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Seite 4 �Karlsbader Badeblatt und Wochenblatt“ Nr. 13 17. Jänner 1897 die es aufrichtig mit der Ausbildung dieses Waisen- knaben meinen, und nur jene Familien, welche dafür sorgen wollen, damit das Mädchen arbeitsam er- zogen wird, wollen sich an den Armenrath in Pirkenhammer wenden, welcher alle weiteren Aus- künfte ertheilt. Eger, 15. Jänner. [O.=C.] (Zur Wahlbewegung.) Die Agitation für die kommenden Reichsrathswahlen namentlich im Landgemeindenwahlbezirke ist eine ungemein große. An derselben betheiligen sich vorwiegend die Schönerianer und die Christlich-Socialen, welche durch das anticlericale Verhalten des Abg. Iro nunmehr die er- bittertsten Feinde der Nationalen geworden sind und diesen überall gegenarbeiten. Ob diese Gegenagitation einen praktischen Wert haben wird, ist ziemlich zweifelhaft. Einige Stimmen werden wohl von Schönerer abfallen, aber vor- aussichtlich nicht so viel, um eine resultatlose Wahl her- beizuführen. Wie die Stimmung im Bezirke jetzt herrscht, erscheint die Wahl Schönerers vollkommen gesichert. Die Nationalen arbeiten mit ebensoviel Unermüdlichkeit wie Terrorismus. Es vergeht kein Sonntag, an welchem nicht da und dort eine Versammlung stattfinden würde. Das- selbe gilt auch von den Christlich-Socialen — dieselben haben einen Candidaten noch nicht nominiert, doch dürfte Prof. Gratl candidieren — nur sind sie viel zu spät auf den Plan getreten. Einen ebenso erbitterten Gegner wie in den Christlich-Socialen haben die Schönerianer noch in den Socialdemokraten; diese haben ihre Candidatenliste bereits veröffentlicht und zwar stellen sie für sämmtliche Mandate Nordwestböhmens Candidaten auf. In der V. Curie den Dr. Verkauf (für Eger) und Simon Stark (für Mies), in der Städtecurie dem Bareuther gegenüber Anton Schöner in Asch, dem Dr. Ruß gegenüber Simon Stark und Abg. Polak gegenüber Dr. Verkauf. In den Land- gemeinden den Bauern Franz Ebert (contra Tausche) und Tobias Heinrich (contra Krepek). Aussicht auf Erfolg haben die Socialdemokraten nur in der fünften Curie. Alle Parteien rühren sich, nur die liberale gibt fast kein Lebenszeichen von sich. In den Landgemeinden ist denn auch ihr Anhang, daſs in den Bezirken Eger und Asch keine und im Wildsteiner Bezirke nur mit großer Mühe fortschrittliche Vertrauensmänner aufzutreiben sind. Im liberalen Lager heißt es eben: das Pulver schon' bis zu- letzt — bis es natürlich viel zu spät ist. Die Schönerianer sind so vorzüglich organisiert, daſs im ganzen Wahlkreis bereits schon die Wahlmänner bestimmt sind und in allen Bezirken Probewahlen vorgenommen wurden, welche für Schönerer über 65 % Stimmen ergeben haben sollen. In den anderen Wahlbezirken steht die Sache der Fortschritts- partei nicht so schief. Dr. Barenther wird leider keinen Gegencandidaten finden. Iro wird gegen den Abgeord- neten Swoboda absolut nicht aufkommen und Dr. Reiniger gegen Stöhr wahrscheinlich ebensowenig. Von den Can- steht vor der Thür, seien Sie doch auch einmal lustig wie ein Mädchen von zwanzig Jahren. Das Alter und die Sorgen kommen ganz von selber, glauben Sie mir das, auf die braucht man nicht zu lauern, ja, ja, so ist's. Punktum.“ Die Alte, die es in ihrer Weise gut meinte mit Hanni, war inzwischen näher getreten und hatte ein Tuch entfaltet, das sie bisher in der Hand ge- halten. „Sehen's da, das trägt meine Kleine auf dem nächsten Ball. Ich hab zwar hier nur das Käpperl und das Mieder vom Rothkäppchen, aber — na, schauen's sich nur gehörig an, wenn Sie Lust kriegen, dann sagen's, die Liserl verschafft Ihnen noch eine Karte.“ Mit weit geöffneten Augen starrte das Mädchen auf das rothe Miederchen, auf das Käppchen, von dem kleine Goldmünzen herabhingen. Sie sah sich im Geiste viele Jahre zurückversetzt in die alte räucherige Schulstube, wo sie mit den anderen Kindern die Märchen aufgeführt hatte. Damals saß das rothe Mützchen auf einem blondgelockten Köpfchen, dessen Gesichtchen reizend schelmisch da- runter hervorlugt, und wieder hörte sie die Stimme des Blondkopfs sagen: „Hanni, ich geh zum Theater; immer so Kleider tragen, so geputzt sein, ist doch was Schönes!“ „Und ich gehe mit!“ hatte Hanni ausgerufen. Nicht ganz so war es gekommen. Die blondlockige Reserl war gegangen, als sie kaum erwachsen war; sie hatte sich einer herum- wandernden Schauspielertruppe angeschlossen, währen Hanni der geliebten Freundin in die große Stadt nachgefolgt war, um sie zu suchen und wiederzu- finden. Vermischtes. (Liebeszauber.) Ein höchst interessantes Kapitel der Sittengeschichte entrollt Max Haushofer unter dem Titel „Liebeszauber“ in der Nr. 1 des neuen Jahrgangs der „Gartenlaube“. Er beschäftigt sich mit den aber- gläubischen Vorstellungen und Bräuchen, die mit der Liebe in Zusammenhang stehen. Bei allen Völkern und zu allen Zeiten hat das Fürchten und Hoffen der Menschen, um die dämonische Macht der Liebe nach eigenem Willen zu lenken, zu Zaubermitteln seine Zuflucht genommen. Was die Menschheit an Liebeszaubern ersonnen hat, grenzt bald an unheimlichen grausamen Teufelsdienst, bald an das flehende Gebet reiner Herzensgüte. Hoch- bedeutsam erscheint der Liebeszauber in der Volks- phantasie der germanischen Stämme. Die altdeutsche Sagenwelt kennt schaffenden und zerstörenden Liebes- zauber; der erste weckte die Liebe, letzterer ließ sie ver- gessen. Bei dem tiefwurzelnden Sinn für Treue, der dem germanischen Volkscharakter eigen ist, konnten die germanischen Völker jede Untreue in der Ehe und Liebe nur begreiflich finden, wenn sie durch etwas Uebernatürliches, durch ein Zauberwerk begründet ward. Die Treue musste erst künstlich in Vergessenheit gebracht werden, ehe sie gebrochen werden konnte. Einen Trank, der diesen Zauber übt, reichte Chriembild dem Sigurd, worauf er die Brunhilde vergaß. Durch den Zaubertrank, den Tristan und Isolde trinken, wird die rasende Leidenschaft beider für einander geweckt, so daſs der edle Tristan seine Vasallentreue vergessen muſs und mit Isolde den alten König täuscht. Eingehender behandelt Haushofer mehrere Begebenheiten, welche der neueren Geschichte angehören und durch den Glauben an Liebeszauber ihren Charakter erhielten. Der eine Fall betrifft den Erzherzog und nachmaligen Kaiser Matthias, dessen Liebesverhältnis zu Susanna Wachter auf Liebeszauber zurückgführt wurde Die geplante Verheiratung desselben mit einer vayrischen Prinzessin konnte infolgedessen nicht zu stande kommen. Von den vielen Fällen, in denen Erwerbsucht und ver- brecherische Lust sich des Glaubens an Liebeszauber be- mächtigte, knüpft sich der berüchtigste an den Namen der Montespan. Diese stolze Geliebte Ludwigs XIV. ver- schmähte es nicht, zu den heimlichen Künsten einer be- rüchtigten Schwarzkünstlerin, der Monvoisin, ihre Zuflucht zu nehmen, um das Herz des flatterhaften Königs dauernd an sich zu fesseln. Diese Monvoisin hatte sich schließlich Wenn ich einmal verloren bin, so sucht mich nur im bunten Lappen, hatte die Reserl einst gesagt. Ob es so war? Ob hanni nur dort nach der Freundin suchen sollte? Dann freilich blieb ihr nichts Anderes übrig, als den Lockungen zu folgen, die von Außen und aus ihrem Innern an sie herantraten. Nur deswegen? Sie erröthete, als sie sich diese Frage vor- legte, und unwillkürlich wich sie von den Kostüm- stücken zurück. Die Alte lächelte. „Fürchten sich wohl davor? Närrchen Sie, wollen Sie denn schlimmer leben als wie im Kloster? Den zweiten Winter sind Sie nun schon hier und haben nichts gesehen vom Leben der Großstadt. Kommen Sie nur mit. Einmal nur, wenn's Ihnen dann nicht gefällt, mögen Sie wegbleiben, zwingen thut Sie ja dann kein Mensch. Nun?“ „Ich will mir's überlegen“, erwiderte Hanni tonlos. „Rehmen Sie die Sachen wieder mit, es könnte was d'ran kommen.“ „Bei Ihnen“, lachte Frau Martens, und schaute auf den kostbaren Stoff in den Händen Hanni's. „Nun, meinetwegen; aber hier heißt es nicht „aus den Augen, aus dem Sinn“, sondern erst recht im Sinn, und das ist das einzig Richtige. Also überlegen Sie es sich, aber nicht zu lange.“ Hanni's Augen, in denen sich wieder das ganze Verlangen wiederspiegelte, das sie verzehrte, hingen noch lange an der Thüre, hinter welcher die Frau verschwunden war. (Fortsetzung folgt.) für eine ganze Reihe von Giftmorden vor der chambre ardente zu verantworten und wurde am 20. Febrnar 1680 lebendig verbrannt. Unschuldiger waren die Ränke, welche die sächsische Generalin von Neitschütz im Anfang des 18. Jahrhunderts auf die Folter brachten. Auch in dem Herzensroman des Kurfürsten Johann Georg IV. von Sachsen, dessen Fäden diese ehrgeizige Frau zu Gunsten ihrer Tochter Sibyelle spann, spielte der Glaube an die Macht geheimer Liebeszaubermittel eine bedenk- liche Rolle. Prozesse, welche Schwindeleien zu Tage fördern, deren Gegenstand diese Art des Aberglaubens war, sind leider auch heute noch keine Seltenheit. Während aber vergangene Jahrhunderte aus dem Aberglauben an Liebeszauber erschütternde und herzbrechende Trag- ödien erwachsen ließen, entstehen heutzutage meist nur Komödien oder gar Possenspiele daraus. Denn der herzbrechende Jammer, den das schmähliche Possenspiel betrogenen Frauenherzen bereitete, bleibt hinter den Koulissen des Gerichtshofes verborgen. Daran ist freilich — so schließt der fesselnde Artikel der „Gartenlaube“ — nicht die Justiz schuld, nicht einmal die betrügenden Zauberkünstler, sondern nur die Liebe selber, diese ver- blendede, dämonische, mit dem menschlichen Herzen und dem Verstande spielende — und doch so himmlische Macht. (Keine Buckligen mehr) ist die Losung des Pariser Arztes Calot, von dem jetzt die französischen Blätter voll sind. Seit 10 Jahren geht der genannte Arzt diesem Problem nach und er hat auch schon Erfolge auf- zuweisen. So gehen jetzt angeblich 37 ehemalige Buck- lige schlank wie Pappeln durch die erstaunte Welt. Calot geht auf dem Wege der Gewalt vor, also auf demjenigen den auch der Unwissendste zu beschreiten versucht wäre. Warum ist man bucklig? Weil die Wirbeljäule sich gekrümmt hat. Man muſs sie also wieder gerade richten, und mit einer Vorrichtung gewaltig so lange gerade halten, bis sie keine Lust mehr hat, die alte Gewohnheit anzunehmen. Unter Anwendung von Chloroform ge- braucht Calot das alte Recept des Procrustes und reckt die Patienten durch Vorrichtungen an Kopf und Füßen auseinander; dann drückt er gewaltsam den Höcker ein- wärts, bis die hervorgetretenen Wirbel die Lage der normalen angenommen haben, oder auch selbst weiter hineingedrückt sind. Zu allem dem gebraucht er nur an- geblich eine bis zwei Minuten. Dann kommt ein Gyps- Verband, der drei bis vier Monate an Ort und Stelle zu bleiben hat. Noch ein- oder zweimal wird der Verband für gleiche Dauer erneuert, dann erhält das Kind (bei älteren Patienten wird wohl Alles nicht mehr helfen) eine Art Corset; mit diesem darf es dann auch wieder sich auf die Füße stellen. Calot hat der Pariser medicinischen Akademie sechs seiner Operirten vorgestellt. darunter Personen mit vierteljährigen und achtjährigen Buckeln, alle gerade gewachsen und in nichts mehr an jene Gestalten erinnernd, welche Calot vor der Heilung durch die Photographie hatte festhalten lassen. Die Firma L. Leichner, Berlin, ist für ihre Puder und Schminken auf der Berliner Gewerbe-Ausstellung 1896 prämiirt, aber eine Auszeichnung von viel höherem Werte ist ihr soeben wieder dadurch geworden, daſs der Generalbevollmächtigte der renommierten Parfumerie Delettrez, Paris, sich um die Vertretung des Hauses Leichner für Frankreich, Algier und Marocco mit den Worten bewirbt: „Ihre Puder und Schminken sind die beliebtesten und geachtesten (les plus estimés) bei der hiesigen Kundschaft und es ist damit ein großes Geschäft zu machen! — Wenn solche Anerkennung von Paris kommt, von wo mancher unserer guten Landsleute immer noch Schönheitsmittel kaufen, dann wird wohl auch ihnen klar werden, daſs das Berliner Fabrikat, Leichner's Fettpuder u. s. w., das Beste der Welt ist und nirgends fehlen darf, wo man für die Pflege der Haut und deren Schönheit Be- dürfnis hat. Vom Büchertisch. Das vierte Quartal der von Karl Grüninger (Stutt- gart) herausgegebenen „Neuen Musik-Zeitung“ bringt eine hochpoetische Novelle von Peter Rosegger, ferner Er- zählungen von Klara Nast und H. v. z. Rhön, musik- geschichtliche Essays, Auszüge aus neuerschienenen Memoiren von Musikern, einen Aufsatz über die Harmonik Richard Wagners von W. Manke, Biographien von deutschen Com- ponisten, von Vocal- und Instrumental-Virtnosen mit Bil- dern, musikpädagogische Artikel, Texte für Liedercomponisten, Berichte über neue Opern und Concertwerke, Nachrichten über das Musikleben der Gegenwart, Urtheile über Er- scheinungen der Literatur, Besprechungen neuer Musikalien, heitere Künstleranekdoten. Die zahlreichen wertvollen Musik- beilagen enthalten ausgewählte Clavierstücke, Lieder sowie ein Duo für Violine und Clavier. — Die „Nene Musik- Zeitung“ (Preis vierteljährlich 1 Mark) sei allen Musik- didaten, welche die Christlich-Socialen aufstellen werden, hat erst recht kein einziger Aussicht auf nur einen halb- wegs nennenswerten Erfolg Am heftigsten wird der Kampf zwischen Tausche und Schönerer entbrennen, freilich, wenn nicht ein jäher Umschwung eintritt, mit einem schon jetzt ersichtlichen Resultat.
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