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Sene4. Ascher Zeitung. Dienstag, 16. August 1927. Asch- er direkte Fahrt 10 Kc Indianeraufstand in Bolivien. Aus Bolivien kommen Alarmmeldungen über einen Aufstand von 80.000 Indianern, den größten seit Pizarros Zeiten. Auto-Verkehr Küß. Das Maschinengewehrfeuer war verhallt, die Revolution hatte gesiegt. Bewaffnete Aufständische an allen Straßenecken, die Gefängnisse voll von Mini- stern und Beamten der gestürzten Partei. Auf der Plaze von La Paz wollte das Vivax-Rufen auf den neuen Machthaber kein Ende nehmen. Aber mit sin- kendem Tag legte sich der Jubel. Gerüchte rannten durch die Stadt. Gespenster. Was werden die In- dios machen? Die Indianer! Gewiß, die neue Re- volutionsregierung hatte sie auch an sie gewandt. Recht und Freiheit allen Unterdrückten! Aber man konnte nie wissen. Auch als Bundesgenossen konnten sie gefährlich werden. War es nicht in der Revo- lution der 50 er Jahre, als die Konservativen ge- stürzt wurden? Damals hatte man die Hochland-In- dianer bewaffnet; aber schließlich kannten sie weder Freund noch Feind, nur noch Weiße, gegen die jahr- hundertelang gebändigter Haß endlich Rachemöglich- keit fand. Eine ganze Schwadron, die sich, von den Indios gejagt, in eine Kirche geflüchtet, wurde dort abgeschlachtet, daß Fließen und Pfeiler in Blut schwammen. Da liegen, so erzählt Colin Roß in seinem neuen F. A. Brockhaus erschienenen Buch „Südamerika“, kilometer-, meilen-, königreichweit die Fincas Goytias. Ein typisch amerikanisches Schicksal. Vom amerika- nischen Maultierbreiber brachte er es zum vielfachen Millionär u. einflußreichsten Mann im Staat. Heute liegen die Fenster seines Palastes in La Paz in Scher- ben. Er selbst ist landflüchtig. Die Hörigen auf seinen Gütern, die er mehr bedrückte, als jeder Weiße, obwohl er oder vielleicht weil er einer Rasse mit ihnen ist, witterten Freiheit. Sie standen auf und schlugen ihre Stlavenhalter nieder. Aber keine Re- volution kann die Grundlage ändern, auf der dieser Staat ruht. Es ist die harte Herrschaft über die Masse der Farbigen, von einer kleinen Schicht aus- geübt, die sich Blancos nennt, in deren Adern aber viel Indianerblut fließt. Die Truppen tun ihre Ar- beit wie immer. Kurz, blutig und grausam. Sie tun es, obwohl ihre Haut die gleiche Farbe auf- weist, ihre Züge den gleichen Schnitt wie jene, auf die sie ihre Maschinengewehre richten, sie tun es, obwohl sie selbst auf eisig kalter, winddurchbrauster Puna auf dem Lehmboden armseliger Hütten das Leben empfinden und aufwuchsen. Gefangene über- all, offen werden sie über den Markt geführt. Die grauen Uniformen säumen die bunten Ponchos ein, aber die Gesichter sind dieselben. Eigentlich ist es nur eine dünne Decke, die die Herrschaft der „Weißen“ trägt, fatalistischer Glaube an die Nacht der Blan- cos und die Uneinigkeit der Ureinwohner. In dem Bündel eines der Indianer, das dieser heimlich fort- zuwerfen versuchte, fand man noch einen mit Chunos zusammengekochten menschlichen Arm. Es ist ein ur- alter, unerbittlicher Haß, der sich unter sklavischen Formen verbirgt, und der unter der Decke glüht. Noch nicht ganz unterdrächt. La Paz (Bolivien), 16. August. Durch die schnel- len Maßnahmen der Regierungstruppen ist es, wie man hier annimmt, gelungen, einen allgemeinen Aufstand der bolivianischen Indianer zu verhindern. Allerdings ist es den Rebellen geglückt, in zwei Provinzen einzelne Trup- penabteilungen zu umzingeln, jedoch scheint es, daß die Gefangennahme zahlreicher Jührer und die schweren Ver- lufte der Rebellen sich bereits als wirksam erwiesen habe. Die Indianer kehren zu Tausenden zu ihrer gewohnten Beschäftigung zurück. Das amerikanisch-britische Abkommen über das beschlagnahmte deutsche Eigentum. Waſhinglon, 15. August. Das Staatsdepartement ver- öffentlicht einen Notenwechsel mit der britischen Regierung über die britisch-amerikanische Einigung be- treffend das deutsche Eigentum, das in den beiden Ländern während des Krieges aufgrund des Verbotes, Handel mit dem Feinde zu treiben, beschlagnahm! worden ist. Danach erhalten amerikanische Irauen oder Irauen in den alliierten Ländern, die vor dem 6. April 1927 mit Angehörigen der Sentralmächte verheiratet waren, in gewissen Fällen ihr Eigentum zurückerstattet. Jerner wird den britischen und den amerikanischen Gläubigern Zugriff auf das beschlagnahmte Eigentum deutscher Schuld- ner unter gewissen Bedingungen gestattet. Die amerikanischen Chefredakteure als Gäste der Carnegie-Stiftung. Berlin, 16. August. Zu Ehren der amerikanischen Chefredakteure und Journalisten fand gestern abend ein Jestmahl statt, das von den deutschen Mitgliedern des europäischen Zentrums der Carnegiestiftung, Professor Bonn und Dr. von Prittwitz und Gaffron gegeben wurde. Im Auftrage der Stiftung begrüßte Bonn die Erschienenen und kennzeichnete die Bedeutung der Reise der amerikanischen Redakteure. Ihm dankte namens der Gäste Mister Sherman, worauf der amexikanische Botschafter Schurmann das Wort ergriff. Er gedachte in Worten herzlichster Sympathie des Verfuches der deutschen Flieger, den Ozean zu überfliegen, pries ihren Entschluß zur Rückkehr, der den Weg der Weisheit bedeute und wünschte ihnen guten Ex- folg für das nächste Mal. Die Frage der Besatzungsverminderung. London, 16. Auguſt. Dem „Daily Telegraph“ zu- folge hatten die Londoner amtlichen Kreise gestern abend noch keine Information über die Beschlußfassung des französischen Kabinettes in der Frage der Besatzungs- verminderung im Rheinlande. Zur Lage in Portugal. Lissabon, 16. August. Es herrscht vollkommene Ruhe. Die Regierung beschloß die Auflösung des 5. Jäger- regimentes zu Fuß. Zentral-Theater Asch. Telefon 278. Von Dienstag bis Donnerstag der Sensationsfilm: Der örder (Das Milliarden-Testament). Sechs waghalsige und abenteuerliche Akte mit dem Gummimenschen Richard Talmagde. Lichtspieltheater. (Mitteilungen der Direktionen.) Zentraltheater (Telefon 278). Ab Dienstag, den 16. d. M., eröffnet das Zentraltheater nach der alljährlichen Sperre mit dem großen Sensationsprogramm „Der Mörder“ oder „Das Milliarden-Testament“ seine neue Herbstsaison. Ueber den vor- genannten Film schreibt die „L. B. Ein einfaches, aber get durchgearbeitetes Manuskript“ hält die von Richard Talmadge in diesem Filme ausgeführten Sensationen tadellos zusammen. Er spielt einen etwas unpünktlichen jungen Mann, ersich zu einer bestimmten Zeit bei einem Rechtsanwalt einzufinden hat. Ein neidischer Vetter bringt ihn nun in den Verdacht, einen Mord begangen zu haben, sodaß er fliehen muß. Trotzbem ge- lingt es ihm, seine Häscher zu täuschen und die Meldefrist ein- zuhalten. Daß sich zum Schluß seine Schuldlosigkeit herausstellt, ist klar. Talmadge versteht es durch seine Brvourstüccen kühne Klettereien, Sprünge ü. s. w., das Interesse bis zumSc Sträfling Nr. 85. Kriminal-Roman von Matthias Blank. (Amerik. Copynight 1923 by Lit. Bur. M. Linche, Dresden 21.) (Nachdruck verboten.) „Kann er nicht hier in der Stadt sein?“ „Gewiß nicht! Und morgen reisen wir auch weiter. „Dann werde ich erst aufatmen. Wie viel bin ich Dir nun Dank schuldig!“ Und bei diesen Worten hatte sie seine Hand ergriffen; mit etwas erzwungenem Lachen wehrte er ab: „So schlimm ist es nicht. Am meisten ver- danken wir Essar Haday, der uns so gut geführt hat und uns hierher in Sicherheit brachte.“ „Ich will ihn auch nicht vergessen; und wenn wir erst in der Heimat sind, soll er meinen Dank erhalten. Aber Du — auch Du hast Dich geopfert.“ „Bäschen, ich habe kein Talent zu großen tra- gischen Rollen. Wer hätte Dir auch helfen sollen, wenn nicht Dein Vetter. Wir sind nun mal verwandt, wenn Du auch gar keine Veranlassung hast, auf mich stolz zu sein. In die Heimat kann ich Dich noch bringen, aber dann — —“ Er schwieg, aber sie hatte ihm trotzdem ver- standen. „Heinz von Elmenhorst glaubt an Dich; ich auch, wenn ich Dir auch nicht helfen kann. Aber Herr von Elmenhorst“ Da unterbrach er sie: „Still! Wir wollen dar- über lieber nicht sprechen. Die Tatsachen sind immer noch gegen mich. So ist es besser, denn dieWorte müßten doch nur schmerzen.“ „Anton — „Still! Ich sehe nach, wie die Abreisemöglich- keiten sind. Bis dahin hoffe ich, Dich wieder in fröhlicher Laune zu sehen.“ Er ging rasch hinaus; aber nicht aus dem Grun- da, den er vorgeschützt hatte, sondern weil er damit eine Unterredung, wie sie der Zufall gefügt hatte, ver- meiden wollte. Er wußte, daß die Heimat ihm keine Ruhe geben konnte, denn der ungeheuerliche Verdacht lastete ja immer noch auf ihm. Wenn er dorthin zurückkam und wenn er dort erkannt wurde, dann führte man ihn als Gefangenen wieder in die Zelle zurück. Er mußte also die Heimat wieder fliehen, wenn er Ena dorthin gebracht hatte. Axel würde dann besser für sie sorgen können. Enas Gedanken bewegten sich in gleicher Rich- tung. Sie hatte in diesen Tagen ihren Vetter erst kennengelernt; jetzt wollte sie es allen gegenüber be- haupten, daß er kein Mörder sein konnte. Aber konnte ihm ihre Meinung eine Hilfe sein? Und da- bei grübelten ihre Gedanken über nichts anderes nach. Wenn auch er wieder in der Heimat bleiben dürfte! Wenn sie das für ihn erreichte, das müßte doch der schönste Dank an ihn sein. So hatte sie ihn verstehen gelernt, daß sie in seiner Nähe schon die Ruhe des Geborgenseins fühlte. Sie hörte hinter sich das Schließen der Tür; sie dachte an nichts anderes, als daß Anton zurück- gekommen sei. „Nun? Wann werden wir Konstantinopel ver- lassen?“ „Das kann sogleich geschehen!“ Bei dem Klang dieser Stimme hatte sie sich sofort umgeblickt; dann aber schrie sie gellend auf. „Du!“ An der Tür stand Fürst Wuka. „Ja! Da Du Deinen Spazierritt etwas weit ausgedehnt hattest, so kann ich darin nur die Ab- sicht sehen, einmal Konstantinopel kennenzulernen. Das sollstDu auch in meiner Gesellschaft.“ „In Deiner — niemals!“ „Dann werden wir zusammen wohl noch eine kleine Vergnügungsfahrt machen.“ „Niemals! Mich bindet nichts mehr an Dich! Dadurch, daß Du mich zu Deiner Gefangenen mach- test — „Du beliebst wohl zu scherzen! Du konntest tun, was Du wolltest.“ „Nein! Du hast mich mit Vorwänden festge- halten, Deine Diener überwachten mich, Du hast auch meine Briefe an Axel unterschlagen. Du hast mich zu einer Gefangenen in Deinem Harem machen wol- len! Das man nach den asiatischen Begriffen das Los und das Schicksal einer Frau nennt, Nach un- seren heimischen Begriffen aber gibt sich die Frau aus freiem Willen zu eigen. Wer aber die Liebe einer Frau so mißversteht, daß er sie zur Gefan- genen macht, der weiß nicht, was Liebe ist.“ Mit brennenden Wangen hatte sie ihm das er- klärt; ihr war es, als hätte sie ihm diese Abrech- nung noch geben müssen. Von eisiger Kälte war nun seine Entgegnung: „Und was denkst Du nun zu tun?“ „Ich werde von meiner Heimat aus die Schei- dung dieser Ehe fordern.“ „Ist das Dein letztes Wort?“ „Ja!“ „Warum bist Du nicht vor mich hingetreten und hast mir das in El Arisher erklärt? „Weil ich keinen Glauben mehr haben konnte, denn alles an Dir war nur Verstellung, da Du auch meine Briefe unterschlagen hast.“ „Begreifst Du nicht, daß ich aus Liebe so ge- handelt habe?“ „Nein! Wo Liebe ist, da ist auch Vertrauen.“ „Du willst also nicht mit mir gehen?“ „Nein!“ „Weißt Du, was in meiner Heimat die Frau verdient, die dem Gatten mit einem anderen ent- flieht?“ „Ich erkenne diese Gebräuche Deiner Heimat nicht an.“ „Und doch bist Du die Fürstin Pascadianul
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