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Seite 5 daß die Amnestie den Verurteilten auch die Man- date zurückgegeben hätte. Aber auch diese Ausle- gung ist unhaltbar. Wohl geht die juristische Theo- rie bei der Begründung des Mandatsverlustes durch eine Verurteilung auseinander und gibt zweierlei Be- gründungen: Die eine Ansicht geht dahin, daß ein verurteilter Abgeordneter das Mandat deshalb ver- liere, weil ihm durch das Urteil die Wählbarkeit entzogen wird und der Verlust der Wählbarkeit not- wendig auch den Verlust des Mandates nach sich ziehen müsse; die andere Richtung sagt, daß der Mandatsverlust herbeigeführt werde durch den Verlust jedes öffentlichen Amtes und Dienstes, den das Strafgesetz als Folge einer Verurteilung we- gen eines Verbrechens verhängt. Man sieht aber, daß es im vorliegenden Falle ziemlich gleichgültig ist, für welche Auslegung man sich entscheidet. Denn nach beiden ist es unzweifelhaft, daß die wegen des Verbrechens des Hochverrates oder des Verbrechens gegen die Kriegsmacht des Staates verurteilten tsche- chischen Abgeordneten ihr Mandat verloren haben. Wenn die Tschechen ungeachtet dieser klaren Rechts- lage das Verlangen gestellt haben, die Gültigkeit der Mandate der verurteilten Abgeordneten vom Im- munitätsausschusse untersuchen zu lassen, so sind sie dabei unzweifelhaft von dem Bestreben geleitet, noch einmal die nationale Gruppierung im Abgeordneten- hause zu demonstrieren und den Beweis zu führen, daß sich eine flawische Mehrheit selbst für eine frag- würdige Sache findet, wenn diese Sache nur das nationale Mäntelchen trägt. Sie fühlen sich sicher, daß alle Slawen nach ihrer Pfeise tanzen würden und daß sie wieder einen billigen Triumph über die deut- sche Linie davontragen könnten. Die deutschen Abgeordneten blieben dieser offen- kundigen Herausforderung gegenüber kühl und es gelang ihnen durch das disziplinierte Auftreten, den Plan der Tschechen zu durchkreuzen. Sie führten im Immunitätsausschuß nicht den Eklat herbei, auf den die Tschechen gerechnet hatten, sondern beteiligten sich sachlich an den Verhandlungen. Gleichzeitig versuchte die Regierung dadurch einzugreifen, daß sie Ersatz- wahlen für die freigewordenen Mandate auszuschrei- ben beschloß. Sobald die Ersatzwahlen angeordnet sind, dürfte die ganze groß aufgebauschte Frage schnell verschwinden, denn dann wird es selbst den Tsche- chen nicht mehr gelingen, die anderen flawischen Grup- pen zu einem reinen Mutwillensakt mitzureißen. Es unterliegt natürlich keinem Zweifel, daß alle verurteil- ten Abgeordneten, die durch die Amnestie die Wähl- barkeit wiedergewonnen haben, bei Ersatzwahlen si- cher ihre Mandate wieder erhalten werden. Werden sie doch seit Wochen von der gesamten tschechischen Presse ohne Unterschied der Parteirichtung als na- tionale Märtyrer gefeiert und dieser Ton wirkt heute auf die Wähler ebenso unfehlbar, wie früher. Für die Deutschen kann es sich natürlich nicht darum handeln, den Wiedereintritt der seinerzeit ver- urteilten Abgeordneten ins Parlament überhaupt zu verhindern. Wogegen sie sich wehren mußten, war die Zumutung, den begnadigten Hochverrätern die sofortige Ausübung des verwirkten Mandates zu bewilligen. Durch ihr leidenschaftsloses Auftreten ist es gelungen, den Anschlag der Tschechen abzuwehren; die ganze Affäre lehrt aber aufs Neue, wie schwer es ist, mit den Tschechen auszukommen, deren Po- litik mit Vorbedacht darauf angelegt ist, dem Par- Die gasgefüllte otan-Lampe Die Scugmarke ufe ist die )- Die gebotene Einschränkung des Ver- brauchs an elektrischem Strom erheischt für die Beleuchtung seine höchste Aus- nutzung. Erhältlich bei: Desterr. Siemens elektr. Betriehe Asch-Bahnhof. französischer Gelangenschaft entflohen. Das II. Ersatz-Bataillon Inf.-Reg. 95, Coburg, veröffentlicht die Schicksale eines im Jahre 1915 in Coburg ausgebildeten Soldaten, der nach der Sommeschlacht in französische Gefangenschaft geriet und sich vor einigen Wochen durch eine äußerst kühne Flucht aus ihr befreit hat. In einer der späten Septembernächte 1916, als die deutschen Regimenter, die die letzte Besatzung von Combles bildeten, sich unbehindert aus den weit vorspringenden Stellungen um das zerschossene Dorf zurückzogen, geriet ein jurger Meininger, Muskelier Gutheil, verwundet in Gefangenschaft der Franzosen. Er und seine vom gleichen Schicksal betroffenen Kameraden wurden durch die fran- zösischen Stellungen zurückgeführt. Die ritterlichen Feinde nahmen ihnen schon im ersten Graben Uhren und Geld, ja sogar die Hosenträger und Uniformknöpfe ab. Nachdem sie bei der Division ergebnislos ausgefragt worden waren, kamen sie in ein Verteilungslager, in die Nachbarschaft schwerer Schiffsgeschütze, lagen Tage und Nächte unter freiem Himmel, auf der bloßen Erde ohne Decken. Wasser und Brot war das einzige, was sie bekamen. Wasser mußten sie sich in aufgegriffenen Konservenbüchsen holen. Auf dem Mar'ch ins nächste Lager nahmen ihnen die Soldaten die Mützen ab. In den Dörfern warfen Frauen und Kinder Steine nach ihnen. Gutheil war in verschiedenen Lagern. Das einzige Fleisch, was er bekam, war Pfer- defleisch, aber nicht einmal das gab es mehr als zweimal die Woche. Die Gefangenen lagen in Zelten und Holz- baracken. Tische und Bänke gab es nicht. Einige Wochen war er in einem Lazarett wegen Brustschmerzen. Weil er Fieber hatte, bekam er vier Tage nichts zu essen. So wurden alle Fieberkranken behandelt. Die Sanitätssoldaten schimpften die Kranken „cochon“ und „boches“. Es kümmerte sich keiner um sie. Als er wieder gesund war, kam er in ein Lager, in dem die Gefangenen in Schilf- baracken wohnten. Damals begann der harte Winter. Es regnete und schneite, das Wasser drang durch. Oefen waren nicht vorhanden; es gab kein Stroh, keine Unter- lage, nicht e'nmal Bänke. Die einzige Begünstigung war eine Decke. In dem nächsten Lager, in das er kam, waren die äußeren Verhältnisse besser. Dafür war die Behandlung um so roher. Ein Unteroffizier hatte einen mißglückten Fluchtversuch unternommen. Zur Strafe bekam er 30 Tage strengen Arrest. Er verbüßte ihn im Ofen einer Ziegelei. Jeden Nachmittag und jeden Morgen mußte er mit 60 Pfund schwerem Tournister drei Stunden lang im Kreis herumlaufen. Jede Stunde durfte er zehn Minuten ausruhen. Eines Sonntags mußte er diese Quälerei vor den Augen der Kameraden durchmachen. Der Wachposten schrie den Unteroffizier an, stach mit dem Bajoneit in seinen Tornister, damit er schneller liefe. Er brach zusammen. Keiner der Kameraden durfte ihm helfen, bis er — aufs neue hochgehetzt, wieder zusammenbrach. Die Gefangenen beschwerten sich beim Kapitän. Sie wurden zwar vernommen aber für ihre Aussagen mit vier Tagen Arrest bestraft, nachdem ihnen vorher ein Schreiben des Unterofftziers verlesen worden war, in dem dieser an- gab, er sei gar nicht mißhandelt worden. Natürlich war das durch Drohungen erpreßt worden. Zuletzt kam der junge Musketier in ein etwa 35 Kilometer hinter der Front gelegenes Lager. Sie mußten alte deutsche Stellungen zuwerfen und das vorgefundene Holz aufstapeln. Wenn sie bei der Arbeit ausruhten, drohte der Aufsicht führende Offizier mit Erschießen. Die Gefangenen waren 450 Mann in eine dunkle, dumpfige Höhle gepfercht, in der früher schwarze Franzosen gehaust hatten. Das Essen war so dürftig, daß eines Tages die ganze Kompagnie die Arbeit verweigerte. Der Wortführer era10 Jahre Zwangsarbeit. Zehn Monate war Gutheil bereits gefangen. Aber sein Unternehmungsgeist war nicht angegriffen durch die langen Monate. Mit seinem Kameraden Zielinsky ent- schloß er sich zur Flucht. Sie verschafften sich, was sie brauchen konnten, eine Säge, eine Drahtschere. Aus Draht und Brettern fertigten sie eine Leiter. Ein Seil hatten sie auch aufgetrieben. In einer Julinacht entwichen sie durch den Luftschacht der Höhle, einen zehn Meter langen Kamin, in den von obenher ein spanischer Reiter einge- lassen war. Mit Messer und Drahtschere zerschnitten sie Holz und Drähte und gewannen das Freie. Nun begann die Wanderung, sieben Tage und sieben Nächte. In der zweiten Nacht sahen sie in der Ferne die Leuchtkugeln der Front aufsteigen. Sie wiesen ihnen die Richtung. Am Tage versteckten sie sich in Wäldern, kampierten in einem verlassenen Unterstand, lagen in einem Granatloch neben einer französischen Batteri: im Feuer der deutschen Artillerie. Einmal verbargen sie sich, von Soldaten und Hunden verfolgt, im Dornengestrüpp eines Wäldchens. Sie lebten von etwas Brot, einer Büchse Oelſardinen und reifen Aepfeln. Endlich erreichten sie die französischen Stellun- gen, durchquerten sie und kamen in der vorletzten Nacht bis zur ersten feindlichen Linie. Sie mußten es aufgeben, in dieser Nacht den dicht besetzten Graben zu überschreiten. Noch einen Tag lagen sie in einem Granatloch, halb ver- durstet und erschöpft, und legten sich Steine auf den Mund, um sich Kühlung zu verschaffen. Die Nacht brachte ihnen die Freiheit. Die deutsche Artillerie beschoß den Graben, jagte die Posten in die Unterstände und ermöglichte den beiden Tapferen über den Graben zu kommen und in einer Sappe die deutschen Gräben zu erreichen. lament Schwierigkeiten zu bereiten und, wenn mög- lich, das Lebenslicht auszublasen. „Nein, ich konnte nicht — dazu hatte ich dich viel zu lieb. Ich wußte doch, daß du nichts dafür konntest, daß sich mein eigensinniges Herz just Ro- nald zuwenden mußte.“ Es kam nun eine wunderselige Zeit für Ronald und Lilian, eine Zeit süßer verstohlener Heimlich- keiten und leuchtenden Glückes. Das Weihnachtsfest brachte dann Georg von Strachwitz und Bobby Blount. Veva lachte und weinte in einem Atem, als sie die herrliche Brautausstattung auf ihrem Gabenti- sche fand. „Du bist so unmenschlich gut zu mir, Lilian, wie soll ich dir nur danken,“ sagte sie lachend und wei- nend. Und Georg von Strachwitz strahlte ebenfalls das helle Glück aus den Augen. Auch Georg wußte um Ronalos Verlobung mit Lilian. Nur Bobby Blount wurde sie sorglich ver- borgen gehalten, Lilian war lieb und freundlich zu ihm. Aber er wußte, daß er nichts mehr zu hof- sen hatte. Augen der Liebe sind blind — oder jetzr scharf — Bobhn Blount merkte trotz alledem, daß Lilian ihr Herz an den deutschen Edelmann verlo- ren hatte. Gleich nach dem Feste reiste er wieder ab. Dies- mal nahm er für immer Abschied von Lilian. Georg von Strachwitz blieb bis auf Neujahr. Die beiden Brautpaare hatten viel zu besprechen. Lilian, die Georg sofort eine herzliche Sympa- thie entgegenbrachte, machte diesem den Vorschlag, seinen Abschied als Offizier zu nehmen und als ihr Administrator in Kreuzberg zu wohnen, mit Geno- veva und Tante Stasi, wenn sie selbst nach Ortlin- gen ging mit Ronald. „Ich hätte auch sonst noch allerlei für Sie zu tun, Herr von Strachwitz. Mr. White ist mit sei- nem Herzen in Amerika und bleibt nur bei mir, weil er es meinem Vater versprochen hat. Er wäre froh, würde ich ihn seines Versprechens entbinden, denn er möchte sich gern in seiner Heimat selbständig machen. Ronald aber hat mit Ortlingen schon ge- nug zu tun. Ich wüßte Kreuzberg bei Ihnen in guten Händen, und — vor allem — ich brauchte mich nicht von meiner lieben Genovera zu trennen, die ja doch nicht gern in die enge Stadt zieht. Willi- gen Sie ein, so ist uns allen geholfen. An Arbeit soll es Ihnen nicht fehlen und alles andere fin- det sich.“ So sagte Lilian, und Georg von Strachwitz be- sann sich nicht lange, das verlockende Angebot an- zunehmen. „Was sagst du dazu, Ronald?“ fragte er. Ronald lachte und sah Lilian strahlend an. „Ich sage, daß meine Lilian nicht nur eine deutsche Frau, mit allen Vorzügen einer solchen, ist, sondern, daß sie sich in diesem Punkt auch als smar- te, praktische Amerikanerin gezeigt hat. Ich freue mich herzlich, Georg, wenn du Lilians Anerbieten annimmst.“ Veda war glückselig über diese neue glückliche Wendung ihres Geschidks und Tante Stasi war nicht weniger zufrieden. Es wurde also beschlossen, daß Veva Ostern Hoch- zeit halten sollte. Lilians Zimmer samt dem Turm- zimmer, sowie die Zimmer ihres Vaters sollten für sie reserviert bleiben. Alle andern Räumlichkeiten sollten dem jungen Paar und Tante Stasi zur Ver- fügung stehen. Lilian wollte dann bis zu ihrer Hochzeit in Kreuzberg bleiben. So geschah es auch. Georg reiste wieder ab, um seine Zelte abzubrechen und seinen Abschied ein- zureichen. Am Tage nach seiner Abreise fuhr Li- lian mit Veva und Tante Stasi nach Ortlingen hin- über. Hand in Hand trat Ronald mit Lilian vor das Bild seiner Mutter. „Gelt, Mutter, das ist die Rechte? Sie soll das Glück wieder nach Ortlingen bringen,“ sagte er. Und unter dem Bild der Mutter küßten sich die Lieben- den in inniger Zärtlichkeit und heiliger Inbrunst. Wenige Wochen, nachdem Lilian Ronald von Ortlingens glückselige Frau geworden war, führte Lothar von Kreuzberg Hansi von Arnstädt an den Altar. Er hatte sich im Februar mit ihr verlobt, als sie bei der Tochter seines Obersten zu Besuch war. Und nach Lothars eigenem Ausspruch war er „ganz unverschämt glücklich“. Zwei Jahre später meldete Bobby Blount sei- ne Vermählung mit einer jungen Deutsch-Amerita- nerin. „Sie hat so schönes blondes Haar wie die frü- here Miß Lilian Croßhall,“ schrieb Bobby an Li- lian. Diese freute sich sehr. Zwischen Kreuzberg und Ortlingen schlangen sich die Bande innigster Zusammengehörigkeit. In Kreuzberg lebten Georg und Veva mit Tante Stasi in einem bescheidenen Wohlstand, und in Ortlingen wurde ein großes Haus geführt. Aber unter bei- den Dächern wohnte das Glück, und den beiden jungen Ehepaaren lachte es aus den Augen. Ende —
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