Text auf der Seite 1
Text:
Erscheint mit Ansnahme
ber Sovntage täglich. Zu-
schristen und Berichte für
hienachste Nummerwerden
bis9 Uhr vormittags, An-
zeigen bis spätestens 10 Uhr
rmittaangenommen.
Schristkeitung und Ver-
waltung:
Selbergasse 12.
Semsyrechanschluß Nr. 56.
Zeitungstarif bewilligt mit
§. S. �ι. 197.962/Vi 1928.
Asch
Deutsches Tagblatt.
Bezugsgebühren.
für Asch monatlich K 11. —
vierteljährl. K 33.— mit
Postzustellung im Inland
und Oesterreich monatlich
K 12.30, viertetf. K 36.90,
Ausland monatl. K 18. —,
viertelf. K 54. —.
Einzelnummer 5I h,
Sonntagnummerh.
Inseratelaut Tariz.
Nr. 280.
Dienstag, 27. November 1928.
65 Jahrgang.
Kronzeugen für die Erfolglosigkeit der deutschen Regierungsparteien.
Senator Dr. Medinger am 9. Dezember 1927 im Senat: „Wir nahmen
an, daß man, sobald man sich mit uns koalierte, auch unser Rechtsempfinden
respektieren würde. In der letzten Zeit setzen aber die Treibereien schärfer
ein als je zuvor. Wir leisten unser äußerstes mit der Annahme des Budgets
und so vieler für uns wahrhaft peinlicher Gesetze.“
1. Jeber 1927. Im Berliner Völkerbundligenkongreß: „Heute müssen
wir fortwährend gegen unser Gewissen votieren!“
14. Dezember 1927 im Senat: „Die Zuziehung der Deutschen zur Mit-
regierung ist bisher nur eine leere Jorm geblieben. Wir trieben Aktivismus,
aber die Gegenleistung blieb aus!“
März 1928: „Leider erfordert die Koalitionsdisziplin, daß wir dennoch
für das Gesetz (zum Schutze des heimischen Arbeitsmarktes) stimmen. Wir
bringen schweren Herzens dieses Opfer und klammern uns nur an die Hoffnung,
daß wenigstens die Handhabung eine vorsichtige und entgegenkommende sein
möge!“ Wie unberechtigt die Hoffnung war, bewies die Durchführungsverord-
nung, welche die schlimmsten Befürchtungen übertraf.
Senator Dr. Ledebur-Wicheln. 13. Dezember 1927 im Senat:
„Der Zustand, in welchem wir uns heute befinden, kommt leider einem unhalt-
baren Mitteldinge gleich. Das Anbot offenen Entgegenkommens auf der einen
und hinter der Maske offizieller Gleichberechtigung heimliche Schädigung auf
der anderen Seite.“
Senator Dr. Hilgenreiner beklagte im November 1928 im Budget-
ausschusse die förmliche Ausschließung der Deutschen von den Beamtenstellen
in den Zentralstellen und dem höheren Staatsdienst überhaupt. „Von etwa 2500
Beamten aller Ministerien ist kaum 1 Prozent deutscher Nationalität. In
manchen Ministerien ist überhaupt kein einziger deutscher Beamter. Auch finan-
ziell bedeutet diese Benachteiligung für die Sudetendeutschen alljährlich einen
Riesenschaden ... Es ist daher selbstverständlich, daß sie mit diesem Budget
nicht zufrieden sein können.“
Reichsparteileitung der Christlichsozialen Volkspartei. Am 7. Oktober 1928:
Die Entschließung: „Der Parteitag muß leider die Klagen der früheren Partei-
tage wiederholen, daß die Gleichberechtigung der Deutschen in diesem Staate
im zehnten Jahre der Republik in wichtigen Belangen noch immer nicht ver-
wirklicht ist.“ (In welchen unwichtigen Belangen ist sie denn verwirklicht?)
Senator Dr. Medinger: „Auch bei den großen Jorderungen der
Deutschen haben wir bis heute keine greifbaren Erfolge erzielt. Die Aenderung
der Geschäftsordnung, die wir bei unserem Eintritt in die Regierung zur
Bedingung gemacht haben, ist bis heute noch nicht durchgeführt. Wesentliche Er-
folge haben wir bisher nicht erreicht.“
Und was erwiderte der Justizminister Dr. Mayr-Harting darauf:
„Wir sind und bleiben in der Regierung!“
Unwettertatastrophe an der belgisch-hollündiichen Küste.
Dammbrüche zwingen zur Räumung von Ortschaften. — Schiffsunfälle.
Dortrecht unter Wasser.
Gent, 27. Novemb. Gestern früh ist der Schelde-
dammt bei Termont an drei Stellen gebrochen. Eine
Anzahl Dörfer ist überschwemmt. Zahlreiche Bewoh-
ner mußten flüchten.
tterdam, 27. November. Bei der Stadt
zidderkerk mußten mehrere Dörfer von der Bevöl-
kerung fluchtartig geräumt werden, da die Maas-
Deiche brachen. Dortrecht steht größtenteils
unter Wasser.
ertranken. In Sizilien und Mittelitalien herrschten
gestern ebenfalls schwere Stürme.
Messina, 27. November. In den letzten 24
Stunden herrschte auf Sizilien ein sehr heftiger
Sturm, durch den von Hütten die Dächer fortgerissen
und einige Personen verletzt wurden. Zwei Schoner
wurden vom Sturm abgetrieben, und strandeten bei
Milaazzo, die Besatzungen konnten jedoch gerettet
werden.
Weitere Schiffsunfälle.
In Belgien.
Brüssel, 27. November. Beim Eintritt der
Flut drang das Wasser an der ganzen belgi-
schen Küste über die Dämme. In Ostende und
Blankenberghe sind die Straßen überschwemmt.
Weitere Unglücksnachrichten aus Holland.
Amsterdam, 27. November. Aus allen Teilen
des Landes kommen zahlreiche weitere Berichte über
Schilfsunfälle, Dächereinstürze, Hochwasserschäden und
Ueberschwemmungen. In Rotterdam war wegen des
Hochwaſsers die Verbindung zwischen dem linken und
dem rechzen Maasufer völlig unterbrochen. Bei der
Insel Texel ist ein unbekannter schwedischer Schoner
gesunken. 12 Mann Besatzung wurden gerettet.
Schiffskatastrophen.
Amsterdam, 27. November. Der italieni-
iche Dampfer „Salento“ strandete gestern früh
ungefähr 4 Kilometer südlich von Ymuiden. Die
gesamte 25 Mann starke Besatzung dürfte umge-
men sein. Das Ymuidener Rettungsboot schlug
um, wobei ein Mann der Besatzung ertrank. Aus
Zandvoort wurde gestern nachmittag gemeldet, daß
die Besatzung des Dampfers „Salento“ endgültig
als verloren angesehen werden muß.
Amsterdam, 27. November. Bei Hoek van
Folland strandete gestern abends während des starken
Sturmwetters der 2232 Tonnen große norwegische
Dampfer „Christian Michelsen“. Zwei Rettungsbooten
von Hoet“van Holland gelang es unter Lebensgefahr
für die eigene Bemannung, von der 29 Mann zäh-
lenden Besatzung des norwegischen Schiffes 24 zu
retten. Bei dem Rettungsversuch sind zwei Leute der
Besatzung des „Christian Michelsen“, sowie der Al-
ländische Lotse ertrunken.
Auch das südliche Europa heimgesucht.
Madrid, 27. November. Das Unwetter der
nTage hat auch an der Nordküste Spaniens
mehrere Schiffsunfälle zur Folge gehabt. Im
Hasen von San Sebastian sanken zwei Fischerboote,
in einem anderen Hafen stießen zwei Fischerdampfer
zusammen, wobei der eine sank und 4 Mann Besatzung
Paris, 27. November. Nach einer Meldung
aus Vigo ist in der dortigen Bucht eine Fischerbarke
bei einem Zusammenstoß mit einem anderen Fischer-
boot gesunken. Drei Mann der Besatzung sind er-
trunken. Wie aus San Sebastian gemeldet wird, ist
der spanische Dampfer „Amabal Mendy“, der
seit Sonnabend in Seenot war, und Hilferufe aus-
sandte, auf der Höhe von Saint Jeande Luz gesunken.
Die aus 24 Mann bestehende Besatzung wurde von
einem Kutter aufgenommen. Im Golf von Gascogne
ist ein Dreimaster, der mit Bahnschwellen von
Santander nach England unterwegs war, gestrandet.
Die 9 Mann starke Besatzung wurde gerettet. Auf
der Höhe von Middlegate ist der französische Dampfer
„Sallan drouze de Larmonais“ gestrandet;
er konnte aber nach mehrstündigen Bemühungen wie-
der flott gemacht werden.
Kiel, 27. November. In dem Sturm der letzten
Nacht ist der Kieler Dampfer „Kaete Grammersdorf“
der gleichnamigen Reederei in Kiel-Holtenau auf der
Reise von England nach Stettin in der Nordsee ge-
sunken. Die 12 Mann starke Besatzung wurde durch
den deutschen Dampfer „Flora“ gerettet.
Der Nordpolflug des „Graf Zeppelin“.
Heute Verhandlungen in Berlin.
Berlin, 27. November. Im Reichsverkehrsministerium
begannen heute vormittags die Verhandlungen über den
geplanten Nordpolflug des „Graf Zeppelin“. An den-
selben nehmen Dr. Hugo Eckener, Fritjof Nansen
als Vertreter der Gesellschaft zur Erforschung der Arktis
mit dem Luftschiff, Reichsverkehrsminister v. Guerard,
Ministerialdirektor Brandenburg, Referent Müh-
lig-Hofmann und der bekannte Geograph Gech teil.
In einem Vertrag mit der Luftschiffbau-G. m. b. H. war
bereits früher ausbedungen worden, daß der „Graf Jeppe-
lin“ zwei Fahrten für die Gesellschaft zur Erfor-
schung der Arktis unternehmen solle. Diese Fahrten waren
aber auf 1930 verschoben worden. In den heutigen Ver-
handlungen wird nun die Möglichkeit besprochen, die
Fahrten bereits im kommenden Frühjahr
zu unternehmen.
Aus Stadt und Land.
Die Nibelungen sind nichts für deutsche Kinder!
Eine unerhörte Maßnahme der Prager Filmzensur.
Bekanntlich lief in den letzten Tagen im hiesigen
Apollotheater der deutsche Großfilm „De Nibelun-
gen“. Wie wir erfahren, mußten Kinder, die sich Karten
für die Vorstellung verschaffen wollten, unverrichteter Dinge
heimgehen, weil ihnen an der Kasse bedeutet wurde,
Kinder hätten keinen Zutritt. Tatsächlich hat die
Prager Filmzensuranstalt den Film für
Kinder verboten! Wir wollen über den erzieherischen
Wert des Nibelungenfilmes keine langen Erwägungen
anstellen. Wenn er literarische Mängel aufweist, so ist
er doch ein weißer Rabe unter der ungeheuren Flut
fremdländischen Machwerkes: nämlich ein in gutem Sinne
deutscher Film. Und literarische Mängel waren es
jedenfalls nicht, die die Prager Jensur zu ihrem uner-
hörten Vorgehen veranlaßte: es handelt sich ganz offen-
kundig um einen neuen Hieb im Kampfe gegen die deutsche
Kinderseele in diesem Staate, von der jeder Einfluß
von Seiten des deutschen Kulturgutes abgehalten werden
soll, damit sobald als möglich eine Generation da ist,
der die vielgepredigte „Symbiose“ auf der Stirn ge-
schrieben steht und die sich, da sie „unbelastet“ sein wird
von überkommenem deutschen Kulturgute, gern dazu her-
geben wird, als Vertreter des Tschechoſlowakentums zu
gelten. Darum nimmt man dieser werdenden Generation
alles, was sich „auf legalem Wege“ nehmen läßt. Und
setzt ihnen dafür, natürlich ebenfalls auf legalem Wege,
Pamphlete vor, wie es die Jubiläumsschrift für die deut-
sche Schuljugend anläßlich des 10jährigen Bestandes der
Republik war. In dieser wird bekanntlich von der siehen-
köpfigen germanischen Hydra gesprochen, der das tsche-
chische Schwert die häßlichen Häupter abschlägt. Im Ni-
belungenfilm aber ersteht als Mittelpunkt die herrlichste
Gestalt der deutschen Sage: da ist doch klar, welchem
„Erziehungsmittel“ der Vorzug zu geben ist.
Robert Keck, Bürgerschuldirektor i. R., ist nicht
mehr! Rasch trat der Tod an ihn heran. Wahrlich ein
gutes Herz hat aufgehört zu schlagen! — Robert Keck
wurde im Jahre 1857 in Asch geboren und erlernte
nach dem Verlassen der damaligen Hauptschule das
Handwerk eines Webers. Im Jahre 1879 übernahm
er die Stelle eines Aushilfslehrers an der einklassigen
Volksschule in Neuenbrand, im Oktober desselben
Jahres erwarb er sich das Reifezeugnis in Wien, im
Jahre 1882 legte er die Lehrbefähigungsprüfung.
für Volksschulen, 1887 jene für Bürgerschulen ab.
Er wirkte an verschiedenen Schulen in Asch, zuletzt
an der zweiten Knaben- Volks- und Bürger-Schule,
deren Direktor er im Jahre 1912 wurde. Am 31.
August 1924 trat er in den wohlverdienten dauernden
Ruhestand. Dir. Keck war 16 Jahre hindurch eifrigst
und pflichtbewußter Stadtverordneter, eine Zeitlang
auch Stadtrat und hat in diesen Eigenschaften in
verschiedenen Kommissionen und in der Stadtver-
tretung wertvolle Arbeit geleistet. — Der Dahin-
Dateiname:
ascher-zeitung-1928-11-27-n280_5725.jp2
Porta fontium