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Ascher Zeitung.
Samstag. 9. Obtober 1926.
Wie schlecht sich die Delechiserung
deutscher Städte rentiert hat.
Die „Nar. Politika“ derichtet anter der Ueber
schrift „Kritische Finanzlage der Städte, deren Ver-
waltung nach dem Umsturz in tschechische Hände über-
gegangen ist“: „Der Verdand da tchechoslowakischen
Städte hat dieser Tage an die Regietung ein umfang-
reiches Memorandum gesandt, in welchem auf die
ständig wachsenden finanziellen Schmerigkeiten der
Voranschläge derjenigen Selbstverwaltungstorper (Ge-
meinden) hingewiesen wird, welche nach dem Umsturz
infolge der Aenderung der Zusammensetzung in natio-
naler Hinsicht außergewöhnliche Verpaichtungen in
bezug auf Schulen Wohnungen und, soweit es die
Aenderung der Gemeindeverwaltung betrifft, in bezug
auf Verwaltung und Personalverhältnisse übernehmen
mußten. Das Memorandum schildert ausführlich die
Lage einzelner Gemeinden, deren Verwaltung in un-
sere Hände übergegangen ist, besonders in Mähren,
Schlesien und der Slowakei (Brünn, Lundenburg,
Olmütz, Hohenstadt, Friedek usw.) In Brünn allein
erforderten die mit der Aufnahme tschechischer Beamten
verbundenen Auslagen in den Jahren 1519 bis 1922
einen unbedeckten Aufwand von 14 Millionen Kronen.
Die außerordentlichen Schulausgaben betrugen in den
gleichen Jahren 46 Millionen Kronen. Die kleine
Stadt Hohenstadt ist vor die Notwendigkeit gestellt,
wegen der wachsenden Schulerfordernisse neue Gebäude
aufzuführen, was mehr als 2 Millionen Kronen er-
fordert. Der Voranschlag dieser kleinen Gemeinde wird
mit einer Schuld von 5 Millionen belastet sein. Noch
schlimmere Verhältnisse herrschen in der Slowakei.
Die ganze Finanzlage dieser Städte ist umso un-
günstiger, als deren frühere Verwaltung die Voran-
schläge mit Kriegsanleihen belastet hat, welche auch
bei einer Regelung dieser Frage eine dauernde Last
bilden. Die Ömützer Stadtverwaltung war gezwungen.
eine Anleihe von 13 Millionen Kronen behufs Auf-
wertung der Kriegsanleihen aufzunehmen. Das Memo-
randum verlangt daher dringlich, die Regierung möge
(jenen Städten) dadurch entgegenkommen, daß sie alle
Gesuche um Hilfe und Subventionen glatt erledigt,
da die individuellen Schwierigkeiten dieser Gemeinden
nicht mehr auf legislativem Wege oder durch nor-
mative Maßregeln behoben werden können. Sonst
droht diesen Gemeinden eine finanzielle Katastrophe,
denn die ständig wachsenden Investitionserfordernisse
belasten bereits bis zur Unerträglichkeit die Voran-
schläge und die gesamte Wirtschaft dieser Städte.“
Die Tschechen haben nach dem Umsturz in den
deutschen Städten, deren Verwaltung sie in ihre Hände
brachten (Verwaltungskommissionen uſw.), in heil-
loser Weise darauf losgewirtschaftet, um dort eine
dauernde tschechische Bevöllerungsmehrheit zu schaffen
die noch dienstfähigen deutschen Gemeindeangestellten
Kein Eintritt der Deutschen in die Regierung.
Die Ministerliste liegt bereit. — Verö
ffentlichung wahrscheinlich Sonnabend.
Prag, 8. Oktober. Die innerpolitische Lage kann
Gründe, die die deutschen Parteien zwingen, sich
endlich als geklärt angesehen werden. Die neue Mi-
nicht an der Regierung zu beteiligen, sind noch nicht
nisterliste soll am Sonnabend offiziell bekannt gegeben
bekannt. Die Zusammensetzung des Kabinetts läßt
werden. Das bisherige Beamtenkabinett Czerny
aber erkennen, daß zwei der genannten Persönlichkeiten
tritt ab und an seine Stelle kommt eine gemischte Re-
als Platzhalter für deutsche Minister bestimmt
gierung unter dem Vorsitz des Agrariers Svehla.
wurden. Als sicher kann die Beteiligung der deutschen
In dem neuen Kabinett werden, wie schon gestern ge-
Parteien an der Regierungsmehrheit gelten. Als
meldet, nur drei Beamtenminister vertreten sein, und
zweite Tatsache von Bedeutung muß das Verbleiben
zwar bleiben in ihm Czerny als Innenminister,
Dr. Beneschs auf seinen Posten als Außenminister
Dr. Benesch als Außenminister und Dr. Englisch
bezeichnet werden. Dem energischen Eingreifen des
als Finanzminister. Neben der Slowakischen Volks-
Präsidenten Masaryk ist es zuzuschreiben, daß der
partei soll noch die tschechis5he Gewerbepartei je einen
Kampf um Benesch zu seinen Gunsten entschieden
Vertreter, die noch nicht ernannt sind, in der Regierung
wurde. Masaryk soll Svehla vor die Alternative ge-
haben. Ueberraschungen sind natürlich nicht aus-
stellt haben: Benesch oder Auflösung der Nationalver
geschlossen. Diese Entwicklung ist in zweierlei Hinsicht
sammlung. Um die erregte Atmosphäre ein wenig
bedeutungsvoll; zunächst durch die Nichtbekeili-
zu beruhigen und der Notwendigkeit, einem außen-
gung der deutchen Zolkparteien an der
politischen Exposee mit einem wahrscheinlichen Miß-
Regierung, sodaß das kommende Kabinett Svehla
trauensvotum zu entgehen, begibt sich Dr. Benesch auf
ein reines tschechisches Minderheitenka-
einen 60tägigen Erholungsurlaub nach Nizza. Seine
binett sein wird, angewiesen auf die weitre Unter-
Vertretung für diese Zeit übernimmt der tschecho-
stützung der deutschen Zollparteien lei der
flowakische Gesandte in Berlin, Dr. Krofta, der
Erledigung der ungeheuer wichtigen parlamen arischen
bereits heute in Prag eingetroffen ist.
Arbeiten, vor allem des Staatsvoranschlages. Die
wurden in den Ruhestand versetzt und an ihre Stelle
eine unverhältnismäßig große Zahl von Tschechen
aufgenommen, so daß die Personalauslagen der
früheren Zeit gegenüber um ein Vielfaches wuchsen.
Man begnügte sich nicht mit der Beschlagnahme deut-
scher Schulgebäude, sondern baute noch zah reiche neue
tschechische Schulpaläste, die in jeder Hinsicht ver-
schwenderisch ausgestattet wurden. Die Regierung
stärkte das Tschechentum durch Massenversetzungen
tschechischer Staatsangestellter, sowie durch Veregung
von Militär in jene Städte, welche neue kostspielige
Kasernen und Beamtenwohnhäuser bauten. Die Ein-
gemeindung tschechischer Nachbarorte erforderte eine
Umstellung des gesamten Verwaltungsap arates, was
gleichfahls mit hohen Kosten verbunden war. Auch
sonst hatten diese neugebackenen tschechischen Städte
für die Tschechisierungsvereine und Tschechisierungs-
zwecke aller Art eine offene Hand. Wer all das schließ-
lich bezahlen soll, war ihre geringste Sorge, denn
sie rechneten von vornherein auf die Hilfe des Staa-
tes, in dessen Intentionen sie jene Unsummen aus-
gegeben hatten.
Heute aber, da der gewünschte Zweck erreicht
ist, zögert der zur Sparsamkeit gezwungene Staat
mit seiner Hilfe und jene Städte sitzen arg in der
Tinte. Vom deutschen Standpunkt muß nun gefordert
werden, daß der Staat jenen Städten die Kosten
ihrer Tschechisierungsaltionen nicht bezahlt. Denn die
vom Staate verwalteten Gelder sind zum großen Teil
deutsches Steuergeld und die Deutschen müssen es
dort, wo sie es können, verhindern, daß sie mit ihrem
eigenen Geld bekämpft, geschädigt, ja ausgerottet wer-
den! Wenn der Staat heute jene Städte saniert, so
würde das bedeuten, daß diese einen großen Teil ihrer
dann frei verfügbaren Einkünfte zur weiteren Tsche-
chisierung verwenden.
Anders verhält es sich mit den Kriegsankeihen
der Gemeinden. Durch ihre Entwertung würden vor
allem die deutschen Gemeinden aufs schwerste ge-
schädigt. Wenn in dieser Hinsicht der Staat den
tschechischen Gemeinden helfen soll, dann muß auch
für die deutschen Orte die gleiche Hilfe verlangt
werden.
Auf jeden Fall sehen heute auch die Tschechen,
wie schlecht sich bisher die Tschechisierung deutscher
Städte rentiert hat. Werden sie aber diese Erfahrungen
vernünftiger machen?
Gerichtsfaal.
Ein vertierter Mensch.
Bayreuth, 6. Oktober.
Vor dem hiesigen Schwurgericht hatte sich der
21 Jahre alte ledige Händler Georg Gößwein aus
Sorgenkind.
Roman von Margarete Elzer.
Copyright 1925 by Karl Köhler & Co., Berlin-Zehlendorf.
28)
(Nachdruck verboten.)
Fritz verließ seinen Herrn leichten Herzens, als
gekommen war.
Lutz blieb in seinem kahlen Büro zurück. Vor
seinem geistigen Auge entstand ein Bild von Kar-
lottas kolttühnem Wagnis. Schaudernd dachte er
daran, was sie auf der Fahrt durchgemacht haben
mochte und gewagt hatte. Sie war wieder einmal
höllisch tapfer und geistesgegenwärtig gewesen. Und
das Herz zog sich ihm zusammen, als er jetzt daran
dachte, daß sie ihm verloren, ganz verloren war,
die Braut eines anderen.
Mit starken Schritten ging Lutz in dem engen
Raum auf und nieder und rang verzweifelt gegen
seine Stimmung an. Gott mochte wissen, woher er
die Kraft nehmen sollte, das für die Dauer seines
Lebens zu ertragen.
Und plötzlich stand der alte Direktor Törner ihm
in den Weg. Lutz fuhr auf: „Was ist? Wo kommen
Sie her?“
Törner hatte mehrmals geklopft und war dann
eingetreten, um zu sehen, wer im Zimmer seines
jungen Chefs mit so starken Schritten auf- und nieder-
ging.
Lutz nahm sich sofort zusammen und bot dem alten
Herrn einen Stuhl an. „Verzeihen Sie mir, Papa
Törner! Es ist ein heißer Tag für mich heute. Mir
reißt es an allen Nerven!“
„Ich hörte eben flüchtig vom Fritz, was geschehen
ist. Ich dachte mir schon nichts Angenehmes, als
ich Sie vor einer Weile vom Maschinenhausfenster
aus wie den leibhaftiger Satan auf Ihrem Rad da-
vonsausen sah. Dami kamen Sie mir mit dem grünen
Ungetüm vor Hans Folkner an. Die Lücken, die mir
zwischen den beiden Geschehnissen geblieben waren, hat,
mir Müring mit seinem Bericht eben ausgeführt!“
„Ja es ist unglaublich — unglaublich! Lieber
Papa Törner, seien Sie mir nicht böse, wenn ich
Sie mit Familienangelegenheiten belästige; aber de
Art und Weise, wie mein Neffe diese Fahrt allein
mit Fräulein Werklin durchsetzte, beunruhigt mich
mehr, als ich Ihnen sagen kann. Ich fürchte, daß
meines Neffen kranke Sinne sich mit einer Intensität
mit Karlokta beschäftigen, daß wir gar nicht mehr
in der Lage sein werden, sie davor ausreichend zu
schützen! Erst gestern der Ueberfall im Garten und
heute diese unglaubliche Fahrt! Karlotta ist direkt
in ständiger Gefahr, solange es mir nicht gelingt,
meinen Neffen zu internieren. Sein Zustand hat sich
in einer Weise verschlimmert, daß ich nicht weiß,
wie ich Fräulein Werklin vor seiner plötzlich erwach-
ten kranken Gier schützen soll!“
Nicht mit einem Wimperzucken verriet Papa Tör-
ner, wie sehr Lutz mit seinen eigenen Worten den
eigenen Plänen entgegenkam. Er war ein treuer Ver-
bündeter seiner kleinen Freundin Karlotta und warf
die Fäden so geschickt durcheinander, daß keiner seine
heimlichen Leitmotive ahnen konnte.
„Lieber Herr Folkner, zu meinem Bedauern kann
ich Ihre Besorgnis nicht zerstreuen. Ich möchte im
Gegenteil zu doppelter Vorsicht raten. Ich mache
Ihnen den Vorschlag, Fräulein Werklin zu einer klei-
nen Reise zu veranlassen. Sie können dann Ihren
Neffen in aller Ruhe in einer Anstalt unterbringen!“
„Ich kann doch Karlotta nicht die Unbequemlich-
keit einer solchen Reise zumuten.“
„Doch — ich empfehle sie aus zweierlei Gründen.
Darf der väterliche Freund ganz offen sprechen?“
„Bitte!“
„Ich komme noch einmal auf unsere gestrige
kurze Unterredung nach dem Ueberfall des Kranken
im Garten zurück. Es ist aus diesem Grund gut, wenn
Fräulein Werklin verreist, bis der starke Eindruck, den
ihr unbeherrschtes Verhalten bei den Zeugen dieser
Szene hervorrief, etwas verlöscht!“
„Es ist —“ Lutz mußte abbrechen. Er traute sich
für den Augenblick die Beherrschung nicht zu, dem
alten Herrn ruhig zu antworten. Erst nachdem er mit
starken Schritten ein paarmal hin und her gegangen
war, begann er von neuem: „Ich verkenne Ihre
freundschaftliche Güte nicht — ader ich kann. Ihre
Besorgnis in diesem letzten Punkt zerstreuen. Kar-
lotta ist verlobt!“
„Ah — dann geben Sie das den Leuten bekannt,
und die Reise des Fräuleins aus diesem Grunde
erübrigt sich!“
„Das steht nicht in meiner Macht!“
„Warum nicht?
„Karlotta will das Verlöbnis noch als Geheimnis
betrachtet wissen. Mädchenlaunen!“
„Dann erwirken Sie von ihr die Erlaubnis.
Es ist Angestellten gegenüber dringend notwendig!“
„Das — das ist mir ganz unmöglich. Ich kann
sie in Entschließungen doch nicht hineindrängen, noch
sie vorweg nehmen!“
Der alte Herr konstatierte mit Vergnügen an der
Qual seines Chefs, daß seine Rechnung aufgehen
würde; denn hier drängten zwei volle Herzen in
innigster Liebe und Leidenschaft zueinander. Nötigen-
falls mußte Fortuna ordnend in die verwirkten
Fäden greifen. Jetzt aber galt es erst einmal sein
Ziel zu erreichen und Karlotta aus plausiblen Gründen
zu ihrer unplausiblen Reise zu verhelfen.
Mit einer stoischen Ruhe, an der Lutz' Erregung
noch steigerte, erklärte er ganz ruhig: Dann schicken
Sie Fräulein Werklin auf Reisen!“
Lutz brauste auf: „Schicken! Schicken! Ich hin
nicht mehr ihr Vormund. Sie wird sich nicht schicken
lassen!“
„Ich halte es aber für Ihre Pflicht, ihr wenig-
stens die Reise nahezulegen.“
Název souboru:
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