Text auf der Seite 7
Text:
Mittwoch, 10. Dezember 1930.
„Ascher Zeitung.“
Seite 7.
Schmerzlose Behandlung.
Skizze von Alois Brunner.
Der Wirt vom „Schwarzen Schwan“ war
Zeuge, wie die beiden Herren einander kennen
lernten. Eine umständliche Vorstellung erfolgte
freilich nicht. Dies lag wohl einesteils daran,
daß sich das Publikum des „Schwarzen
Schwan“ über solche Aeußerlichkeiten hinweg-
setzte, andernteils aber am augenblicklichen
Zustand des einen. Der hatte nämlich einen
Schal um das Gesicht gebunden, hielt sich noch
dazu die Backe und saß reichlich trübsinnig vor
seinem geleerten Schnapsglas.
„Nanu, Zahnweh? sagte der Neuan-
kömmling und setzte sich, ohne sich erst dazu
auffordern zu lassen. Er hätte auch sicher um-
sonst auf die Einladung gewartet, denn der
mit dem umwickelten Gesicht schien nicht im ge-
ringsten zu Gesprächen aufgelegt zu sein. Sein
kranker Zahn nahm ihn wohl ganz in An-
spruch. „Sie müssen noch ein paar Schnäpse
hinter die Binde gießen“, riet ihm deshalb sein
Gegenüber voller Nächstenliebe.
Letztere wurde leider schlecht belohnt.
„Seien Sie ruhig!“ brüllte nämlich der Kranke
mit erstaunlicher Stimmkraft und hieb die
Faust auf den Tisch. „Wenn Sie mir sonst
keinen Rat geben können, sollten Sie den
Mund halten.“ Dann ging ein schmerzliches
Zucken durch sein zerwühltes Gesicht, und er
faßte sich so eindrucksvoll an die Backe, daß der
Wirt beruhigt wieder hinter dem Tresen ver-
schwand: „Der schlägt vorläufig keinen Krach.“
Nun hätte man annehmen sollen, der Ge-
sunde wäre angesichts der unhöflichen Behand-
lung gekränkt gewesen. Nichts von dem! Er
legte nur den Kopf bedauernd auf die eine
Schulter und sah sein stöhnendes Gegenüber
mitleidig an: „Kann Ihnen denn niemand hel-
fen?“ Ein chinesischer Straßenräuber hätte
durch den Tonfall der wenigen Worte besänf-
tigt werden müssen. So widerstand ihm auch
der Mann mit dem kranken Zahn nicht län-
ger. „Doch“, wimmerte er, „der Zahnarzt! Aber
ich habe ja solche Angſt.“ — „Warum denn
nur?“ beruhigte ihn der Gesunde. „Heute
wird man doch schmerzlos behandelt.“ — „Ja“,
stöhnte der Kranke, „das ist alles schön und
gut, aber ich bin ja so bange. Wenn mir we-
nigstens einer den Kopf dabei halten wollte,
damit ich nicht weglaufe.“
Da huschte ein Schimmer selbstloser Näch-
stenliebe über das Gesicht des Geduldigen:
„Wenn das alles ist, gehe ich mit Ihnen und
halte Ihnen den Kopf. Einverstanden?“ Na-
türlich war der Kranke damit einverstanden.
„Wissen Sie denn einen Zahnarzt?“ fragte
der Hilfsbereite. Der Mann mit dem Schal
zog einen Zettel aus der Tasche: „Hier.
au! ... da habe ich einen in der Zeitung ge-
funden. Da steht's geschrieben: �Schmerzlose
Behandlung garantiert. Au ....“ Er wim-
merte, daß sich dem Wirt das Herz im Leibe
zusammenkrampfte. „Au ... er wohnt hier
gleich in der Nähe.“
„Komischer Kauz“, dachte der Budiker,
als der Kranke, vom Gesunden ein wenig ge-
stützt, sein Lokal verließ. Und dann freute er
sich, daß er für die Unterhaltung mit seinen
nächsten Kunden einen etwas interessanteren
Gesprächsstoff gefunden hatte als die üblichen
Bemerkungen über das Wetter.
Der Zahnarzt Dr. Schöps war ein wenig
erstaunt, als auf sein „Der Nächste, bitte“ hin
zwei Männer aufstanden, der eine von ihnen
freilich ein wenig zögernd und mit schlotternden
Knien. „Wer war zuerst hier?“ fragte des-
halb der Zahnarzt. Da zeigte der eine der
Männer auf den andern, der außer dem Schal
auch noch die Hand zum Schutz gegen die Backe
preßte: „Wir gehören zusammen. Allein traut
er sich nicht zu Ihnen. Ich soll ihm den Kopf
halten.“
Der Arzt lächelte: Ein putziger Patient. Er
lächelte noch, als der Kranke sich stöhnend in
den Drehsessel setzte: „Bitte, halten Sie mir
den Kopf fest, Herr Nachbar, wenn der Dok-
tor mit der Spritze kommen sollte!“
Dann wickelte der Aengstliche den Schal
ab und sperrte zögernd den Mund auf.
„Ja“, meinte der Arzt nach kurzer Prü-
fung, „da ist freilich nichts mehr zu retten. Der
muß heraus. Ist aber nicht schlimm. Ruhe,
Ruhe! Ziehen wir schmerzlos. Stillhalten! Von
der Nadel spüren Sie garnichts. Stillhalten!
Na, also. Das war doch nicht schlimm. Bitte
draußen warten! Ich rufe Sie wieder herein.“
— „Aaach!“ Der Kranke erhob sich wimmernd
und wankte am Arm des freiwilligen Helfers
aus dem Zimmer.
Als er eine Viertelstunde später wieder
hereingebeten wurde, stand ihm der Angst-
schweiß auf der Stirn. Er war käsebleich und
setzte sich auf den Drehsessel wie ein Todes-
kandidat auf den elektrischen Stuhl. „Bitte,
den Mund öffnen.“ Zögernd trennten sich die
Kiefer, das Kinn wackelte, die Augen wurden
stier. „Donnerwetter!“ war der Zahnarzt ein
wenig gekränkt. „Wenn auch kein Mensch aus
lauter Vergnügen am Zahnziehen zu uns
kommt, so brauchen Sie doch nicht solche Angst
zu haben.“ Dann packte er die Zange und zielte
nach dem hohlen Zahn. „Eccch“, jammerte der
Aengstliche und fuhr mit dem Kopf in die
Höhe, daß die Zange auf den gesunden Zäh-
nen klirrte.
Der Arzt ließ sich nicht aus der Fassung
bringen. „Sie müssen ihm den Kopf noch fe-
ster halten,“ mahnte er den freiwilligen Assi-
stenten und zielte von neuem. „Klirr“, sagte
die Zange und glitt wieder ab, weil der Kran-
ke den Kopf schaudernd zur Seite riß. „So
geht das nicht“, entschied der Arzt. „Halten
Sie ihm die Hände, das übrige besorge ich.“
Der Aengstliche wollte sich wehren, dem
Helfer lag sichtlich ein Wort des Widerspru-
ches auf der Zunge. Doch schon im nächsten
Augenblick umschlang der linke Arm des Arz-
tes den Kopf des Kranken, preßte ihn gegen
seine Brust, und die Zange suchte ihr Opfer,
packte es. Im Kiefer krachte es, dem Armen
traten die Augen aus den Höhlen. Arzt, Pa-
tient und Helfer bildeten einen Augenblick
ein kämpfendes Knäuel. Und dann war der
hohle Zahn da!
„Endlich!“ seufzte der Arzt erleichtert auf,
brachte seinen etwas durcheinander geratenen
Kittel wieder in Ordnung, steckte den Taler
Honorar in die Hosentasche, wunderte sich, daß
der Kurierte ihn fast haßerfüllt ansah, ließ die
beiden abtreten und schenkte sich zur Erholung
einen Schnaps ein, bevor er, noch sichtlich er-
mattet, die Tür zum Warteraum öffnete:
„Der Nächste, bitte.“
Merkwürdigerweise trennten sich die bei-
den Männer nicht auf der Straße. Sie fuh-
ren vielmehr gemeinsam und in verkniffenem
Schweigen, das der Kurierte nur ab und zu
durch schmerzliches Ausspucken unterbrach, eine
Viertelstunde weit mit der Straßenbahn, bevor
sie ausstiegen.
Dann sagte der barmherzige Helfer, als
er sich ohne Zeugen sah: „Du Rindvieh! Den
letzten hohlen Zahn hast Du Dir ziehen lassen,
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geplante Grosender
Der Ausbau des deutschen Rundfunknetzes,
berg für Westdeutschen Rundfunk (im Bau)
dessen bisherige Haupt- und Nebensender durch
— geplant: Hamburg für Norag — Ber-
den Ausbau von neun neuen Großsendern
lin für Funkstunde Berlin — Königs-
eine bedeutende Unterstützung erfahren sollen.
wusterhausen für Deutsche Welle —
Diese neun Großsender sind folgender-
Breslau für Schlesische Funkstunde —
maßen verteilt: Mühlacker für Südfunk
Leipzig für Mitteldeutschen Rundfunk —
(bereits in Betrieb) — Heilsberg für Ost-
München für Deutsche Stunde in Bayern.
markenfunk (demnächst fertig) — Langen-
anstatt Dich besser zu wehren und vorher weg-
zulaufen, wie Du es sonst immer gemacht hast!
Was fangen wir jetzt an?“ — „Ach“, schüt-
telte der andere traurig den Kopf, „ich konnte
doch nicht anders. Der Mensch hielt meinen
Kopf zu fest. Wir müssen uns eben etwas an-
deres ausdenken, bis ich wieder einen kranken
Zahn habe. Aber nun sieh doch nach, was in
seiner Brieftasche ist.“
Der brummige Helfer zückte die Beute,
schlug die Tasche auf, zog einen Packen Papiere
heraus, durchblätterte sie und fluchte: „Der
Teufel soll diesen Zahnarzt holen! Ein Zehn-
markschein und sonst nur unbezahlte Rechnun-
gen! Verstehst Du das? Von einem Zahnarzt.
Bei dem Honorar!“ „Nein“, ließ der andere
den Kopf hängen. „Wegen der zehn Mark
hätten wir die ganze Komödie nicht svielen
brauchen.“ Und dann verzog sich sein Gesich-
schmerzlich, denn jetzt kam es ihm vor, als ob
sein ausgezogener hohler Zahn fürchterlich weh
tat. —
„Ja“, sagte der Wirt vom „Schwarzen
Schwan“, „haben Sie schon so etwas gehört?
Treffen sich hier zwei Unbekannte, und dann
gehen sie zusammen zum Zahnarzt, weil der
eine dem anderen den Kopf halten muß!“
Apollo-Theater Asch.
Nur 2 Tage!
Mittwoch und Donnerstag,
den 10. und 11. Dezember:
Aesop-Fabel.
Ufa-Woche.
Bina ti Lignoro Oskar Marion
im Sensationsfilm:
Giftring
der
Borgias.
(Menschen ohne Gewissen.)
Anfangszeiten: An Sonn- u. Feiertagen 1/45, 1/27
und 9 Uhr: Kassaeröffnung 2 Uhr. Wochentags
7 und 9 Uhr: Kassaeröffnung 5 Uhr.
Ingendliche unter 16 Jahren haben
keinen Zutritt.
Christbüume in fremden Lündern.
Von Gustav Lindt.
Als zu Beginn des 17. Jahrhunderts in
Straßburg die ersten Christbäume auftauchten
und die Geistlichkeit gegen die „lächerliche Lap-
palie“ wetterte, weil all das „heidnischer
Tand“ sei und mit dem Christengedanken nichts
gemein habe, hätte wohl niemand dem ge-
was nach Tante Hedwigs Willen mein Eigen-
tum sein sollte. Und nun bitte ich Sie, mich
nicht mehr anzusprechen, es lohnt nicht, denn
ich werde Ihnen nicht mehr antworten.“
Der Zug hielt noch, und Renate über-
legte, ob sie nicht lieber umsteigen sollte. Es
war leider kein Durchgangswagen, in dem sie
saß. Eben wollte sie sich erheben, da ruckte
der Zug schon an, und im selben Augenblicke
ward, trotz des energischen Zurufs des Sta-
tionsvorstehers: „Zurückbleiben!“ die Tür
aufgerissen, und ein Herr sprang in das Ab-
teil. Er stolperte fast über Renates Füße,
murmelte „Verzeihung!“, ohne sie anzusehen,
sank neben Otto Holz auf das Polster: „Mensch,
was für Glück, daß ich gerade zu dir 'reinflog!
Deinetwegen bin ich so gerast, ich habe mir's
überlegt, die Geschichte muß anders gedeichselt
erden, wir müssen das noch einmal besprechen.
Otto Holz stieß ihn an. Was fiel denn
Kruse ein? Wollte er vielleicht die ganze Er-
pressergeschichte erzählen, mit der sich die Her-
ausgeber der „Sonne“ zurzeit befaßten? Karl
Kruse sah zu Renate hinüber.
Ach, du lieber Himmel, war Holz vorsich-
tig! Diese schöne Blondine in tiefer Trauer
war mit ihren Gedanken ganz wo anders, die
hatte bestimmt kein Interesse für die Unter-
haltung ihrer Mitreisenden. Sie schien kaum
zu wissen, ob sich überhaupt außer ihr noch
jemand im Abteil befand. Hatte sie doch vor-
hin kaum gefühlt, daß er über ihre Füße ge-
stolpert war. Aber eine schöne Person war es.
Alle Wetter, so etwas sah man nicht alle
Tage.
Otto Holz fühlte sich ein bißchen unbehag-
lich. Er fand, das Zusammentreffen wäre nicht
nötig gewesen.
Aber dann machte er sich klar, es war
völlig gefahrlos. Karl Kruse hatte, als er
Hedwig Sanders aufgesucht, ja Renate Wit-
Ich
tenborn gar nicht gesehen und war nicht von
ihr gesehen worden.
Er schrieb etwas in sein Notizbuch, hielt
es dem Freunde hin: „Sieh, das sind meine
neuen Berechnungen in unserer Sache!“
Karl Kruse las: Die schöne Blondine ist
Erbtantes Wahlnichte, also rede keinen Stuß
in ihrer Gegenwart, ich habe schon meinen Wi-
scher weg!
Karl Kruse sah lange auf die Zeilen, gab
das Notizbüchlein zurück.
„Die Berechnungen sind gut, wir reden
noch darüber.“
Und starrte dann, ohne sich darum zu
kümmern, daß ihn Otto Holz mehrmals mah-
nend anstieß, unausgesetzt auf sein schönes Ge-
genüber.
Bis sich die großen goldbraunen Augen ihm
zuwandten.
Renate hatte gefühlt, daß ständig ein
Blick auf ihr ruhte, und sie, die bisher den
neuen Coupeegenossen gar nicht beachtet hatte,
betrachtete nun den Gefährten von Otto Holz
und sah einen auffallend elegant gekleideten
Herrn von ungefähr vierzig Jahren mit
schwarzem Spitzbart. Seine Augen hatten einen
leicht schielenden Blick. In seiner dunklen Kra-
watte fiel ihr unwillkürlich eine ziemlich große
Nadel in Gestalt eines Diamantkäfers auf.
Schon schaute sie wieder zum Fenster hin-
aus, aber das Gesicht ves Mannes schwebte
noch immer vor ihr. Sie mußte an Marthas
Beschreibung von dem Herrn denken, der die
Tante besucht hatte am Vormittag ihres Ster-
betages. In dessen Gegenwart sie gestorben
sein mußte, wenn er auch nur zu Martha ge-
sagt, ihre Herrin sei ohnmächtig geworden.
Martha beschrieb ihn mit schwarzem Spitz-
bart und leichtschielendem Blick.
Ob es vielleicht dieser Mesch gewesen war,
mit dem sich Otto Holz duzte? Die beiden
schienen sich sehr gut zu kennen, und es sprach
nicht sehr zugunsten des anderen, sich mit einem
Otto Holz zu duzen.
An der nächsten Station stieg Renate um.
Der unverschämt musternde Blick des Men-
schen wurde ihr unerträglich.
Kaum hatte sie das Abteil verlassen,
stürzte Karl Kruse zum Fenster.
„Sie ist in den nächsten Wagen gestie-
gen“, stellte er mit einem bedauernden Seuf-
zer fest. „Schade, das Mädel hätte ich immer-
fort bewundern können!“
„Ich bin froh, daß dieser Tugendengel
'raus ist“, erwiderte ihm Otto Holz. „Dein
Anstarren überstieg aber auch jedes Maß, da-
mit hast du sie rausgegrault. Ich hatte ihr
vorher, ehe du auftauchtest, ein paar Andenken
an die Verstorbene angeboten. Weißt du, was
sie mir antwortete?“ Er setzte sich in Positur,
schraubte die Stimmlage höher und piepfte
übertrieben: „Ich nehme von Ihnen nichts ge-
schenkt, was nach Tante Hedwigs Willen mein
Eigentum sein sollte. Und nun bitte ich Sie,
mich nicht mehr anzusprechen, es lohnt nicht,
denn ich werde Ihnen nicht mehr antworten!“
Karl Kruse lachte.
„Die Abfuhr ärgert dich, was? Ja, das
hätte dir gepaßt, mit dem schönen Weibsbild
eine Bändelei anzufangen. Bei der brauchst du
es gar nicht mehr versuchen. Eher glaube ich
selbst noch Glück zu haben. Ob sie noch auf dem
Bureau von dem Bauunternehmer angestellt
sein mag? Will mal meine Fühler ausstrek-
ken?
Otto Holz sah ihn ärgerlich an.
„Rede doch nicht so viel Blödsinn auf ein-
mal. Wir beide, und besonders du, haben allen
Grund, uns Renate Wittenborn nicht zu vie.
in Erinnerung zu bringen. Es war schon blöd
genug von mir, sie anzureden.“
„Finde ich auch“, bestätigte Kruse, „ich
hätte das auch nicht gewagt an deiner Stelle,
nachdem du dem Mädel so böse mitgespielt
hast.“
„Du sei still, du hast ja die Hauptrolle
bei allem übernommen. Du hast ja Hedwig
Sanders so aufgeregt, daß sie den Herzschlag
bekam, du hast ja ihre Tasche durchsucht und
das Testament gestohlen, mit dem sie anschei-
nend, um vollkommen sicher zu sein, noch zum
Notar gehen wollte. Wäre das Papier in ihrer
Handtasche geblieben, hätte die Wittenborn
heute das Haus, denn der Wisch war juristisch
einwandfrei aufgesetzt. Der Zufall kam dir
sehr zu Hilfe, Freundchen, aber klage mich nicht
an, der Hauptgauner von uns bist du.“
„Bist du bald fertig?“ brummte Karl
Kruse, sagte dann lachend: „Darum keine
Feindschaft nicht! Sie will von dir nichts wis-
sen, und das weckte gleich deine schlechten In-
stinkte gegen mich. Aber wenn ich das Mädel
mal vorher gesehen hätte, wäre das Testament
vielleicht in der Handtasche geblieben.“
Jetzt lachte auch sein Freund.
„Das ist ein vorzüglicher Witz. Der un-
eigennützige Karl Kruse! So, und nun Schluß,
reden wir von der Sache, um die du mir nach-
gelaufen bist.“
Renate Wittenborn hatte heute abend
Martha besuchen wollen, die ihr geschrieben,
sie liege erkrankt bei der Mutter. Martha, die
bei ihrer Tante für Küche und Haus gesorgt
hielt immer noch treu zu ihr, und wenn sie sich
trafen, sprachen sie beide viel von der lieben
Verstorbenen, an der auch Martha sehr ge-
hangen hatte.
Marthas Mutter besaß eine kleine Wä-
scherei und Bügelei.
Ein winziges Lädchen in der Nähe der
Jannowitzbrücke war ihr Stolz.
Renate betrat den kleinen Laden, in dem
zwei derbe Mädchen eifrig die Bügeleisen über
Herren- und Damenwäsche hin- und herzogen.
Dateiname:
ascher-zeitung-1930-12-10-n290_3385.jp2