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Nr. 13
XXIXXXvI. Jahrgang.
Wierteljährig
a
Sonntag den 17. Jänner 1897.
adeblatt
Karlobade
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und
Redaktion und Administration
Für Karlsbad:
im Hause „Bellevue“', Stefanspromenade
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anjährig8 1.
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Mit Postversendung.
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Inland:
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Halbjihrig12„
anjhrig24W
Inserate, für den nächsten Tag bestimmt,
werden nur bis 2 Uhr Nachmittags in der
Administration und in der Franiech'schen
Feihbibliothe „3 Tämmer“, Markt entgegen-
genommen.“
Herausgeber: Ernest Franieck.
Manuseripte werden nicht zurücktgegeben
Inserate übernehmen die Annoncen-Bureaus Haasenstein & Bogter in Wien, Rndolf Mosse in Berlin und Wien und sämmtliche anderen Filialen dieser beiden Firmen,
Geschichten aus Galizien.
Der Abgeordnete Lewakowski hat zur Be-
gründung seines Dringlichkeitsantrages im Reichs-
rathe abermals — wie früher Gniewosz in Schul-
angelegenheiten — einige Geschichten aus Galizien
erzählt, welche die Aufmerksamkeit auf das „Muster-
land“ Galizien lenken; Stefanowicz hat seinerzeit
diese Geschichten, „aus dem Osten“ mit Erzählun-
gen aus der Bukowina ergänzt. Nach Allem macht
sich der Osten für Oesterreich sehr interessant und
die Bewohner dieser östlichen Länder Oesterreichs
müssen es sehr zufrieden sein, daſs vom Westen
her noch ein Fenster und eine Thür offen sind,
durch welche man nach dem Westen hinüberrufen
und sein Leid klagen kann. Wäre dies nicht der
Fall, dann erstickten wohl die Klage- und Ent-
rüstungslaute, die schon wiederholt von Galizien
und der Bukowina aus herüben im Westen kund-
bar geworden sind.
Galizien ist ein Land, in welchem die Adels-
partei im Vereine mit dem Klerus ganz nach der
alten Schablone die Herrschaft inne haben. Der
Adel vertritt die Zivilsation, ist aber bemüht im
Interesse seines Wohlbefindens diese Zivilisation
auf sich selbst zu beschränken und der Klerus bedient
sich der Religion, um den gemeinen Mann in Ab-
hängigkeit zu erhalten. Der Westen pocht aber an
die Thore Galiziens, und da ihm nicht geöffnet
wird, dringt er durch die Fugen und durch Schlüssel-
loch ein. Es ist ja möglich, sogar wahrscheinlich,
daſs die Geschichten Lewakowski's übertrieben sind.
Lewakowski ist ein Schwärmer oder ein Phrasen-
held. Er meint, die verschiedenen demokratischen
Parteien in Galizien werden zu „einer großen, ein-
heitlichen nationalen Partei zusammenschmelzen und
sodann den großen freiheitlichen Zielen der Welt-
demokratie zusteuern.“ Das ist ein Widerspruch,
wie wir ihn bei den Jungtschechen vor Augen haben.
Daſs die Bewegung in Galizien sich in gesetzlichen
Bahnen hält, dürfte mehr der Kraft des Staates
Oesterreich zuzuschreiben sein als dem Verdienste
der Herren Agitatoren in Galizien. Freilich ist
diese Macht in Galizien nicht mehr in solchem
Maße österreichisch als es wünschenswert wäre und
darum wird ja wohl an den Anklagen Lewakowskl's
gegen den Statthalter Fürst Sangunzko immerhin
Etwas daran sein. Die Organe der Regierung,
sagt Lewakowski, erfinden Epidemien, um Versamm-
lungen verbieten zu können, während sie Jahr-
märkte und Missionen gestatten. Die Bewohner-
schaft von Dörfern werden zu Gunsten der Guts-
herrschaft auf dem Wege der Verwaltungsbehörden
zu Paaren getrieben; es werden Verhaftungen vor-
genommen, um gegnerische Personen an der Aus-
übung ihres Wahlrechtes zu behindern. Die Ge-
schichten sind nicht neu; dergleichen klingt in regel-
mäßigen Zwischenräumen von der Weichsel und dem
Dniester und Dniepr herüber zu der Donau.
Immer aber mit einer gewissen Unbestimmtheit und
selbst Lewakowski bedient sich des unbestimmten
Artikels: ein Bezirkshauptmann, ein Großgrundbe-
sitzer, die Bewohner eines Dorfes, usw. Trotzdem
ist nicht daran zu zweifeln, dass dieser Rauch auf
ein Feuer hinweist und daſs wirklich in Galizien
heute noch Dinge sich begeben, von denen sich die
Verwaltungs-Schulweisheit der westlichen Länder
nichts träumen lässt. Was folgt aber daraus, daſs
dergleichen noch in Galizien möglich ist?
Die Polen sind noch immer bestrebt, ihr Land
mit einer hohen Mauer wie der Sultan seinen
Ildiz Kiosk zu umgeben, und wer aus dem Innern
Etwas mitteilt, der wird als eine Art Berräther,
welcher „häusliche Angelegenheiten“ den Augen der
„fremden“ preisgibt, behandelt. Die innere pol-
nische Amtssprache ist das Kissen, in welchem gali-
zische Schmerzensschreie erstickt werden. Die Ab-
schließung Galiziens durch die Autonomie ist die
Grenzscheide zwischen dem Westen und dem
Osten für Galizien ungefähr das, was Russland
mit seinen Bataillonen als Grenzcordon anstrebt.
Wir sehen da Früchte des Föderalismus, welche
keineswegs einladend sind, denselben auch noch
weiter in die Sudeten und in die Alpen zu ver-
pflanzen, wie sehr er uns auch angepriesen wird.
Graf Murawiem.
Ruisischer Reichskanzler, so zu sagen — die
Bezeichnung passt nicht ganz — ist jetzt Graf
Murawiew. Mit ihm beschäftigt sich jetzt die ganze
Welt, vorläufig allerdings nur um zu ergründen.
was für Geisteskind er ist. Die Pariser und
selbst etliche Berliner Blätter haben schnell —
heutzutage geht alles schnell — die ganze Seele
des bis dahin gänzlich unbekannten Mannes, der
doch sogar Diplomat ist und darum von Berufs-
wegen nicht so leicht zu ergründen sein sollte, ganz
Von der Woche.
Der lustige, die Herzen und das Tanzbein
bezaubernde Prinz mit der Schellenkappe schwingt
das Scepter — wir haben nun wirklichen Carneval
nach einem politischen Fasching. Würde es der
Kalender nicht verrathen, die verschiedenen poli-
tischen und unpolitischen Ereignisse der letzten Woche
möchten uns hierauf aufmerksam machen. Wohin
man blickt, oben und unten, hüben und drüben, im
Parlamente und im Volke, im Hause und auf der
Straße, treibt der lose Schelm sein Spiel und
macht dumme Streiche.
In der Politik lagen sich wieder einmal Cilli
und Zeitungsstempel in den Haaren, balgten sich
echt faschingsmäßig um die Herrschaft, denn nur im
Fasching klingt es glaubhaft, daſs die unerwartete
Verweigerung der Post Cilli durchging, während
die erwartete Aufhebung des Zeitungsstempels hin-
gegen verweigert wurde. Wirklich ein echtes
Possenspiel!
Und wie freuten sich alle Zeitungen bereits
auf das Auslöschen jener Stampiglie, die ihnen
dieser reactionäre Kreuzerstempel alltäglich auf den
Kopf drückt, wie harrten sie sehnsuchtig jenes
Momentes, wo diese Bildungssteuer endlich einmal
im „fortschrittlichen“ Oesterreich verschwinden würde!
Aber es war wieder nichts — Much ado about
nothing!
Und doch, welcher nützliche bildungfördernde
Strom von neuen Zeitungen wäre hierdurch ent-
fesselt worden, überall hin wären die aufklärenden
Blätter und Blättchen vom Winde vertrieben, überall
wäre der schwarzen Reaction hierdurch ein Stoss in
die Weichen versetzt worden!
Freilich hätte dieser Zeitungsstrom auch manches
trübe, schmutzige Wässerchen mit sich geführt, die
Zeitungsfirmen à la Baron Rothenburg hätten sich
ins Unendliche vermehrt, und statt der 28 böymischen
Provinzialzeitungen und Tagesblätter, wären viele
Hunderte hiervon erstanden, jedes Nestchen, ob
Goßmaul oder Wassersuppen, ob Pröles oder Leim-
gruben, überall hätte ein freiherrlich Rothenburg'scher
west- oder nordböhmischer Anzeiger das Licht der
Welt erblickt, denn
„im engen Kreis verengert sich der Sinn,
es wächst der Mensch mit seinen größern Zwecken.“?
„Doch nicht ungestraft wandelt man unter
Palmen“, wie Goethe sagt, und so fuhr denn auch
aus bisher heiterem Himmel ein schonungsloser
Blitzstrahl in das so schön ausgeklügelte Geschäft
des Herrn Barons von Rothenburg recte Schliefen
und zerstörte dieses „adelsstolze“ Kartenhaus, dessen
Ahnherr bombastisch das „Noblesse oblige“ auf
seinen Schild geschrieben.
Ja „Noblesse oblige!“ Ich erinnere mich
noch lebhaft der heftigen Attaque, welche der hoch-
edelgeborene Herr Baron im letzten Sommer im
„Karlsbader Anzeiger“ gegen das „Badevlatt“
deshalb unternommen hatte, weil in dem letzteren
eine vernichtende Kritik gegen den Duellunfug ent-
halten war und damit gleichzeitig den verschiedenen
adeligen Brüsewitzen etwas unsanft auf die Hühner-
augen getreten warde. Wie tapfer und echt gentle-
menlike derselbe eine Lanze brach für seinen frei-
herrlichen Stand! Ja Noblesse oblige! Ob
sich dann aber das schmutzige Zeitungsunternehmen
mit dieser Devise deckt? Die Beurtheilung hier-
über muss man freilich dem Herrn Baron selbst
überlassen! — — Derselbe hat es übrigens vor-
gezogen, den vorzüglichen Fleischtöpfen im Restau-
rant „Lloyddampfer“ zum Leidwesen des dortigen
Wirtes Valet zu sagen und unserem Kurorte den
Rücken zu kehren —
Fahre wohl Doria, schöner Stern,
Auch Patroklus ist gestorben
Und war mehr als Du!
Ja der Carneval treibt tolle Streiche. Und
Fenilleton.
Název souboru:
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