider in seiner Rede einige un-
passende Ausdrücke gebraucht hat, ich muss ihn
deshalb zur Ordnung rufen. — Abg. Noske er-
hält das Wort zur Geschäftsordnung. Er freue
sich, daſs der Vorsitzende endlich zur Einsicht ge-
kommen sei und seines Amtes gewaltet habe. (Lärm
bei den Antisemiten und Rufe: Kusch!) — Vors.
Strobach: Ich rufe Sie zur Ordnung und entziehe
Ihnen das Wort. — Bei der Abstimmung wird
die Subvention mit den Stimmen der Antisemiten
abgelehnt.
Wien, 5. Feber. Die „Wiener Ztg.“ meldet:
Der Kaiser' hat den Honorardocenten für Land-
wirtschaftslehre an der deutschen technischen Hoch-
schule in Prag Dr. Josef Pichl zum außerordent-
lichen Profesfor der Landwirtschaftslehre, Geodäsie
und Klimatologie an der genannten Hochschule
ernannt.
Wien, 5. Feber. (Landtag.) Die Abgeord-
neten Philippovich, Ofner und Kronawetter brachten
einen motidierten Antrag auf Errichtung von Woh-
nungsämtern ein, welche autonome Verwaltungs-
organe seien, unter der Controle der politischen
Behörden stehen und aus ärztlichen und bautech-
nischen Mitgliedern zusammengesetzt sein sollen.
Hierauf wurden einige Anträge des Finanzaus-
schusses auf Ertheilung von Subventionen ange-
nommen.
London, 5. Feber. Im Unterhause erklärte
Parlamentssecretär Courzon, daſs nach den letzten
Berichten die Kämpfe in der Suda-Bai und um
Canea fortdauern. Die Berichte über Niedermetz-
lungen von Christen in Galata haben die Glaubens-
genossen erbiitert. Auf Ersuchen der Pforte und
des Vali habe der britische Botschafter in Constan-
tinopel den britischen Consul in Canea angewiesen,
sein möglichstes zur Wiederherstellung der Ördnung
zu thun. Auf Ersuchen des Vali begleiteten der
britische Consul und einige seiner Collegen den
Vali nach der Suda-Bai, um ihren Einfluss bei
den bewaffneten Christen aufzubieten. Das anhal-
tende Feuer verhinderte es, einige Zeit hindurch
mit den Aufständischen zu verhandeln. Ein Bote
erreichte schließlich den Häuptling, welcher ver-
sprach, das Feuer einzustellen, wenn die Truppen
dasselbe thun. Der Vali befahl hierauf, das Feuer
einzustellen. Die Consuln setzen ihre Bemühungen
fort. Ein weiteres britisches Kriegsschiff ist nach
Canea beordert.
Mülhausen im Elsass, 5. Feber. Seit 6 Uhr
früh brennt die große Baumwollspinnerei Dollſuß
& Manz in der Franklinstraße. Die Fabrik und
die Nebengebäude sind total niedergebrannt. Der
Schaden wird auf 800000 Mark geschätzt. 200
Arbeiter sind brotlos geworden. Die Entstehungs-
ursache des Brandes ist unbekannt. Das Feuer,
durch welches die Umgebung stark gefährdet war,
konnte localisirt werden. Unglücksfälle sind nicht
vorgekommen.
Agram, 5. Feber. Heute früh wurde im
Gerichtshofe die Allerhöchste Entschließung publicirt,
mit welcher das Todesurtheil gegen Mio Perezowies,
Mio Vukan'es und Vid Petres-Polovesat bestätigt
wurde. Die Hinrichtung der Verbrecher findet
morgen früh statt.
Paris, 5 Feber. Prinz Danilo von Mon-
tenegro ist zu zweimonatlichem Aufenthalte hier
eingetroffen.
Rom, 5, Feher. Prinz Heinrich von Orleans
wird morgen früh ircognito hier eintreffen, am
selben Tage vom Papste empfangen werden und
direkt nach Brindisi abreisen, um sich nach Dschibuti
einzuschiffen.
Paris, 5. Feber. Einer Meldung des
„Hauloig“ zufolge hätte der Sultan dem Bot-
schafter Munir-Bei über dessen Bericht, betreffend
die von Munit-Bei mit den Ministern Hano-
taux und Murawiew gepflogenen Unterredung
telegrafisch den Auftrag ertheilt, dem Minister
Hanotaux zu erklären, daſs der Sultan allen von
Frankreich unterstützten Reformen zustimmen werde.
Constantinopel, 5. Feber. Die Patriarchen-
krisis verbleibt stationär. Die sieben oppositionellen
Mitglieder der aus zwölf Mitgliedern bestehenden
Synode, von denen drei abwesend sind, halten
Versammlungen ah und verlangen, der Patriarch
solle seine jüngsten anticanonischen Anordnungen
zurücknehmen. Die Opposition bereitet für Samstag
Kirchendemonstrationen vor.
Cannes, 5 Feber. Erzherzogin Maria Theresia
ist gestern mit ihren Töchtern incognito hier ein-
getroffen.
Furin, 5. Feber. General Cadorna ist schwer
erkrankt. Man befürchtet das Schlimmste.
Deva 5 Feber. Am Relyezat-Gebirge wurden
Sägemühlarbeiter sammt der Hütte von einer Schnee-
lawine in das Thal gerissen. Zwei Arbeiter sind
todt, vierzehn verwundet. Auch in den Surikany-
Alpen werd'n Lawinenstürze gemeldet.
Chambery, 5. Feber. Eine Abtheilung Alpen-
jäger wurde beim Ueberschreiten des Traversette-
passes von einer Lawine in den Abgrund gerissen.
Drei Mann wurden getödtet, mehrere verwundet.
Belgrad, 5 Feber. König M lan reist heute
Abend mittels Ocientexpresszug nach Wien ab.
— Ministerpräsident Sim & begibt sich am Dienstag
nach Wien behufs Uebergabe seines Abberufunge-
schreibens.
Rom, 5. Feber. Die Bewegung auf den
Universitäten der verschiedenen Städte dauert fort.
Die Studenten der Universität in Rom beschränkten
sich darauf, zwei Protestversammlungen abzuhalten,
wobei sich keinerlei Zwischenfall ereignete. Die
Studenten der Universität in Neapel, welche ge-
schlossen ist, veranstalteten Kundgebungen, welche
Conflicte mit der öffentlichen Gewalt herbeiführten,
wobei einige Personen leicht verwundet wurden. Die
Studenten verlangen die Erlassung der über ihre
Collegen verhängten Strafen.
London, 5. Feber. (Unterhaus). Der Parla-
mentssecretär des Kriegsamtes Brodrick erklärte, im
Etat des Kriegsamtes werde vorgeschlagen, die
Garde um zwei Bataillone zu vermehren, drei
Gardebataillone im Mittelländischen Meere zu sta-
tionieren, die Hochländer um ein Bataillon zu ver-
mehren, ein weiteres Regiment Artillerie für Malta
auszuheben, ferner das Regiment in Westindien um
ein Bataillon zu vermehren. Die Garnisonsartillerie
um 5400 Mann zu erhöhen und eine Feldbatterie
zur Vervollständigung des Bestandes der drei
Armeecorps auszuheben.
Paris, 5. Feber. Einer Meldung aus Key-
West zufolge warf eine Bande Aufständischer eine
Bombe auf einen Zug der von Havannah nach
Pinar del Rio verkehrte, wobei ein Kapitän, 5 Sol-
daten, der Zugführer und der Heizer verwundet und
ein Bauer getödtet wurde. Eine andere Bande
beschofs einen Zug und verwundete zwei Reisende
und einen Truppencommandanten.
Constantinopel, 5. Feber. Die Situation
im Districte von Canea ist unverändert ernst. Die
Aufständischen erklärten einem Abgesandten des eng-
lischen Consulats, die Waffen niederzulegen, wenn
auch die Truppen die Feindseligkeiten einstellen.
Die gegenwärtige Saison der Bälle und großen ge-
sellschaftlichen Vereinigungen bietet eine gute Gelegenheit,
die Aufmerksamkeit der Liebhaber des als exquisit weit
und breit bekannten Liqueur Bénédictine darauf zu
lenken, stets den einzig und allein echten aus Fécamp
(Frankreich) zu fordern und darauf zu bestehen, das man
ihnen denselben auch effective aushändigt resp. in Cafes-
Restaurants auch in der Originalflasche serviert. Leider
geschieht es nur zu oft, daſs man an Stelle dieses wirk-
lich ersten Liqueurs dem Publikum Nachahmungen oder
Fälschungen anbietet, von denen man sich aber heute sehr
in Acht nehmen kann.
Laien und Fachfreisen dürfte daher die Mittheilung
sehr willkommen sein, daſs laut mehrfacher Entscheidung
des kaiser. Patentamtes Berlin, das Wort „Benedictine“
kein Freizeichen mehr und daſs sogar Zusätze' wie deutscher
oder sächsischer Benedictiner, Ligueur Benedictus oder
ähnliche Benennungen unstatthaft und bei Strafe ver-
boten sind. Auf Verlangen erfolgt gratis Zusendung der
diese Entscheidung behandelnden Broschüre durch den
General-Agenten Hans Hottenroth, Hamburg.
Briefkassen der Redaction.
B. S. hier. Die Freimauerei ist in den im Reichs-
rathe vertretenen Ländern verboten. Ihre zweite Frage
betreffs des Regierungsvertreters entfällt hiedurch.
Wien, 5. Feber 1897. (Schluſs-Course.)
Mzirente..101.90
Böhm. Westbahn. —.
Oest. Kronenrente 101.20
Pardrbitzer...
Silberrente... 102.20
Elbethalvan.274 —
Hest. Goldrenie. 123.55
Böhm. Norddatr.
Buschtiehr. Lit.
Ung. Goldrente. 122.25
Uing. Kronenrente9985
uLh 55350
1860er Loseganze. 144.75
Localbahnen
Prag-Durer
1960er„ Fünftel 15650
186er„
DuBodenbacer
.. 188.50
ug1710'—
Tredit-Lose ..19850
Wiener Trama 478 —
1854er-Lose 149.—
W. Communalose 167.50
Ofen-Fünfkirchen-
Theißlose...140.—
Donaudampfsch et 498 -
Türkenlose 51.90
Lloyd..
...
Treditactien .374.85
Tabakaktien15350
Waffenfgbrit 316.—
Unglobank... 157.—
Unionbank .296—
Alpine Mont. .. 87.90
Rima Mur.244.—
Gänderbank24925
Prager Eisenkr682.—
Ung. Creditbant.412.=
Hantverein259.25
Sodenkredit457.=
Nord. Böhm..399.—
Brüxer Koht27=
Böhm. Unionban. -—
Wiener Baugefeffich 109. —
Zivno . — —
20 Franc9.5112
Uemberg-Czernowitz 295 —
Staatsbahn. 36150
Paris4752
Züric4727
obard9075
11970
272—
De5865
Kordbahn347.—
5862
Nordwestbahn 271.-
Marischeide7
3654.=
12687
bnnfitt Milleho!
ist von ärztlicher Seite bei dem im
Winter so häufig auftretenden Bronchial-
Catarrh der Kinder besonders empfohlen.
3 Theile Giesshübler werden mit 1 Theil
heisser Milch vermischt und die
2525Mischung lau verabreicht.
Jestaurant Steinerner Brunnen
Leitmeritzer und Tüppelsgräner
Lagorbicr.
Mittagstisch im Abonnement.
Rendez-vous für Tarock- und Schachireunde.
E. Leert.
Hochfeinen
Wirtschafts-Rum
per Liter-Flasche 1 fl.,
feinen Cognac
per Flasche 2 fl.
Altdeutsche Weinstube Erzherzog Carl.
Das Consularcorps und der Generalgouverneur
bieten alle Bemühungen auf, um die Beruhigung
herbeizuführen. Die Justizcommission ist hieher
zurückgekehrt. Der französische Militärattaché, der
nach Frankreich zurückkehren sollte, reist infolge der
letzten Ereignisse abermals nach Kreta.
Název souboru:
karlsbader-badeblatt-1897-02-06-n29_1265.jp2