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Lem: 2. überhaupt nie gesehen zu haben. Die materiellen Vorbe- treitungen für die Mobilisierung gegen Polen und Ungarn hat Nowakowsky in der Hand gehabt, doch sei der inliegende Erlaß des Ministeriums für nationale Verteidigung nicht darin gelegen. Die drei Beilagen waren dabei. Schwabe nahm Einsicht, in den Akt und entschloß sie zu photo- graphieren. Schwabe gibt zu, den materiellen Plan ge- sehen zu haben, jedoch nicht die Beilagen und den Akten- beckel, er wisse aber nicht, ob sie Nowakowski nicht in seiner Aktentasche gelassen habe. Photographiert wurde der mate- xielle Plan und die Legende. Nowakowski erklärt, eine Abschrift der Ordre de bataille sei unmöglich. — Während der Einvernahme Nowakowskis erhält der Vorsezende ein Woststück, mit dem er sich erregt zum Tisch der Verteidiger begibt. Zwei, von der Verteidigung geführte Entlastungs- zeugen, und zwar der Schriftleiter des „Brünner Montags- blatt“ und der Brünner Oberlehrer Schindler haben die Vorladung mit dem Bemerken zurückgeschickt, daß sie nicht tschechisch verstehen. Der Vorsitzende gibt der HoffnungAusdruck, daß die Ver- leidiger in diesem Prozesse ihm keine Schwierigkeiten machen werden, worauf die Verteidiger erklärten, daß sie für diese Haltung der Zeugen nicht verantwortlich gemacht werden können. — Es wird sodann der Akt betreffend die Vorbe- reitungen gegen Unruhen im Ostrau-Karwiner-Revier be- ſprochen. — Nowakowski behauptet, die drei darauf bezüglichen Schriftstücke dem Schwabe im Auszug über- geben zu haben und dieser habe sie Bajnoczy mit dem Ersuchen übergeben, sie Baeran einzuhändigen. — Tr. Baeran: Es ist möglich, aber es war nicht besonders wichtig. — Vors.: Von wem haben Sie dieses Schrift- stück bekommen? Von Bajnoczy? — Baeran: Ich habe mit Bajnoczy im Leben nie gesprochen. Es war auf ein- mal mit der im Parlamente eingelängten Korrespondenz da. — Bezüglich des Verzeichnisses der Hütten und Gruben die für den Staat und die Wehrmacht wichtig sind, erin- nert sich Nowokowski an den Akt nicht, gibt aber die Mög- lichkeit zu, einen Auszug gemacht zu haben. Vors.: (zu Tr. Baeran): Haben Sie dieses Verzeichnis gehabt? — Baeran: Ich habe schon in der Voruntersuchung gesagt, daß ich mich nicht darin erinnern kann. Es ist möglich, daß ich es bekommen habe, dann aber weggeworfen, da weder das eine noch das andere für uns einen Wert hatte. Vors.: In der Eoruntersuchung haben Sie gesagt, daß Sie das Schriftstück nicht bekommen haben. — Tr. Baeran: Dann dürfte es richtig sein. Der Vorsitzende unterbricht hierauf die Sitzung bis 4 Uhr nachmittags. Holdringer. Aus der gestrigen Verhandlung ist noch folgendes von besonderem Interesse. Abg. Dr. Baeran erklärte im Ver- laufe seines Verhörs, wie er in Deutschland von dem in tschechischen Spitzeldiensten stehenden deutschen Offizier und mehr- mals vorbestraften Verbrecher Holdringer bespitzelt wurde. Nach einem Ausfluge des deutschen Männergesangvereins in Brünn nach Deutschland hat sich ein gewisser „Müller“ an die Herren herangemacht, der sich als Generaldirektor der „Hansa“ vorstellte. Er führte die wildesten Reden gegen die Ischecho-Slowakei und erklärte den Herren, daß er in Deutsch- land sehr bekannt sei! Als man mir nachher davon erzählte, habe ich sofort gesagt, daß das wieder eine Falle war. Im Juli 1921 habe ich dann das ganze tschechische Spionage- system enthüllt und festgestellt, daß an der Spitze der Spio- nageabteilung Oberstleutnant Haugwic steht. Es ist derselbe Herr, der heute als Sachverständiger hier sitzt. Dieser Herr hat in zahlreichen deutschen Städten, so in Breslau. Dresden, München, Berlin, weiter in Budapest unter dem harm- losen Titel von Handelsgesellschaften eine ganze Reihe von Spionagebüros gegründet. Ein solches Spionagebüro war auch die Handels- gesellschaft „Hansa.“ Im Dezember 1921, als ich in Lindewiese weilte, suchte mich Holdringer auf. Der Mann erklärte mir, er brauche militärische Geheimnisse. Es müßten gewisse Leute er- mordet werden und versprach Hunderte von Millionen. Ein Vertrauensmann, den wir nach Breslau schichten, hat festge- stellt, daß dieser Holdringer ein ehemaliger deutscher Offizier ist, ein Verbrechen der Falschmünzerei begangen hat, ein Mann, der für und gegen Polen, für und gegen die Tschecho- Slowakei, für und gegen Deutschland arbeitete. Holdringer verlangte von uns, es müsse eine große Irredenta geschaffen werden, die sich über die deutschen und slowakischen Gebiete erstrecken soll. Er wolle Gewehre, Kanonen und Maschinen- gewehre liefern, einen Aufstand arrangieren. Masaryk, Kramarsch und Benesch müßten ermordet werden usw. Wir wollten diesen Mann längst verhaften lassen. Das ist aber infolge meiner Verhaftung leider unmöglich geworden. Zentraltheater Asch. Heute letzter Spieltag des großen Sensations-Abenteuerfilms Das Gespensterboot Einer der besten Schlager der Gegenwart. Aus der Tschecho-Slowatei. Der varlamentarische Arbeitsplan für 1923. Die „Tribuna“ veröffentlicht ein Verzeichnis der im Jahre 1923 zu beschließenden Gesetzesvorlagen: Unifizierung der Schulgesetze, Vorlagen über das Hilfsschulwesen, über Schulen für Taubstumme, über die Unterrichtssprache an den Mittelschulen, über die Frage des Religionsunterrichtes an diesen Schulen. Eine Vorlage über das Gewerbeschul- wesen, ein Rahmengesetz über das Hochschulwesen. Regelung des Verhältnisses der Frauen im Staatsdienst, ein neues Enteignungsgesetz und eine Vorlage über die aus Karpatho- rußland nach Magyarien verschleppten Gelder. Gesetz über eine neue Bauordnung. Arbeitsinspektorate, Gesetzwerdung der Kollektiv-Verträge und Schiedsgerichte, Arbeitsvermitt- lung, bezahlter Urlaub nud Sozialversicherung. Ein neues bürgerliches Strafgesetzbuch und ein Gesetz über Jugend- gerichtsbarkeit: Parität der militärischen Altpensionisten mit der zivilen, Repatriierungsvorlage. Pflichtversicherung ge- gen Wetterschäden und Viehsterben, amtliche Tier- und Fleischbeschau. Vorlagen über Untersuchung der Lebens- mittel, über Untersuchung der Heilmittel, über Apotheker- spezialitäten, über Regelung des Apothekerwesens, über allgemeine Körpererziehung, über Errichtung einer Hoch- schule für Körperkultur, über Regelung der Jugendfür- sorge, über Aerztekammern. Unifizierung des Heimatsrech- tes. Anifizierung des Handelsgesetzes, Unifizierung des Zivilstrafrechtes, Unifizierung der Verwaltung. Novellisie- rung der Vorschriften gegen den Wucher und einige Vor- lagen zum Schutze der Konsumenten. Vorlage über den unlauteren Wettbewerb, Vorlage über Handels- und Ge- werbekammern neuer autonomer Zolltarif, Vorlage eini- ger Handelsverträge, Regelung des Hausiererwesens, neues Gewerbegesetz, Unifikation der direkten Steuern, eine Vor- lage über die Reform der Finanzverwaltung und Spiritus- gesetz. Sprechende Ziffern. Der „Roonost“ veröffentlicht eine Uebersicht über die Monatsausgaben der Kaschauer Polizei- direktion. Darnach gibt die Kaschauer Polizeidirektion monatlich für Personalzwecke 1,623.765 K aus, wovon die Polizeibeamten, die ständigen Geheimpolizisten, die Lockspitzel und die Sicher- heitswache bezahlt werden. Die gesamte Lehrer- und Professoren- schaft erfordert dagegen eine monatliche Ausgabe von 638.244 K. Also wird monatlich um eine Million weniger für Schul- wesen und Lehrerschaft ausgegeben als für die Polizei. Welche Elemente in der ſlowakischen Polizei sind, geht daraus hervor, daß innerhalb eines Jahres 26 Beamte, Geheimpolizisten und Wachleute wegen verschiedener Betrügereien, Mißbrauch der Amtsgewalt u. s. w. entlassen werden mußten. Aus Stadt und Land. Zehn Minuten für die Sicherung unserer Zukunft. Der Jasching wird trotz der großen Not, in der sich unser deutsches Volk befindet, auch in unserer Stadt und den Orten unseres Bezirkes so manche Unterhaltung oder Tanzveranstaltung bringen. Ferne sei es, unseren Volksgenossen ihren Anteil an der Fröhlichkeit und Entspannung von den Sorgen des Alltags verleiden zu wollen. A er eines möge bedacht werden: Während bei Musik und Tanz die Not der Zeit vergessen wird, geht auf dem heißen Boden der Sprachgrenze der unbarmherzige Kampf um Sein oder Nichtsein des Sudetendeutschtums weiter, werden unsere deutschen Kinder gezwungen, an dem für tschechische Schulzwecke beschlagnahmten Schulhause ihres Heimatsortes vor- bei den stundenlangen Weg zur nächsten deutschen Schule im Nachbardorfe bei Wind und Regen zurückzulegen. Deutsche aller Stände, deutsche Vereine und Körperschaften seid dieser Tatsachen eingedenk und opfert bei jeder Unterhaltung und Veranstaltung in der Faschingszeit nur zehn Minuten dem Schutze eures Volkes, dem Schützer eurer Jugend, dem Deutschen Kulturverbande! Veranstaltet während dieser kurzen Spanne Zeit eine Sammlung für unsere deutschen Schulen und beweift durch die Tat, daß die Zeit der Fröhlichkeit auch eine Zeit des völkischen Opfermutes sein kann! Die Sammel- ergebnisse werden im Bankgeschäfte Ludwig abgegeben. Der nächste Bundesabend findet am Sonntag, den 14. d. M. im Männergesangvereinsheime statt. Herr Prof. Wein- mann wird in seiner fesselnden Art über seine Erlebnisse in Rußland, wo er mehrere Jahre als Kriegsgefangener verbrachte. erzählen. Zithervorträge des Herrn Gärtner werden den Abend verschönern helfen. Der Eintritt zu den Bundesabenden ist bekanntlich frei und jeder Deutschgesinnte ist willkommen. Die Vereinigung der Kriegerwitwen und Waisen des Ascher Bezirkes macht ihre Mitglieder aufmerksam, daß alle schrift- lichen Arbeiten, wie Rentenangelegenheiten, Urgenzen, Gesuche aller Art, sowie mündliche Auskünfte ab heute nicht mehr in der Kanzlei der Kriegsinvaliden gemacht und gegeben werden. Alle diese Arbeiten werden von jetzt ab von Herrn Albrecht Ludwig, Lebensmittelverkaufshalle in Asch, Kegel-Annagasse, mit Ausnahme der Sonntage, zu jeder Tageszeit bereitwilligst erledigt. Gleichzeitig wird gebeten, daß alle edlen Spender bei festlichen und sonstigen Anlässen dieser armen verlassenen Kriegs- opfer, wie schon früher, eingedenk bleiben und ihre Geld- und anderen die Not lindernden Spenden bei Herrn Albrecht Ludwig abgeben. Nichteinrechnung in die Verjährungsfrist. Bekanntlich wer- den die Jahre 1914 bis einschließlich 1920 kraft des Ge- setzes nicht in die Verjährungsfristen zur Bemessung und Ein- treibung der Abgaben eingerechnet. Durch das Gesetz vom 20. Dezember 1922 wurde nun die Geltung der bezüglichen Gesetze auch auf die Jahre 1921 und 1922 ausgedehnt, das heißt. auch diese Jahre werden in die obige Verjährungszeit nicht eingerechnet. Devisen für Auslandsreisen. Die Richtlinien für den Han- del mit Devisen, die soeben erlassen wurden, bestimmen u. a.: Für jede r. TKER' Sackpulverwerke, Brünn. Küchel Neben unserem vielbewährten Oetker Sackpulver „Sackin“ und Oetker Vaniliinzucker sind wieder zu haben: Oetkers Duddinspulver Oetkers Hausnatron. Oetkers Regina-Speisegelatlne Zusatz mit Vanillin-, Mandel- und Schokoladegeschmack. weiß und rot. mit über 50 ausprobierten Vorschriften für einfache und feine Mehlspeisen NeUSSUESt und Bäckerelen sind erschienen und stehen allen Hausfrauen, Köchinnen, Haushalt- und Kochschulen umsonst und portofrei zur Verfügung. Man schreibe eine �ostkarte Wo nicht erhältlich, bestelle man direkt bei der Fabrik. Die Erbin von Hohenbüchen. Roman von O. Elster. (Nachdruck verboten.) 42) Mehrere Tage vergingen. Jürgen hatte so viel mit der Uebernahme der neuen Ladung zu tun, daß er nicht dazu kam, an seine Privatangelegenheiten zu denken. Aber Jose alias Wippermann erschien auch nicht; auch Arno von Stolten ließ nichts mehr von sich hören. Da erhielt Jürgen mit dem letzten Postdampfer einen Brief Johannas. �Mein lieber Bruder Jürgen,“ so schrieb Johanna. „Deinen lieben Brief, aus welchem Deine große Fürsorge für mich spricht und in welchem Du mir von neuem Geld schickst, habe ich erhalten und danke Dir von Her- zen dafür. Aber Du brauchst Dir wegen meines Le- bensunterhaltes keine Sorge zu machen. Erstens hast Du mich reichlich mit Mitteln versehen, zweitens aber be- ginne ich auch selbst, Geld zu verdienen, da ich für meine kleinen Bilder Abnehmer gefunden habe. Das ge- nügt für meine geringen Bedürfnisse. Aber, lieber Jür- gen, ich vermisse in Teinem Briefe die Antwort auf meine Fragen: „Wer waren meine Eltern? Wer war mein Vater?“ Daß Du etwas über meinen Vater weißt, bezeugt mir das schöne Kreuz, welches Du auf sein Grab hast setzen lassen. Ich fand das Grab infolge einer Notiz, welche Deine gute Mutter in ihre Bibel ge- schrieben hatte. Ach, Jürgen, Du kannst Dir nicht den- ken, welche Flut von Gedanken über meine Seele her- einbrach! Warum habt Ihr mir nie etwas von meinem Vater gesagt? Warum mich über meine Herkunft im Dunkel gelassen? Wenn Ihr mich aufgeklärt hättet, wäre wohl alles anders und besser geworden. Ich bitte Dich, teile mir alles mit, was Du weißt. Ich denke jetzt an nichts anderes. Ich kann nicht lange schreiben, lieber Jürgen. Ich war die letzte Zeit recht krank. Die liebe Tilly Stolten pflegte mich. Sie war mit ihrem Vater gekommen, um mich wieder nach Hohenbüchen zu holen. Aber ich kann nicht fortgehen von hier, bevor ich nicht das Rätsel meiner Geburt gelöst habe. Auch machte das Wesen des Barons einen so seltsamen Eindruck auf mich, daß ich seinem Wunsche nicht entsprechen konnte. Nach Hohenbüchen kann ich auf keinen Fall zurückkehren! Ich wurde an demselben Tage krank, als mich der Baxon und Tilly aufsuchten. Und Tilly war so lieb und gut, bei mir zu bleiben, um mich zu pflegen. Welch ein goldenes Herz sie besitzt! Ihr Vater gestattete es, und so ist sie auch jetzt noch bei mir, und wir leben zusammen wie zwei Schwestern. Sie läßt Dich herzlich grüßen; sie hat Dich sehr lieb, Jürgen — ach, was soll aus alledem noch werden? Verzeihe, wenn ich jetzt schließe. Meine Kraft ist zu Ende. Schreibe mir alles, was Du weißt, mein lieber Jürgen, oder besser noch, komme bald heim zu Deiner traurigen, aber Dich herzlich liebenden Johanna.“ Jürgen beschloß auf diesen Brief hin, sofort offene Rücksprache mit Arno zu nehmen. Er konnte sich wohl denken, weshalb dem Baron soviel an einer Aussöhnung mit Johanna lag, und er fürchtete, daß Stolten neue Intriguen ersinnen und neue Verwicklungen herbeifüh- ren würde. Und dem würde Arno — das glaubte Jür- gen sicherlich — durch sein Dazwischentreten ein Ende machen. Jürgen begab sich nochmals nach dem deutschen Kriegsschiff; hier wurde ihm jedoch die überraschende Mit- teilung, daß Arno durch besondere Verfügung des Ma- rineministeriums von seinem Kommando auf der „Mi- nerva“ abgelöst sei, weil er Familienverhältnisse hal- ber in die Heimat zurückkehren müsse. Er habe schon vor mehreren Tagen ein Telegramm erhalten, welches ihn heimberufen, und sei mit dem gerade fälligen eng- lischen Postdampfer abgereist. Jürgen wußte nicht, was er davon denken sollte. War etwa Arnos Vater gestorben? Das wäre aller- dings ein triftiger Grund für die Heimberufung Arnos gewesen, da er dann das reiche Erbe zu übernehmen hatte. Wie bereute Jürgen es jetzt, Arno nicht schon längst das Geheimnis von Johannas Herkunft anvertraut zu haben! Was sollte er nun beginnen? An Arno schreiben? Aber er konnte ja keine Beweise beibringen, und ohne Beweise würde Arno nichts gegen seine Eltern ausrichten können. Sollte er Johanno seine Vermutungen schreiben? Doch was hätte das genutzt? Er hätte das arme Mädchen nur noch mehr geängstigt. Und dann — in einigen Wochen war er ja wieder in Hamburg, denn er hatte die Weisung erhalten, mit seiner Ladung direkt von Rio de Janeiro nach Hamburg zurückzukehren. Wenn die Ladung voll ein- genommen war, sollte er sofort die Rückreise gntreten, und wenn alles gut ging, konnte er in zwei Monaten in Hamburg sein. Wenn aber das Meer die „Anna Maria“ verschlänge? Wenn er selbst stürbe — dann würde das Geheimnis nie- mals offenbar werden, denn außer dem Baron von Stol- ten und vielleicht dessen Gattin war er ja der einzige, welcher um dieses Geheimnis wußte. Er entschloß sich daher, den Rat und die Hilfe des deutschen Konsuls anzurufen und alles, was er wußte, auch dem Konsul zu Protokoll zu geben. Johanna wollte er nur schreiben, daß er nach seiner bald erfolgenden Rückkehr alles mit ihr besprechen werde; falls er aber nicht zurückkehre, dann solle sie sich an das deutsche Kon- sulat in Rio wenden, auf dem er alles deponiert habe. Der deutsche Konsul, ein Freiherr von Pappenheim, empfing ihn freundlich und hörte ihn aufmerksam an. „Das ist eine verwickelte Geschichte, Herr Kapitän,“ sagte er dann, „und ich weiß nicht, ob wir sie jemals ganz entwirren können. Ich werde mir aber alle Mühe ge- ben, diesen Josef Schreiber ausfindig zu machen. Wenn dieser Mann, wie Sie sagen, wirklich der Agent Wipper- mann aus Hamburg ist, dann haben die deutschen Be- hörden ein ebenso großes Interesse an seiner Festnahme wie Sie. Ich erinnere mich, daß die Staatsanwaltschaft in Hamburg erst neulich nach diesem Wippermann bei mir anfragte. Sie bleiben wohl noch einige Tage hier?“ „Ja, etwa noch fünf bis sechs Tage.“ „Nun, ich werde sofort Nachforschungen anstellen las- sen und Ihnen die Ergebnisse derselben mitteilen.“ Jürgen empfahl sich, nachdem er seine Aussagen zu Protokoll gegeben hatte. Er konnte jetzt weiter nichts tun. Er mußte es dem Zufall überlassen, ob dieser ihm vielleicht den alten Schreiber wieder in den Weg führte. Doch dieser blieb verschwunden; auch nach dem Ge- schäft des Sennor Campos kehrte er nicht zurück. Jürgen konnte die Abfahrt nicht länger aufschieben. Noch einmal begab er sich auf das deutsche Konsulat, um nachzufragen, ob man Jose ermittelt habe. „Ihre Vermutung, daß dieser Josef Schreiber der Hamburger Agent Wippermann ist, dürfte nach unseren Ermittelungen richtig sein,“ sagte der Konsul. „Es tut mir sehr leid, daß Sie nicht früher zu mir gekommen sind, dann hätten wir den Vogel wahrscheinlich erwischt. Wansetzung folgt.)
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