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Ascher Zeitung.
Dienstag, 21. September 1926.
stellte, fand eine
Ehrung der getreuen Alten
des jubilierenden Rettungskorps statt. Nach einer An-
sprache seitens des Branddirektors Merz, die stellen-
weise von ergreifender Wirkung war, wurden die äußeren
Zeichen der dankbaren Anerkennung überreicht. Das
Ehrendiplom erhielten die Gründer, die also dem Korps
seit 50 Jahren angehören: Hermann Geier, Karl
Seier, Franz Hoko'ubeck, Christof Müller, Gustav
Panzer, Hermann Korndörfer und Hugo Ru-
dolf. Das Ehrenzeichen des deutschen Landesfeuerwehr-
Verbandes erhielten für 40jährige Mitgliedschaft: Ernst
Ludwig, Adam Jeiler, Jriedrich Wilhelm, Exnist
Hofmann; für 25jährige Mitgliedschaft: Christian
Seipel und Christian Fischer.
Die so Geehrten empfingen auch durch den Mund
des Präsidenten Dr. Stanka die Wünsche des Landes-
feuerwehrverbandes. — Die Jestversammlung blieb, er-
götzt durch die Weisen der Kapelie noch lange beisammen
und wurde auch noch durch eine launige mit froher Heiter-
keit aufgenommene Tischrede des Branddirektors Merz
erfreut, der nach Worten des Dankes an die verschiede-
nen Stellen, die zum Gelingen des Festes beigetragen
haben, einen humorvollen Trinkspruch auf die anwesen-
den Frauen und Mädchen hielt. Als die letzten Teil-
nehmer den Saal verließen, war Mitternacht schon längst
vorüber.
Zentral-Theater Asch.
Heute zum letztenmale der Schlagerfilm:
„Der Heiratsschwindler.
Von Dienstag bis Donnerstag
die verstorbene Barbara la Marr
in ihrem letzten Filme:
Frauen der Armen.
Ein ergreifendes Drama in 7 Akten.
w
Welche Gegenstände
fallen unter das Radiogesetz?
Mit der Frage, welche elektrotechnischen Be-
darfsartikel als radiotechnische anzusehen sind, muß-
ten sich die Gerichte seit Erscheinen des Radioge-
setzes im Jahre 1920 bereits des öfteren beschäftig
gen. Die Gerichte entschieden durchweg dahin, daß
alle Artikel als radiotechnische Einrichtungen anzu-
sehen sind, die für Radivapparate verkauft werden,
wenngleich sie ebenso gut auch für andere Sachen
verwendet werden können. Radiorechnische Artikel
dürfen nach der gesetzlichen Bestimmung nur von
jenen Geschäftsleuten in den Handel gebracht wer-
den, die dazu die besondere Bewilligung besitzen,
da sie sich andernfalls einer strafbaren Handlung
schuldig machen.
Eine interessante Verhandlung in dieser Sache
wurde dieser Tage vor dem Troppauer Landesge-
richte durchgeführt. Angeklagt war der Ingenieur
W. aus Troppau, dem zur Last gelegt wurde, daß
er ohne die dazu erforderliche Bewilligung radio-
technische Einrichtungen gewerbsmäßig verkaufe. Nun
wurde bei der politischen Bezirksverwaltung in Trop-
pau von zwei Konkurrenzfirmen gegen W. die An-
zeige wegen Gewerbeübertretung erstattet und als
Begründung angeführt, daß Ingenieur W. einen
Gewerbeschein lediglich für den Verkauf von Elektro-
materialien besitze. Auf Grund dieser Anzeige wurde
von der Staatsanwaltschaft gegen W. die Anklage
erhoben. Er verantwortete sich dahin, daß er schon
seit 1924 Vertreter einer Radiofirma sei und nur
für diese Bestellungen entgegennahm. Da er für
sein offenes Geschäft auch Elektromaterialien von
dieser Firma bezog, wurden die einzelnen bestellten
Rundfunkmaterialien mitgepackt, die er sofort am die
Besteller ablieferte. Hinsichtlich des unbefugten Ver-
kaufes von Radiomaterialien aus seinem eigeneen
Geschäft erklärt der Angeklagte, es habe sich hier-
bei um Elektromaterialien gehandelt, die für Rund-
funkzwecke ebenfalls Verwendung finden konnten.
Trotz der gerechtfertigten Verantwortung wurde W.
wegen der unbefugten Aufbewahrung rundfunktech-
nischer Sachen zu acht Tagen strengen Arrestes, be-
dingt auf zwei Jahre, verurteilt. Von dem Verge-
hen des unbefugten Verkaufes rundfunktechnischer
Materialien wurde er freigesprochen.
Vermischtes.
(Der Mann war wirklich kopflos.) In
Dresden passierte folgende unglaubliche Geschichte:
Auf dem Bahnkörper unweit des städtischen Schlacht-
hofes fand man einen etwa 28jährigen Mann mit
abgefahrenem Kopfe und andern schweren Verletzun-
gen tot auf. Es stellte sich bei der Untersuchung
heraus, daß es sich um einen Monteur und Kraft-
wagenführer handelte, der tags zuvor mit einem
neuen Opelwagen seines Arbeitgebers unbefugt aus-
gefahren war. Dabei war der Wagen gegen einen
Straßenbaum gefahren und zerschellt. Der Chauf-
feur wurde offenbar bei dem Unfall verletzt. Er
muß infolgedessen vollkommen ratlos geworden sein
und hat sich in seiner Ratlosigkeit auf die Schienen
geworfen. Hier trennten ihm die Räder der Bahn
den Kopf vom Leibe.
(Ein 84jähriger besteigt die Zugspi-
tz e.) Aus Innsbruck wir der „Frkf. Ztg.“ geschrieben:
Donat Rief aus Tannheim in Tirol, 84 Jahre alt.
wollte an seinem Lebensabend noch einmal den Zug-
spitzgipfel bezwingen, aber jetzt nicht mit dem neuen
Massen-Beförderungmittel auf den höchsten Gipfel
Deutschlands, nicht mit der Seilbahn, zu deren Be-
nützung man sich noch immer vormerken lassen muß,
sondern aus eigener Kraft, so wie es Donat Rief in
jungen Jahren tat; die zähe Natur des Greises mit
dem jugendlichen, gesunden Herzen ermöglichte sein
Vorhaben, ohne Beschwerden stieg er über die Wiener-
Neustädterhütte zum Gipfel auf, bewundert von allen,
die Zeugen dieser außerordentlichen Körperleistung
eines 84jährigen waren. Wer etwa glauben sollte, der
Alte werde zumindest den Abstieg mit Hilfe techni-
scher Kunst ausführen, der täuschte sich, Donat Rief
behauptete, größerer Verlaß sei auf gefunde Beine als
auf ein starkes, geprüftes Drahtseil mit allen Sicherun-
gen, also stieg er wieder zu Tal, am gleichen Tage
und ohne besondere Ermüdung. Diese Sorte von
Menschen ist leider heute sehr selten geworden.
(Folgen der Zerstreutheit.) Ein an der
Leopoldstraße in Innsbruck wohnender Hofrat nahm
kürzlich in seinem Badezimmer ein Bad, versperrte
dann seine im zweiten Stock gelegene Wohnung und
begab sich wieder in seine Sommerfrische. Er hatte
aber vergessen, den Wasserhahn abzusperren. So wur-
de das Badezimmer und die angrenzenden Räume bald
überschwemmt. Das Wasser überflutete bald auch die
im ersten Stock gelegene Wohnung des gleichfalls in
Sommerfrische befindlichen Hausherrn und drang
schließlich in die im Parterre befindliche Eifenhand-
lung. Dadurch wurde man auf das Unheil aufmerk-
sam. Auf Leitern und durch die Fenster mußte in
die überschwemmten Wohnungen eingedrungen werden.
Um die Feuchtigkeit zu entfernen, mußte der Fuß-
boden durchbrochen werden.
(Ein Jäger spurlos verschwunden.)
Aus Graz wird gemeldet: Seit 9. September ist der
Revierjäger Karl Steiner vom Stifte Admont abgän-
ging. Er unternahm an diesem Tage einen
Reviergang in das Jagdgebiet des Kaibling, um auf
Gemsen zu jagen. Vor seinem Fortgang aus feiner
Wohnung in Sonnberg, Gemeinde Dietmannsdorf, er-
klärte er, am nächsten Tage wieder zurückzukehren.
Da seit dieser Zeit bereits eine Woche verflossen ist,
ohne daß von Steiner eine Nachricht eingetroffen
wäre, vermutet man, daß ihm in dem nicht ungefähr-
lichen Jagdgebiet etwas zugestoßen sei. Steiner ist
als ein sehr tüchtiger Jäger bekannt und kennt sein
Revier sehr genau. Es scheint nicht ausgeschlossen,
daß Steiner im Kampf mit Wilderern ermordet wurde.
Der Vermißte 29 Jahre alt, verheiratet und Vater
von zwei Kindern. Er hat schon wiederholt Wild-
schützen, von denen er sehr gefürchtet ist, festgenom-
men. Ueber Ersuchen des Stiftes Admont wurden
bereits von den in Betracht kommenden Gendarmerie-
Sie hatten einander so lieb!
Roman von H. Courths-Mahler.
Copyright 1925 by Karl Köhler & Co., Berlin-Zehlendorf.
(Nachdruck verboten.)
Und vor ihren Augen schob er auch dieses Brief-
blatt in das Kuvert zu seinem Brief. Er verschloß es
sorgfältig und ließ dann durch seinen Diener den
Boten hereinrufen, der Rüdigers Brief gebracht und
dem Marlitz gesagt hatte, er möge sich in der Küche
eine Erzrischung geben lassen und auf Antwort warten.
In Malves Gegenwart übergab er ihm den Brief
an Herrn Doktor Lersingen, ohne daß sie ahnen konnte,
daß dieser Brief eine ganz andere Antwort enthielt,
als sie eben gelesen hatte.
Als sich der Bote entfernt hatte, sagte Maxlitz
zu Malve:
„Du kannst nun wieder zu Tante Herta gehen, ich
habe zu arbeiten. Und ich wünsche dir, daß Doktor
Lersingen die Probe besteht.“
Malves Augen leuchteten auf.
„Er wird sie glänzend bestehen,“ sagte sie zu-
versichtlich, „und du wirst dich bei ihm entschuldigen
müssen, daß du mich zwangst, ihn derselben unter-
werfen zu lassen.“
„Das will ich gern tun, mein liebes Kind. Vergiß
nicht, daß ich an deines Vaters Stelle handelte.“
Malves Stirn legte sich in Falten.
„Mein Vater hätte anders gehandelt,“ sagte sie
leise und verließ schnell das Zimmer.
Franz Marlitz sah ihr mit einem unbeschreib-
lichen Blick nach.
„Du wirst dich darein finden müssen, daß er die
Probe nicht besteht,“ sagte er zu sich selbst.
Und dann setzte er sich wieder an den Schreibtisch.
Er zog den verwechselten Brief aus seinem Versteck
und zerriß ihn in kleine Fetzen, die er in den Papier-
korb warf.
Dann begann er zu rechnen. Nur er allein wußte,
daß Malve Bertram schon längst keine reiche Erbin
mehr war. Schon seit Jahren hatte er sich an ihrem
Vermögen vergriffen. Als Malve vor drei Jahren in
sein Haus kam, stand er, ohne daß es jemand ahnte,
vor dem Ruin. Mit Malves Geld hatte er sich über
Wasser gehalten. Malve selbst verstand nichts von
Geldangelegenheiten, sie unterschrieb, ohne zu lesen,
was ihr der Vormund vorlegte. Wenn sie Geld brauchte
für ihre Toiletten oder sonstige Ausgaben, erhielt sie
es von ihm, und das genügte ihr. Später hatte
Franz Marlitz durch Spekulation versucht, das wieder
einzubringen, was er veruntreut hatte. Aber er hatte
mit seinen Spekulationen kein Glück gehabt; statt zu
gewinnen, verlor er mehr und mehr.
Und so geriet er von Jahr zu Jahr immer
mehr in Bedrängnis, und immer gewagter wurden
seine Spekulationen. Er verlor die Ruhe, und was
er auch unternahm, war von Mißerfolg heimgesucht.
Und gleichzeitig mit den Fehlschlägen stieg die Angst
vor der Entdeckung. Malves Großjährigkeit rückte
näher und näher heran. Was sollte werden, wenn er
ihr dann Rechenschaft ablegen sollte?
Aber wie ein sinnloser Spieler hoffte er noch
immer, vor Malves einundzwanzigstem Geburtstag
einen Coup landen zu können, der ihn aus allen
Nöten riß. Jetzt war es aber die höchste Zeit!
Dabei mußte er freilich alles, was ihm von
Malves Vermögen übriggeblieben war, auf eine Karte
setzen. Lindenhof mußte bis zum Wert des letzten
Halmes beliehen werden, damit er Geld in die Hände
bekam. Und dann gab es einen letzten Kampf, der
ihm den Sieg bringen mußte oder — den Tod.
Malve hatte Tante Herta aufgesucht, die mit einer
Näharbeit im Wohnzimmer am Fenster saß. Die noch
immer stattliche Frau, deren geistiger Horizont ziemlich
eng begrenzt war, gehörte zu den Frauen, die von
ihren Männern nicht gewürdigt werden, an ihren
pekuniären Sorgen teilzunehmen, und die damit auch
ganz zufrieden sind. So ahnte sie nichts von dem
Unheil, das sich über ihrem Haupte zusammenzog.
Als Malve eintrat, sah sie von ihrer Arbeit auf.
„Was wollte denn Onkel Franz von dir, Malve?“
„Wir hatten etwas zu besprechen, Tante Herta
„Etwas Wichtiges?“
Ein leichtes Rot huschte über Malves Gesicht.
„Doktor Lersingen hat bei Onkel Franz um meine
Hand angehalten.“
Das interessierte Frau Herta natürlich sehr.
„Wirklich? Nun, das habe ich schon längst kom-
men sehen. Er hat ja für niemand mehr Augen gehabt
als für dich. Ein sehr interessanter, ansehnlicher Mann,
man kann ihm gut sein. Und dir wird er ja auch
nicht gleichgültig sein — oder gefällt dir Doktor
van der Straaten besser? Der ist ja auch ein prächtiger
Mensch.“
Malve setzte sich ihr gegenüber.
„Mein Herz gehört Doktor Lersingen, Tante
Herta.“
„Nun, dann ist ja alles in bester Ordnung, und
wir können Verlobung feiern.“
„Bald — so hoffe ich.“
„Das sagst du so unsicher? Hast du ihm denn
nicht dein Jawort gegeben?
„Nein, ich durfte noch nicht. Onkel Franz zweifelt
daran, daß er mich aus Liebe zu seiner Frau begehrt.
Er fürchtet, daß er sich nur um des Geldes willen
um mich bewirbt.“
Frau Herta machte eine abwehrende Bewegung.
„Da hatte er bloß mal seine Augen sehen sollen,
wenn er dich ansieht! Onkel Franz ist immer zu
ängstlich und zu mißtrauisch, wenn sich ein Freier um
dich bewirbt. Gerade so war es, als unsere Töchter
sich verloben sollten. Ueberall witterte er Mitgistjäger.
Mein Gott, bei uns war doch wahrlich nicht viel zu
holen! Bei dir ist es freilich etwas anderes, du bist
sehr reich. Aber wenn Onkel warten will, bis einer
kommt, dem das nicht angenehm ist, dann kannst
du eine alte Jungfer werden! Doktor Lersingen braucht
doch nicht gleich ein verächtlicher Mitgiftjäger zu
sein, wenn er darauf sieht, daß seine zukünftige Frau
etwas mit in die Ehe bringt. Er ist ja selbst nicht
vermögend, und so kann es ihm nur recht sein, daß er
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