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Sette 4 Aus dem Kriegspressequartier wird gemeidet: Am 24. Oktober hat die Offensive der Verbün- deten gegen den treubrüchigen Bundesgenossen begon- nen. In wenigen Zeilen verlautbarte damals die Heeresleitung den Einbruch österreichisch-ungarischer und deutscher Infanterie in die italienischen Stellun- gen. Durch 212 Jahre hindurch hatten die Ita- liener vorher entlang einer Front von ungefähr 160 Kilometer — wenn man die Strecke vom Plöckenpaß bis zum Meere in Betracht zieht — mit wiederhol- ten Aktionen getrachtet, den Einbruch in das so heiß umstrittene Küstenland, in das liebliche Kärnten oder in der Richtung auf Laibach, welche Straße ihnen den Weg nach Wien eröffnen sollte, zu erzwingen. Vierzig Kilometer an dieser Front aber hatten sie unter dem Aufwande aller im eigenen Lande herstellbaren Mittel und zum Schluß selbst mit jeder seitens ihrer Verbündeten er- langbaren Unterstützung ununterbrochen berannt. Durch 21/2 Jahre hatten sie nur mit den ungeheuer- sten Menschenopfern vermocht — unsere Heeresleitung bewertet jeden seitens der Italiener eroberten Qua- dratkilometer mit 5400 Mann Verlusten auf dem füdlichen Teile dieser Front in einer Ausdehnung von rund 50 Kilometer um kaum 10 Kilometer im tiefsten Teile des errungenen Geländegewinnes zu- rüczudrücen. Militärische Rücksichten hatten es mit sich ge- bracht, daß zu Beginn des Feldzuges der größte Teil des von den Italienern im Anfang nur förm- lich mit spürendem Vortasten besetzten Gebietes — in der Hauptsache die Friaulische Ebene und die Sei- tentäler des oberen Isonzo bis Karfreit — zwecks Dekonomie der Kräfte kampflos dem Gegner über- lassen wurde. Hervorragende Konzeption, gleich ge- niale und ihres Erfolges sichere Führung, vom eiser- nem Willen zum Siege getragen, seltene Einmütig- keit der Verbündeten haben es mit sich gebracht, daß binnen einer Woche ein mit relativ ge- ringen Kräften angesetzter Flankenstoß am oberen Isonzo die Front zweier italienischer Armeen im ersten Ansturm zer- trümmerte und zu regelloser Flucht zwang. Die al- les niederschmetternde Wucht der Angriffskräfte der Verbündeten, die mit Rücksicht auf die schwierige Ge- Hirgsgegend doppelt hoch einzuschätzen ist und die geradezu klassisch dastehenden Marschleistungen haben im Laufe einer Woche in einem im Weltkriege bisher unerreichten Siegeslaufe die verbündeten Kräfte weit in das Feindesland hineingeführt und ihm bereits eine Perle der ober- italienischen Ebene, Udine, entrissen. In sieben Ta- gen wurde so zehnmal mehr Terraingewinn erreicht, als die Italiener in zweieinhalbjährigem Ansturme zu erringe vermochten. Wie seltsam muten allen diesen Tatsachen gegenüber die überschwenglichen Lo- besworte an, mit denen die Entente, die heute den Bandesgenoſsen mit Worten Hilfe verspricht, wo viel- leicht Taten zu spät sind, feinerzeit auch nur den kleinsten Erfolg des Generalissimus Cadorna begrüß- te. Heute freilich spricht sie nur davon, daß die Mittel, welche die Mitwirkung der Alliierten in Ita- lien erfordern, in ihrer Gänze ins Auge gefaßt wer- den. Noch am 23. Oktober schrieb Rino Alessi im „Secolo“ u. a. Hus dem Hauptquartier: „In näch- ster Zeit werden sich große Dinge entscheiden, von deren Ausgang das Schicksal unseres Landes und cuch das unserer Verbündeten abhängt. Ueber die mögliche Angriffsrichtung läßt sich nichts voraussa- gen. Die italienische Grenze hat von der Natur vorgezeichnete Wege, ohne die auch die kühnste Stra- tegie nichts unternehmen kann. Die Italiener zeichnen die Angriffsrichtungen vor. Der Abschnitt zwischen Etsch und Brenta hat von jeher eine besondere An- ziehungskraft auf den österreichisch-ungarischen Gene- ralstab gehabt. Jetzt ist aber an Unternehmungen großen Stils wegen der vorgeschrittenen Jahreszeit nicht zu denken. Auch an der Kärtner Grenze ist jetzt nichts zu fürchten. Die zwei großen Täler von Flitsch und Tolmein sind von schier unüberwindli- chen Hängen umgeben. Es sind auch weder viele noch gedeckte Zufahrtsstraßen vorhanden. Die Hoch- fläche von Bainsizza ist ein großes Rechteck, ein An- griff an dieser Stelle könnte im günstigsten Falle nur örtliche Vorteile erzielen. Vom Wippachtale aus könnte der Feind einen Handstreich auf Görz versu- chen, der aber wenig Sinn hätte, weil wir den Cucco und Vodice besitzen. Das Görzische Feld eignet sich recht wenig für eine Offensive großen Stils. Noch weniger aber der Karst. Unsere Heeresleitung hat für alle Fälle in allen Abschnitten ihre Vorkehrun- gen getroffen und in den zweieinhalb Jahren nichts ungeschehen gelassen, was zur Verstärkung und zum Ausbau der Stellungen beitragen kann.“ Wenn man diese Worte liest und hiezu sich den Skeptizismus vor Augen hält, den speziell die Blät- ter der Entente gegenüber der Möglichkeit einer öster- reichisch-ungarischen Offensive auch mit deutscher Un- terstützung an der italienischen Front äußerten, so genügte heute ein Blick auf die Karte, um zu zeigen, daß die Initiative und der Erfolg auch diesmal vollkommen auf Seiten der verbünde- ten Mittelmächte ist. Die österreichisch-ungarischen Truppen haben Schulter an Schulter mit ihren deut- schen Brüdern, die in begeisterter Mitarbeit und mit herrlichem Schwung, kein Hindernis und keinen Wi- derstand kennend, in unwiderstehlichem Ansturme über Cividale vorbrechend, den Feind ins Herz trafen, al- len Steptizismus der Feinde prachtvoll Lügen ge- straft. Unermeßlich ist die Beute, die den verfolgenden Heeren in die Hände fällt, unzählbar heute noch, wo versprengte Abteilungen, ja selbst große Kolon- nen in einzelnen Gebirgstälern hinter unserer Front festgekeilt sein mögen, unzählbar auch die Geschütze und das sonstige Material, das in den rasch ge- räumten Höhenstellungen zurückgelassen. beim überstürzten Rückzug in der Ebene verlassen werden mußten Gerade angesichts aller dieser jedes Herz höher schlagen machenden Erfolge muß aber auch jener le- benden und toten Helden gedacht werden, die in zä- hestem, opfervollstem Ausharren durch zweieinhalb Jahre am Isonzo stehend, es ermöglichten, das Her- anreifen jenes Momentes abzuwarten, in dem die militärische Initiative ergriffen werden konnte und die es durch ihren Heldenmut, die Opferfreudigkeit die Mandate der begnadigten Abgeordneten. Wien, 31. Oktober. Zu den verschiedenen unausweichlichen, weil aus den großen Fragen der Zeit emporwachsenden Schwie- rigkeiten, mit denen das österreichische Parlament zu kämpfen hat, trägt der steigende Uebermut der Sla- wen neue künstliche Schwierigkeiten hinzu. Als ob es nicht der Anlässe genug gäbe, bei denen die oppo- sitionellen flawischen Gruppen ihre Kräfte an dem deutschen Block messen könnten, sind sie bemüht, ge- radezu provokativ Streitfragen aufzuwerfen. Eine solche bösartige Herausforderung der Deutschen ist das tschechische Verlangen, den Abgeordneten, denen durch den kaiserlichen Gnadenakt ihre Strafen nach- gesehen wurden, nun auch ohne weiteres, ohne Er- satzwahl, die Sitze im Parlament wieder einzuräu- men. Die Tschechen haben versucht, ihre Absicht ge- waltsam durchzusetzen, und haben den ehemaligen Ab- geordneten Burival als Schrittmacher vorausgeschickt. Burival, der zu der Gruppe wegen Hochverrats ver- urteilter Parlamentarier gehört, ist wie noch er- innerlich sein dürfte — zur ersten Herbstsitzung des Abgeordnetenhauses im Saale erschienen, hat, wie wenn nichts vorgefallen wäre, auf seinem gewohn- ten Sitz Platz genommen und hat sich weder durch Ermahnungen, noch durch Drohungen des Präsiden- ten bewegen lassen, den Saal zu verlassen. Da der ganze tschechische Verband sich mit ihm solidarisch er- klärte, hätte eine gewaltsame Entfernung des Ein- dringlings aus dem Saale wahrscheinlich den Be- stand des Parlamentes gefährdet, man mußte sich darum aufs Unterhandeln mit den Tschechen verlegen und ihnen eine parlamentarische Untersuchung der Gültigkeit der Mandate der amnestierten Abgeordne- ten zugestehen. Diese Untersuchung, die dem Immunitätsausschuß übertragen worden ist, hat ausschließlich pilitischen Charakter, denn rechtlich ist an der Angelegenheit Rechtsfrage objektio be- nicht zu rütteln. Soll die handelt werden, so kann die Antwort nur lauten, daß sämtliche Abgeordnete, die im Laufe des Krieges verurteilt worden sind, ihr Mandat verloren haben. Durch die Amnestie haben sie ihre persönliche Frei- heit wiedergewonnen, ihr Mandat aber müßten sie sich erst in einer neuen Wahl holen. An dieser Sach- lage läßt sich nicht rütteln, gleichviel, ob man die Legolität des Verfahrens bemängelt, oder sich auf die Amnestie stützt. Mit der Anfechtung des Ver- fahrens operieren übrigens die Tschechen nur in einem Falle, in der Sache Burival nämlich, wobei sie be- haupten, daß Burival als Mitglied des Sozialversi- cherungsausschusses der sich in Permanenz erklärt halte, immun geblieben sei und daher nicht hätte verhaftet werden dürfen. Dieses Argument steht aber auf sehr schwachen Beinen, denn in Wirklichkeit ist gleichzeitig mit der Schließung der Reichsratssession zu Kriegsbeginn auch die Einstellung der Tätigkeit sämtlicher Ausschüsse, auch der permanenten, durch eine kaiserliche Verfügung angeordnet worden, was ein verfassungsmäßiges Recht des Monarchen ist. Das Hauptgewicht legen aber die Tschechen darauf, Unser Vorstoß an der Jsonzofront. Wie die Italiener sichs dachten und wie es kam. Wien. 31. Oktober. und Tatkraft ihrer Führer trotz ihrer Minderzahl ermöglichten, daß das stolze Handelsemporium Oester- reichs, die Citta Fidelissima Triest, den Räuberhän- den der Welschen eine stets unerreichte Perle geblie- ben ist. Verschollen. „Wird dir das schwer? Driginal-Roman von H. Courths-Mahler. (Nachdruck verboten.) Schluß. „Mein Herz sagt es mir, ach Ronald — was haben wir uns für Leid angetan in unserer Torheit.“ Er küßte ihre Hände, ihre Augen und ihr Haar und sein Antlitz leuchtete vor Glück, wie sie es noch nie gesehen hatte. Lange noch blieb der Schlitten halten. Sie hat- ten sich ja so viel zu sagen, mußten sich all ihre Totheit beichten, ihr Hoffen und Fürchten, ihre Qual und ihr Leid. Dabei verging die Zeit wie im Flu- ge, zumal sie immer wieder zärtlichste Küsse tausch- ten. Aber endlich löste sich Lilian aus Ronalds Armen. „Jetzt müssen wir aber nach Hause, Ronald, sonst ist der Kutscher mit den Pferden eher daheim als wir und Tante und Genoveva sorgen sich um mich.“ „Ach — das tut nichts — ich finde es hier im Walde so wunderschön“, sagte er in übermütiger Zärtlichkeit. Sie lachte leise. „Ich auch! Aber trotzdem müssen wir heim.“ „Müssen wir wirklich?“ Sie nickte. „Ja, und du mußt noch viel mehr.“ „Was denn, Süße „Du mußt am Weihnachtsabend nun doch nach Kreuzberg kommen“, neckte sie. Er sah sie zärtlich an. Er seufzte. „Sehr schwer — weil ich doch immer wieder fort- gehen muß.“ Sie nahm seine Hand und preßte sie an ihre heißen Wangen. „Aber Bobby Blount darf nicht merken, daß wir uns lieben, Ronald. Ich möchte ihm nicht wehe tun.“ „O — ich kann mich so gut an seine Stelle den- ken, meine angebetete Lilian — und ich will groß- mütig sein. Vor Fremden dürfen wir ja, der Trau- er wegen, unser Glück überhaupt nicht verkünden.“ „Nein. Aber mein lieber Vater ist im Geiste bei uns und segnet unsern Bund. Und deine Mut- ter auch, mein Ronald. Nur Tante Stasi und Ge- noveva wollen wir einweihen, nicht wahr?“ „Ja, ich fahre dich jetzt nach Kreuzberg und stelle mich ihnen als dein Verlobter vor. Daß un- ser Glück nicht gleich aller Welt verkündet wird, ist mir sehr lieb. Wir brauchen dann wenigstens keine neugierigen Augen zu fürchten. Aber sobald das Tiauerjahr um deinen Vater vorüber ist, wirst du mein Weib, nicht wahr?“ bat er, sie an sich zie- hend. Sie schmiegte sich an ihn. „So soll es sein, mein Ronald. Nun endlich faßte Ronald wieder die Zügel und ließ die Pferde ausgreifen. Aber noch mancher Kuß wurde unterwegs getauscht und es war gut, daß ru- hige, sichere Pferde vor den Schlitten gespannt wa- ten. die selbst auf den Weg achteten. Am Fuße des Kreuzberges begegnete ihnen der Kutscher mit den Pferden. Ronald gewann ihm nun noch schnell einen Vorsprung ab, um vor ihm in Kreuzberg anzukommen. Tante Stasi und Veva hatten schon in einiger Unruhe nach Lilian Ausschau gehalten. Sie sahen sie nun in Ronalds Schlitten zurückkommen und eil- ten erschrocken hinaus. „Was ist geschehen, Lilian? Wo ist dein Schlit- ten?“ fragte Veva. „Gott sei Dank zerbrochen“, antwortete Ronald übermütig. „Tante Stasi — liebe Veva, ihr ge- stattet, daß ich mir erst einmal mein Schlitltenrecht nehme.“ Und er nahm Lilians Kopf in seine Hän- de und küßte sie auf den Mund. Lilian ließ es sich gefallen, und aus beider Au- gen glänzte das helle Glück. Da faßte Tante Stasi beider Hände. „Ihr beiden törichten Menschen, mußte denn erst der Schlitten zerbrechen, ehe ihr zur Vernunft kommt?“ fragte sie mit feuchtschimmernden Augen. Lilian fiel ihr um den Hals. „Tante Stasi — bist du denn allwissend? Auch das hast du gewußt?“ Die alte Dame lachte. „Denkst du, ich habe dir umsonst gesagt, daß Ronald sich vielleicht einbilden könnte, du feiest mit Bohby Blount verlobt?“ Ronald und Lilian sahen sich lachend an. „Wahrhaftig, sie weiß alles, Ronald. Du tö- richter Ronald, wie blind warst' du, daß du nicht merktest, was Tante Stasi merkte.“ Er küßte ihre Handflächen und drückte sie an seine Augen. Sie wollten einander umfassen, aber da schob sich Veva lachend dazwischen. „Nein, jetzt will ich euch erst einmal beide um- fassen. Ach Lilian, meine liebe Lilian, jetzt weiß ich erst, was du gelitten haben mußt, als du glaub- test, Ronald sei mein Verlobter. Hast du mich nicht von Herzen darum „Ich werde wohl jetzt jeden Tag nach Kreuz- berg kommen müssen.“
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