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Nr. 76.
Mittwach den 28. Juli 1880.
III. Jahrgang.
KABLSBADER BAEBLATT.
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Für Karlshal
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Zur Karlsbad
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in der Leihdibkiothet „mme“,
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Herausgeber: Ernest Franieck.
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aseSurgausanneRudolr Mossebgienrgepzig)Stuttgart,§aieS.)“
mücherStraßburg und Züric X. oppeß.,a.
Tokal- und Bädernachrichten.
(Die Moorbäder) im Parterre
des im vergangenen Winter am Grün-
markte an Stelle des alten Spitalgebäudes
erbauten „Neubades“ werden mit heutigem
Tage der Benützung übergeben. Die von
uns bereits angezeigte Besichtigung des
Bade-Etablissements seitens der hiesigen
Badeärzte fand über Einladung des Herrn
Bürgermeisters gestern Nachmittags statt;
auch zahlreiche Stadtverordnete fanden
sich um diese Stunde im Badehause ein,
um die Anstalt gleichfalls in Augenschein
zu nehmen. Wie man uns mittheilt, wurde
die Einrichtung und Ausstattung der
Badelogen als den weitgehendsten Wün-
schen nach Comfort entsprechend und die
Bereitung der Bäder als auf den neuesten
Erfahrungen fußend, bezeichnet.
(Empfang.) Zu der von uns be-
reits gebrachten Notiz von der Ankunft
Sr. Durchlaucht des regierenden Fürsten
zu Schaumburg-Lippe bemerken wir heute
noch nachträglich, daß Se. Durchlaucht
bei dessen um acht Uhr Abends erfolgen-
der Ankunft von den hiesigen Dignitären,
mit Sr. Durchlaucht dem Prinzen zu
Thurn und Taxis an der Spitze am
Bahnhofe empfangen wurde.
(In der Sprudel-Colonnade)
findet Donnerstag Abends von 1/28 bis 9
Uhr bei Beleuchtung sämmtlicher Räume
derselben ein Promenade-Konzert der Kur-
kapelle statt.
(Der Männer-Gesangverein)
veranstaltet nächsten Sonntag Nachmittags
im Garten des Posthofes ein Konzert, für
welches bereits ein sorgfältig gewähltes
Programm festgesetzt ist. Unser Männer-
Gesangverein erntete bei seiner letzten
Liedertafel in Sanssouci so vielfache An-
erkennung seiner Leistungen, daß sicher an-
zunehmen ist, es werde auch diesesmal
den Produktionen des Vereines die ver-
diente Würdigung zu Theil werden. Das
Konzert sollte ursprünglich im Vereine mit
dem berühmten Hornquartett (Schantl)
der Wiener Hofopernkapelle stattfinden,
nachdem aber wegen Erkrankung eines
Mitgliedes dieses Quartetts dessen Hieher-
kunft unmöglich wurde, veranstaltet der
Männer-Gesangverein das erwähnte Kon-
zert allein.
(Ein Abendständchen) brachte
vorgestern Abends eine Harmonie der hier
konzertirenden Regiments-Kapelle Nr. 72
dem Kurorte von der Höhe des Friedrich
Wilhelm-Platzes herab. Leider überraschte
das hereinbrechende Unwetter die wackeren
Bläser derart, daß sie ihr Vorhaben auf-
geben mußten und vollständig durchnäßt
in ihrem Quartier anlangten.
(Ein Unwetter,) wie wir ein
solches in unserem Thale schon läuger
nicht erlebt, ging vorgestern Abends über
uns nieder. Der wolkenbruchartige Regen
hat abermals in den Feldern und Kulturen
vielfachen Schaden gemacht, noch mehr
Dämmerträume.
Der Frühlingssturm peitscht durch die
Straßen der Hauptstadt, und ein kalter
Regen, mit Schnee vermischt, läßt die
Gassen zu kleinen Strömen anwachsen, die
mit gurgelndem Geräusch in den
Abzugs-Canälen verschwinden. Ein Wetter,
in dem man keinen Hund vor die Thüre
jagen möchte — aber das Leben der
Riesenstadt erlischt nicht in Sturm und
Regen, in Tag und Nacht. Zu mir herauf
dringt das Rollen der Wagen, ein Geräusch
wie die Brandung des Meeres, monoton,
nervenerschütternd für den, den nicht die
Gewohnheit des täglichen Lebens dagegen
abgestümpft hat. Der Tag neigt sich zur
Rüste, die Schatten des Abends verdunkeln
das Gemach. Der Feuerschein des Ofens
wirft bewegliche Lichter auf den Fußboden,
die scharfen Umrisse der Wände ver-
schwimmen im Halbdunkel — es zieht mich
in den Kreis des schimmernden Lichtes.
Wie behaglich es sich in der Nähe des
Ofens ruht! Das Auge starrt zur Decke
hinauf, den Ringeln der brennenden Ci-
garre nach, die sich dort oben zu unsicht-
baren Wölkchen zusammenballen, träge
strecken sich die Glieder, der Geist stößt
Sorgen und Denken von sich und träu-
mendes Wohlbehagen hüllt mich ein wie
in weichem Fiktich. Der Zauber der
Schlummerstunde naht, das liebste Kind
des nordischen Winters, jene wohlthätige
Fee, die den Götterfunken „Erinnerung“
in uns anfacht! ..
Und die Erinnerung liebt keine Dis-
harmonie, sie stößt das Unangenehme ans
und malt Angenehmes mit um so helleren
Farben. Darum ist auch keine Zeit ihr
günstiger, als die Dämmerstunde mit ihrem
grauen Colorit, mit der Ruhe des Abends
um uns, mit dem Gefühl der Ruhe nach
der Jagd des Tages in uns.
Der Dämmertraum kennt keinen Schmerz,
nur das durch Resignation oder durch
Hoffnung gelinderte Weh. Ruhig schlägt
das Herz, über Verlust nicht verzweifelnd,
von der Zukunft nichts mit Ungestüm
fordernd. Ist mir's doch, als seien Jahr-
zehnte aus meinem Leben geschwunden, als
läge die Hand der Mutter wieder auf
dem lockigen Haupte des Knaben, als ver-
möge ein tröstend Wort von ihr alle kleinen
Leiden, die damals so riesengroß erschienen,
zu bannen, als sei sie mit der Macht
ausgerüstet, Wünsche und Willen zu zügeln.
Dieser Damon des Wünschens, des Ver-
langens, des Begehrens, wie er mich herum-
gepeitscht hat von Ort zu Ort, von Zeit
zu Zeit. Ohne Ruhe ohne Rast vom ersten
Sonnenstrahl bis zum Versinken des
Tages, Jahr um Jahr, seit die Kindheit
entschwand. Verlorenes Paradies — kein
Sehnen, keine Reue bringt dich zurück;
das Leben geht vorwärts und seltener
werden die Tage des Glücks, seltener aber
auch die Augenblicke der Entläuschung! ..
Es sollte keinen Einsamen geben unter
den Menschen. Einsamkeit taugt nicht, nicht
einmal in der Dämmerstunde, in der doch
die Gedanken kommen und Niemanden
wirklich allein sein lassen. Ja, wenn man
über Gedanken Herr sein könnte, wenn
Jenilleton.
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