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sind nun, wie bekannt, die Preise für die böh-
mische Braunkohle allgemein in die Höhe gesetzt
worden, und zwar ab Grube um 11/2 bis 2
Kreuzer pro Metercentner. Thatsächlich hat
diese Preiserhöhung nur für den Generalver-
schleißer gegolten, während diesem hinsichtlich
der Hinaufsetzung der Consumpreise keine Schran-
ken gezogen waren und er von dieser Latitude
auch den ausgiebigsten Gebrauch zu machen ver-
standen hat. Man kann begreiflicherweise von
Herrn Petschek nicht verlangen, daß er seine
Geschäftsgeheimnisse an die große Glocke hänge,
allein da die Preise, zu welchen jene Werke, die
so glücklich sind, die Firma J. Petschek ihre
Generalverschleißerin zu nennen, der letzteren
ihre Kohle liefern, ebensowenig unbekannt sind
wie die Preise, welche die Firma Petschek dem
Consum dictirt, so läßt sich der Effekt aus der
Fructificirung der Differenz zwischen den Gru-
benpreisen und den Preisen des Generalver-
schleißers wenigstens annäherungsweise berechnen.
Natürlich ist dieser Effect bei den billigen Kohlen-
forten kleiner als bei den theueren, aber man
dürfte kaum sonderlich fehlgreifen, wenn man
ihn im Durchschnitt auf etwa 4 Kreuzer pro
Metercentner veranschlagt, so daß, da diese
Differenz zwischen den Gewerkschaften und den
Generalverschleißern getheilt wird, man zu dem
Ergebniß gelangen würde, daß die Firma Pet-
schek an der Brüxer Kohlenbergbau-Gesellschaft,
der Nordböhmischen Kohlenwerks-Gesellschaft und
den Gruben Habsburg und Victoria-Tiefbau
über die Provision von fl. 600.000 hinaus noch
weitere fl. 1,200.000 verdient, wonach sich für
sie aus ihrer Verbindung mit diesen Producenten
ein Gesammtnutzen von jährlich 1.8 Millionen
Gulden ergeben würde.
Ohne für diese ziffermäßigen Angaben die
Unfehlbarkeit in Anspruch nehmen zu wollen,
glauben wir doch, daß sich dieselben von der
Wahrheit nicht weit entfernen. Jedenfalls hat
man Grund zu der Annahme, daß das von den
Generalverschleißern ausgeübte Monopol eines
der glänzendsten Geschäfte repräsentirt, denn
wäre dies nicht der Fall, so würde zwischen den
Firmen Petschek und Weinmann seinerzeit nicht
so ein heißer Kampf um die Majorität in den
Generalversammlungen der Brüxer Kohlenberg-
bau-Gesellschaft entbrannt sein und die erstere
auch nicht alles verfügbare Material von Actien
der Nordböhmischen Kohlenwerks-Gesellschaft zu
Coursen zusammengekauft haben, bei denen dieses
Papier nur eine etwas mehr als 2percentige
Verzinsung bietet. Allerdings, wenn man an
zwei Kohlenbergbau-Gesellschaften jährlich mehr
als 11/2 Millionen Gulden verdienen kann, spielt
die Frage nach der directen Rentabilität einer
in den Actien dieser Unternehmungen gemachten,
wenn auch noch so großen Kapitalanlage nur
eine untergeordnete Rolle, davon überhaupt ganz
abgesehen, daß sich auch die Dividenden der be-
treffenden Gesellschaften constant in aufsteigender
Linie bewegen und die Revenuen der General-
verschleißer in ihrer gleichzeitigen Eigenschaft
als Großactionäre sonach ebenfalls in stetigem,
erfreulichem Wachsthume begriffen sind.
Wir kennen das Verhältnis zwischen den
abhängigen und unabhängigen Actionären der
Brüxer und Nordböhmischen Kohlenbergbau-Ge-
sellschaft nicht hinreichend genug, um es begreif-
lich oder unbegreiflich zu finden, daß sich noch
kein Actionär dieser Unternehmungen veranlaßt
gesehen hat, in einer Generalversammlung die
Frage zur Erörterung zu bringen, ob die Ueber-
lassung der Gesammtproduction der Kohlenberg-
bau-Gesellschaften an eine einzelne Firma in der
That so große Vortheile für diese Gesellschaften
in sich schließt, wie dies seitens der Verwaltun-
gen derselben behauptet wird. Wir erlauben
uns der Meinung zu sein, daß diese Frage keines-
wegs damit als entschieden angesehen werden
kann, daß sie von den gesellschaftlichen Admini-
strationen schlechthin bejaht wird, und jedenfalls
können die Actionäre verlangen, daß man voll-
giltige und überzeugende Beweise dafür erbringt,
daß die finanziellen Interessen der Gesellschaften
in der That nicht besser und wirksamer gewahrt
werden können, als dies durch die Monopolisirung
des Zwischenhandels geschieht.
Die Lage des Bauernstandes.
Die letzten Jahrzehnte haben uns unwider-
legliche Beweise und zahlreiche Beispiele und
Fälle genug von der traurigen Lage und dem
unaufhaltsamen Niedergange des Bauernstandes
in Oesterreich gebracht. Nichtsdestoweniger
findet dieselbe bei der Regierung wie bei den-
jenigen, welche infolge ihrer Stellung in erster
Reihe berufen sind, für das Wohl des Bauern-
standes, welcher bisher als Stütze des Staates
und Volkes galt, einzutreten, so gut wie gar
keine Berücksichtigung. Wohl werden Bücher
über die Nothlage des Bauernstandes genug ge-
schrieben, sogenannte Enqueten veranlaßt, Be-
rathungen beim grünen Tisch gepflogen, wohl
wird in jeder Programmsrede einer neuen Re-
gierung der Landwirtschaft die wohlwollendste
und kräftigste Unterstützung zugesagt, wohl er-
klären die Landtags- und Reichsrathsbewerber
in ihren Candidatenreden, daß sie für die In-
teressen des Bauernstandes entschiedenst eintreten
werden — trotz alledem geschieht nichts, um den
Niedergang thatkräftig aufzuhalten, man wartet
und wartet und sieht zu, wie der Bauernstand
immer mehr verfällt, man läßt ihn unbeschützt
von dem maßlosen Speculantenthum aufsaugen.
Wenn einer, dem das Wohl seines Volkes
am Herzen liegt, die derzeitigen Verhältnisse des
Bauernstandes überblickt, so muß er sich wohl
fragen, ob es denn wirklich wahr ist, daß die
maßgebenden Factoren im Staate die redliche
Absicht haben, den Bauernstand zu erhalten, oder
ob die versprochene Besserstellung und Hilfe auf
unabsehbare Zeit hinaus verschoben und einer
fernen Zukunft vorbehalten werden soll; ob man
die jetzigen Verhältnisse andauern lassen und aus
dem Elende des ausgerotteten Bauernstandes
Millionen sammeln und diese dann als Frucht
des blühenden Volkswohlstandes hinstellen will!
Wenn je die Landwirtschaft Ursache hat, sich
über die Rücksichtslosigkeit zu beklagen, die ihr
von Seite des Landes und des Staates zutheil
wird, so ist es jetzt. Alles was der Bauer
braucht, wird theurer, während seine Producte
unter dem Drucke einer durch Börsenspiel,
Bahntarifwesen, Zollverhältnisse u. s. w.
leidenden Concurrenz immer billiger werden.
Auf jener Seite überall Kartelle und Ringe,
hier Ueberschwemmung mit fremden Artikeln,
Meistbegünstigung beim Zolle durch Bahntarife
zugunsten eingeführten Getreides, unbehinderter
Einschleppung von verseuchtem Vieh aus Ungarn,
wodurch für uns die Ausfuhr nach Außen wegen
Verseuchung unserer Viehbestände beinahe gänz-
lich aufgehört hat u. dgl. m.
Unter solchen Umständen muß der Bauern-
stand zusammenbrechen und wer sich nur seines
undankbaren Berufes unter halbwegs günstigen
Umständen entledigen kann, thut es und die
Güterschlächterei feiert ihren Einzug auf den von
ehrlichen Bauern durch Jahrhunderte bebauten
Feldern. Großgrundbesitzer und Großindustrielle
kaufen die ihnen passenden oder Speculationen
verheißenden Wirthschaften auf, der Bauer geht
als Heimathsloser von der Stätte seiner Väter.
Anstatt daß nun der Staat den Bauernstand
von den Steuern, die zu seinem Ertrage in
keinem Verhältnisse stehen, entlastet, ist es so-
weit gekommen, daß infolge der 20 jährigen
Versprechungen einer Reform der directen Steuern
dem Bauer trotz Müh' und Fleiß, trotz Ent-
behrung und Sparsamkeit nicht einmal mehr der
Lohn einer ehrlichen Arbeit bleibt. Ist das
nicht ein Hohn für die unter dem Drucke solcher
Zustände leidenden Landwirthschaft? Es wird der
Bauer in Schriften und Vorträgen auf den
Fortschritt verwiesen, was aber geschieht?
Während die Preise der landwirthschaftlichen
Producte fallen, schließen die Kunstdünger-
fabrikanten Kartelle und schrauben die Preise
des Kunstdüngers in unverschämter Weise in die
Höhe; während die Bahnen für Erzeugnisse
fremder Länder, die der heimischen Landwirthschaft
Concurrenz bereiten, oft ungewöhnliche Tarif-
ermäßigungen zugestehen, werden die Frachten
für Kunstdünger, Sämereien u. dgl. zu den ge-
wöhnlichen Preisen berechnet — natürlich es
sind ja Bauern, die sollen es zahlen!
Wo bleibt da die Rücksichtnahme für unsere
Landwirtschaft? Doch genug! Wer halbwegs
einen Einblick in die landwirthschaftlichen Ver-
gens ist, daß weder sie noch ich nach dem Wil-
len Gottes leben; wir versinken Tag für Tag
immer tiefer in die Sünde. Darum kommt mir
häufig der Gedanke, ob es nicht besser wäre,
wenn ich meine ganze Lebensweise änderte und
so thäte, wie dieser junge Mann hier vorhat.
Wenn ich die Sorge um Weib und Kind von
mir würfe und blos meinem Seelenheil lebte.
Sagt doch auch der heilige Paulus: Wer ein
Weib nimmt, der besorgt sich darum, wie er
diesem gefalle; wer aber kein Weib nimmt, denkt
nur daran, wie er Gott gefällig werde.“
Der Herr hatte diese seine Rede kaum be-
endet, als auch schon die Frauen, und in erster
Linie seine eigene Ehehälfte, auf ihn einstürmten.
„Daran hättest Du schon früher denken sol-
len!“ — kanzelte ihn eine reifere Dame der
Gesellschaft ab — „denn wer sich einmal frei-
willig ins Joch gespannt hat, der muß auch an-
ziehen. Da könnte ja jeder, dem es zur Last
wird, für seine Familie zu sorgen, einfach sagen:
„Ich will an mein Seelenheil denken!“ Das
ist eine Falschheit, eine Gemeinheit. Die Sache
steht aber auch gar nicht so. Der Mann soll
auch in der Familie so leben, daß er Gott ge-
falle. Es ist Gottes Gebot, daß wir unsere
Nebenmenschen lieben. Da zählt also wohl auch
die Familie dazu. Nein, der verheirathete Mann
hat feststehende Pflichten, die er nicht vernach-
lässigen darf. Wenn erst jedes seiner Familien-
mitglieder selbstständig geworden, dann mag der
Mann thun, was ihm beliebt; doch darf sich
niemand das Recht anmaßen, seine Familie im
Stiche zu lassen.“
Der Familienvater ließ sich indes durch diese
Worte nicht schlagen.
„Ich will ja“ — sagte er — „meine Fa-
milie nicht verlassen; ich wollte nur sagen, daß
wir unsere Kinder nicht ausschließlich für die
Welt erziehen sollten. Wir sollen sie vielmehr
so lenken, daß sie sich bei Zeiten an die Ent-
behrung und an die Arbeit gewöhnen, daß sie
lernen, ihren Nebenmenschen beizuspringen und
mit jedermann in brüderlichem Einvernehmen zu
leben. Damit sie aber das vermögen, müssen
sie sich Vornehmthun abgewöhnen und müssen
dem Reichthum entsagen.“
Darauf erwiderte ihm seine eigene Frau er-
regt:
„So lange Du nicht selbst nach dem Willen
Gottes lebst, darfst Du auch anderer Dasein
nicht umstürzen wollen. In Deiner eigenen Ju-
gend hast Du des Lebens Freuden genossen;
warum willst Du jetzt Deine Familie, Deine
Kinder schinden und martern? Lass' sie in Frie-
den heranwachsen, dann können sie auch ohne
Dein Antreiben so thun, wie es ihnen paßt.“
Nun schwieg der Herr Gemahl, aber ein
alter Herr nahm sich des Verdonnerten an.
„Ich will zugeben,“ sprach er, „daß ein Fa-
milienvater, der seine Familie an einen gewissen
Grad von Behaglichkeit gewöhnt hat, ihr dieses
Gut nicht plötzlich entziehen darf. Ich bin
gleichfalls der Meinung, daß der Familienvater,
will er nicht eine Sünde begehen, seine Lebens-
führung nicht ändern darf. Indes bei alt ge-
wordenen Männern, wie ich einer bin, steht
die Sache anders. Uns befiehlt Gott selbst, daß
wir uns ändern. Ich habe gar keine Pflichten
mehr zu erfüllen und wenn ich aufrichtig sein
soll, lebe ich nur mehr der Befriedigung meiner
Bedürfnisse: Ich esse, trinke, ruhe aus; aber das
ist eine häßliche Sache. Für mich wäre also
die Zeit gekommen, daß ich dieses Leben auf-
lasse, daß ich mein Vermögen unter die Armen
vertheile und für die mir noch bleibenden übri-
gen Tage ein gottgefälliges Leben führe.“
Aber diese Anschauung des alten Mannes
erregte allgemeinen Widerspruch. In der Gesell-
schaft befanden sich auch seine Nichte, bei deren
Kindern der Alte Pathe gestanden, welchen allen
er jedesmal zu Weihnachten Geschenke brachte.
Auch der eigene Sohn protestierte lebhaft gegen
diese Auffassung seines Vaters.
„Nein, nein, Vater,“ sprach der Sohn, „Sie
haben durchs ganze Leben viel gearbeitet, Sie
haben jetzt Ruhe nöthig. Sie dürfen darum auch
an Ihren Gewohnheiten nichts ändern.“
„Sonderbar!“ äußerte sich da ein Gast, der
bisher geschwiegen hatte. „Wir sind alle davon
überzeugt, daß es besser wäre, ein gottgefälliges
Leben zu führen und doch müssen wir erkennen,
daß wir jung und alt, nothwendig bei unserer
bisherigen Lebensführung bleiben müssen, wenn
wir nicht noch mehr Unglück und Qual über die
Familie wie über den Einzelnen kommen soll.
Ich folgere daraus, daß es keinem von uns
zusteht, was man so nennt, „gottgefällig“ zu
leben — von einem solchen dem praktisches Leben
entgegenstehenden „gottgefälligen“ Dasein kann
man höchstens nun einmal — plaudern!“
Název souboru:
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