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„Karlsbader Badeblatt und Wochenblatt“ Nr. 29.
6. Feber 1897
bar, ihren christlichen Zweck dadurch am sichersten
zu erreichen, wenn sie uns nach oben so anschwär-
zen, daſs nur sie allein mit ihren „frommen Wün-
schen“ gesehen werden. Die angeführte schwere,
hasserfüllte Beschuldigung, für d'e auch nicht der
geringste Beweis erbracht werden kann, ist ein Ver-
brechen und kann nur von einem Manne ausgehen,
der, barkerott in der Gesinnung, gemein in seinem
Handeln ist. Wir weisen diesen Schimpf mit gleicher
Brachtung zurück. Diese beiden Männer — wir
alle kennen sie — die sind einander wert und wer
es heute noch mit seiner Mannes- und Standes-
ehre vereinbar findet, sich diesen „edlen Seelen“
anzuschließen, wohlan, der möge unsere Reihen ver-
lassen, wir können dadurch nur gewinnen. Und
die Folgen dieses clericalen Ansturmes? Er ent-
facht die Begeisterung für unsere Ideale zur hell-
lodernden Flamme und die vielen Zustimmungen,
die wir erhalten haben, die vielen Kundgebungen
unserer Zweigvereine berechtigen uns zu sagen:
Was ihr erstrebt, ihr werdel's nicht erreichen; fest
und treu, ohne Wanken stehen wir zusammen. Von
den ehrlichen, gesinnungsstarken Männern unseres
großen Vereins wird auch nicht einer abfallen.
Alle aber werden nun gegen jene mit den schärfsten
Waffen und mit schneidender Rücksichtslosigkeit an-
kämpfen, die statt des Friedens den Krieg, statt
der Liebe den Hass predigen, die die Schule und
die Lehrer niemals zur Ruhe kommen lassen, die
uns wieder in das clericale Joch spannen wollen.
An unserem Mannesmuthe und unserer Ueber-
zeugungstreue müssen die feindlichen Pläne zu-
schanden werden. Der Ausschuſs des Deutschen
Landeslehrervereins in Böhmen.“
(Die Aerzte und die Meister-
krankencassen.) Die außerordentliche General-
versammlung des Vereines deutscher Aerzte in
Prag, welche am 1. Februar stattfand und von
ungefähr 200 Aerzten besucht war, beschloss ein-
stimmig über Antrag des Docenten Dr. Pietrzikowsti,
es sei bei der allgemeinen Aerzteversammlung aus-
schließlich die Frage der Meisterkrankencassen in
Verhandlung zu ziehen. Was den materiellen Theil
betrifft, wurde ein Antrag des Sanit.-Rathes Dr.
Altschul einstimmig angenommen, daſs jede Pauschal-
honorirung bei den Meisterkrankencessen untersagt
sei und daſs für dieselben das ortsübliche Honorar,
aber nicht in der Höhe wie bei den Arbeiterkranken-
cassen zu fordern sei. Endlich beantragte Herr
Sanitätsrath Dr. Allschul, es sei eine Revision des
Krankencassengesetzes überhaupt in dem Sinne zu
beantragen, daſs bemittelte Leute von den Wohl-
thaten derselben auszuschließen seien. Dieser An-
trag wurde angenommen, desgleichen der Antrag
des Herrn Dr. Herr heiser des Inhaltes, die
Aerzieversammlung habe zu erklären, daſs alle jene
Aerzte, welche sich nicht an die Beschlüsse derselben
halten, von Seite der Aerztekammer disciplinariter
zu behandeln seien.
(Vortrag.) Wir machen hiermit noch-
mals auf den heute Abend 8 Uhr im großen Saale
des Kurhauses stattfindenden Vortrag des Herrn
Dr. Josef Jerusalem über das Thema „Der
Zionismus“ aufmerksam. Der Eintritt ist frei.
(Zur Errichtung von Volksbiblio-
theken.) Der „Deutsche Verein zur Verbreitung
gemeinnütziger Kenntnisse in Prag“ hat an die
deutschböhmischen Sparcassen eine Zuschrift ver-
sendet, in welcher dieselben ersucht werden, aus An-
lass des Regierungsjubiläums des Kaisers Beiträge
zur Errichtung und Erhaltung von mit Freilese-
hallen verbundenen Volksbibliotheken widmen zu
wollen. In der Zuschrift wird auf den segens-
reichen Einfluss der Volksbibliotheken hingewiesen,
durch welche „die socialen Ungleichheiten und Gegen-
sätze gemildert, der Verstand der breiten Volks-
massen geschult, ihr Character geläutert werden
würde, was den Gemeindeverwaltungen wie auch
dem parlamentarischen Leben nur zum Vortheile
gereichen könnte.“
Eger, 4. Feber. [O.-C. (Wahlbewegung.) Die
1. k. Bezirkshauptmannschaft hat in ihrem Amtsblatt eine
Belehrung zu den Wahlen verröffentlicht mit gleichzeitiger
Angabe der Zahl der in den einzelnen Gemeinden zu
wählenden Wahlmänner und des Datums dieser Wahlen.
In der allgemeinen Curie entfallen auf die Stadt selbst
37 Wahlmännner und findet die Wahl am 16. d M.
von 8 Uhr früh bis 4 Uhr Nachmittag im Rudolfinum
statt. Nachdem in der Stadt vier officielle Wahlmänner-
listen zur Ausgabe gelangen werden, — eine fortschrittliche,
nationale, christlichspeiale und socialdemokratische — und
auch Sonderbestrebungen nicht ausgeschlossen sind, er-
scheint eine Stichwahl fast unvermeidlich. Leider wurde
die Candidatur des vom Vertrauensmänner-Comité in
Vorschlag gebrachten Candidaten immer noch nicht pro-
clamiert. Dieses Zögern ist angesichts der eifrigen Agi-
tation aller anderen Parteien ganz unverständlich. Soll
etwa so lange gewartet werden, bis der Boden ganz
unterwühlt ist? Die intensipste Wahlvorbereitung be-
treiben die Socialdemokraten, welche nicht nur selbst zahl-
reiche Versammlungen abhalten, sondern in jede andere
Redner entsenden. Aber auch die Christlich-Socialen
üben die ihnen in der Kanzel gegebene Macht voll aus
und arbeiten wohl weniger lärmend aber mit Eifer.
Solcher Art verlieren die Schönerianer, von allen an-
deren Parteien am meisten angefeindet, an Boden. Die
Landbevölkerung verhält sich ziemlich passiv. Von den
drei Candidaten Dr. Verkauf (ſoct edem.) Drescher (christl.-
soc.) und Hofer (nat.) scheint ihr keiner genehm zu sein.
In den Landgemeinden haben sich die Verhältnisse kaum
geändert, die Aussichten für Tausche sind nicht bessere
geworden. In der Städtecurie schließlich wurde dem Dr.
Bareuther kein in Betracht kommender Candidat ent-
gegengestellt.
5.Feber. (Schwerer Unfall auf der
Bahn). Heute früh um 8 Uhr ereignete sich auf dem
hiesigen Bahnhofe ein sehr schwerer Unglücksfall, welchem
leider ein Menschenleben zum Opfer fiel. Der seit vielen
Jahren in Diensten der beirischen Staatsbahn stehende,
65 Jahre alte Weichenwärter Anton Stegmann wurde
in dem Augenblicke, als er eine Weiche stellen wollte, von
der Lokomotive des Wiener Schnellzuges erfast, zwischen
die Schienen geschleudert und ein Stück Weges fortge-
rissen. Als die Locomotive zum Stehen gebracht war,
bot sich ein fürchterlicher Anblick dar, eine in entsetzlicher
Art verstümmelte Leiche. Besonders der Kopf, welcher
in zwei zusammenstoßende Geleise eingepreſst worden
war, glich einer unförmlichen Masse. Der rechte Unter-
schenkel war vollständig abgetrennt. Stegmann hinter-
läßst eine Frau und fünf Kinder, von welchen drei be-
reils versorgt sind.
Telegnamme.
Prag, 5. Feber. (Landtag.) Oberstland-
marschall Fürst Lobkowicz eröffnet' die Sitzung um
11 Uhr 15 Min.
Am Regierungstische: Stitthalter Graf Couden-
hove, Statthalteretrath Pietrzikowski und Bezirks-
commissär Dr. N umann.
Abg. Dr. Schlefinger und Genossen richten
an den Stalthalter eine Interpellation betreffend
den angeblich beabsichtigten Erlass einer neuerlichen
Sprachenverordnung für Böhmen mit der Schluss-
frage:
Ist Sr. Excellenz bekannt, daſs die hohe Re-
gierung die Erlässung einer neuerlichen Sprachver-
ordnung für Böhmen des oben gekennzeichneten
Charakters beabsichtigt und wie vermag die hohe
Regierung einen derartigen Erlass zu rechtfertigen?
Erster Gegenstand der Tagesordnung ist die
erste Lesung des Antrags des Abg. Dr. Pacat und
Genossen auf Erlassung eines Gesetzes gegen die
Zuckerfabriks Cartelle.
Nach Begründung seitens des Antragstellers
wird der Antrag der Landesculturcommission zuge-
wiesen.
Hierauf begründet Abg. Dr. Dvorak seinen
Antrag betreffend die Mittel zur Hebung der Vieh-
ausfuhr. Wird gleichfalls der Landesculturcom-
mission zugewiesen
Die Regierungs-Erklärung vom 26. Jänner.
1897.
Zur Verhandlung gelangte nun der Antrag
des Abg. Dr. Ruß und Genossen vetreffend die
Wahl eines 18gliedrigen Ausschusses zur Bera-
thung und Berichterstattung über die Regierungs-
Erklärung vom 26. Jänner 1897.
An Stelle des erkrankten Abg. Dr. Ruß be-
gründet LAB. Dr. Lppert unter stürmischem
Beifall der Deutschen in längerer trefflicher Aus-
führung den Antrag.
Statthalter Graf Coudenhove: Ich bin gerne
bereit demjenigen Theile der Ausführungen des Herrn
Vorredners, in welchem sich derselbe mit der Regie-
rungserklärung beschäftigt, Rechnung zu tragen und
mich an der Discussion hierüber zu betheiligen. Ich
habe zuerst die Erklärung abzugeben, daſs die
Regierung gegen die Annahme dieses Antrages keine
Einwendungen zu erheben hat, daſs ihr im Gegen-
theil eine Besprechung der Erklärung erwünscht ist,
weil dieselbe vielfach eine tendentiöse Behandlung
erfahren hat (Stürmische Oho!-Rufe bei den eutn
Rufe: Von uns aus nicht!) und weil vielfach die
Bestrebung herrschte, die Erklärung als Waffe im
Nationalitätenkampfe zu benützen. Die Regierung
wünscht die Klarstellung jener Behauptung, welche
sofort nach der Abgabe jener Erklärung in die
Oeffentlichkeit gedrungen ist, daſs nemlich jene Er-
klärung erst nach Einvernahme mit einer Partei
abgefaſst worden ist. Den diesbezüglichen Ent-
hüllungen sieht die Regierung mit vollſter Beruhi-
gung entgegen. Der Versuch, die friedliche Erklärung
der Regierung in ein Kampfmittel umzuwandeln,
konnte nicht anderes vorgenommln werden, als
gewaltsam (Ohol-Rufe bei den Deutschen. Stür-
mischer Widerspruch.) Meine Herren, ich meine
nicht Sie, ich meine die Presse.
Der Statthalter sucht im weiteren Verlaufe
seiner Ausführungen die Bedenken des Vorredners
bezüglich des Curiengesetzes und der Landtagswahl-
reform unter Hinweis auf die in der Regierungs-
erklärung angeführten Motive zu zerstreuen und
glaubt, daſs diese Motive bei ruhiger Erwägung
gewürdigt werden dürften. (Rufe: Wir sind immer
ruhig! Ein Zwischenruf: Leider Gottes zu ruhig;
Heiterkeit.) Der Statthalter sagt weiter, daſs die
vom Vorredner gerügten Ausdrücke nicht in dem Sinne
gemeint waren, der ihnen gegeben wurde, daſs er wohl
wisse, daſs die Deutschen keinen Hüter ihrer Loyalität
brauchen, denn die Loyalität des deutschen Volkes
sei über jeden Zweifel erhaben (Bravo!), er müsse
dem entgegentreten, als ob die Regierung es anders
gemeint hätte. Se. Excellenz streift dann noch die
Angelegenheit der Sprachenverordnung und schließt:
Die Regierung wird nichts veranlassen, was bei ob-
jectiver Würdigung der culturellen und nationalen
Bedeutung des deutschen Volkes in Böhmen nicht
entsprechen würde.
Abg. Prade meint, der Friede in Böh-
men könne, nur auf Grund einer nationalen
Zweitheilung durchgeführt werden. Seine Partei
werde für den Antrag Ruß stimmen. (Bei fall.)
Abg. P. Opitz verlangt die Durchführung des
Ausgleiches, so wie er seinerzeit in der Punkiation
stipukirt wurde. Auch er werde für den Antrag
Ruß stimmen. (Beifall.)
Abg. Dr. Herold sagt unter heftigen Aus-
fällen auf die Deutschen, der Ausgleich in Böhmen
könne von keiner Regierung, von keinem Grafen
Thun und von keinem Grafen Coudenhove
gemacht werden, sondern nur von den beiden
Volksstämmen direct nach dem Princip beschlossen
werden, daſs jeder Winkel des errlichen König-
reiches Böhmen zur heimatlichen Stätte für jeden
Czechen, wie für jeden Deutschen werde. Um ihr
Entgegenkommen zu beweisen, werde auch seine
Partei für die Einsetzung einer Commission stimmen.
(Stürmischer Beifall bet den Czechen.)
Abg. Graf Buquoy gibt namens der Groß-
grundbesitzes die Erklärung ab, daſs diese für den
Antrag stimmen werden.
Nachdem noch Abg. Abg. Dr. Vasaly gesprochen
und Abg. Lippert ein kurzes Resume über die
Debatte gegeben hatte, wurde der Antrag Ruß ein-
stimmig angenommen.“
Schluss der Sitzung 3(4 Uhr nachmittag.
Nächste Sitzung Diestag um 11 Uhr vorm.
Wien, 5, Feber. Im niederösterreichischen
Landtage kam es heute anlässlich eines Referates
über eine Subvention, welche dem Verein hilfs-
bedürftiger Waisen der isr. Cultusgemeinde in der
Höhe von 200 fl zu bewilligen war, zu überaus
scandalösen Scenen. Der Referent, Fürst Auers-
perg, beantragte, dem Verein die Subvention zu
bewilligen. Abg. Gregorig ist gegen die beantragte
Subvention. Die Juden seien Schädlinge und er
vottere kein Geld, um solche Schädlinge in ihrem
Fortkommen zu fördern. Als Strase Gottes
die Juden über die ganze Erde zerstreut. Abg.
Kronawetter tritt für die Subvention ein, Christus
selbst habe allgemeine Menschenliebe gelehrt. Abg.
Prof. Kick sagt: Gewisse Herren benützen jede möge
liche und unmögliche Gelegenheit, um die Juden in
unverantwortlicher Weise zu verh'tzen. Es sei eine
Název souboru:
karlsbader-badeblatt-1897-02-06-n29_1260.jp2