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Seite 2. Front des Generaloberst Erzherzog Joseph. In der Bukowina griffen die Russen unter Einsatz von Panzerkraftwagen unsere Stel- lungen bei St. Onufry und Waschkontz an. Der Feind wurde durch Feuer abgewiesen, aus Wasch- koutz durch Gegenstöße deutscher und österreichisch- ungarischer Truppen vertrieben. Gefangene blie- ben in unserer Hand. Bei der Heeresgruppe des Generalfeldmar- schalls von Mackensen lebte am unteren Se- reth und bei Tulcea die Kampftätigkeit der Ar- tillerien auf. Mazedonische Front. Nichts Wesentliches. Der Erste Generalquartiermeister: Ludendorff. Wien, 8. Okt. 1917. Amtlich wird verlautbart: Am Isonzo lebte an zahlreichen Stellen das Artilleriefeuer stärker auf. Besondere Steigerung erfuhr es auf der Hochfläche von Bainsizza—Hei- ligen Geist. Zu Infanteriekämpfen kam es nur im Gabriele-Abschnitt, wo um Mitternacht italienische Vorstöße abgewiesen wurden. Sonst nirgends besondere Ereignisse. Der Chef des Generalstabes. Großes Hauptquartier, 8. Okt. 1917. Amtlich wird gemeldet: Westlicher Kriegsschauplatz. Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht. Die Kampftätigkeit in Flandern lebte gestern von Mittag bis zum Abend zwischen dem Houthoulster Walde und der Straße Menin—Ypern erheblich auf. Starles Trommelfeuer ging englischen Teil- angriffen voran, die sich gegen einzelne Abschnitte der Kampffront entwickelten. Die vom Gegner an- gesetzten Sturmtruppen kamen nirgends vorwärts; unsere Abwehrwirkung hielt sie im Trichterfeld neuerdings 17.000 Br.-Reg.=To. versenkt. Unter den vernichteten Schiffen befanden sich drei bewaffnete Dampfer, von denen zwei englischer Nationalität waren, ferner der englische Fischkuter „P. N. 206 Ronald“. Der Chef des Admiralstabes der Marine. Der Hilfskreuzer „Seeadler“ gestrandet. London, 6. Oktober. Reuter meldet aus Washington: Der deutsche Hilfskreuzer „Seeadler“ ist am 2. August bei der Insel Lord Howe im Stillen Ozean gestrandet und verlassen worden. — Reuters Sonderkorrespondeni berichtet dazu noch folgendes: Von Tutuila auf den Samoa- Inseln wird dem Marine-Ministerium gemeldet, daß ein offenes Boot mit dem Käpitän des amerikanischen Schoners „B. Slada“ angekommen ist. Dieser teilte mit, daß der deutsche Hilfskreuzer „Seeadler“ am 2. August bei der Lord Howe Insel gestrandet ist und verlassen wurde. Später bemächtigten sich Kapitän und Bemannung des „Seeadlers“ einer Motorschaluppe und des französischen Dampfers „Luréce“, die sie bewaffneten und mit denen sie am 21. August und am 5. September uacheinander in See stachen, um Kaperfahrten zu unternehmen. Bevor der „Seeadler“ strandete, versenkte er noch die amerikanischen Schoner „C. Slade“, „A. G. Johnson“ und „Manila“. Der „Seeadler“ ließ 47 Gefangene auf der Insel Lord Howe zurück. Versenkt. Berlin, 8. Oktober. (Amtlich.) In der Nordsee wurden durch unsere U Boote neuerdings 5 Dampfer ver- senkt. Drei von ihnen wurden aus stark gesicherten Ge- leitzügen herausgeschossen. Von den beiden anderen Dampfern war einer bewaffnet. Der Chef des Admiralstabes der Marine. Aus dem deutschen Reichstul. Berlin, 6. Oktober. diese Agitation einschreitet. Wir gehen ihm Gelegenheit zu zeigen, daß er sich die Führung nicht aus der Hand nehmen lasse, wie er gesagt hat. Von seiner Stellung- nahme wird für das Wohl des Reiches unendlich viel abhängen. Kriegsminister von Stein beantwortet diese Interpellation. Gleich zu Beginn seiner Rede ruft er stürmischen Widerspruch auf der Linken her- vor, der sich fast bei jedem Satz wiederholt, so daß der Präsident nur mit Mühe die Ruhe wieder herstellen kann. Der Minister führt aus: Eine Reihe von Voraus- setzungen, die der Vorredner gemacht hat, kann ich leider nicht bestätigen. Eine Agitation zu politischen Zwecken wird weder von mir noch von der Heeresleitung in der Armee geduldet. (Widerspruch bei den Sozialdemokraten.) Es hat Ihnen unendlich viel Mühe gekostet, die paar un- bedeutenden Beispiele zusammenzusuchen. Diese Worte rufen bei den Sozialdemokraten stürmischen Lärm und Widerspruch hervor. Wiederholt ertönen Rufe: Unerhört! Nur mit Mühe gelingt es dem Präsidenten die Ruhe wiederher- zustellen. Kriegsminister von Stein: Eine Aufklärung in der Armee hat von Anfang des Krieges an stattgefunden und findet noch sta't. Sie bewegt sich aber in ganz anderen Richtungen und Zielen. Gegenüber den Lügen der Fein- de, die uns die Schuld am Kriege zuschrieben, mußten die Soldaten aufgetlärt werden über die wahren Ursachen des Krieges, über die Absichten der Feinde, über die Fol- gen eines verlorenen Krieges. Alle diese Angelegenheiten wurden in den Kreis der Unterrichtsstunden gezogen. Die Mittel, die angewendet wurden, waren ungefähr überall dieselben, nämlich Vorträge, Musik, Theater, Kinos, Druckschriften und Heereszeitungen. In den Richtlinien der Heeresleitung ist kein Wort von Politik zu finden. Ich verhehle mir nicht, juhr der Minister fort, daß viele impulsive Naturen die Grenze überschritten haben. Da- gegen ist sofort eingeschritten worden. Daneben aber sehen wir Heeresgruppe Deutscher Kronprinz. Zu beiden Seiten der Straße Laon—Soissons wur- de der Artilleriekampf zwischen dem Ailette-Grun- de und der Hochfläche südlich von Pargny mit großer Heftigkeit geführt. Abends stießen bei Vau- raillon mehrere französische Kompagnien vor; sie wurden durch Feuer zurückgewiesen. — Oestlich der Maas lag starfes Feuer auf unseren Stellungen und deren Hintergelände zwischen Samogneux und Bezonnaux. Die Wirkung unserer Artillerie un- terband einen südwestlich von Beaumont sich vor- bereitenden Angriff der Franzosen, Auf dem Oestlichen Kriegsschauplatz und an der Mazedonischen Front keine größeren Kampfhandlungen. Der Erste Generalquartiermeister: Ludendorff. Finnland zur Republik erklärt. Helsingfors, 7. Oktober. (Petersburger Te- legraphenagentur.) Folgende Gesetzentwürfe sind ver- öffentlicht worden: erstens, ein Entwurf, der Finnland zur Republik erklärt, zweitens, ein Entwurf, der die Beziehungen zwischen Rußland und Finnland regelt. Beide werden einer Prüfung durch den Landtag un- terzogen werden. Der zweite Entwurf wird überdies der Genehmigung der Verfassunggebenden Versamm- lung Rußlands unterworfen werden. Das erste Ge- setz besagt: die gesetzgebende Gewalt steht dem Land- tag und dem Präsidenten der Republik zu, die Voll- zugsgewalt dem Präsidenten unter Mitwirkung des Steatsrats. Es wird das allgemeine Wahlrecht eingeführt. Der Präsident führt den Oberbefehl über die finnländischen Streitkräfte in Friedenszeiten. Die Fragen, bezüglich der Beziehungen zur rus- sischen Regierung werden durch den Präsidenten, in Uebereinstimmung mit dem Ministerrat geregelt. Die Minister ernennt der Präsident. Die allgemeine Dienstpflicht wird im ganzen Lande eingeführt. Die gegenwärtige Regierungsform ist das Grundgesetz, das die alte Regierungsgewalt aufhebt. Das zweite Ge- setz betreffend die Beziehungen zu Rußland besagt: Finnland bleibt mit Rußland vereinigt, hat aber eigene Verfassung, eigene Regierung und unabhän- gige gesetzgebende und vollziehende Gewalten. Die Fragen Krieg und Frieden sind gemeinsam und ver- bindlich für beide Länder, sie werden geregelt gemäß den Staatsgrundgesetzen Rußlands. Verträge mit fremden Staaten werden von Rußland eingegangen, wenn dieses sein Recht nicht an die Regierung Finn- lands abtritt. Der Seekrieg. Der A-Bootkrieg. Berlin, 5. Oktober. (Amtlich.) Durch die Tätig- keit unserer U Boote wurden im Sperrgebiet um England Der Reichstag verhandelt heute die sozialdemokratische Interpellation über die alldeutsche Agitation im Heere. Mit dieser Interpellation wird eine weitere sozialdemo- kratische Interpellation verbunden betreffend Verordnungen seitens der Generalkommandos, durch die das Vereins- und Versammlungsrecht einseitig zu Gunsten alldeutscher Pro- paganda behandelt wird. In Begründung der Inter- pellation weist Abg. Landsberg darauf hin, daß die alldeutschen Bestrebungen durch un- zählige Kanäle ins Heer geleitet werden, und zwar unter hervorragender Mitwirkung derselben Behörden, die stets die Notwendigkeit der politischen Jungfräulichkeit des Heeres betont haben. Die Alldeutschen behaupten, sie hätten allein das Recht zu bestimmen, was deutsch, was vaterländisch ist. An der Spitze dieser Partei stehen Männer, die bisher unter dem Kriege noch nicht zu leiden gehabt haben. (Zustimmung links und im Zentrum.) Auch sehr viele Idealisten seien auf den Leim dieser Par- tei gegangen. Sie fragen: Sollen die gebrachten Opfer nutzlos gewesen sein? Welch merkwürdige Auffassung! Opfer sind gebracht worden für die Rettung Deutschlands, und das soll nutzlos sein? Kann man sein Blut für einen edleren Zweck hingeben als für die Rettung des Landes? Wir lassen uns die Liebe zu Deutschland von niemanden nehmen. Unsere Liebe zum Vaterland geht so weit, daß wir Kurland und Longwy Briey nicht nach- jagen wollen auf die Gefahr hin. Deutschland zu ver- lieren. (Beifall links und im Zentrum.) Sie müßten sich doch darüber gleich sein, daß Deutschland, so groß seine Kraft auch ist, ohne Bundesgenossen — so muß die Frage gestellt werden — nicht der ganzen Welt den Frie- den diktieren kann. Man spricht von Lebensnotwendig- keiten unseres Volkes. Sie bestehen in ganz anderen Dingen als im Erzbecken von Longwy=Briey und im Kurland. (Sehr richtig, links.) Wir können uns in der Zukunft nur erhalten, wenn es gelingt, den Zusammenschluß der Feinde zu sprengen. Das beste Mittel aber zur Festigung dieses Zusammen- schlusses, wären deutsche Gebietserwerbungen. Die Män- ner, deren Vermögensverhältnisse durch eine Kriegsver- längerung so günstig beeinflußt werden, wie es die Divi- denden täglich zeigen, und die gleichwohl für Eroberungen eintreten, möchte ich zur Scham rufen. (Großer Lärm rechts, lebhafte Zustimmung links und im Zentrum.) So groß unsere Sehnsucht nach Frieden ist, so betonen wir immer wieder, daß wir ihn um den Preis einer Verstümmelung, einer Vergewaltigung Deutschlands nicht erkaufen wollen. Aber das Joch, gegen das wir uns wehren, wollen wir auch anderen Völkern nicht auferlegen. Wir haben den Mut, dem Volke zu sagen, daß es nach dem Kriege furchtbar wird arbeiten müssen. Wir haben auch das Vertrauen, daß es diese Zeit überstehen wird. Aus allen Teilen Deutschlands kommen Hilferufe un- glücklicher Menschen, die von ihren Vorgesetzten zum Bei- tritt zur Vaterlandspartei gezwungen werden. Nedner führt eine große Zahl von Beispielen an, um zu beweisen, wie im Heere durch Druckschriften, Vorträge und dgl. mit Duldung der Vorgesetzten eine Aufklärungstätigkeit be- trieben wird, die sich zugestandenermaßen gegen die Reichs- tagsentschließung vom 19. Juli richtet und erklärt, diese Agitation ist geeignet, in den Soldaten die Empfindung aufkommen zu lassen, daß unter ihren Vorgesetzten Män- ner sind, die den Krieg über den Zweck der Verteidigung hinaus verlängern wollen. Das ist eine ungeheuere Ge- fahr. Der Reichskanzler muß erklären, daß er gegen ganz andere Agitationen. Vor kurzem hat Feldmarschall von Hindenburg durch un- zweideutige Worte ein Lügengewebe zerstört, daß zwischen Hindenburg und Ludendorff weitgehende Differenzen ent- standen sind. (Große Unruhe links.) Es gibt im Deut- schen Reiche keine zwei Leute, die so in ihrer Ueberzeugung eins sind wie Hindenburg und Ludendorff. (Zurufe: Wo bleibt die Interpellation?) Andere Dinge gehen um. Vor 14 Tagen kam mir ein Blatt zu, das sich an die deutschen Frauen wendet, sie werden darin aufgefordert, es weiter zu verbreiten. Darin werden selbst unsere Hel- den aus dem deutsch-französischen Kriege mit Schmutz be- worfen. (Lebhafte Pfuirufe.) Die Führer des jetzigen Krieges, besonders unser Feldmarschall, werden verdächtigt, als haben sie ein persönliches Interesse an einer Fort- führung und Hinziehung des Krieges. Lebhafte Pfutrufe, Zurufe: Wo bleibt die Interpellation? Wir wollen das Flugblatt sehen! Wer hat es herausgegeben? Der Prä- sident bittet um Ruhe.) Minister: Wir wissen, daß feindliche Agenten mit vielen Mitteln im Lande darauf bedacht sind, Zwietracht und Schwanken in unserem Volke hervorzurufen. Diese Aufklärung, die im Heere stattfindet, wird in der Heimat fortgesetzt. Auch dabei ist, wie ich weiß, häufig die Grenze überschritten worden. Aber auch dort ist, sobald es bekannt geworden ist, dagegen eingeschritten worden. Der Minister erklärt schließlich: Die ganze Aufklärungs- tätigkeit, die, was ich ohne weiteres zugebe, von unseren Stellen vielleicht manchmal nicht rihtig gehandhabt worden ist, hat allein den Zweck, in unserer Armee den Geist zu erhalten, mit dem sie in den Feldzug eingetreten ist. Kein Vertrauen zu Helfferich. — Heifferich verläßt den Saal. Als nächster Redner ergreist der Stellvertreter des Reichskanzlers Staatssekretär Dr. Helfferich das Wort. Auch er ruft fast in jedem seiner Worte stürmische Zwischenrufe auf der Linken hervor. Der Reichskanzler sagte er, ist mit dem Kriegminister und allen militärischen Stellen darüber einig, daß Politik nicht in die Armee hineingetragen werden darf und soll. Was die Zivilverwaltung betrifft, so habe ich den Begründer der Interpellation nicht dahin verstanden, daß er den Be- amten die Freiheit der politischen Gesinnung und Betäti- gung abstreiten will. Das würde auch im Widerspruch zu den Traditionen der Partei stehen. Dem Beamten muß es selbstverständlich freistehen, innerhalb der Gren- zen, die ihm durch den Treueid (Unruhe links) zugezogen sind, als Angehöriger der staatsbürgerlichen Gemeinschaft seine politische Gesinnung zu betätigen. Eine Grenze ist gezogen — hier spreche ich im Namen und im Sinne des Reichskanzlers — ein Beamter darf seine amtliche Stellung nicht dazu mißbrauchen, daß er auf die Per- sonen, die ihm unterstellt sind oder sonst von ihm ab- hängig sind oder sich abhängig fühlen, einen Druck in politischer Beziehung ausübe. (Sehr richtig!) Nach der Auffassung des Reichskanzlers soll ein Druck nicht aus- geübt werden. Abg. Landsberg habe an den Reichskanzler einen sehr starken Appell gerichtet, er möge sich aussprechen, wie er zur Vaterlandspartei stehe. Der Reichskanzler, der doch gewiß mit wichtigen Geschäften über und über belastet sei, hatte keine Veranlassung, zur Beantwortung der Interpellation hieher zu kommen. Ich bin Mann genug, sagte Dr. Helfferich die Antwort Zu erteilen. Ich habe aus den Worten des Abg. Landesberg nicht erausgehört den Ruf darnach, der Kanzler möge gegen die deutsche Vaterlandspartei den Acht- und Bannstrahl schleuder 5 Wenn das nicht der Fall ist, so ist auch kein Wort zu nieder.
Dateiname: 
ascher-zeitung-1917-10-09-n119_4110.jp2