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Deutschösterreich 13
im Ausland39
Einzelnummer 30 h
Sonntagsnummer 40
Ar. 208
57. Jahrgung.
Ueber sümtliche Grenzbezirke das Standrecht verhüngt.
wird, tritt die Notwendigkeit ein, gemäß § 15 des
Gesetzes vom 18. März 1920, Nr. 188 G. u. V.,
für die Verfolgung der schmuggelhaften Ausfuhr von
Bedarfsgegenständen in das Ausland für die in die-
sem Gesetze angeführten Verbrechen für alle poli-
tischen Grenzbezirke das Standrecht, in-
soweit es nicht schon bereits in der Slowakei und
Karpathorußland geschehen ist, zu verhängen. Die
Kundmachung des Standrechtes haben die Organe
der politischen Verwaltung vorzunehmen und den
Militärkommandos bekanntzugeben, damit sie die
ihnen unterstehenden Korporationen hievon in Kennt-
Prag, 9. September. Die Regierung
hat über alle politischen Grenzbezirke der
tschechoflowakischen Republik das Standrecht
verhängt. Diese strenge Maßregel richtet sich
angeblich besonders gegen den Schmuggel. —
klärte einem Mitarbeiter des „Az. Est“ gegenüber,
daß das Divisionsgericht bloß bezüglich des Ange-
klagten Oberleutnant Hüttner das Urteil fällen werde.
Bezüglich der übrigen Angeklagten werde die En-
scheidung vertagt werden, bis die Frage geklärt sei.
ob die Betreffenden vor das Militär- oderZivi
gericht gehören.
Amtlich wird folgender Beschluß des Ministerrates
vom 7. September verlautbart: Da die schmugglerische
Ausfuhr von Bedarfsgegenständen ins Ausland trotz
aller Kontrolle und Strafverfügungen einen solchen
Umfang angenommen hat, daß die ordentliche Ver-
sorgung der Bevölkerung insbesondere gegenwärtig
mach der Ernte mit Feldfrüchten in Frage gestellt
Die Plüne des Herrn Englisch.
Eine Zwangsorganisation
für Wohnungsbauten.
Mähr.=Ostrau, 9. September. Der Finanzminister
Dr. Englisch hielt heute in einer nationaldemo-
tratischen Versammlung eine Rede, in welcher er
ausführte: Auf die Privatunternehmun-
gen können wir beim Bau von Wohnstätten
nicht rechnen. Nicht einmal tausend Häuser könn-
ten eute etwas nützen; Prag allein brauche 7000.
Es müsse zum Wohnungsbau eine Zwangsorga-
nisation geschaffen werden und diese ist bereits
in Vorbereitung. Wir versuchen diktatorisch oder
organisatorisch, daß sie ins Leben gerufen wird. Die
Investitionen müssen auf Kredit vorgenom-
men werden. Wir werden eine Investitionsan-
leihe zum Hausbau ausschreiben. Wir rechnen
in diesem Falle auf die Hilfe der Tschechen
an Aeia, die wir auffordern werden, in dieser
Anleihe wenigstens einen 14tägigen Lohn fest an-
zulegen; dadurch würden wir 300 Millionen Dollar
erhalten.
Eine neue Note wegen Oberschlesien.
Berlin, 9. September. Die deutsche Friedens-
delegation in Paris hat der Friedenskonferenz eine
Note überreicht, in der die deutsche Regierung die
verbündeten Regierungen nachdrücklichst darauf auf-
merksam macht, daß ihr die Erfüllung der von ihr
eingegangenen Kohlenlieferungsverpflichtungen un-
möglich gemacht werde, wenn die Kohlenproduktion,
die ihr zur Zeit der Verhandlung von Spaa zur
Verfügung stand, verringert wird. Diese Voraus-
setzung sei durch die immer ernster werdende Lage
in Oberschlesien eingetreten. Die deutsche Re-
gierung richtet deshalb an die verbündeten Regie-
rungen die dringende Bitte, unverzüglich die in der
Note vom 21. und 25. August geforderten Maßnahmen
zu ergreifen.
Berlin, 9. September. Nach gestern eingelangten
Meldungen soll die interalliierte Kommission Koh-
sensendungen aus Oberschlesien gesperrt
haben.
Litauische Erfolge über die Polen.
Kopenhagen, 8. September. „Politiken“ meldet
aus Warschau: Die Polen sind im Norden vor den
Litauern bis südlich von Suwalki zurückgegan-
gen. Auch Grodno wurde von den Polen mili-
tärisch geräumt.
Für das Selbstbestimmungsrecht der Iren.
London, 9. September. „Daily Chronikle“ meldet
aus Newyork, daß der demokratische Präsidentschafts-
kandidat in einer Rede sich zugunsten des Selbst-
bemungsrechtes der Iren ausgesprochen
Rudolf Mosse gestorben.
Berlin, 9. September. Der Herausgeber des
„Bertiner Tageblatt“ Rudolf Mosse, ist ge-
stern im Alter von 77 Jahren gestorben.
Flucht deutscher Familien aus Oberschlesien.
Kattowitz, 8. September. In den Landkreisen
hat sich zum Teil die Lage so verschärft, daß z ahl-
reiche deutsche Familien, die bis jetzt trotz
aller Verfolgungen in ihrer Heimat ausgeharrt hatten,
die Flucht ergreifen. Aus Bittkow bei Mi-
chalkowitz sind in den letzten Tagen allein 25 deutsche
Faridien ausgewandert, da sie bei den fortgesetzten
Dwohungen der Polen für ihr Leben fürchten muß-
ten. In vielen Geshen ruht der Schulbetrieb
vonlständig, die Kinder der Polen sich wei-
gern, sich in deutscher Sprache unterrichten zu lassen.
Erhebungen gegen die Sowjetherrschaft.
Riga, 8. September. Nach Meldungen, die in
Riga eingetroffen sind, ist es an verschiedenen Punk-
ten Südrußlands zu blutigen Erhebungen
gegen die gegenwärtige Sowjetregierung ge-
kommen. Auch in der Gegend von Moskau brachen
Revviten aus, die mit der größten Grausam-
keit unterdrückt wurden. In der Garnison von
Zarizyn brach unter den Truppen eine Meuterei
aus, die von langer Hand vorbereitet worden war.
Esgelang den Aufständischen, die Revolten in allen
ihren Einzelheiten vorzubereiten. Die Stadt Zari-
zyn ist gegenwärtig von den aufständischen
Frupven besetzt, denen sich aufständische Bau-
ern angeschlossen haben. Aus Moskau sind bereits
lettische und chinesische Truppenkörper entsandt,
num der Bewegung Herr zu werden.
nis setzen.
Erdbebenkatastrophe in Stalien.
Die deutschen Erdbebenwarten haben, wie wir
schon gestern berichteten, am Dienstag früh über-
einstimmend heftige Beben gemeldet, deren Wirkung
z. T. als katastrophal angesagt worden war. Als
Herd ist wieder einmal Italien zu verzeichnen,
vorwiegend das italienische Küstengebiet. Die Fest-
stellungen der deutschen Erdbebenwarten haben sich
vollauf bestätigt. Die Verheerungen, die die
Katastrophe angerichtet hat, sind groß und bedeuten
eine ungeheure Verschlimmerung des sozialen Elends
der Bevölkerung. Wir lassen die neuesten Meldungen
hier folgen:
Zahlreiche Dörfer zerstört.
Basel, 8. September. Der „Corriere della Sera“.
berichtet: Die Erdbebenkatastrophe, die am Dienstag-
vormittag zwischen 6 und 7 Uhr Toscana und
das italienische Küstengebiet heimsuchte, stellt
sich als außerordentlich folgenschwer heraus.
Die Erdstöße dauerten in rascher Folge minutenlang
und führten in der Gegend von Forli zum Ein-
sturze von zahlreichen Gebäuden und Kir-
chen. Acht Dörfer in der Umgebung sind größten-
teils zerstört, unter den Trümmern liegen Hun-
derte von Opfern, deren Bergung große Schwie-
rigkeiten bereitet. Eine umfassende Hilfsaktion ist
eingeleitet. Im Marmorgebiet von Carara wurden
mehrere Arbeiterhäuser verschüttet. 20 Tote und
gegen hundert Verletzte wurden bisher ge-
borgen. Die Bevölkerung kampiert im Freien. Die
Stadt Rivercaglia ist teilweise zerstört, die Kirche
eingestürzt. Mehrere Dörfer in der Umgebung sind
dem Erdboden gleichgemacht. Von dem Dorfe Anlio
stehen nur noch Trümmer. Truppen sind zur
Hilfeleistung abgerückt, alle verfügbaren Aerzte wur-
den nach Toscana entsandt.
Paris, 9. September. Nach einer Havasmeldung
ist auch Marokko und die Küste von Algerien
von einem heftigen Erdbeben heimgesucht worden,
das Schaden angerichtet hat. Nach Schweizer Blätter-
meldungen wurde das Beben auch in allen an der
italienisch-schweizerischen Grenze liegenden Orten der
Schweiz wahrgenommen, besonders in Interlaken.
Ebenso wurden die Erschütterungen an der franzö-
sischen Riviera wahrgenommen.
Neue Erdstöße.
Rom, 9. September. Gestern am frühen Mor-
gen wurde in einigen Orten der Provinz Piemont
ein ziemlich heftiges Erdbeben verspürt. Man mel-
det einige Opfer. Hilfe ist abgesandt worden.
Nizza, 9. September. Gestern morgen wurde an
der ganzen Küste ein leichtes Erdbeben verspürt.
Schaden ist nicht zu verzeichnen.
Von der französischen Sozialdemokratie.
Paris, 9. September. Der ständige Verwaltungs-
ausschuß der sozialistischen Parteien hat sich in einer
bis Mitternacht währenden Geheimsitzung mit der
Frage des Eintrittes in die dritte Internationale
beschäftigt. Es wurde beschlossen, die ganze fran-
zösische sozialistische Partei über die Frage des Bei-
lassen.
Hoover für den Völkerbund.
Paris, 9. September. „Agence Havas“ meldet
aaus Newyork: Soover hat anläßlich der Marne-
feier in der amerikanischen Militärakademie erklärt,
er sei überzeugt, daß die überwiegende Mehrheit
des Landes für den Eintritt Amerikas in den Völker-
bund sei.
Der Völkerbund als Schiedsrichter.
Paris, 9. September. Wie der „Matin“ aus
London berichtet, wird sich der Völkerbund mit dem
volnisch-litauischen Streitfall beschäftigen.
Der Fall sei deshalb schwierig, weil Litauen nicht
Mitglied des Völkerbundes sei und infolgedessen sich
weigern könnte, den Schiedsspruch des Völkerbundes
anzunehmen. Es erscheint zweifelhaft, ob man in
diesem Falle den Wirtschaftsboykott gegen Litauen
anwenden könne. Wenn sich die Angelegenheit nicht
gütlich beilegen wird, wird sich der am 17. Sep-
tember in Paris zusammentretende Völkerbundrat
mit ihr befassen.
Das Beweisverfahren im Tisza-Prozeß
geschlossen.
Budavest, 8. September. Das Budapester Tivi-
sionsgericht hat das Beweisverfahren i Tisza-Prozeß
beendet. Nach den Playdoiers wird der Gerichtshof
zur Urteilsfällung schreiten. Der Justizminister er-
Der russisch-polnische Krieg.
Die Erwartungen, die Polen auf die Ergebniſs-
seiner Offensive gesetzt hat, daß es nämlich vorbei
sei mit der russischen Stoßkraft, und daß die Be-
endigung des Feldzuges noch vor dem Winter er-
folgen würde, scheinen sich nicht zu erfüllen. Wenig-
stens liegen heute Meldungen vor, aus denen er-
sichtlich ist, daß Rußland gar nicht daran denkt,
die Hoffnung auf seinen endgültigen Sieg über
Polen aufzugeben. Die bolschewistische Regierung
macht vielmehr, nicht zuletzt wohl um ihrer selbr
willen, alle Anstrengungen, die erlittenen Rückschläge
wieder auszugleichen.
Neue russische Vorbereitungen.
Basel, 8. September. Eine Pariser Havasmen-
dung besagt, daß die Russen neuerdings Truppen zu-
sammenziehen, um eine Gegenoffensive zu unter-
nehmen. In Wolhynien sind innerhalb einiger
Tage über zehn frische russische Divisionen
festgestellt worden. Im Bugabschnitt haben die
Bolschewisten mit starken Kräften angegriffen und
örtliche Erfvlge erzielt.
Schwere Kämpfe am Onjestr.
Basel, 8. September. Der „Matin“ hört aus
Warschau: Um die Uebergänge des Vnjestv
finden schwere Kämpfe statt. Die Heerstraße von
Brody nach Dubno ist von den Polen überschritten.
Im nördlichen Abschnitt der Front beginnen die Bol-
schewisten eine Umgruppierung vorzunehmen.
Die polnische Heeresleitung erwartet hier eine Ge-
genoffensive der Russen zur Entlastung der
geschlagenen Südarmee.
Eine Kundgebung von Deutsch-
böhmen aus dem Reiche.
Zusage treuer Kampfbereitschaft.
Der Reichsverband der Deutschen aus dem ehe-
maligen Gebiete der österreichisch-ungarischen Monar-
chie mit dem Sitze in Essen nahm in der letzten
Sitzung, unter Vorsitz Ludwig Petzold's, drei
Entschließungen an, von denen eine die Forderungen
der Deutschen in der tschechoslowakischen Republik
betrifft.
Die Deutschen aus der tschechoslowakischen Re-
publik legen darin Verwahrung ein:
1. Gegen die Vergewaltigung des geschlossenen
deutschen Stammgebietes durch den Gewaltfrieden
von St. Germain und Versailles;
2. gegen die mit Gewalt aufgezwungene, ohne Mit-
wirkung der Deutschen zustande gebrachte Ver-
fassung der tschechoflowatischen Republik, welche
die Deutschen ihrer natürlichen Rechte beraubt;
3. gegen die Besetzung des deutschen Gebietes durch
Tschechen und
4. gegen die Absicht, daß das Deutschtum, web-
chem der gegenwärtige Staat sowohl in kultu-
reller als auch in wirtschaftlicher Beziehung so-
viel verdankt, weiterhin vergewaltigt und unter-
drückt werde.
Weiter fordert die Resolution, daß den Deutschen
das Selbstbestimmungsrecht verbürgt und, inso-
lange es nicht durchgesetzt wird, wenigstens so-
fort die Selbstverwaltung bei einer gerechten
sprachlichen Abgrenzung gewährt wird;
2. daß den deutschen Minderheiten vollkommenen
Schutz geboten wird und zwar sowohl den Deut-
schen in den einzelnen Gebieten, als auch in
den nationalen Sprachinseln.
Die Deutschen aus der tschechoſlowakischen Repu-
blik erklären in der Resolution, daß sie für ihre
Forderungen mit allen erlaubten Mitteln bis
dem Augenblicke kämpfen werden, in welchem si-
dieselben durchsetzen. Sie sagen ihren Mitbürgern
in der tschechoslowakischen Republik, welche gegen
ihren Willen der Republik angeschlossen wurden, ihre
Hilfe zu.
Die Bewegung in Italien.
Vermittlungsantrag einer Lohnerhöhung.
Rom, 8. September. Die Situation ist noch nicht
geklärt. Die Blätter setzen große Hoffnungen in
einen neuen Antrag des Industrieministers, der
eine Lohnerhöhung um 20 Prozent zugun-
sten der kooperativen Genossenschaften empfiehlt, de-
ren Schaffung sich die Industriellen nicht widersetzen
würden. Die Fabrikanten lehnen direkte Verhand-
lungen mit den Arbeitern ab, solange diesedie
Fabriken nicht geräumt haben.
Tote und Verletzte in Mailand.
Der „Züricher Tagesanz.“ meldet aus Mailand:
Ueber die Lombardei wurde der Belagerungs-
zustand verhängt. In Mailand fanden Zusam-
menstöße mit Militär statt, wobei es 33 Tote und
etwa hundert Verletzte gegeben hat.
Rom, 9. September. Die Situation hat sich
gebessert. In Mailand ist die Arbeiterschaft in
ünterhandlungen mit den Unternehmern
Dateiname:
ascher-zeitung-1920-09-10-n208_1385.jp2