Text auf der Seite 5
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Mitturvch, 15. Dezember 1926.
Ascher Zeitung.
Seite 5.
zu beweisen. Lustige Militär-Anekdoten bilden den Grundzug
des Stoffes.Kasernhofwitze, die üblichen Rekruten- und Offiziers-
nalles ein bißchen lose miteinander verbunden, sorgen
für Heiterheit und Abwechslung. Die Zechnung des alt-öer
teichchen Militärlebens unterstreicht den Reiz des Filmes, dessen
agindenabschließenden Akten durch das Einführen der
Mordgeschichte ein spannendes Tempo erhält. Das Bild amü-
ſiert durch seine witzige und flotte Gestaltung vorzüglich. Auch
die Darstellung werst in ihrer Art ein gutes Riveau auf.
Beginn der Vorstellungen an Wochentagen um 7 und 9, Sonn-
tag, 127 und 9 Uhr. Kartenvorverkauf täglich ab 5,
Sonntags ab 2 Uhr an der Kinokasse. (Teleson 178.)
Apollo-Theater Asch.
Von Dienstag, 14. Dez. bis Donnerstag, 16. Dez.
„Foxjournal“. Reisebilder.
Die sechs Musketiere
Lustspiel in 6 Akten aus dem Kasernenleben
von anno dazumal.
In der Hauptrolle:
Karl Lamaë, Anni Ondräk, E. Fiala
und Suzanne Marville.
Beginn der Vorstellungen Wochentags um 7 und 9
Uhr, Sonntags um 4, 1/27 und 9 Uhr.
Kartenvorverkauf täglich ab 5 Uhr, Sonn-
lags ab 2 Uhr nachm. an der Kinohasse.
Telefon 178.
Teleson 178.
vve
Bis zur Spitze des Monnt Everest.
Unter diesem Titel erscheint soeben die
von W. R. Rickmers besorgte deutsche Ueber-
setzung der Besteigung 1924 des Mount
Everest von Oberstleutnant E. F. Norton
und anderen Teilnehmern der Expedition.
Mit 24 schwarzen und 8 farbigen Bildern
und 2 Karten. Das fesselnd geschriebene
und prächtig illustrierte Buch bildet den Be-
richt über die dritte Mount Everest-Expedi-
tion (1924) und darf wohl mit Recht als
die bemerkenswerteste Erscheinung der letz-
ten Jahre auf diesem Gebiete angesprochen
werden. Die beiden Ersteigungsversuche von
Norton und Somervell und dann von
Mallory und Irvine stellen die Rekordlei-
stung des Klettersportes im Hochgebirge dar.
(Verlag Benno Schwabe & Co., Basel.)
Der Versuch von Norton und Somervell.
Daß man in 8200 Meter Höhe noch gut schlasen
kann, ist eine merkwürdige und erwähnenswerte Tat-
sache. Außer meinen Stiefeln hatte ich zwei Flaschen
mit warmem Tee in den Schlafsack genommen. In
der Frühe entdeckte ich, daß einer von den Korken
aufgegangen war und daß sich der nun nicht mehr
warme Tee ins Bett ergossen hatte. Das bedeutete
nun wieder einen ärgerlichen Zeitverlust, weil wir
Schnee zum Frühstück schmelzen mußten. Trotzdem
gelang es uns, um 6 Uhr 40 aufzubrechen.
Eine Stunde oberhalb des Lagers stießen wir
auf die etwa 300 Meler mächtige Sandsteinschicht,
die quer durch die Nordflanke des Mount Everest zieht.
Hier wird das Gehen durch die langen Bänder oder
Leisten des Gesteins erleichtert.
Der Tag war sonnig und fast windstill; man
konnte sich keinen besseren wünschen. Trotzdem zitterte
ich vor Kälte, wenn ich in der Sonne rastete. Ich
argwöhnte sogar Malaria und fühlte den Puls, der
merkwürdigerweise nur 64 Schläge zeigte, was eine
Beschleunigung um 20 Schläge gegen meinen ge-
wöhnlichen Puls bedeutet. Die Schneebrillen legte
ich nur auf Schnee an, der selten vorkam. Die Brillen-
ränder beschränkten mein Gesichtsfeld, wenn ich nach
Tritten suchte. Bei 8400 Meter fingen die Augen
an, mir Sorge zu machen. Ich sah alles doppelt und
war oft im Ungewissen, wohin ich meinen Fuß stellen
sollte. Ich glaubte zunächst an Vorboten der Schnee-
blindheit, aber Somervell meinte, das sei ausge-
schlossen. Diese richtige Ansicht Somervells ist mir
später von andern bestätigt worden. Es handelte sich
in diesem Falle um geschwächte Sinnesbeherrschung
infolge des Sauerstoffmangels.
Wir schlichen dahin wie die Schnecken. Es war
mein höchster Ehrgeiz, 20 Schritte zu tun, ohne an
zuhalten und nach Luft zu schnappen. Ich habe es
nur auf dreizehn gebracht. Die kalte, trockene Luft
reizte Somervells Kehle mehr denn je, so daß er
oft still stehen und husten mußte. In kurzen Zwischen-
räumen setzten wir uns hin, um eine Minuten zu
rasten. Fürwahr, ein trauriges Paar.
Die Aussicht enttäuschte. Bei 7600 Meter war
sie noch sehr eindrucksvoll gewesen, wenn man auf
das Gewirr der Gipfel und die langen Gletscher
mit den Moränenzeilen hinabblickte. Nun aber standen
wir hoch über allen Bergspitzen und die Landschaft
unter uns verflachte sich. Gen Norden reihten sich
die zahllosen Hügelketten Tibets hintereinander auf.
Man verlor jedes Gefühl für Entfernung, bis man
ganz hinten ein paar Eiszähne auftauchen sah. Wie
reizten sie doch die Einbildungskraft, diese fernen
Eisberge in Tibet, die eben noch über den Himmels-
rand guckten.
Um Mittag näherten wir uns dem oberen Rande
der gelben Sandsteinschichten und der großen Rinne,
die den Berg in der Mitte durchfurcht, die Nord-
schulter von der Gipfelpyramide trennend. Wir be-
fanden uns 150-180 Meter unter dem Nordost-
grate, dem wir ungefähr gleichlaufend folgten. Das
war die Richtung, die wir immer einschlugen; Mal-
lory bevorzugte die luftige Gratscheide“.
Gegen Mittag konnte Somervell nicht mehr gegen
seinen schlimmen Hals ankämpfen. Er bat mich zum
Gipfel vorzudringen, da er mich nur aufhalte. Ich
ließ ihn unter einem Felsblock am oberen Rande
der Sandsteine sitzen. Ich folgte der höchsten Leiste
dieser Schicht, die quer durch die große Rinne läuft.
Um diese Rinne zu erreichen, mußte ich zwei Strebe-
pfeilc umgehen. Einer davon läuft in einen Grat-
absatz aus, den wir die erste Stufe nannten. Dieser
Absatz schien uns so hinderlich, daß wir den Weg
durch die Flanke wählten. In der Gegend dieser
Strebepfeiler oder Rippen wurde das Gelände be-
deutend schwieriger. Der Steilhang wies nur schmale
Trittleisten auf, die zudem noch mit Pulverschnee
bedeckt waren. Die Bergflanke besteht hier aus Platten,
die wie Dachziegel über einander liegen und auch
ungefähr so steil sind wie ein Dach.
Zweimal mußte ich umkehren und ein anderes
Band suchen. In der Rinne lag tiefer Pulverschnee,
in den ich bis zum Knie und manchmal bis zur
Hüfte einsank. Infolge seiner lockeren Beschaffenheit
hätte er mich bei einem Stucze nicht aufgehalten.
Nach der Rinne ging es noch schlechter. Von einem
Dachziegel auf den andern tretend hatte ich das Ge-
fühl, nur durch die Reibung der Schuhnägel auf den
Gesteinsflächen zu haften. Obgleich nicht gerade schwie-
rig, war diese Kletterei für den Einzelgänger doch
recht unangenehm, denn bei einem Fehltritte gab es
kein Halten. Dieses vorsichtige Klettern mit ange-
spannter Aufmerksamkeit äußerte sich bald in zuneh-
mender Erschöpfung. Außerdem störte mich das Au-
genleiden mehr denn je.
Von hier hätte ich nur noch 60 Meter zum
Nordhange der Gipfelpyramide gehabt, wo das Ge-
lände bedeutend leichter zu werden schien und einen
bequemen Weg zur Spitze versprach. Es war jetzt
ein Uhr und die oberflächliche Rechnung sagte mir,
daß ich die fehlenden 250—300 Meter nicht über-
winden konnte, ohne von der Nacht überrascht zu
werden.
Ich kehrte an einer Stelle um, die später mit
dem Theodoliten gemessen wurde. Sie liegt 8572
Meter hoch. Seit der Trennung von Somervell hatte
ich in einer Stunde 270 Meter wagrechte und 30
Meter senkrechte Entfernung zurückgelegt. Hazard hat
topographisch nachgewiesen, daß wir nur etwa sieben
Meter unter der Höhe des Kantschendschunga ge-
blieben sind, welcher der dritthöchste Berg der Welt ist.
ihren Sessel, indem er die dicken Brillengläser fest
auf ihre Augen heftete.
„Gnädige Frau,“ sagte er langsam und jedes
Wort wägend — „Sie sind aus dem Spiel. Gott sei
Dank — auch für den gierigsten Staatsanwalt bietet
sich nicht die leiseste Handhabe mehr — aber eine
Frage muß ich Sie bitten, mir offen und rückhaltlos
zu beantworten.
Ich weiß, Sie haben von dieser Annemarie nie
b viel gehalten wie wir anderen alle, — auch ich.
Halten Sie dieses Mädchen der Tat für fähig, deren
ie jetzt verdächtigt wird?“
„Um Gotteswillen — niemals!“
Sie hatte es mit der größten Entschiedenheit ge-
sagt — beteuernd fast hob sie die kleine behandschuhte
Rechte empor.
„Was ich gegen dieses Mädchen hatte, betraf ganz
andere Dinge die maßlose Schwärmerei an ihr
war mir oft unangenehm, aber sie, die den armen
Cranken geliebt hat und gepflegt, sie, der die be-
vorstehende Trennung von ihm so schwer fiel, daß
sie lieber ihr Letztes mit ihm geteilt hätte, sie, die
ihn nicht weinen sehen konnte und nicht leiden, sie
seine Mörderin?! Herr Justizrat, ich verstehe
nicht, wie man zu diesem Schluß kommen, sie ver-
haften konnte. — Ich habe dafür nur eine Er-
klärung.“
„Welche?“
„Daß es das Werk des Herrn von Bolkow ist.
Mich“ hat er nie ausstehen können, ich weiß nicht,
was ich ihm getan habe, Und ich fürchte, gegen die
Annemarie hat er ein falsches Spiel gespielt vom
ersten Tage an.“
Der Justizrat sagte nichts, aber ein Lächeln, halb
befriedigt, halb boshaft zuckte um seinen breiten Mund.
„Gut, daß er nichts mehr mit der Sache zu tun
hat.“
„Wer sagt Ihnen das?“
„Ich hörte eben,“ warf jetzt zum erstenmal der
Rittmeister ein, „daß der Erste Staatsanwalt sie
allein hat.“
„Selbstverständ ich, Herr Ri tmeister — es wäre
la auch undenkbar, wenn man einem solchen Neming,
einem Manne, der eben den Assessor bestanden hat,
diese Sache anvertraute! Aber Herr von Bolkow mußte
nicht Staatsanwalt sein, um seinerseits nicht auch
mitzuspielen, wenn selbst nur in zweiter oder dritter
Rolle.
Im übrigen aber brauchen Sie sich keine Sorge
machen. Man hat sie verhaftet, man wird sie wie-
der gehen lassen wie die anderen alle. Wer mag die
Untersuchung führen?“
„So viel ich gehört habe — der Amtsrichter
Gersthoff.“
„Ah, unser lieber Freund Gersthoff, — nun
dann ist sie in guten Händen. Das ist einer von
den wenigen Juristen, die noch ein unbefangenes
Herz besitzen. “
„Wenn sie aber dennoch angeklagt werden sollte,“
sagte jetzt die junge Frau in sehr ernstem, andrin-
gendem Ton, „würden Sie, Herr Justizrat, dann
die Güte haben, ihre Verteidigung zu übernehmen?
Es ist dies der erste Hauptgrund, der uns heute
zu Ihnen führt — wir haben noch eine längere Reise
vor, zu den Verwandten meines Bräutigams und
wollen nicht eher fortgehen, bis wir Sie ganz sicher
haben.“
„Ich übernehme die Verteidigung unter allen
Umständen — wenn es dazu kommen sollte. Ich
wüßte keine zweite Klientin, die ich so gern verteidige,
als Ihre Annemarie.“
„Wir danken Ihnen, nun ade, Herr Justizrat.“
„Ich habe die Ehre, gnädige Frau, Herr Ritt-
meister. Und nun Kopf hoch und hoch das Herz!
Wir haben nichts zu fürchten. Wenn Sie von Ihrer
Reise zurückgekehrt sind, werden Sie die Sache schon
mit helleren Augen ansehen.“
Der Rittmeister und seine Braut sind von ihrer
Reise zurückgekehrt, — aber sie haben keinen Grund,
die Sache mit helleren Augen anzusehen.
Der Justizrat tut es auch nicht mehr.
Monate sind vergangen — ganz Seewald spricht
noch von dem Mord — ganz Seewald sucht nach
dem Messer — die Aufregung hat sich längst in die
weite Provinz verpflanzt — der Mörder ist immer
noch nicht entdeckt, der Mord ist rätselhafter gewor-
den denn je.
Annemarie schmachtet noch in der Untersuchungs-
haft — die Behörden schweigen auf das peinlichste.
Auch aus Gersthoff ist wenig herauszubekommen, so ge-
schickte Versuche der Justizrat anstellen mag — er
ist mit einemmal verschlossen geworden und unzu-
gänglich.
Glaubt er an ihre Schuld?
Im Publikum tat man es nicht. So geneigt die
Menschen auch sind, von ihrem Nächsten unter allen
Umständen das Schlechte anzunehmen — hier macht
man eine Ausnahme. Zwar hört man nicht viel von
der Verhafteten. Nur das eine dringt in die Oeffent-
lichkeit, daß ihre Wunden, die weniger schwer gewe-
sen sind, als man erst angenommen, so gut wie
geheilt sind, aber ihr Befinden sonst sehr leidend ge-
worden.
Kein Wunder bei dieser unerhörten Haft, aus der
man sie immer noch nicht frei läßt.
Ob man die Anklage gegen sie erheben wird?
Der Justizrat tröstete noch immer die junge Frau
und den Rittmeister — aber er selbst ist zweifelhaft
geworden.
Zwischen ihm und dem jungen Staatsanwalt
besteht ein sehr gespanntes, fast feindseliges Verhältnis.
Er hat auch einmal bei Bolkow den Versuch ge-
macht, etwas zu erfahren, und ist in einer Weise ab-
gewiesen worden, die zwar sehr höflich, aber auch sehr
energisch den eitlen Mann tief gekränkt hat.
(Fortsetzung folgt.)
Dateiname:
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