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Endeint mit Augnahme der Sonmage fäglich. Zu- schristen und Berichte für dienächste Nummerwerden bis9 Uhr vormittags, An- zeigen bis spätestens 10 Uhr vormittags angenommen. Schriftleitung und Ver- waltung: Selbergasse 12. Vamiprechanschluß Nr. 56. Ascher Witun Deutsches Tagblatt. Bezugsgebühren: für Asch monatlich K 11. — vierteljährl. K 33.—, mit Postzustellung im Inland und Desterreich monatlich K 12.30, viertelj. K 36.90. Ausland monatl. K 18. —. viertelj. K 54. — Einzelnummer 50 ht, Sonntagnummer lh. Inserate laut Tariz. Nr. 146. Samstag, 23. Juni 1928. 65. Jahrgang. Berlin, 23. Juni. Das Gesicht dieser Krise wechselt wie die Phasen des Mondes. Um die Mittagsstunde des gestrigen Dages wurde der Großen Koalition das Totenglöck- lein geläutet, einige Stunden später bemühte man sich bereits, sie wieder ins Leben zu rufen. Nach dem ergebnislosen Ausgang der gestrigen interfraktionellen Besprechung war Staatssekretär Meißner im Reichs- tag erschienen, um sich durch Hermann Müller über den Stand der Dinge informieren zu lassen und dem Reichspräsidenten Bericht zu erstatten. Im Gegensatz zu Hermann Müller, der auf Drängen des radikalen Flügels seiner Fraktion bereits entschlossen schien, seinen Auftrag in die Hände des Reichspräsidenten zurückzulegen, war der Reichspräsident der Auf- fassung, daß die Möglichkeiten einer Regierungs- bildung auf der Basis der Großen Koalition noch nicht erschöpft seien. Hermann Müller hat darauf- hin sich veranlaßt gesehen, noch einen letzten Versuch zu unternehmen, durch den die schon als gescheitert geltenden Verhandlungen wieder eingerenkt werden sollten. In einer Sitzung der Parteiführer ist noch- mals das Regierungsprogramm besprochen worden und in diesem „Rate der Fünf“ konnte über einige Punkte eine Einigung erzielt werden, um die man sich in dem Kreis der Zweiundzwanzig vergebens bemüht hatte. Hierzu kam, daß vom Zentrum in der Preußenfrage ein Vermittlungsvorschlag in die Wege geleitet wurde, der im wesentlichen darauf hinausläuft, daß die von der Volkspartei gewünschten Garantien für eine Um- bildung der Preußenregierung von den Reichstags- fraktionen gegeben werden. Die sollen sich verpflich- ten, auf die preußischen Fraktionen im Sinne der baldigen Aufnahme vom Koalitionsverhandlungen auch in Preußen hinzuwirken. Die Parteiführer ha- ben sich bereit erklärt, nochmals mit ihren Frak- tionen über die unbereinigt gebliebenen Streitfragen des Müllerschen Provisoriums zu bereiten. Es ist be- zeichnend, daß man im Reichstag gestern abends fast allenthalben auf einen „gedämpften Opitimismus“ Inzwischen ist nun die große Koalition end- gültig gescheitert. Der sozialdemokratische Ab- geordnete Hermann Müller-Franken hat gestern Abend dem Reichspräsidenten über seine Verhand- lungen zur Regierungsbildung berichtet. Er wurde ermächtigt, dieselben nach dem Scheitern der gro- ßen Koalition auf der Grundlage der kleinen Weimarer Koalition fortzusetzen. Die Aus- sichten eines Kabinetts der Weimarer Koalition werden nicht günstig beurteilt. Die offizelle Korrespondenz der Bayerischen Volkspartei hat sich gegen das Ka- binett der Weimarer Koalition ausgesprochen. Die Demokraten treten grundsätzlich für die große Koa- lition ein. Das Zentrum wird erst heute eine Ent- scheidung treffen. Die Deutsche Volkspartei veröffent- licht zwei Erklärungen über das Scheitern der Re- gierungsbildung. — Von anderer Seite wird ge- meldet: Den nunmehr in Aussicht genommenen Ver- handlungen des Reichstagsabgeordneten Müller-Fran- len über die Bildung der Weimarer Koalition wird von den Blättern eine sehr günstige Prognose ge- stellt. Sollte die kleine Koalition nicht zu Stande kommen, so wird Abgeordneter Müller-Franken eine sozialistische Minderheitsregierung bilden, unter Hin- hnziehung auch solcher Persönlichkeiten, die nicht zur sozialdemokratischen Partei gehören, die aber unter Berücksichtigung der außen- und innenpolitischen Lage bereit sind, mit der sozialdemokratischen Partei zusam- men Politik zu betreiben. — Ueber die Frage, wer die Schuld an dem Scheitern der Verhandlungen über die Bildung der großen Koalition trägt, schreibt die Tägliche Rundschau“, daß die Reichstagsfraktion der Deutschen Volkspartei auf die nunmehr abgeschlossenen Verhandlungen mit gutem Gewissen zurückblicken könne. Die „Germania“ meint, daß die Haltung stieß. Mussolini über Wirtschaftsfragen. Die Lösung der Weltkrise in Sicht. Rom, 23. Juni. Mussolini hielt bei der der durch den Krieg hervorgerufenen Weltkrise Eröffnung des Nationalkongresses der faschistischen bereits in Sicht sei. Er erwähnte in diesem Zusammenhang, daß der Friede zwischen den gro- Industriellen eine Rede, in der er unter anderem sagte: Tausende von Industriellen haben ihre volle ßen Westmächten voraussichtlich nicht mehr gestört Zustimmung zum herrschenden Regime gegeben, in- werden würde. Als ein weiteres wichtiges Element dem sie an diesem Kongresse teilnehmen. Die Be- für die Regelung der Krise bezeichnete Mussolini rufsstellung der italienischen Industriellen ist durch die Rückkehr der europäischen Währun- die Arbeitercharte festgelegt, die ihnen unzweideu- gen zuv Goldparität. Mussolini bezeich- tig die Verwaltung und Verantwortlichkeit für ihre nete das Gerücht als lächerlich, daß die italieni- Unternehmungen zuerteilt. Ter kapitalistische sche Regierung daran denke, die italienische Stabi- Wirtschaftsbetrieb ist in großer Umbildung lisierungsquote im Hinblich auf die Stabilisierungs- vorbereitungen in Frankreich zu verschlechtern. Un- zu einem korporativen Wirtschaftstyp be- ter den Elementen, die eine Lösung der Krise her- griffen. Im faschistischen System sind die beiführen könnten, befinde sich auch das Kapi- Arbeiter nicht mehr Ausbeuteobjekt, son- dern Mitarbeiter des Produzenten. Ihr tel der Schulden, Reparationen und Transferierungen, das vielleicht bald ab- Lebensniveau muß materiell und moralisch gehoben werden. In Italien ist die Politik Fords, geschlossen werden könnte, ferner die even- der hohen Arbeitslöhne, nicht möglich, aber es ist tuelle Wiedergewinnung der russischen, ebenso wenig ratsam, eine Politik zu indischen und chinesischen Märkte und, niedriger Löhne zu betreiben, die der Indu- was Italien selbst anbetrifft, eine Ernte, die in strie nur Schaden zufügen würde. Mussolini diesem Jahre besonders günstig auszufallen verspricht. sprach darauf die Ansicht aus, daß die Lösung Verhängung des Ausnahmszustandes in Agram. Agram, 23. Juni. Die offizielle Korrespondenz „Avala“ meldet: Um neuen Unruhen und weiterem Blut- vergießen in Agram vorzubeugen, ordnete die Polizei an, daß die Gebäude um 7 Uhr abends geschlossen werden müssen und in den Straßen keine Ansammlungen stattfinden dürfen. Auch die Kaffeehäuser, Kinos und Theater müssen um 7 Uhr abends geschlossen sein. — In Agram wurden 118 Kommunisten verhaftet, die ver- dächtig ssind, die gestrigen Demonstrationen veranstaltet zu haben. Das Arbeitersyndikat wurde polizeilich geschlossen. Der Ministerpräsident beim König. Soetozar Pribicenic Belgrad, 22. Juni. wurde vom Könige zu einer Audienz vorgeladen. Diese Audienz Pribicevic', der jetzt der eigentliche Jührer der Bauernkoalition ist, hat in politischen Kreisen große Auf- merksamkeit hervorgerufen. Man hält Veränderungen in der innerpolitischen Lage für unausbleiblich. Es wird in allen Belgrader politischen Kreisen mit dem Rücktritt der Regierung gerechnet. Nach Schluß der Audienz beim König erklärte Pribicevie, er sei von ihr außerordent- lich befriedigt, weil er die Ueberzeugung gewonnen habe, daß den Interessen des Landes Rechnung getragen werde, Wie sich Racie verantwortet. Belgrad, 23. Juni. Heute wurde der Mörder Racie vom Untersuchungsrichter im Gerichtsgebäude einem neuen Verhör unterzogen, Racic, der unter Es- korte eines Gerichtsprofosen und eines Aufsehers im Wa- gen ins Gerichtsgebäude gebracht worden war, erregte hier das Interesse des zahlreich anwesenden Publikums. Im Stiegenhaus begrüßte der Mörder einige Verwandte und sagte zynisch, daß das ganze Unglück in der Skupsch- tina vermieden worden wäre, wenn der kroatische Ab- geordnete Pernar nur ein Wort der Entschuldigung gesprochen hätte. Drohbriefe. Der Jührer der demokratischen Partei in Belgrad Davidovie hat einen anonymen Drohbrief erhalten, in dem ihm mitgeteilt wird, daß er angeblich zum Todè verurteilt worden sei. Da auch Drohungen gegen den Ministerpräfidenten Vukicevie laut werden, ist eine polizeiliche Untersuchung eingeleitet worden. Rom, 23. Juni. Ueber einen zweiten Verprovian- tierungsflug der italienischen Flieger Penzo und Mad- dalena wird von zuständiger italienischer Seite mitge- teilt: Penzo und Maddalena sind gestern um 9.30 Uhr von Kingsbay abgeflogen und haben Dank kurzer draht- loser Signale und an gut sichtbarer Stelle angebrachter Flaggen die Gruppe Nobile um Mittag wie- der gesichtet. Das sorgsam vorbereitete Materiak, Waffen, Oefen, Kleidungsstücke und eine Ak- kumulatorenbatterie scheint sicher in Nobiles Hände gekommen zu sein. Unter den abgeworfenen Gegenständen befinden sich auch zwei Faltboote für je fünf Personen. Sein Bericht darüber steht bis jetzt noch aus. Kommandant Penzo versuchte zwei- mal zu landen, mußte aber erkennen, daß unter den derzeitigen Verhältnissen dies nicht durchführbar ist. In- folgedessen wird jetzt versucht werden, eine Auslaufbahn für feine Landung herzurichten. Die beiden Flugzeuge kehrten um 3 Uhr 30 Min. nach Kingsbay zurück. Kingsbay, 23. Juni. Im Laufe der Nacht kehrte die aus 2 Alpenjägern und 2 Mitgliedern des italienischen Alpenklubs bestehende Patrouille, die nach der Gruppe Mariano suchen sollte, an Bord des Hilkfsschiffes „Bra- ganza“ zurück. Sie hat ihr Marschprogramm vollständig Die Dreier-Gruppe unauffindbar. Nobile hat Oefen erhalten. Ein zweiter Verproviantierungsflug geglücht. erledigt, ohne eine Spur vom Verbleib der Gruppe Ma- riano zu entdecken. An verschiedenen Stellen hat die Patrouille Depots von Nahrungsmitteln zurückgelassen, die durch sehr ins Auge fallende Signale gekennzeichnet sind. Jedes Depot enthält außerdem Instruktionen für die Gruppe Mariano. Auf der Suche nach Amundsen. Os1o, 23. Juni. Ueber das Schicksal Amundsens und des französischen Flugzeuges „Latham“ liegen noch immer keine Nachrichten vor. Der Kreuzer „Tor- denskjold“ ging heute nachts von Horten ab mit dem Befehl, die Suche nach der „Latham“ aufzu- nehmen, die dadurch erheblich erschwert wird, daß niemand recht weiß, wie die genauen Pläne Amund- sens waren. Kowno, 23. Juni. Nach einer Meldung aus Moskau hat der Eisbrecher „Malygin“ von der rus- fischen Regierung die Weisung erhalten, sich sofort in die Gegend nördlich von Spitzbergen auf die Suche nach Amundsen zu begeben. Nansen über die bevorstehenden Polarforschungen. Moskau, 23. Juni. In einer Versammlung im Winterpalais in Petersburg betonte Nansen in einem Die Krise. der Deutschen Volkspartei schließlich zum Zusammen- bruch der Regierungskombination geführt habe. Das „Berliner Tagblatt“ schreibt unter anderem: Die Schuld an dem Scheitern der großen Koalition bleibt trotz aller Entschuldigungsversuche an der Deutschen Volkspartei hängen. Der „Vorwärts“ erklärt: „Soll man nicht annehmen, daß der Deutschen Volkspartei jedes Augenmaß in politischen Dingen fehlt, so kommt man zu dem Schluß, daß sie es absichtlich zum Bruch getrieben hat.
Dateiname: 
ascher-zeitung-1928-06-23-n146_6505.jp2