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Sette 4 In einem Ascher „Nummer-Buch“ vom Jahre 1808 sind alle damaligen Ascher Häuser und deren Besitzer verzeichnet „nebst Bemerkung, wohin sie unter- tänig“, d. h. zu welchem der fünf herrschaftlich Bedt- witzischen Anteile (Asch, Schönbach-Krugsreuth, Neu- berg-Öberteil, Neuberg-Unterteil und Sorg-Neuschloß) die einzelnen Häuser gehörten. Die in diesem Verzeichnisse angegebenen Haus- nummern sind dieselben, welche die betreffenden Häu- ser noch heute haben. Es muß also im Jahre 1808 die jetzige Haus-Numerierung schon eingeführt ge- wesen sein; nirgends aber ist ersichtlich, wann dies geschehen ist. Nun geben darüber zufälliger Weise die Inschriften auf den Türstöcken zweier Ascher Häu- ler ganz bestimmte Auskunft: Das eine ist Nr. 192 in der Schloßgasse (jetzt Tins, früher K. Wagner), das andere Nr. 269 in der Josefsgasse (seit mehr als hundert Jahren im Besitze der Familie Panzer). Das erstgenannte dieser beiden Häuser wurde du Beginn des vorigen Jahrhunderts zweimal durch Schadenfeuer eingeäschert: das erstemal kurz vor 1805, das zweitemal beim großen Ascher Brand vom 13. ember 1814. Nach dem ersten Brand ließ der damalige Besitzer, der Großkaufmann Eeorg Hu- scher sen. auf dem Torbogen des Neubaues die Inschrift „G. C. H. 1805 Nr. 108“ anbringen. Da nun „108“ die Hausnummer ist, die aus dem Jahre 1771' stammt, dürfte anzunehmen sein, daß im Jahre 1805 die jetzige Häuser-Numerierung noch nicht eingeführt war. Nun erbaute aber in demselben Jahre 1805 der Gerbermeister Wolfgang Gottfried Panzer das Haus Nr. 269 an der Josefsgasse und ließ auf der granitenen Einfassung der Haustüre in er- habener Steinmetzarbeit die Jahreszahl 1805 und neben dem Gerberabzeichen die Hausnummer 269 anbringen, also die noch heute geltende Haus- nummer. Im Jahre 1805 war demnach die jetzige Haus- Numerierung schon beschlossen und begonnen, aber noch nicht vollständig durchgeführt und man be- ßeichnete deshalb gewöhnlich das Jahr 1806 als dasjenige, aus welchem die heute noch gel- tende Numerierung der Ascher Häuser stammt. Die Numerierung vom Jahre 1771 war nur 35 Jahre in Kraft geblieben; von dem Bedtwitzi- schen Gerichte in Aſch war sie sogar erst seit den Achtzigerjahren des 18. Jahrhunderts berücksichtigt worden, nachdem — wie es scheint — im Jahre 1881 ein neuer obrigkeitlicher Befehl herabgelangt war. IIn den übrigen Ortschaften des Ascher Ge- bietes wurde im Jahre 1805 keine neue Häuser- Numerierung durchgeführt. Dort behielten also die im Jahre 1771 gegebenen Hausnummern ihre Giltigkeit bis zum heutigen Tag. Dir. A. Kinothenter (Nachrichten der Spielleitungen. Zentraltheater. In die Reihe der großen Filme, die schon mit der Glückskappe des zweifellosen Publikumserfolges geboren werden, gehört der gewaltige Meisterklasse Exklusiofilm „Triumph des Lebens“. In der Hauptrolle Aly Kolberg. die gefeiertste Fülmdiva, schildert hier ein Jrauenleben in seinen feinsten, als auch liebenswürdigsten Ausstrahlungen und entlückt durch ihr glänzendes, natürliches Spiel. Im Uebrigen, wer Aly olbergschon kennt, weiß, was ihm für ein großer Genuß be- vorsteht und diejenigen, welche diese große Künstlerin noch nicht kennen sollten sich diese Gelegenheit nicht entgehen lassen. — Als zweites Bild kommt das preisgekrönte Lustspiel „Ein ange- ehnes Mädchen“ zur Vorführung und ist somit auch für Humor reichlich gesorat. — Zum Schlusse wird noch aufmerksam gemacht, daß dieser herrliche Spielplan nur durch drei Tage, von tag bis Sonntag — Montag geschlossen — gezeigt wird. thater.Von Freitag, den 10. bis Montag. den 14. März: „Das Tagebuch des Teufels“. Die Herzogin Leda Orlonia ist die unwiderstehlichste Frau, in deren Bann die Männer geraten. Mario Barbarint ist im Verlaufe weniger Jahre der fünfte Mann, der blind in sie verliebt ist. Die Her- zoin hat Mario zu einem Maskentest eingeladen und mit ihm vereinbart, daß er im schwarzen Domino erscheine. Nach dem Fest führt sie den Domino in ihr Haus, aber sowie die Kaputze fällt, erkennt die Herzogin mit Entsetzen, daß nicht Mario der Träger des Dominos ist, sondern ein maskierter Sträfling der drohend die Waffe gegen sie erhebt. Die Herzogin hat den Sieg über den fremden hübschen Sträfling davongetragen. Liebe und Mitleid geben der Herzogin den Entschluß, den Fremdling bei sich im Hause zu behalten. Als Graf Guido Cavalcanti führt sie ihn in die Gesellschaft ein Mario taucht wieder auf und als Cavalcanti den Mario überrascht, wie er gegen die Herzogin stürmisch wird, schießt er ihn im darauffolgenden Duell nieder. Capalcanti lernt die Tochter des Milliardärs Ruthon, Bessie, kennenZum erstenmale reat sich in Gulda das Gefühl echter und reiner Liebe. Die Herzogin hat dies entdeckt und droht ,ihn ins Zuchthaus zurüchzuschicken, weil er ihr untreu ge- worden ist. Guido tritt mit Beisie die Rückreise nach Amerika an. Die Herzogin aber empfindet Reue und beendet ihr Leben. Zentral-Theater Asch Von Freitag bis Sonntag, den 11. bis 13. März: Nur 3 Tage! Montag geschlossen! Der große Meisterklasse Exklusipfilm! „Triumph des Lebens“ Ein ergreifendes Drama mit Aly Kolberg, der ge- feiertsten Filmdiva, und „Ein angenehmes Mädchen“. Preisgekröntes Lustspiel. Telephonische Uebermittlung von Photographien. Eine Erfindung des Franzosen E. Belin, die Uebermittlung von Photographien und Dokumen- ten durch den eleitrischen Draht, ist nun, wie Pa- riser Blättern zu entnehmen ist, praktisch verwertet worden. Von dem Tokument oder der Photogra- phie, die übertragen werden soll, macht man, nach den Berichten aus Paris, zuerst einen Abzug auf Karbonpapier in jener Weise, die jeder Amateur- photograph kennt, wenn er ein Bild anfertigen will. Diese Abdrücke haben die Eigenschaft, daß sie an verschiedenen Stellen des Bildes Unebenheiten in der Bildfläche enthalten. Wird nun dieser Abdruck über einen Wachszylinder mit einem Präzisionsappa- tat gezogen, so übernimmt dieser Sylinder der in der gleichen Weise wie ein Photographenapparat die stärkeren und schwächeren Eindrücke. Mit Hilfe eines M'trophons, das an die Telephonleitung angeschlos- sen ist, kann dann das Bild des Dotuments viele Kilometer weitergegeben werden und wird an der Aufnahmestation durch entsprechend konstruierte Vor- richtungen wieder in der gleichen Weile übertragen. Der Aufnahmeapparat besteht aus einem kleinen Spie- gel, der auf zwei sehr feinen Metalifäden ruht und zwischen den Polen eines ellektrischen Elements mit dem Telephonstrom in Verbindung steht. Wenn der Strom hier durchläuft, bewegt er mehr oder minder diesen kleinen Spiegel. Durch eine beson- ders konstruierte elettrische Lampe werden die Licht- strahlen von diesem Spiegel reflektiert und auf einen rotierenden Bylinder übertragen, der ein eempfindliches Papier trägt. Auf diese Weise wird eine photographische Aufnahme bewerkstelligt, die eine genaue Wiedergabe des abtelephonierten Do- kumentes oder der Photographie darstellt. Der „Matin“ war in der vergangenen Woche in der Lage, eine von Briand um 2 Uhr in London ge- machte Niederschrift am selben Abend um 9 Uhr 30 Min. in seinem Pariser Atelier fertig übertragen zu zeigen. Das Dotument hat folgenden Inhalt: „Ich rechne stark genug mit dem Soli- daritätsgefühl der Alliierten, um von dieser Kon- ferenz jene Ergebnisse zu erwarten, die die Welt im Interesse des Friedens erwartet. Aristide Briand.“ Das Londoner Bureau des „Matin“ hatte dieses Schriftstück um 5 Uhr 54 Min. an das Pariser La- boratorium Belins in Malmaison abgegeben. Es waren also von der Niederschrift bis zur Präparation nur fünf Stunden vergangen. Die Repro- duktion an der Empfangsstelle in Paris hatte kaum zwei Stunden in Anspruch genommen. Die Be- outung dieser Erfindung für polizeiliche und ge- richtliche Nachforschungen, für den Geschäfts- und Handelsverkehr braucht nicht erst auseinandergesetzt zu werden. Die Photographie eines gesuchten Ver- brechers kann schon lange vor seinem Eintreffen bes- ser als die übrigen Personenbeschreibungen zu seiner Festnahme führen. Unterschriften auf Dokumenten, Schecks und Vollmachten können in wenigen Stun- den auf ihre Echtheit geprüft und Identitäten rasch festgestellt werden. Vermischtes. (Die Selbstbestimmung von 20 Mil- lionen Deutschen.) Wie der Friede von Ver- sa.lles, der die Völkerverföhnung hatte anbahnen sollen, die „Selbstbestimmung auslegt, beweist die Bahl der Deutschen, denen das Recht auf Selbst- bestimmung verweigert wird. Es leben Deutsche (rund) in Dänemart 50.000, Belgien 115.000, Lu- xemburg 260.000, Frankreich (Elsaß-Lothringen) 1,500.000, Italien 250.000, Pofen 1,500.000, Dan- zig 300.000, Baltische Staaten 270.000, Rußland 1.600.000, Deutschöfterreich 6,000.000, Ungarn 300.000, Tschecho-Stowakei 4,000.000, Südflawien 700.000, Rumänien 900.000, Kanada 80,000, Süd- und Mittelamerika 700.000, Australien 100.000. Also noch rund 20 Millionen Deutsche leben außer- halb der Grenzen des Mutterlandes. Mehr a's die Härfte, als das Volk der Franzosen in Europa Köpfe hat — das Volk, das sich der Selbstbestimmung der Deutschen entgegenstemmt. (Der japanische Ehescheidungsre- kord.) Nach den amtlichen Ausweisen des Sta- tistischen Amtes von Tokio darf Japan die Ehre für sich in Anspruch nehmen, den Weltrekord an Ehescheidungen zu halten. Von 503.236 Ehen wur- den 56.741 im Jahre 1919 geschieden, das sind 112,8 pro Tausend. Auch die Bevölkerungsziffer Japans befindet sich in absteigender Linie, was man der hohen Lebensmittelteuerung und der ver- hängnisvollen Wirkung, die die Grippe dort ge- übt hat, zuschreiben will. Im Durchschnitt betrug in früheren Jahren die Bevölkerungszunahme Ja- pans im Jahre 800.000 Köpfe. Schon im Jahre 1918 sank diese Sahl auf 600.000, um im Jahre 1919 weiter bis auf 308.794 zurückzugehen. (Die älteste Zeitung der Welt) existiert in China unter dem Namen „King Coo“. Sie be- steht jetzt gerade 1010 Jahre, denn die erste Nummer erschien im Jahre 911 und seitdem wird jede Num- mer im chinesischen Staatsarchiv aufbewahrt. Be- merkenswert ist, daß diese Zeitung heute noch ge- nau so wie vor Jahrhunderten aussteht, und daß in dem langen Zeitraum fünfzehn ihrer Redakteure furzerhand geköpft wurden, weil der Inhalt des Blattes den maßgebenden Herren der Regierung nicht Beiträge zur Heimatskunde. LXXII. Wann wurde die jetzige Numerierung der Ascher Häuser eingeführt? gefiel. 12. das Geheimnis von Bubschinka. Kriminalroman von Erich Ebenstein. (Copyright 1913 by Greiner &amp Comp., Berlin W. 30.) (Nachdruck verboten.) Lindemann war sprachlos. Warum log sie? „Sie wollten mir eine Mitteilung machen?“ un- terbrach die Gräfin das Schweigen. „Ja. Aber vorher gestatten Sie mir, Ihnen mein Erstaunen darüber ausrudtzücken, Frau Grä- fin, daß dann Ihr Herr Gemahl Sie nicht von der Ankunft Ihrer Schwester in Kenntnis setzte, da er selbst es doch war, der ihr Ihre — wechselnden Adressen mitteilte!“ Es fiel Helene auf, daß der Ton, in dem Linde- mann sprach, plötzlich ein ganz anderer geworden war. Statt der mitleidig besorgten Schonung, die ihn anfangs beherrscht hatte, lag nun etwas kalt Beobachtendes, fast Mißtrauisches in seinem ganzen Wesen. Die Gräfin aber schien das nicht zu mer- ken. Völlig ruhig sagte sie: „So? Mein Mann? Er wußte also um Har- riets Anwesenheit in Kairo? Dann kann ich mir denken, daß er mich damit eben überraschen wollte. Ich erwarte ihn schon sehr bald hier. Vielleicht be- absichtigte er, mit Harriet zu kommen.“ „Das wäre kaum möglich gewesen, denn Miß Morgan suchte Sie ja schon in Kairo zu treffen und re'ste Ihnen von dort nach, nachdem Graf Kosch- winsti ihr Ihre neue Adresse tellegraphisch ange- εegt. Leider ist Miß Morgan ein Unfall zuge- stoßen — „Ein Unfall?“ Jetzt veränderte sich das Ge- sicht der Gräfin plötzlich. Unruhe und Bestürzung spiegelten sich darin. „Was ist Harriet zugestoßen? Ist sie trant? Sprechen Sie schnelt!“ Ihr Blick ruhte angstvoll flehend auf dem Ma- ler. Dieser aber, der doch mit der Absicht ge- kommen war, sie schonend auf das Furchtbare vor- zubereiten, schien diese Absicht plötzlich aufgegeben zu haben. „Miß Morgan ist tot,“ sagte er ohne Um- schweife, „auf bisher unaufgeklärte Weise muß sie gleich nach ihrer Ankunft hier Mördern in die Hände gefallen sein. Man fand ihren Leichnam im Meer.“ Die Gräfin starrte ihn wie entgeistert an. Ihre weißgewordenen Lippen bewegten sich, aber sie brachte keinen Laut heraus. Plötzlich schwankte sie und sank, ehe man es hindern konnte, bewußtlos zu Boden. Ländcrnann half Helene, die vor Schreck an allen Gliedern zitterte, die Ohnmächtige auf ein Sofa zu legen. „Machen Sie ihr kalte Umschläge,“ sagte er, „und wenn sie zu sich kommt, rufen Sie ihre Bofe. Sie aber, Fräulein Biron, bleiben dann bei dem Kind drüben ...“ „Sie hätten es ihr nicht so schonungslos sagen dürfen,“ murmelte Helene vorwurfsvoll. „Sie woll- ten ja doch ... „Machen Sie mir keine Vorwürfe,“ antwortete er, ohne sie anzusehen. „Glauben Sie mir, ich konnte im Moment nicht anders handeln! Und nun noch eins. Ich wohne drüben in Via del Mare bei der Witwe Filippi — jedes Kind wird Ihnen das Haus zeigen — wollen Sie mir versprechen, keinen Schritt zu tun, ohne mich vorher reiständigt zu haben? Der Gräfin wird es einfallen, abe mals pötzlich abreisen zu wollen. In diesem Fall bitte ich Sie dringend, nicht mitzugehen — lieber kündigen Sie sofort ihre Stellung! Wollen Sie mir das versprechen?“ Ja“. Helene sagte es mechanisch, fast ohne Ueberlegung. „Aber was haben Sie? Sie sind so seltsam ...“ „Es ist vieles seltsam,“ murmelte er, „und ehe ich nicht flar sehe — aber darüber wollen wir jetzt nicht reden. Vergessen Sie die Adreise nicht: Via del Mare, Witwe Filippi. Und nun adieu!“ Er drückte ihr die Hand und entfernte sich hastig. Eine Stunde später gab er ein Telegramm an seinen Freund Silas Hempel in Wien auf. „Wenn du frei bist, komme sofort. Brauche dich dringend hier. Via del Mare Nummer 8. Lindemann.“ Zur selben Beit saß die Gräfin in ihrem Salon zwei Polizeibeamten gegenüber und erteilte die Ge- wünschten Auskünfte. Es war wenig genug und nichts, das irgendwie Licht über den Tod Harriet Morgans hätte verbreiten können. Sie hatte von der Ankunft ihrer Schwester keine Ahnung gehabt. Die letzten Briefe zwischen ihnen waren vor zwei Monaten gewechselt worden. Damals befand sich die Gräfin noch in Mendowan und Har- riet in Newyork. In Neapel war die Gräfin erst vor wenigen Tagen angelangt, erwartete ihren Gat- ten und hatte das Hotel erwiesenermaßen bisher überhaupt nicht verlassen. Daß ihre Schwester Jie besuchen wollte, hatte sie erst von Herrn Lindemann zugleich mit der Todesnachricht erfahren. Fünftes Kapitel. Peter Lindemann und sein Freund Slas Hem- p.., der vor einigen Stunden in Neapel ange- kommen war, sahen im eifrigsten Gespräche hintzer verschlossenen Türen in Lindemanns Schlafzimmer b. ammen. Man hatte dieses Gemach gewählt, weil es das letzte der drei gemieketen Zimmer war, und mian durch die beiden anderen anstoßenden Räume, deren Türen Lindemann offen ließ, vor etwaigen nengierigen Lauschern gesichert war. Lindemann rauchte in der Erregung eine Bi- garette nach der andern. Silas Hempel, dem man keine Spur von Ermüdung ansah, obwohl er die Resse von Wien ohne Unterbrechung zurückgelegt hatte, lehnte mit halbgeschloffenen Augen in seinem Stuhl und nahm nur von Beit zu Zeit eine Prise aus der altväterischen Tabaidose.
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