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17. Jänner 1897
„Karlsbader Badeblatt und Wochenblatt“ Nr. 13
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gang, wie er in diesem Erlasse vorgeschrieben ist,
allen strebsamen und tüchtigen Lehrträften eines
Bezirkes die Möglichkeit genommen wurde, um eine
solche Oberlehrerstelle, die wie die Altrohlauer
eventuell ein ganz namhaftes Avancement bedeuten
würde, zu petitionieren.“
(Wetterbericht. ) Herr Adam Christof
aus Eger ersucht uns um Aufnahme seines neuesten
Wettterberichtes, Derselbe schreibt: Monat Jänner
1897: Der 21., 22. und 25. Jänner sind Wechsel-
tage, welche Niederschläge seltsamer Natur zeigen,
der 27. und 31. Jänner sind Wechseltage sehr bös-
artiger Natur. Monat Feber 1897: In diesem
Monat zeige ich an, daſs die Wechseltage bösartig
und wild () sein werden. Der 2. Feber ist vorbe-
reitend für den 6. und 11. Feber. An diesen
zwei Wechseltagen werden starke Erdbeben, ver-
bunden mit heftigen Stürmen und Gewittern gar
manche Landschaft verwüsten und deren friedliche
Bewohner in namenloses Elend stürzen. Ein sehr
trauriges Nachspiel bieten die Wechseltage, welche
am 16, 18., 20. und 24. Feber fallen. Dieselben
sind sehr bösartiger Natur. Monat März 1897:
Im Monate März treten Wechseltage ein, welche
auf den 1., 7, 8, 12., 15. und 20. März fallen.
Diese Wechseltage bedingen mäßige und gelinde
Witterung. Die Wechseltage hingegen, welche auf
den 23. und 28. März fallen, treten wild und
verwüstend auf. Ich erlaube mir an dieser Stelle
zu bemerken, daſs ich für die Monate April, Ma
und Juni Wechseltage anzeige. Ueber diese Wechsel-
tage werde ich demnächst ein detailliertes Bild
geben. Die fetter gedruckten Ziffern deuten Wechsel-
tage bösartiger Natur an. Monat April 1897:
1., 5, 9., 13., 16., 19., 20., 24, 28. April.
Monat Mai 1897: 3, 7., 10., 17., 20., 21. 28.,
30. Mai. Monat Juni 1897: 3., 5., 13., 15.,
17., 21., 25., 28. Juni. Im Monate August 1897
werden am 17., 18., 20. und 22. August Wechsel-
tage fallen, welche verschiedene, großartige Verän-
derungen in der Natur bewirken und demzufolge
die Elemente furchtbar verwickeln werden. Auf
diese Wichseltage mache ich jetzt schon insbesondere
Lafmerksam.
(Gewährung von Staatssubven-
tionen für gewerbliche Fortbildungs-
schulen.) In Gemäßheit des Erlasses des Mi-
nisters für Cultus und Unterricht vom 27. De-
cember 1896 ist den Schulausschüssen jener ge-
werblichen Fortbildungsschulen, deren Rechnungs-
abschlüsse namhafte unbedeckte Abgänge aufweisen,
zu eröffnen, daſs die Gewahrung von Staatssub'
ventionen an diese Schulen für die Zukunft davon
abhängig gemacht werden muss, daſs sowohl die
ausgewiesenen Abgänge als auch wenigstens zwei
Drittel des jeweiligen Jahreserfordernisses im Sinne
der Ministerial-Verordnung vom 24. Februar 1853
zur Gänze gedeckt erscheinen. Diesfalls werden
sich die betreffenden Schulausschüsse bereits bei
Vorlage der Subventionsgesuche pro 1897 auszu-
weisen haben.
(Hur Einführung der neuen Civil-
processordnung.) Der „Narodni Listy“ wird
aus Wien telegraphiert: Die unter der Beamtenschaft
vielfach circulierenden Gerüchte, daſs das Inkrafttreten
der neuen Civilprocessordnung hinausgeschoben werden
wird, sind auf Grund von Informationen, die
namentlich tschechische Abgeordnete beim Justiz-
minister eingeholt haben, ganz unbegründet. Die
neue Civilprocessordnung tritt zuversichtlich mit
1. Jänner 1898 in Kraft.
(Entscheidung des obersten Ge-
richtshofes.) Anlässlich eines Rechtsstrittes
hat der k. k. oberste Gerichts- und Cassatioushof
entschieden, daſs die Klage auf Ersatz des durch
fehlerhafte Ausführung eines Baues, infolge Ver-
schuldens des Inhabers des Baugewerbes ent-
standenen Schadens keine Klage auf Gewährleistung
nach § 932 des allgemeinen bürgerlichen Gesetz-
buches, sondern eine Entschädigungsklage im Sinne
des § 1293 ff) a. b. G.=B. ist und auf dieselbe
die Bestimmung des § 1489 a. b. G.-B. An-
wendung findet.
(Vermehrung der Auscultanten
adjuten.) Von informierter Seite wird mitge-
theilt, dafs vom 1. Fehruar angefangen eine nam-
hafte Mehrung der Auscultantenadjuten bevorsteht.
Die Adjuten von 600 fl. werden von 434 auf 531,
die Adjuten von 500 fl. von 437 auf 587 erhöht.
Folglich sind künftighin bis auf 10 v. H. sämmt-
liche Auscultantenstellen adjustiert. Auf den Ober-
landesgerichtssprengel Prag entfallen 33 neue
Adjuten.
(Steckbrief.) Vom k. k. Kreisgericht in
Eger wurde unterm 6. Jänner die steckbriefliche
Verfolgung des in Bodenbach geborenen, nach Biela,
Bezirk Tetschen, zuständigen 29 Jahre alten Victor
Schneider, angeblich Reisender der Firma Schramm
& Schneider in Bodenbach, angeordnet. Derselbe
ist städtisch gekleidet und gibt sich als Reisender in
Oel, Lackfarben, Firnisse, Holz- und Bretterhandel
aus. Victor Schneider, gegen welchen wegen viel-
facher Betrügereien die Voruntersuchung eingeleitet
wurde, ist am 25 December v. J. in Schluckenau
aus der Haft entsprungen.
(Was sind Unglücksfälle?) Am
14. Janner l. J. standen Herr E. S., Hotelier,
und seine Ehegattin, welche am 4. Sep-
tember 1895 mit einem Passivstande von über
100.000 fl. in Concurs gerathen waren, vor einem
Erkenntnissenate des k. k. Kreisgerichtes Eger, unter
dem Vorsitze des Herrn k. k. Landesgerichtsrathes
Seyss, um sich wegen des Vergehens nach
§ 486 St.-Gb. zu verantworten. Die Anklage
führte der k. k. Staatsanwalts-Substitut Herr
Müller, als Vertheidiger stand den beiden Ange-
klagten, welche zu ihrer Rechtfertigung den schlechten
Geschäftsgang in ihrer Hotelwirtschaft ins Treffen
führten, Justizrath Dr. Reichl zur Seite. Letzterer
führte aus, daſs es Ereignisse gebe, welche außer-
halb des Bereiches unserer Willenssphäre liegen,
die man nicht vorhersehen könne, und die, wenn sie
zum Vortheile gereichen, im gewöhlichen Leben als
Glück, und wenn sie aber vom Nachtheil begleitet
sind, als Unglück bezeichnet werden. Eine solche
Verkettung unglücklicher Verhältnisse habe im vor-
liegenden Falle die beiden Angeklagten, welche voll-
kommen unbescholten, sich eines trefflichen Leumun-
des erfreuen, und durch Fleiß und Thätigkeit
hervorthaten, umstrickt. Im Jahre 1893 seien
viele Besucher ihres Hotels in Folge des Aus-
bruches der Cholera, speciell in Hamburg fern-
geblieben, ebenso seien die Angeklagten in ihrem
Geschäftsvetriebe durch einen großen Neubau in
der Nähe ihres Hotels, der durch 2 Sommer
hindurch andauerte, und viele vom Besuche ihres
Hotels abschreckte, in ihrem Erwerde be inträch-
tigt worden. Diesen Gründen schloss sich der Ge-
richtshof an und fällte für beide Ehegatten ein
freisprechendes Urtheil.
(Verlegung der Assentierungen in
Böhmen.) Infolge der Neuwahlen in den Reichs-
rath in diesem Jahre wird eine Verlegung der
Assentierungen in Böhmen angeordnet, dergestalt,
daſs dieselben statt wie bisher in der Zeit vom
1. März bis 30. April vom 1. April bis 31. Mai
stattfinden werden.
(Oeffentliche Bitte.) Vom Armenrath
in Pirkenhammer geht uns folgender Aufruf mit
dem Ersuchen um Veröffentlichung zu: Die Ge-
meinde Pirkenhammer hat 2 Waisenkinder, einen
Knaben und ein Mädchen im Alter von 121/2
Jahren in Verpflegung. Diese beiden Kinder sins
brab, haben ein hübsches Aussehen, freundliches
Benehmen, und entsprechende Schulbildung. Die
Gemeinde beabsichtigt den Knaben ein Handwerker-
Gewerbe erlernen zu lassen. Es ergehl hiermit an
die geehrten Herren Friseure, Schneider und
Zimmermalerneister oder sonstige Professionisten in
Karlsbad und Umgebung die höfliche Bitte, sich
dieses Waisenknaben anzunehmen und ihn zu einem
Handwerker heranzubilden. Das Mädchen könnte
für eine kinderlose Familie eine gute Stütze für
häusliche Arbeiten werden. Für die kurze Zeit, wo
diese Kinder die Schule noch besuchen, würde eine
Entschädigung geleistet. Nur jene Herren Meister,
Sollte sie allein ewig ausgeschlossen bleiben
von Glück und Freude?
ar War sie nicht auch jung und hübsch
wie die anderen? Konnte sie ihre geschmeidige
Gestalt nicht sehen lassen neben denen der Glücklichen,
die keine Hindernisse vom Genusse zurückhielten?
Gewiss!
Sie schrie es fast hinaus, stieß die kostbare
silberdurchwirkte Robe, an der sie gearbeitet, von
den Knieen zurück, daſs sie zur Erde fiel, und sprang
hast g empor.
Vor dem kleinen Spiegel, den sie mit Papier-
blumen geschmückt, blieb sie stehen. Ihr Auge
suchte forschend in ihren Zügen, die sie zergliederte,
als müsste sie Rechenschaft ablegen; dann musterte
sie ihre Gestalt, den Hals, die Büste — hastig
machte sie das Kleid so, prüfte Nackenansatz und
schloss dann ebenso hastig wieder unter heftigem
Erröthen die Knöpfe ihrer Taille.
Ich könnte es mit ihnen aufnehmen“, murmelte
sie, „auch ich bin voll und rund, auch ich —
Närrin wie kämst du dazu, glänzen zu dürfen, wie
sie? Du des Landschulmeisters Aelteste, die mit
Gewalt sich aus der kleinlichen Misére dort los-
gemacht und nun mit verdoppelten Kräften arbeiten
muſs, um ihr Theil nach Hause zu senden“.
Wahnsinn ist's, Frevel!“
Die Hände auf die kleine Komode gestützt, ver-
sank das Mädchen in Sinnen.
„Führe mich nicht in Versuchung, Herr, mein
Gott,“ flüsterten nach einer Weile ihre bebenden
Lippen, während sie die Hand auf die Augen drückte,
als vermöchte sie so die lockenden Bilder zu ver-
scheuchen, die wieder und wieder vor ihrem geistigen
Auge auftauchten und sie immer wieder aufstachelten.
Mit einem energischen Ruck riss sie sich los
und zwang sich die Gedanken auf die Arbeit allein
zu richten.“
Eine Zeit lang hantirte sie gar emsig, mit der
Nadel, so sehr, daſs sie kaum hörte, wie die Thüre
geöffnet ward und eine alte Frau mit listigen Aeug-
lein hereinschaute.
„Darf man stören? Oder haben's keine Zeit,
wie immer, Fräulein Hanni?“
Diese fuhr auf. Der erste Gedanke war:
Schicke die Alte fort, sie nährt nur die bösen Ge-
lüste, aber das Verlangen trug den Sieg über das
Gewissen davon, und so antwortete sie nicht gerade
unfreundlich, aber auch nicht sonderlich einladend:
„Kommen Sie nur herein, Frau Martens, ich
kann ja weiter nähen.“
Das ließ sich diese nicht zweimal sagen. Sie
trat ein und schob sich etwas linkisch bis zu dem
Arbeitsplatz.
Den Stoff durch ihre Finger gleiten lassend,
sagte sie:
„Ei, das ist fein, Fräulein Hanni, wohl wieder
für die Gräfin Erbach?“
„Nein, für die Hartwich!“
„Für die Sängerin? Potztausend, wie kann
die so einen Stoff tragen?“
„Muss es wohl verdienen.“
„Ja, ja, verdienen; die Theaterprinzessinnen
haben es gut,“ meinte Frau Martens. „Nur einen
Wink mit der kleinen Hand und —“
„Unſinn!“ rief Hanni dazwischen, „die müssen
auch verdienen, umsonst gibt's nichts auf der
Welt!“
Die Alte lachte, daſs ihr die Thränen in die
Augen traten.
„Sie meinen, alle Menschen schaffen sich so
ab wie Sie? Sind sie dumm! Wer plagt sich
denn noch so heutzutage und hier in der großen
Stadt? Kann man's denn nicht anders haben?
Alle Tage spazieren fahren, seidene Kleider, Dia-
manten — nur die Hand braucht man zu rühren.
Sie wollen auch nicht klng werden, Sie“
„Nichts davon, Frau Martens,“ unterbrach
sie das Mädchen.
„Sie wissen, daſs ich davon nichts hören will.
Ist es wirklich so, wie sie immer erzählen, um so
schlimmer für die Mädchen. Ich aber — müsste
ichauch noch mehr arbeiten, so würde mich Niemand
von dem Wege abbringen. Ich würde mich ins
Grab hinein schämen.“
„Nur ruhig, es war ja auch nicht so gemeint;
ich denke mir nur immer, so ein junges, hübsches
Blut, wie Sie sind, sollte nicht seine Tage und
seine Jugend so vertrauern hier zwischen den vier
Wänden. Jeder Vogel sucht sich Gesellschaft, das
Thier überhaupt vergnügt sich, warum wollen Sie
allein — Und dann, einmal wollen Sie doch
heirathen, wie sollen Sie zu einem Manne kommen,
wenn Sie sich hier verkriechen und nirgends hin-
gehen? Dabei brauchen Sie nur zu wünschen,
meine Tochter, die verheirathet ist, nimmt Sie gern
überall mit, die kommt auf viele Bälle; schließen
Sie sich doch an, Sie werden es gewiss nicht be-
reuen. Der Winter geht zu Ende, der Karneval
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