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Carlsbad, 5. August.
Die Nachrichten über die Zustände
in den von den österreichischen Truppen
zu besetzenden Territorien lauten von
Tag zu Tag trübseliger. Der durch
Hadschi Loja in Serajewo in Scene ge-
setzten Emeute, die von den bedauer-
lichsten Ausschreitungen begleitet ge-
wesen zu sein scheint, ist nunmehr ein
Aufstand in Mostar gefolgt, welcher
wohl auch als eine Folge der Agitationen
des genannten mohamedanischen Fana-
tikers anzusehen sein wird. Mostar
dürfte aber wohl in kurzer Zeit von
den von der dalmatinischen Grenze an-
rückenden österreichischen Truppen er-
reicht und mit dereu Erscheinen die
Ordnung hergestellt werden. In Bezug
auf Serajewo verhält es sich dagegen
anders, denn es ist nicht zu erwarten,
dass die Occupationstruppen vor Mitte
August dort eintreffen.
Kaiser Wilhelm in Teplitz.
Die Bäder, welche Se. Majestät der deutsche
Kaiser nimmt, werden, da sie sich wohlthätig
bewähren, fortgesetzt. Die Vollbäder — 27
Grad — werden durch zehn, die localen Moor-
bader durch 20 Minuten genommen. Da sich
das in der ersten Etage befindliche Privatbade-
zimmer als nicht vollständig entsprechend er-
wies, nimmt Kaiser Wilhelm nuumehr die
Bäder in den Parterrebadelokalitäten u. zw.
in jener Cabine, in welcher König Friedrich
Wilhelm III. zu baden pflegte. — Se. Majestät
unternimmt bei schönem Wetter täglich Spa-
zierfahrten in die Umgebung. Donnerstag be-
suchte Se. Majestät in Begleitung der Gross-
herzogin von Baden und Prinzessin Viktoria
das Schlachtfeld bei Kulm. Die Herrschaften
stiegen aus und begaben sich zu Fuss zum
preussischeu Erinnerungsmonument. Ein In-
valide, welcher als Cicerone diente, gab die
nöthigen erfragten Auskünfte. Sodann schrieb
Kaiser Wilhelm eigenhändig in's Gedenkbuch
Karlsbader Plaudereien.
CKr. „Selbst der Müssiggang will gelernt
werden.“ ieses Wort Demokritos, des lachen-
den Philosophen hat dem Sohreiber dieser
Zeilen seinerzeit viel Kopfzerbrechen gemacht,
bis ihm endlich der Wahrheitsbeweis für diese
Behauptung in fast unwiderleglicher Weise
gegeben wurde.
Als er nämlich das erste Mal in einen
jener Orte kam, die die moderne Welt mit dem
Namen Curort, einige neuere Jünger Aesculaps
sogar mit dem eines „klimatischen Curortes“
belegen, da erst erfasste er den Sinn der ein-
gangs erwähnten Worte in seiner vollen Be-
deutung. Ja wohl, das dolci far niente, voraus-
gesetzt dass es seinem Zwecke entsprechen
soll, muss gelernt werden u. zw. so gelernt
werden, wie alle anderen Lebensverrichtungen,
das Essen und Trinken nicht ausgenommen,
besonders wenn dasselbe den Anforderungen
entsprechen soll, die der hohe Gesundheits-
areopag unter der Devise „Curgemäss“ an uns
armè Menschenkinder stellt.
Man dürfte wol kaum anderswo Gelegen-
heit haben, den geschäftigen Müssiggang besser
kennen zu lernen, als in den sogenannten be-
rühmten Bädern. Wollte man je auf den keines-
wegs unvernünftigen Gedanken kommen, dem
die Worte: „W. Rex“ ein. Die Grossherzogin
von Baden schrieb darunter: „Heisst Wilhelm
Rex von Preussen und Kaiser von Deutsch-
land.“ Eine Anmerkung von der Seite hebt
hervor, dass dies die erste Unterschrift nach
dem Attentate sei. — Im hiesigen Stadttheater
sind die drei Parquet-Prosceniums-Logen links
zu einer Hofloge adaptirt worden. Die einzelnen
Abtheilungen sind durch schwere rothe Sammt-
portièren getrennt, die Brüstung von demselben
Stoff, welchen nebstdem goldgelbe Troddeln
zieren, überkleidet. Als Extraaufgang zu dieser
Loge ist der, in den Curgarten gehende Ein-
gang hergerichtet worden, von welchem bis
zur Stiege breite Teppiche gelegt sind. In den
Nischen stehen Bosquets aus exotischen Ge-
wächsen. Der Hotstaat der allerhöchsten Herr-
schaften findet sich fast jeden Abend ein und
folgt den Aufführungen mit Interesse. —
Gestern 1 Uhr Mittags ist der König und
die Königin von Sachsen mit einem Separat-
zuge der Dux-Bodenbacher Bahn auf dem
Waldthor-Bahnhofe hier eingelangt. Auf dem
Bahnhofe hatten sich einige Minuten vor der
angesagten Stunde die Grossherzogin von
Baden und die Prinzessin Victoria, sowie der
Hofstaat des Kaisers eingefunden und wurden
von den anwesenden Dignitären ehrfurchtsvoll
begrüsst. Die Ankunft des Zuges erwarteten
Bürgermeister Uherr mit den Stadträthen, das
Offizierskorps der hiesigen Schützengilde mit
dem Schützenhauptmann Herrn Mayerhöfer,
der sächsische Hofrath Dr. Baumeister, der
Inspector des sächsichen Militärbadehauses,
Lindner, der Commandant des österreichischen
Militärhospitals, Alajor Pfisterer und eine An-
zahl von Rittern des Albrechtsordens. Schützen,
Veteranen und Feuerwehr bildeten Spalier.
Präcise um die angesagte Stunde fuhr der von
Director Pechar geleitete Separatzug in den
festlich geschmückten Bahnhof ein. Schon von
der Ferne winkte König Albert der Grossher-
zogin von Baden zu. Die Begrüssung zwischen
den hohen Herrschaften war eine ungemein
herzliche; die Königin Carola küsste und um-
armte die Grossherzogin von Baden und die
Prinzessin Victoria. Nach einer kurzen Be-
grüssung seitens des Bürgermeisters Uherr
bestiegen die Königin Carosa und die Gross-
herzogin von Baden die Hofequipage, am
Rücksitze nahm König Albert, der Civilkleidung
trug, Platz. Im zweiten Wagen fuhr Prinzessin
Victoria mit der Pallastdame Baronin Göhler.
Die anderen Wagen bestiegen die beiderseitige
es übrigens nicht an Praecedentien fehlt, eine
Hochschule für höhere Faullenzerèi zu
gründen ich würde keinen Augenblick an-
stehen dafür das liebe Karlsbad zu empfehlen.
Man könnte zwar dabei in nicht geringen
Conflict mit den zahlreichen Sprudelbesuchern,
Mühlbrunncandidaten und mit den anderen
meist gezwungenen Anhängern des grossen
Quellgebietes Karlsbads kommen, die es an Ver-
sicherungen nicht fehlen lassen, dass eine solche
„kleine“ oder gar eine grosse Cur auch nicht
zu den angenehmsten Dingen der Welt gehört.
Man darf innen das wohl auf das Wort glauben;
besonders wenn sie etwas beleibter sind,
da sie dann ihr tägliches Pensum gewiss nicht
salva rerum substantia absolviren. — Doch
was ist das Alles gegen die Berufsarbeiten,
die wir sonst zu bewältigen haben, wobei ich
natürlich praesumire, dass selbst in Carlsbad
die Mehrheit der Anwesenden nicht in der
Lage ist, jenes glückliche Metier ihr eigen zu
nennen, sich blos mit der Scheere beschäftigen
und an ihren Actien und Werthpapieren den
bekannten rituellen Act des Judenthums vor-
nehmen zu können.
Wir andern Sterblichen aber und unter
ihnen besonders diejenigen, die den Sprudel
nur dann besuchen, um eine oder die andere
Versinterung zu bestellen, wir haben hier
Suite (die sächsische bestand aus den Hof-
damen Gräfin Einsiedel und Frl. v. Lützerode,
dem Obersthofmeister v. Lüttichau und Flügel-
adjudant Oberstlieutenant von Minckwitz.)
Während die Suite sich in's Hotel London
begab, fuhren Ihre Majestäten direkt in's
Herrenhaus, wo sie vom deutschen Kaiser
am Treppenaufgange erwartet wurden. Nach-
dem die Herrschaften von halb zwei bis drei
Viertel zwei Uhr im Herrenhause verweilt
hatten, begaben sich Höchstdieselben ins Hotel
London, vor welchem sie von einer dichtge-
drängten Menschenmenge mit donnerndem
Hoch empfangen wurden. Der Hotelier Herr
Trotha, geleitete seine hohen Gäste in Dero
Appartements, wo sich eine von den hier zur
Cur anwesenden Sachsen verfasste und mit ca.
150 Unterschriften bedeckte Adresse und ein
Bouquet vorfand. Die Adresse liegt in einer
grünsammtenen Enveloppe mit weissem Silber-
beschlag und lautet: „Ihren Majestäten dem
König und der Königin von Sachsen rufen bei
höchst Dero Besuch der Badestadt Teplitz,
am 3. August 1878 ein herzliches Willkommen
mit der Versicherung unwandelbarer Treue
und Anhänglichkeit zu die ehrfnrchtsoll unter-
zeichneten Sachsen.“ (Folgen die Unterschriften)
Das prachtvolle Bouquet, bestimmt für die
Königin, war aus weissen Theerosen und
Neiken, die mit grünen Blumenblüten sinnig
durchflochten waren, gebildet. In der Mitte
prangten weissgrüne Initialen, ein kunstreich
verschlungenes A. und C. (Albert und Carola).
Ihre Majestäten waren von dieser sinnigen
Ueberraschung äusserst erfreut. Präcise vier
Uhr fand im Herrenhause ein Diner statt, an
welchem der Kaiser, das (sächsische Königs-
paar, die Grossherzogin von Baden und deren
Fochter, Prinzessin Victoria Theil nahmen.
Nach fünf Uhr wurde der Thee in der Herren:
haus-Veranda servirt. Aus Anlass der Anwesen-
heit des sächsischen Königspaares wehen von
vielen Häusern, besonders in der Langengasse
und um den Curgarten weissgrüne Fahnen.
Am 11. d. wird der deutsche Kronprinz
hier erwartet. Definitiv verlautet aber bis jetzt
noch nichts.
Tepl. Ztg.
Kleine Chronik.
(Walter-Concert.) Heute Abend sieben
ein halb Uhr findet im Café-Salon Pupp das
Concert des Hofopernsängers Gustav Walter
wirklich Gelegenheit die umfassendsten Studien
darüber zu machen, wie man wol am Besten
und Vernünftigsten die Zeit tödten kann, ohne
mit diesem oder jenem Paragraphen des für
ewige Zeiten gegebenen Codex des gesunden
Menschenverstandes in Conflict zu gerathen.
Die Frage, was thun wir heute, dürfte wohl
auf mancher schönen Lippe schweben und
dabei sollen, wie ich mir sagen liess, be-
sonders die ihren Herrn Papa oder ihre Frau
Mama begleitenden Töchterchen in Bezug auf
das Aufspüren von Unterhaltungen mit einem
fast unglaublichen Raffinement zu Werke gehen.
Auf diese verehrten Damen will ich auch,
sollte etwa mein Project eine Universität für
höheren Müssiggang zu gründen realisirt werden,
aufmerksam gemacht haben. Sie würden aller-
liebste Professoren abgeben, diese jungen Damen
und ich wette darauf, dass nicht sobald ein Can-
didat bei ihnen reprobirt werden dürfte. Mittler-
weile müssen wir uns wol ohne ihre liebens-
würdige Anleitung behelfen. Ueberdies hat ja
die Natur so viel für Carlsbad gethan, dass
den Menschen nur wenig mehr zu thun übrig
blieb. Freilich wäre die Ausführung dieses
Wenigen oft sehr geboten. So begleiten noch
immer den einsamen Wanderer, dem es viel-
leicht in einem Momente hochgradiger Sinnes-
verwirrung einfallen würde, sich an den Ufern
Politische Rundschau.
Název souboru:
karlsbader-badeblatt-1878-08-06-n96_1900.jp2