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Erscheint mit Ausnahme der Sonn- und Jeiertage täglich mit dem Datum des darauffolgenden Tages. Zuschriften und Berichte für die nächste Nummer werden bis 8 Uhr vormittags, Anzeigen bis spätestens 9 Uhr vormittags angenom- men. Schriftleitung bezw. Verwaltung Untere Selbergasse 420. Fernsprechanschluß Nr. 56. Freitag, den 10 September 1320. Deutsches Tagblatt. Bezugsbedingungen: für Asch samt Zustellung in Hans: vierteljährlich 19.86 K mit Postzusendung im Inland und Deutschösterreich 13 im Ausland39 Einzelnummer 30 h Sonntagsnummer 40 Ar. 208 57. Jahrgung. Ueber sümtliche Grenzbezirke das Standrecht verhüngt. wird, tritt die Notwendigkeit ein, gemäß § 15 des Gesetzes vom 18. März 1920, Nr. 188 G. u. V., für die Verfolgung der schmuggelhaften Ausfuhr von Bedarfsgegenständen in das Ausland für die in die- sem Gesetze angeführten Verbrechen für alle poli- tischen Grenzbezirke das Standrecht, in- soweit es nicht schon bereits in der Slowakei und Karpathorußland geschehen ist, zu verhängen. Die Kundmachung des Standrechtes haben die Organe der politischen Verwaltung vorzunehmen und den Militärkommandos bekanntzugeben, damit sie die ihnen unterstehenden Korporationen hievon in Kennt- Prag, 9. September. Die Regierung hat über alle politischen Grenzbezirke der tschechoflowakischen Republik das Standrecht verhängt. Diese strenge Maßregel richtet sich angeblich besonders gegen den Schmuggel. — klärte einem Mitarbeiter des „Az. Est“ gegenüber, daß das Divisionsgericht bloß bezüglich des Ange- klagten Oberleutnant Hüttner das Urteil fällen werde. Bezüglich der übrigen Angeklagten werde die En- scheidung vertagt werden, bis die Frage geklärt sei. ob die Betreffenden vor das Militär- oderZivi gericht gehören. Amtlich wird folgender Beschluß des Ministerrates vom 7. September verlautbart: Da die schmugglerische Ausfuhr von Bedarfsgegenständen ins Ausland trotz aller Kontrolle und Strafverfügungen einen solchen Umfang angenommen hat, daß die ordentliche Ver- sorgung der Bevölkerung insbesondere gegenwärtig mach der Ernte mit Feldfrüchten in Frage gestellt Die Plüne des Herrn Englisch. Eine Zwangsorganisation für Wohnungsbauten. Mähr.=Ostrau, 9. September. Der Finanzminister Dr. Englisch hielt heute in einer nationaldemo- tratischen Versammlung eine Rede, in welcher er ausführte: Auf die Privatunternehmun- gen können wir beim Bau von Wohnstätten nicht rechnen. Nicht einmal tausend Häuser könn- ten eute etwas nützen; Prag allein brauche 7000. Es müsse zum Wohnungsbau eine Zwangsorga- nisation geschaffen werden und diese ist bereits in Vorbereitung. Wir versuchen diktatorisch oder organisatorisch, daß sie ins Leben gerufen wird. Die Investitionen müssen auf Kredit vorgenom- men werden. Wir werden eine Investitionsan- leihe zum Hausbau ausschreiben. Wir rechnen in diesem Falle auf die Hilfe der Tschechen an Aeia, die wir auffordern werden, in dieser Anleihe wenigstens einen 14tägigen Lohn fest an- zulegen; dadurch würden wir 300 Millionen Dollar erhalten. Eine neue Note wegen Oberschlesien. Berlin, 9. September. Die deutsche Friedens- delegation in Paris hat der Friedenskonferenz eine Note überreicht, in der die deutsche Regierung die verbündeten Regierungen nachdrücklichst darauf auf- merksam macht, daß ihr die Erfüllung der von ihr eingegangenen Kohlenlieferungsverpflichtungen un- möglich gemacht werde, wenn die Kohlenproduktion, die ihr zur Zeit der Verhandlung von Spaa zur Verfügung stand, verringert wird. Diese Voraus- setzung sei durch die immer ernster werdende Lage in Oberschlesien eingetreten. Die deutsche Re- gierung richtet deshalb an die verbündeten Regie- rungen die dringende Bitte, unverzüglich die in der Note vom 21. und 25. August geforderten Maßnahmen zu ergreifen. Berlin, 9. September. Nach gestern eingelangten Meldungen soll die interalliierte Kommission Koh- sensendungen aus Oberschlesien gesperrt haben. Litauische Erfolge über die Polen. Kopenhagen, 8. September. „Politiken“ meldet aus Warschau: Die Polen sind im Norden vor den Litauern bis südlich von Suwalki zurückgegan- gen. Auch Grodno wurde von den Polen mili- tärisch geräumt. Für das Selbstbestimmungsrecht der Iren. London, 9. September. „Daily Chronikle“ meldet aus Newyork, daß der demokratische Präsidentschafts- kandidat in einer Rede sich zugunsten des Selbst- bemungsrechtes der Iren ausgesprochen Rudolf Mosse gestorben. Berlin, 9. September. Der Herausgeber des „Bertiner Tageblatt“ Rudolf Mosse, ist ge- stern im Alter von 77 Jahren gestorben. Flucht deutscher Familien aus Oberschlesien. Kattowitz, 8. September. In den Landkreisen hat sich zum Teil die Lage so verschärft, daß z ahl- reiche deutsche Familien, die bis jetzt trotz aller Verfolgungen in ihrer Heimat ausgeharrt hatten, die Flucht ergreifen. Aus Bittkow bei Mi- chalkowitz sind in den letzten Tagen allein 25 deutsche Faridien ausgewandert, da sie bei den fortgesetzten Dwohungen der Polen für ihr Leben fürchten muß- ten. In vielen Geshen ruht der Schulbetrieb vonlständig, die Kinder der Polen sich wei- gern, sich in deutscher Sprache unterrichten zu lassen. Erhebungen gegen die Sowjetherrschaft. Riga, 8. September. Nach Meldungen, die in Riga eingetroffen sind, ist es an verschiedenen Punk- ten Südrußlands zu blutigen Erhebungen gegen die gegenwärtige Sowjetregierung ge- kommen. Auch in der Gegend von Moskau brachen Revviten aus, die mit der größten Grausam- keit unterdrückt wurden. In der Garnison von Zarizyn brach unter den Truppen eine Meuterei aus, die von langer Hand vorbereitet worden war. Esgelang den Aufständischen, die Revolten in allen ihren Einzelheiten vorzubereiten. Die Stadt Zari- zyn ist gegenwärtig von den aufständischen Frupven besetzt, denen sich aufständische Bau- ern angeschlossen haben. Aus Moskau sind bereits lettische und chinesische Truppenkörper entsandt, num der Bewegung Herr zu werden. nis setzen. Erdbebenkatastrophe in Stalien. Die deutschen Erdbebenwarten haben, wie wir schon gestern berichteten, am Dienstag früh über- einstimmend heftige Beben gemeldet, deren Wirkung z. T. als katastrophal angesagt worden war. Als Herd ist wieder einmal Italien zu verzeichnen, vorwiegend das italienische Küstengebiet. Die Fest- stellungen der deutschen Erdbebenwarten haben sich vollauf bestätigt. Die Verheerungen, die die Katastrophe angerichtet hat, sind groß und bedeuten eine ungeheure Verschlimmerung des sozialen Elends der Bevölkerung. Wir lassen die neuesten Meldungen hier folgen: Zahlreiche Dörfer zerstört. Basel, 8. September. Der „Corriere della Sera“. berichtet: Die Erdbebenkatastrophe, die am Dienstag- vormittag zwischen 6 und 7 Uhr Toscana und das italienische Küstengebiet heimsuchte, stellt sich als außerordentlich folgenschwer heraus. Die Erdstöße dauerten in rascher Folge minutenlang und führten in der Gegend von Forli zum Ein- sturze von zahlreichen Gebäuden und Kir- chen. Acht Dörfer in der Umgebung sind größten- teils zerstört, unter den Trümmern liegen Hun- derte von Opfern, deren Bergung große Schwie- rigkeiten bereitet. Eine umfassende Hilfsaktion ist eingeleitet. Im Marmorgebiet von Carara wurden mehrere Arbeiterhäuser verschüttet. 20 Tote und gegen hundert Verletzte wurden bisher ge- borgen. Die Bevölkerung kampiert im Freien. Die Stadt Rivercaglia ist teilweise zerstört, die Kirche eingestürzt. Mehrere Dörfer in der Umgebung sind dem Erdboden gleichgemacht. Von dem Dorfe Anlio stehen nur noch Trümmer. Truppen sind zur Hilfeleistung abgerückt, alle verfügbaren Aerzte wur- den nach Toscana entsandt. Paris, 9. September. Nach einer Havasmeldung ist auch Marokko und die Küste von Algerien von einem heftigen Erdbeben heimgesucht worden, das Schaden angerichtet hat. Nach Schweizer Blätter- meldungen wurde das Beben auch in allen an der italienisch-schweizerischen Grenze liegenden Orten der Schweiz wahrgenommen, besonders in Interlaken. Ebenso wurden die Erschütterungen an der franzö- sischen Riviera wahrgenommen. Neue Erdstöße. Rom, 9. September. Gestern am frühen Mor- gen wurde in einigen Orten der Provinz Piemont ein ziemlich heftiges Erdbeben verspürt. Man mel- det einige Opfer. Hilfe ist abgesandt worden. Nizza, 9. September. Gestern morgen wurde an der ganzen Küste ein leichtes Erdbeben verspürt. Schaden ist nicht zu verzeichnen. Von der französischen Sozialdemokratie. Paris, 9. September. Der ständige Verwaltungs- ausschuß der sozialistischen Parteien hat sich in einer bis Mitternacht währenden Geheimsitzung mit der Frage des Eintrittes in die dritte Internationale beschäftigt. Es wurde beschlossen, die ganze fran- zösische sozialistische Partei über die Frage des Bei- lassen. Hoover für den Völkerbund. Paris, 9. September. „Agence Havas“ meldet aaus Newyork: Soover hat anläßlich der Marne- feier in der amerikanischen Militärakademie erklärt, er sei überzeugt, daß die überwiegende Mehrheit des Landes für den Eintritt Amerikas in den Völker- bund sei. Der Völkerbund als Schiedsrichter. Paris, 9. September. Wie der „Matin“ aus London berichtet, wird sich der Völkerbund mit dem volnisch-litauischen Streitfall beschäftigen. Der Fall sei deshalb schwierig, weil Litauen nicht Mitglied des Völkerbundes sei und infolgedessen sich weigern könnte, den Schiedsspruch des Völkerbundes anzunehmen. Es erscheint zweifelhaft, ob man in diesem Falle den Wirtschaftsboykott gegen Litauen anwenden könne. Wenn sich die Angelegenheit nicht gütlich beilegen wird, wird sich der am 17. Sep- tember in Paris zusammentretende Völkerbundrat mit ihr befassen. Das Beweisverfahren im Tisza-Prozeß geschlossen. Budavest, 8. September. Das Budapester Tivi- sionsgericht hat das Beweisverfahren i Tisza-Prozeß beendet. Nach den Playdoiers wird der Gerichtshof zur Urteilsfällung schreiten. Der Justizminister er- Der russisch-polnische Krieg. Die Erwartungen, die Polen auf die Ergebniſs- seiner Offensive gesetzt hat, daß es nämlich vorbei sei mit der russischen Stoßkraft, und daß die Be- endigung des Feldzuges noch vor dem Winter er- folgen würde, scheinen sich nicht zu erfüllen. Wenig- stens liegen heute Meldungen vor, aus denen er- sichtlich ist, daß Rußland gar nicht daran denkt, die Hoffnung auf seinen endgültigen Sieg über Polen aufzugeben. Die bolschewistische Regierung macht vielmehr, nicht zuletzt wohl um ihrer selbr willen, alle Anstrengungen, die erlittenen Rückschläge wieder auszugleichen. Neue russische Vorbereitungen. Basel, 8. September. Eine Pariser Havasmen- dung besagt, daß die Russen neuerdings Truppen zu- sammenziehen, um eine Gegenoffensive zu unter- nehmen. In Wolhynien sind innerhalb einiger Tage über zehn frische russische Divisionen festgestellt worden. Im Bugabschnitt haben die Bolschewisten mit starken Kräften angegriffen und örtliche Erfvlge erzielt. Schwere Kämpfe am Onjestr. Basel, 8. September. Der „Matin“ hört aus Warschau: Um die Uebergänge des Vnjestv finden schwere Kämpfe statt. Die Heerstraße von Brody nach Dubno ist von den Polen überschritten. Im nördlichen Abschnitt der Front beginnen die Bol- schewisten eine Umgruppierung vorzunehmen. Die polnische Heeresleitung erwartet hier eine Ge- genoffensive der Russen zur Entlastung der geschlagenen Südarmee. Eine Kundgebung von Deutsch- böhmen aus dem Reiche. Zusage treuer Kampfbereitschaft. Der Reichsverband der Deutschen aus dem ehe- maligen Gebiete der österreichisch-ungarischen Monar- chie mit dem Sitze in Essen nahm in der letzten Sitzung, unter Vorsitz Ludwig Petzold's, drei Entschließungen an, von denen eine die Forderungen der Deutschen in der tschechoslowakischen Republik betrifft. Die Deutschen aus der tschechoslowakischen Re- publik legen darin Verwahrung ein: 1. Gegen die Vergewaltigung des geschlossenen deutschen Stammgebietes durch den Gewaltfrieden von St. Germain und Versailles; 2. gegen die mit Gewalt aufgezwungene, ohne Mit- wirkung der Deutschen zustande gebrachte Ver- fassung der tschechoflowatischen Republik, welche die Deutschen ihrer natürlichen Rechte beraubt; 3. gegen die Besetzung des deutschen Gebietes durch Tschechen und 4. gegen die Absicht, daß das Deutschtum, web- chem der gegenwärtige Staat sowohl in kultu- reller als auch in wirtschaftlicher Beziehung so- viel verdankt, weiterhin vergewaltigt und unter- drückt werde. Weiter fordert die Resolution, daß den Deutschen das Selbstbestimmungsrecht verbürgt und, inso- lange es nicht durchgesetzt wird, wenigstens so- fort die Selbstverwaltung bei einer gerechten sprachlichen Abgrenzung gewährt wird; 2. daß den deutschen Minderheiten vollkommenen Schutz geboten wird und zwar sowohl den Deut- schen in den einzelnen Gebieten, als auch in den nationalen Sprachinseln. Die Deutschen aus der tschechoſlowakischen Repu- blik erklären in der Resolution, daß sie für ihre Forderungen mit allen erlaubten Mitteln bis dem Augenblicke kämpfen werden, in welchem si- dieselben durchsetzen. Sie sagen ihren Mitbürgern in der tschechoslowakischen Republik, welche gegen ihren Willen der Republik angeschlossen wurden, ihre Hilfe zu. Die Bewegung in Italien. Vermittlungsantrag einer Lohnerhöhung. Rom, 8. September. Die Situation ist noch nicht geklärt. Die Blätter setzen große Hoffnungen in einen neuen Antrag des Industrieministers, der eine Lohnerhöhung um 20 Prozent zugun- sten der kooperativen Genossenschaften empfiehlt, de- ren Schaffung sich die Industriellen nicht widersetzen würden. Die Fabrikanten lehnen direkte Verhand- lungen mit den Arbeitern ab, solange diesedie Fabriken nicht geräumt haben. Tote und Verletzte in Mailand. Der „Züricher Tagesanz.“ meldet aus Mailand: Ueber die Lombardei wurde der Belagerungs- zustand verhängt. In Mailand fanden Zusam- menstöße mit Militär statt, wobei es 33 Tote und etwa hundert Verletzte gegeben hat. Rom, 9. September. Die Situation hat sich gebessert. In Mailand ist die Arbeiterschaft in ünterhandlungen mit den Unternehmern
Dateiname: 
ascher-zeitung-1920-09-10-n208_1385.jp2