Text na stránkách 1

Text: 
Nr. 30 Freitag den 4. Juni 1886. �M. Jahrgang. Badeblalt. Karlsbader Redaktion und Administration Saison-Abonnement: im Hause „Zelleone“, Stesanspromenade. Tür Karlsbad Saison-Tagblatt. ..4 fl. — kr. Der Post, Inland6 fl. — kr. Inlerate eutsceReich 12 Reichsmk. werden nur gegen Vorauszahlung angenommen und kostet die 4spaltige Petitzeile oder deren Raum 6 kr. Pränumerationen und Inserate Monatl. Abonnement: werden in der Administration dieses Blattes für Karlsbad . f. 90 kr. und in der Keihbibliothek „3 Lämmer“, Markt, entgegengenommen. Einzelne Nummer 5 kr. (Erscheint mit Ausnahme der Montage täglich.) Herausgeber: Ernest Franieck. Inserate übernehmen: Haasenstein & Vogler, Annoncenhureau in Wien, Prag, Hamburg, Lübeck, Berlin, Leipzig, Dresden, Breslau, Köln, Frankfurt a. M., Stuttgart, Basel, St. Gallen, Zürich, Genf und Lausanne, Rudolf Mosse in Berlin, Breslau, Hamburg, Nürnberg, Wien, Prag, Frankfurt a. M., Leipzig, Stuttgart, Halle a. S., München, Straßburg und Zürich. —- A. Oppelik, Wien und G. L. Daube & Comp., Frankfurt a M. Nach der heute zur Ausgabe gelangenden Kurliste Nr. 107 sind bis 2. Jun? 6659 Parteien mit 8410 Personen zur Kur hier eingetroffen. Unter den Angekommenen des gestrigen Tages nennen wir: Fürst Sergins Mestschersky, Stabs-Rittmeister aus Ruß- land (Lord Byron.) Herr Johann Schreiber, Stickereifabrikant aus Plauen. (Stadt London.) Se Excellenz Herr Edmund Graf Zichy, k. k. wirkl. Geheim- rath und Kämmerer aus Ofen (Cafö Elefant.) Herr Roberttto, k. k. österr. ung. Konsul und Kaufmann aus Danzig (Britannia.) Herr Leonars Jakobson, Rentier aus Frankfurt a. M., Frau Lina Kipte, Brauereibesitzerin aus Breslau. Herr David Preston, Banquier mit Familie a. Detroit, Herr Henry Seligmann, Banquier aus Newyork, Herr Felix Bloch. Redakteur mit Gemalin aus Berlin. (Etablissement Pupp) Frau Laura Oppenheim a. Hamburg. (Hanseat. Haus) Herr L. Gumpert, kgl. Commerzienrath mit Gemalin und Sohn aus Brandenburg. (Drei Lerchen) Herr Otto Guthknecht, Kaufmann aus Magdeburg. Herr Josef Boehm, Kaufmann mit Gemalin aus Berlin, Herr David Orermeyer, Brauereibesitzer aus Brooklyn. (Kaiser Wilhelm) Vergnügungs-Anzeiger. Café Posthof. Heute mmphoniekonzert der Kurkapelle Unter Leitung des Musikdirektors August Labitzky. Programm. Feierlicher Marsch c. d. Op. „Nero“ v. A. Rubinstein. Beethe-Ouverture von E. Lassen. 3. Hochzeitsmusik von A. Jensen. Serenado Nr. 2. F-dur, für Streichorchester von R. Volkmann. 5. Symphonie Nr. 5, C-moll, von Beethoven. Anfang 4 Uhr. Entrée 50 kr. Stadttheater. Heute ’s Nullerl. Volksstück mit Gesang in fünf Aufzügen von Karl Morre. Musik nach steirischen Motiven von Vinzenz Pertl. Anfang halb 7 Uhr. Stadtpark. Heute Abends halb 8 Uhr. Abend-Konzert der Kurkapelle. Etablissement Sanssouci. Heute Nachmittags-Konzert der Karlsbader Konzert-Kapelle unter Leitung des Kapellmeisters Ludwig Pleier. Programm: 1. Hoch und Nieder, Marsch von Ziehrer. 2. Ouverture z. Op. „Czar u. Zimmermann“ v. Lortzing. 3. Frühlingsstimmen, Walzer von Strauß. 4. Pilgerchor und Lied an den Abendstern aus „Tann- häuser“ von R. Wagner. 5. „Maiglöckchen“ (Trio s. Flöte, Oboe u. Violine) v. Krug. 6. „Goldschmids Hämmerlein“ von Eilenberg. 7. Mandolina, Mexikanische Serenade von Langey. 8. Anina, Polka-Mazur von Joh. Strauß. 9. Potpourri aus „Bettelstudent“ von Millöcker. Anfang 4 Uhr. Entrée frei. Salle de Saxe. Hente Abend-Konzert der Karlsbader Konzert-Kapelle, unter Leitung des Kapellmeisters Ludwig Pleier. 1. Mit frischem Muth, Marsch von L. Pleier. 2. Ouverture „Die Syrene“ von Auber. 3. El Turia, Valse espagnole von Granado. 4. Konzert-Arie für Klarinett-Solo von Bergson. Vorgetragen von Herrn Schiffner. 5. Brautschau, Polka aus „Zigeunerbaron“ von J. Strantz. 6. a. „Engellied“ von Westmayer. b. Soldatenlied“ von Moniuszko. 7. „Aegyptische Freischaar-Wache“ von G. v. Stranß. 8. Potpourri über kärntnerische Volkslieder. 9. Schwamm d'rüber, Galopp aus „Bettelstudent“ von Millöcker. Anfang halb 8 Uhr. Entrée frei. Kurhaus. Heute Außergewöhnliche Vorstellung des berühmten Prestidigitateur Prof. C. Herrmann aus Wien. Anfang 7 Uhr. Schützenhaus. Heute und die nächstfolgenden Tage Wiener Panoptikum, historische Kunst-Ausstellung à la Dussot in London. Besonders hervorzuheben: Munkacsy's „Christus vor Pilatus.“ Entrée a Person 40 kr. Kinder die Hälfte. Geöffnet täglich von 8 Uhr Früh bis 10 Uhr Abends. nSonn- und Feiertagen halbe Preise. Badebulletin. Der geheilte Todte. Nach dem Französischen. Herr R. war todt; das heißt, er bildete sich nach einer schweren Krankheit ein, gestorben zu sein. Herr R. war im Kopfe nie recht gesund ge- wesen, sein Geist war schwach, furchtsam, auch sein Körper zählte nicht zu den kräftigen, dabei las er mit Vorliebe medizinische Bücher. Er hatte seine Lebensweise derart eingerichtet, um sich so viel wie möglich physisch zu schonen, sich so wenig wie mög- lich auszugeben. Ein Studium hatte er darauf verlegt, seinen Magen und seine Athmungswerk- zeuge auf ein Minimum zu beschränken. Aus Furcht sich abzunützen, machte er nicht einmal Bewegung; er hoffte dadurch seinen Organen ewige Dauer zu sichern. Da kam der Tag, der seine Berechnungen und seine Voraussetzungen umstieß und ihm nahe- legte, daß kein Oel mehr auf der Lampe und das Ende da sei. Mit größter Bereitwilligkeit fügte er sich in das Unvermeidliche, wie wir sehen werden. R. war also todt, es war aus, er wollte nichts weiter hören. Er kleidete sich in das übliche Todten- hemd und verlangte, daß man ihm das Leichentuch über den Kopf ziehe und die Beerdigung vornehme. Natürlich, er konnte ja nicht Alles selbst besorgen. Die Verwandten umstanden ihn rathlos, sein Arzt hatte ihn empört im Stiche gelassen. Der Todte klagte, bat und schimpfte: „Hat man jemals einen so schlecht bedienten Todten gesehen? Ihr grausamen Leute! Ist es menschlich, ist es erlaubt, einem armen Christen ein ehrlich Begräbniß zu verweigern? Beerdigt mich! Beerdigt mich! Seit zwei Tagen bin ich todt! Spürt Ihr nicht den Moderduft? Wenn Ihr nicht bald einschreitet, so werdet Ihr den Typhus bekommen. O, Euere gerechte Strafe! Bernard, mein Neffe, mein Universalerbe, mache Anstalten zu meinem Begräbniß, oder ich enterbe Dich! Dies ist mein letztes Wort.“ Der Verstorbene zog die Nachtmütze über die Augen. Der Neffe und die Verwandten standen rathlos da, einen Augenblick zögerte Bernard, dann nahm er seinen Hut und verließ das Zimmer. „Enterbt werden,“ sagte er sich, „das wäre ein schlechter Spaß, der Onkel wäre boshaft genug, ihn auszuführen.“ Die Tollheit des Alten zu allen Teufeln wünschend, ging er in die Apotheke, in welcher während des Önkels Krankheit alle Medikamente für denselben gebraut worden waren. Der Phar- mazeut, dem er sein Leid klagte, lachte ihm in's Gesicht. Wüthend stürzte Bernard wieder fort. Ein Freund, dem er begegnete und dem er sich an- vertraute, fand zuerst die Sache ebenfalls zum Todt- lachen, rieth ihm aber doch, zu dem berühmten Dr. Alibert zu gehen, dem Verfasser der Physiologie des passions. Nur schmunzelnd vermochte Dr. Alibert die Erzählung Bernard's anzuhören, er erkundigte sich nach Alter, Lebensweise, Vergangenheit des einge- bildeten Todten und ließ sich schließlich herbei, ihn zu besuchen. Unterwegs erzählte ihm Bernard noch, daß sein Onkel von seinem Hausarzte verlassen, seit 48 Stunden nichts gegessen habe, kurz alle Einzelnheiten des tragikomischen Falles. Nachdem der Neffe fortgegangen war, hatte sich der Todte zusehends beruhigt; nur durch die Zähne summte er melodisch: „Ich werde begraben! ich werde begraben!“ „Puh!“ schüttelte sich der Arzt, als er in das Zimmer trat, „welch ein gräulicher Geruch!“ „Endlich! endlich Einer, der etwas riecht!“ rief der Todte, dem Doktor die Hand entgegen- streckend, „natürlich, mein Herr, ich bin ja seit zwei Tagen todt, ich muß ja schon in Verwesung über- gehen!“ „Gewiß!“ entgegnete der Arzt. „Und diese Elenden wollen mich nicht be- graben.“ Dr. Alibert trat an das Bett: „Sie sind also todt?“ „Seit acht und „Vierzig Stunden, gut, man sieht es ja!“ Der Todte schien entzückt. Mit großen Schritten ging der Arzt auf und ab, dann sagte er bedeutsam. „Verehrte Anwesende, die Beerdigung muß sogleich vorgenommen werden!“ Der Todte zitterte vor Wonne. Alibert breitete ihm ein Leintuch über den Kopf und sagte: „Bitte, meine Herrschaften, wollen Sie zwei brennende Kerzen dort auf den Tisch stellen und Feuilleton.
Název souboru: 
karlsbader-badeblatt-1886-06-04-n30_0775.jp2