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3. August 1895
„Karlsbader Badeblatt und Wochenblatt“ Nr. 176.
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Hause „Munificentia“ vor jeder Verbauung aus-
geschlossen sein. Nun wollte Herr Theodor Seifert
auf seinem erwähnten Felde zwei Villen aufführen,
gegen welchen Bau die Stadtgemeinde Einwendungen
erhob und wiederholt durch Tauschanträge die An-
gelegenheit auf gütlichem Wege ebnen wollte. Nach-
dem eine Tauschproposition bei entsprechender Auf-
zahlung mit einem Grunde an der Donitzer Straße
nicht zum Abschlusse gedieh, wurde der neuerliche
Ankauf des Feldes in Vorschlag gebracht, und
dieser, wie bemerkt, vom Collegium beschlossen. Das
Grundstück P Nr. 1698/99 misst 1080 �° und
genehmigte das Collegium den hierfür geforderten
Preis pεr 4000 fl.
(Der Landesausschuss) genehmigte das
Ansuchen der Stadtgemeinde Karlsbad auf Zu-
weisung eines Betrages von 800 fl aus dem
Krankenhausfonde für den Verwaltungsbeamten
Mann. Dessen auf 1200 fl. normiertes Gehalt
wird somit durch 800 fl. aus dem Krankenhaus-
fonde, sowie durch 400 fl aus den Stadtrenten
gedeckt.
(Im Theater Variété) produciert sich
seit vorgestern wieder ein neues Artisten-Ensemble
und wir bemerken in vorhinein, es ist ein viel-
seitigeres, interessanteres Programm als jenes des
soeben abgelaufenen Cyclus. Vor allem sind es
diesmal zwei Nummern, die ganz besonders hervor-
gehoben zu werden verdienen und zwar ist dies in
erster Linie „The Leopard-Troupe“ mit der
„singenden Luftfee Miss Selina“, wie das
Programm in bekanntem Artistendeutsch besagt
und weiters Me. Young Short, Weltchampion
der Springer. Miss Selina bietet eine wirklich
staunenswerte Leistung: In einem Trapez mit den
Füßen hängend, hält dieselbe in den Händen ein
zweites Trapez, an welchem drei Gymnastiker ihre
Kraftproductionen ausüben und bei dieser außer-
ordeutlichen Anspannung ihrer Muskelkraft singt
dieselbe ein Lied; daher die Bezeichnung: „singende
Luftfee“. Man weiß hier nicht, welchem der Artisten
größere Bewunderung zu zollen ist, denn die gym-
nastischen Leistungen der Trapezkünftler sind even-
so ungemein abwechslungsreich wie elegant. —
Mr. Ydung Short kann sich mit Recht als Welt-
champion der Springer bezeichnen, denn diese Sprünge
mit gleichem Absprung ohne Tramboulin, ja ohne
Sprungbreit über 8—10 nebeneinandergereihte
Stühle hinweg, macht ihm wohl sobald niemand
nach. Es ist erstaunlich, mit welcher Elasticität
Mr. Short seine Tricks ausführt. — Eine Rad-
fahrerfamilie Hyck, vom zweijährigen Kinde ange-
fangen aufwärts leistet Hervorragendes im Salon-
Kunstfahren und besonders die Production am 56er
Hochrad, welches ein kleiner ungefähr 5jähriger
Kairps mittels verlängerter Kurbelstangen fährt, ist
nicht allein der Leistung, sondern auch des komischen
Contrastes halber bemerkenswert. — Die Equilibristik
ist diesmal durch die Jongleuse Miss Vcloria
Belling vertreten und so vielgestaltig dieses Genre
hier schon gezeigt wurde, die Artistin bringt doch
mehrere Neuheiten. — Den humoristisch-sanglichen
Part beherrschen Frl. Ella Hofer, Liedersängerin,
dann dieses Fräulein wieder im Duett mit dem Gesangs-
humoristen Meier und schließlich Komiker Modl.
Frl. Hofer verfügt über die für ihr Fach nöthigen
Stimmittel sowie über eine angenehme Erscheinung
und nachdem auch ihrem Vortrage der gewisse „Chic“
nicht abzusprechen ist, so war der ihr gezollte Bei-
fall ein verdienter. Auch das Duett mit Herrn
Meier erzielte reichen Applaus. Komiker Modl
hatte wie immer einen vollen Erfolg, der in viel-
fachen Hervorrufen zum Ausdrucke kam. — Das
Theater war in allen seinen Räumen fast bis aufs
letzte Plätzchen besetzt — ein Beweis, daſs das
Gebotene auch dem Geschmacke und Anforderungen
des Publikums entspricht.“
(Städtische Baustellen.) Wie wir be-
reits gestern in Kürze berichteten, hat das Stadt-
verordneten Collegium beschlossen, die drei städtischen
Baustellen in der Pragergasse, gegenüber dem
Siechenhause und anschließend an das Gasthaus
„Gemüthlichkeit“ im Offertwege zu verkaufen.
Hiezu veranlaset wurde das Collegium durch
ein Kaufsanbot der Herren Gareis und Strunz,
welche Neubauten dort aufzuführen beabsichtigten.
Die Baustellen messen 265 M, 2555M.
und 3168M. Die Ausschreibung im Offert-
wege wird demnächst erfolgen.
(Kaiser-Fest Schießen.) Wie uns
aus Schützenkreisen mitgetheilt wird, veranstal-
ten das k. k. priv Schützencorps und die Karlsbader
Scheibenschützen-Gesellschaft aus Anlass des Aller-
höchsten Gedurtsfestes Sr. Majestät Kaiser Franz
Josef I ein großes Festschießen auf der Schieß-
stätte im Schützenhause, welches am 18. August
seinen Anfang nimmt, am 20. und 29. August
fortgesetzt und am 1. September geschlossen wird.
Zur Aufstellung gelangen fünf verschiedene Schei-
bengattungen, die mit hohen Geldgewinsten dotirt sind.
(Die Tanz-Reunion im Kurhause)
welche am heutigen Abend daselbst stattsindet und
wie immer um 8 Uhr beginnt, dürfte wieder
zahlreichen Besuchts sich zu erfreuen haben, da
wie man uns mittheilt, einige größere Gesellschaften
zur selben sich einzufinden verabredet haben.
(Postalisches.) Die k. f. Post und Tele-
grafen Direction für Böhmen in Prag hat mit dem
Erlasse vom 29. Juli 1895, 3 78578 genehmigt,
daſs vom 10 October 1895 an die Amtsstunden
an Sonntagen bei dem k. k. Postamte von 8·50 bis
11·30 vorm. und von 3 bis 4 Uhr nachm. zu
währen haben. — Es wird sonach das hiesige k. k.
Postamt ab 10 October 1895 an Sonntag Nach-
mittagen nicht mehr von 5—6 Uhr, sondern von
3—4 Uhr amtir n. —
(Photographische Aufnahmen von
der Unglücksstätte im Brüx) sind in dem
Schaufenster des Legers in Bedarfs-Artikeln für
Amateure und Fach-Photographen des Herrn Leopold
Hartmann im Hause „San Remo“ in der
Kaiser Franz Josefstraße ausgestellt und werden ob
ihrer Ausführung und interessanten bildlichen Dar-
stellung vielfach besichtigt. — Die Aufnahmen rühren
von Herrn Leop. Hartmann selbst her, der aus diesem
Grunde am vergangenen Sonntag sich nach Brüx
begeben hatte. — Auch eine gelangene Moment-
aufnahme der Eröffnungsfeierlichkeit des hiesigen
American Parkes, gleichfalls von Herrn Hartmann
gemacht, findet besonders bei den amerikanischen
Kurgästen lebhaftes Interesse
(Der hässliche Monstre-Zaun) am
Petersberg rect noch immer seine unbeschnittenen
Waldlattenspitzen bis über die Parterrefenster der
dortigen Häuser empor, jenem Gassentheile zur
Unzierde gereichend. Theilweise ist der Zaun be-
schnitten, theilweise unbeschnitten, so daſs es den
Anschein hat, als wäre es dem Besitzer dieses
Zaunes lediglich nur darum zu thun, den Haus-
besitzern dort einen Schabernack z. spielen. Viel-
leicht veranlassen diese Zeilen die Behebung der
Beschwerde.
(Wiener Sängerinnen.) An dieser
Stelle sei nochmals auf die Concerte der acht
Sängerinnen, die unentwegt in der Gunst des
fashionablen Kurpublikums stehen, hingewiesen.
Samstag, Sonntag und Montag werden nachmiltags
4 Uhr im Etablissement „Sanssonci“ diese Con-
certe unter persönlicher Leitung des Directors Gothov
Grüneke abgehalten. Sonntag Abend findet ein
sogenanntes Volksconcert bei ermäßigtem Entree statt.
(Im Stadttheater) gibt es am heutigen
Tage nicht weniger als drei Gäste — zur Auf-
führung gelangt das vorzügliche Lustspiel „Gold-
fische“ von Schönthan Kadelburg und in demselben
spielen Herr Georg Engels den „Benzberg“,
Herr Ludwig Stahl den Lieutenank Erich und
Frau Raul Hoppé' die Mathilde von Koßwitz.
Da auch die übrigen Partien des Stückes
durchwegs mit den besten Kräften unseres
Lustspiel Ensembles besetzt sind, ist für den heutigen
Abend eine vorzügliche Aufführung und reiches
Amusement vorherzusagen. Am morgigen Sonntag
geht das Märchenspiel „Hänsel und Grethel“ mit
der „Puppenfee“ in Scene. Bis jetzt waren zu
den Aufführungen stets die Preise erhöht, von
morgen ab sind wieder die gewöhnlichen Eintritts-
preise angesetzt. — Am morgigen Abende verab-
schieden sich auch die beiden hier sehr großer Be-
liebtheit sich erfreuenden Gäste Fräulein Amalia
Bessoni und Herr Umberto Salvaggi, welch beide
wiederholte Proben der Meisterschaft der Tanzkunst
hier abgelegt haben.
(Ein Schühenfestmarsch) von dem
heimischen Componisten Herrn Wilhelm H.
Eberhart (Haus Erzherzogin Sofie) dem
Schützenmeister Mühlpfordt in Bitterfeld gewidmet,
ist das neueste Opus dieses zu den besten Er-
wartungen berechtigenden jungen Talentes. — Der
Marsch ist sehr gut concipiert und in jeder Hin-
„Meyer — A. H. Meyer!“
„Sonderbar!“ rief ich, „auch die Namen
stimmen. Ich lernte vor nun bald siebzehn Jahren,
als geschäftliche Angelegenheiten mich nach Goldap
führten, dort einen Herrn Meyer kennen, dem Sie
sehr ähnlich sehen, und ich hätte darauf schwören
mögen, daſs er mit Ihnen verwandt sei, vielleicht
ein Onkel von mütterlicher Seite. Also Sie stehen
in keinem Verwandtschaftsverhältnisse zu diesem
Herrn? Sehr auffallend, besonders da auch der
Name zutrifft. Dieser Meyer war Holzhändler und da-
mals ein angehender Sechziger. Seine Frau war
eine — warten Sie einmal — richtig! eine ge-
borene Kloppfleisch. Ein prächtiger Kerl war er
und ein schneidiger Geschäftsmann. Unterdessen ist
er auch natürlich älter geworden.“
Während ich so sprach, war er sehr unruhig
geworden, wie ich an den eigenthümlichen Bewe-
gungen seiner Füße merkte. „Erlauben Sie mir
begann er noch einmal.
„Noch eine Frage!“ unterbrach ich ihn „Leben
Ihre Eltern noch?“
„Ja!“ stöhnte er.
Das freut mich zu hören,“ sagte ich. „Es
ist ein nicht gewöhnliches Glück, in Ihren Jahren
noch beide Eltern am Leben zu haben. Darf ich
mich weiter erkundigen, ob auch Ihre Großeltern
noch leben?“
Ganz roth im Gesicht, war er aufgesprungen.
„Ich muss mich“ — rief er mit vor Aerger halb
erstickter Stimme — „ich muss mich Ihnen em-
pflehlen. Meine Zeit ist sehr in Anspruch genom-
men und ...“
„Sie wollen schon gehen?“ rief ich. „Darf
ich Ihnen nicht ein Glas Wein anbieten? Es ist
zwar nur Kutscher und etwas säuerlich, aber
durchaus rein und sehr gesund. Meine Frau
würde sich sehr freuen, wenn ich Sie ihr vorstellte.“
„Es thut mir leid,“ schrie er, aber ich habe
keinen Augenblick Zeit. Wenn Sie einen Auftrag ...“
„O gewiss habe ich einen Auftrag. Wenn
Sie das schöne Frankfurt wiedersehen, grüßen Sie
es tausendmal von mir. Aber ich hoff, daſs wir
uns hier noch sehen werden, beim Weihenstephan
oder auf der Siegessäule oder ...“
Er war schon draußen. „Herr Meyer! Herr
Meyer!“ rief ich, mich über das Treppengeländer beu-
gend. Er hörte nicht darauf. Schnell stürzte ich
in mein Zimmer zurück, ress das Feaster auf und
schrie auf die Straße hinunter: „Herr Meyer!
Wenn Sie einmal nach Goldap kommen sollten...“
Er wandte sich nicht mehr um, sondern lief
spornstreichs dem nächsten Standplatze für Fuhr-
werke zu.
Ob er wohl wiederkommen wird?
(Aus dem Büchlein: „Das Wustrower Königsschießen
und andere Humoresten“ von Johannes Trojan. Leipzig,
Liebeskind)
Berliner Plauderei.
[Original-Brief.
Es ist begreiflich, daſs wenn alle Deutschen,
auch die nicht eine Spur von Chauvinismus an
sich haben, gegenwärtig von den großen Ereignissen
des Jahres 1870 sprechen, die Berliner es doppelt
und dreifach thun. Gerade Ende Juli 1870 waren
sie die ersten dazu, spielten sich in ihrer Mitte die
entscheidenden Momente ab, während die späteren
Ereignisse bis zum Einzug der Truppen im Felde
vor sich gingen und die Berliner nicht mehr als alle
anderen Deutschen angingen. Aber in den Juli-
tagen vor fünfundzwanzig Jahren: die Rückkehr des
Königs aus Eins und die großartigen Ovationen,
die ihm damals bereitet wurden, bei welchem An-
lasse zum ersten Male in Berlin die „Wacht am
Rhein“ gewissermaßen durch Volksstimmen zur
Nationalhymne erhoben worden ist; dann der Zu-
sammentritt des Reichstags, dem die französische
Kriegserklärung übergeben wurde, der Erlass des
Aufrufs „An Mein Volk“, die Abreise des Königs
zur Armee und so viele andere Momente von welt-
historischer Bedeutung — es ist wohl zu verstehen,
daſs diejenigen, welche alles das in gehobenster
Stimmung, hoffend, vertrauensvoll und doch mit-
unter auch zagend und bangend, himmelhoch jauchzend
aber doch auch wieder mit niederdrückendem Ernst
S
Název souboru:
karlsbader-badeblatt-1895-08-03-n176_1555.jp2