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genheit sehr wenig entsprechenden — Vergewaltigung
der Neutralen begnügen muß. Letzten Endes spricht
dieser Entschluß für den gesunden Wirklichkeitssinn
der Amerikaner. Denn ein Ausfall von 930.000 Ton-
nen monatlich, wie ihn der U-Boots-Krieg in den
ersten fieren Monaten durchschnittlich gebracht hat,
oder auch nur von 800.000 Tonnen, was der mo-
natlichen Mindestziffer der U-Boots-Beute entspricht,
läßt sich, zuzüglich der rund 100.000 Tonnen monat-
lichen sonstigen Schiffsverluste infolge von Strandun-
gen, Zusammenstößen und normalen Verbrauch, Zu-
mal jetzt in der Kriegszeit, durch Neubauten nicht ein-
bringen. Daß den Amerikanern dieser Entschluß, zu-
mal, nochdem sie vorher, um es milde auszudrücken,
den Mund über ihre Maßnahmen reichlich voll ge-
nommen haben, nicht leicht geworden, ist, beweist die
außerordentliche Zerfahrenheit ihrer haltlos hin- und
herschwankenden Maßnahmen. Aber schließlich sind
die monatlichen Versenkungsziffern des deutschen U-
Boots-Krieges denn doch so groß, daß selbst amerika-
nischer Bluff damit nicht Schritt halten kann und das
Rennen mit den deutschen U-Booten als verloren
cufgeben muß, und zwar nicht nur mit der Tat.
sondern, was für den Amerikanern sehr viel mehr
besagen will mit dem Munde.
Wäsche für die Soldaten im Felde.
Von Hofrat Prof. Dr. Weichselbaum, Vorsitzenden
des Obersten Sanitätsrates.
Niemand von uns wird sich vorstellen können,
daß man ohne Leibwäsche eine erträgliche Existenz
führen könne. Die Wäsche ist für uns nicht etwar
bloß aus ästhetischen Gründen notwendig, sondern
vor allem wegen Erhaltung der Gesundheit. Da in
unserem Klima die Außentemperatur durchschnittlich
viel niedriger ist als die Temperatur unseres Körpers,
so gibt dieser stetig Wärme ab; je stärker nun diese
Wärmeabgabe ist, desto mehr muß wieder in unserem
Körper Wärme durch Verbrennung von Nahrungs-
mitteln erzeugt werden, desto reichlicher müssen so-
mit diese dem Körper zugeführt werden. Wäsche
(und Kleidung) setzen daher durch Einschränkung der
Wärmeabgabe den Menschen in Stand, mit einer
geringeren Menge von Nahrung auszukommen; sie
haben somit in dieser Beziehung eine nationalöko-
nomische Bedeutung.
Die Leibwäsche beeinflußt aber noch in anderer
Weise die Wärmeregulierung unseres Körpers. Da-
durch, daß sie von der Innenseite den Schweiß des
Kärpers und von der Außenseite die Feuchtigkeit
der Luft und die atmosphärischen Niederschläge auf-
nimmt, wird sie durchnäßt, und da ein feuchter Stoff
die Wärme besser leitet und weiterhin durch Ver-
durstung des in der Wäsche (und Kleidung) befind-
lichen Wassers Wärme verbraucht wird, wird die
Wärmeabgabe des Körpers gesteigert. Hiebei ver-
halten sich die verschiedenen Stoffe, aus denen die
Leibwäsche angefertigt wird, in ungleicher Weise. So-
verursacht feuchte Leinwand, das sie das Wasser am
wenigsten fest zurückhält, eine viel stärkere Wärme-
abgabe als Wolle; daher das Kältegefühl beim
Tragen von Leinenwäsche, wenn sie durchnäßt wird.
Die Gefahr der Erkältung ist auch im letzteren Falle
eine größere als beim Tragen von Wollwäsche.
Die Leibwäsche hat aber noch die wichtige Auf-
gabe, die Ausscheidungsprodukte der Haut, die zu-
sammen den Schweiß bilden, aufzunehmen und zu ent-
fernen; je häufiger daher die Wäsche gewechselt wird,
desto ausgiebiger ist die Reinigung der Haut, und
umgekehrt.
Wenn wir uns nun einerseits die Lage unserer
Krieger im Felde, im Schützengraben vorstellen, wie
sie der Kälte und Hitze, den mannigfachen Witterungs-
unbilden und verschiedenen anderen, die Funktion und
Reinhaltung der Haut beeinflußenden Faktoren, zu
denen auch das Hautungeziefer gehört, ausgesetzt sind,
und wir andererseits erwägen, daß ein sehr großer
Mangel an Rohstoffen für Herstellung von Wäsche
besteht und die Armeeleitung daher die Wäschebe-
stände für die Truppen im Felde derzeit nicht im
erforderlichen Maße zu ergänzen vermag, so müs-
sen wir die zwingende Notwendigkeit einsehen, daß
des große Publikum hier mit allen ihm zu Gebote
stehenden Hilfsmitteln eingreife. Zwar ist auch im
Hinterlande die Versorgung mit Wäsche schon eine
recht schwierige geworden, aber die Verhältnisse, un-
ter denen die meisten von uns hier leben und tätig
sind, sind doch viel weniger ungünstig als jene un-
serer Helden im Felde, und somit ist auch unser Wä-
schebedarf nicht so dringend wie bei letzteren. Es er-
geht daher an die gesamte Bevölkerung der drin-
gende Ruf nach Hilfe, die dadurch geleistet werden
kann, daß sich jeder nach Maßgabe der Mittel, über
die er verfügt, an der in Aussicht genommenen All-
gemeinen Waschesammlung beteiligt.
(Herausgegeben unter Mitwirkung hervorragender Aerzte von
Gruppe XVI, KFA)
Verhandlungsschrift
über die Sitzung der Stadtvertretung Asch
am 19. September 1917.
(Schluß.)
6. Erneuerung der Kriegsversiche-
rung für Militär-Witwen- und Waisen.
Herr Bürgermeister berichtet. Wie Ihnen noch
erinnerlich sein wird haben wir 500 Personen für
die Kriegsversicherung mit je 1000 Kronen für den
Todesfall bei dem Oesterreichischen Militär-Witwen
und Waisensond angemeldet, auf welche wir eine
Prämie von 22.500 Kronen leisteten. Diese Ver-
sicherung ist nun mit 8. September 1917 abgelaufen
und fragt die Expositur Karlsbad wegen Erneuerung
dieser Versicherung an. Der Stadtrat hat in seiner
letzten Sitzung beschlossen, diese Versicherung nicht zu
erneuern.
Nun war heute der Vertreter dieser Versicherungs-
gesellschaft hier und hat ersucht, eine neue Versicherung
einzugehen und zwar auf einer ganz anderen Grund-
lage. Er schlägt eine Kriegsanleihe-Versicherung vor,
für welche für 500 Personen eine Jahresprämie von
17.500 Kronen durch 20 Jahre zu entrichten wäre.
Nach Ablauf der 20 Jahre würde eine Kriegsanleihe
von 500.000 Kronen an die Stadt ausgefolgt. Herr
Bürgermeister gibt einen kurzen Ueberblick über die
Einzelheiten dieser Kriegsanleihe-Versicherung und be-
merkt daß im Falle die Gemeindevertretung auf
diese Versicherung eingeht, die bisher versicherten 500
Personen ab 8. September 1917 auch weiterhin ver-
sichert bleiben.
In einer anschließenden Aussprache, an welcher
sich die Herren Stadträte Rudolf Hofmann und Ri-
chard Rittinger beteiligen, wird auf die bisherigen
ungünstigen Erfahrungen hingewiesen, doch spricht sich
Herr Stadtrat Richard Rittinger für eine direkte Ab-
lehnung dieser Kriegsanleihe=Versicherung nicht aus.
Herr Stadtverordneter Karl Krautheim regt an
einen gewissen Betrag auszuwerfen, von welchem an
die Hinterbliebenen von Gefallenen Unterstützungen
gewährt werden.
Herr Bürgermeister schließt sich dieser Anregung
an und fügt hinzu, daß von der jährlichen Prämie
ron 22.500 Kronen viele Unterstützungen geleistet
werden können.
Ueber Antrag des Stadtrates Herrn Johannes
Krautheim beschließt die Stadtvertretung einstimmig,
sowohl die Erneuerung der alten Versicherung, als
auch die neuerlich in Vorschlag gebrachte Kriegsan-
leibe-Versicherung abzulehnen.
7. Errichtung einer Fürforgestelle
für heimkehrende Krieger.
Zu diesem Gegenstande berichtet Herr Bürger-
meister.
Von der staatlichen Landeszentrale für das Kö-
nigreich Böhmen in Prag wird angeregt, daß in je-
der Stadt eine eigene Fürsorgestelle für heimkehren-
de Krieger gebildet wird. Ich habe im Stadtrate
wiederholt dafür gesprochen, doch konnte sich der
Stadtrat mit dieser Frage nicht eingehend befassen,
weil für den Ascher Bezirk eine Kriegsfürsorgestelle
besteht, Um jedoch dem Ersuchen der Landeszentrale
nochzukommen, einen Ausschuß für die hiesige Für-
sorgestelle zu bilden, beantragt der Stadtrat, für
diesen Ausschuß die Herren Rudolf Adler, Robert
Kirchhoff, Gustav Hilf, Julius Merz d. J., Robert
Kech und Johann Korndörfer in Vorschlag zu
bringen.
Die Stadtvertretung stimmt diesem Antrage ein-
stämmig zu.
8. Beschaffung von Holz und Kohle
für die Haushaltungen.
Herr Bürgermeister berichtet. Kürzlich erschien
im Bürgermeisteramte Herr Forstinspektor Profeld
aus Eger, um im Auftrage der k. k. Statthalterei
den Bedarf an Brennholz für die Stadt Asch fest-
zustellen. Zu dieser Besprechung waren mehrere Be-
sitzer größerer Waldgrundstücke geladen. Herr Forst-
inspektor erklärte, daß die von der Stadt erfolgte
Anmeldung auf 5000 Kubikmeter Brennholz zu hoch
sei und erklärte, daß nach dem Schlüssel per Kopf
ein Zehntel Kubikmeter Unterzündholz berechnet ist.
Nach längerer Beratung einigte man sich, für
die Stadt Asch 1200 Kubikmeter Unterzündholz als
Mindestbedarf für die Winterperiode 1917/18 anzu-
sprechen. Die Lieferung dieses Holzes nebst dem
Reisig erfolgt aus den Revieren Himmelreich, Kom-
menda, Neuenbrand, Sorg, Schönbach. Neuberg,
Krugsreuth und Grün nach Weisung des Forstinspek-
tors in Eger.
Nun wird in der Verteilung dieses Holzes eine
Schwierigkeit bestehen, nachdem nach einer gehalte-
nen Umfrage in Asch 3090 Parteien ohne Kohlen
und 2974 Parteien ohne Holz gemeldet sind. Es
würde sich deshalb empfehlen, zu diesem Zwecke eine
eigene Stelle für die Holz- und Kohlenabgabe zu
errichten.
Die Stadtvertretung beschließt, den bereits be-
stehenden Kohlenausschuß zu ersuchen, die Vorarbeiten
in die Hand zu nehmen und Vorschläge zu machen.
„Nein, das kann ich doch unmöglich annehmen.
Sie ist doch selbst ein armes Hascherl. Das ist ja
mehr als ihr ganzes Erbteil an Kreuzberg. Herr-
gott nochmal! Die gute edle Seele — nein, nein!
Solch ein unerhörtes Opfer kann ich doch nicht
annehnien, wenn es auch noch so verlockend ist.“
Er durchblätterte die Rechnungen und verglich
alles mit seinen Aufzeichnungen. Es stimmte ganz
geneu e alle seine Schulden waren bezahlt — und
außerdem sollte er noch sechshundert Mark in bar
bekomwen.
Nein, das ging nicht an, er mußte sich ja schä-
men, wenn er das annahm. Wie kam nur Tante
Stafi zu so einem Akt unerhörter Großmut? Sie
hatte es doch wahrlich nicht dazu übrig. Vielleicht
hoffte sie, daß sie bis an ihr Lebensende in Kreuz-
berg versorgt war und glaubte das kleine Vermögen
entbehren zu können, großherzig genug war sie wohl,
um sich des Geldes zu entäußern. Aber dann stand
ihr doch Veva viel näher, und diese war einer Hilfe
sicher noch bedürftiger als er.
Er saß ganz zerknirscht und sein Kaffee wurde
kalt, weil er das Frühstücken vergaß. Zu freuen
wagte er sich nicht, als der Geldbriefträger kam und
ihm sechshundert Mark brachte.
„Wenn das Geld wirklich mir gehörte, schlüge
ich jetzt vor Wonne einen Purzelbaum,“ dachte er.
Aber er war fest entschlossen, es Tante Stasi
zurüdkzugeben. Er steckte die Scheine zu sich, ließ sich
sein Pfero satteln und ritt nach Kreuzberg hinaus.
Es war ein schöner, klarer Herbsttag. Die Son-
ne schien voll und warm auf die buntgefärbten Wäl-
der herab. Auf dem ganzen Wege flogen Lothars
Gedanken zwischen Hansi von Arnstädt und Tante
Stasi hin und her.
In Kreuzberg wurde er freudig begrüßt. Mr.
Croßhall schüttelte ihm die Hand und sagte lächelnd:
„Gott sei Dank, daß Sie wieder hier sind, Herr
von Kreuzberg. Wir alle haben Ihre frohe Laune
sehr vermißt. Es war recht still bei uns in Ihrer
Abwesenheit.“
Auch Lilian begrüßte ihn in herzlicher Weise
und sprach ihre Freude aus, ihn wiederzusehen. Tante
Stasi und Veva begrüßten ihn wie immer. Lothar
war aber auffallend unruhig, und ohne Umschweise
sagte er nach einer Weile:
„Liebe Tante Stasi, ich möchte gern einige Worte
mit dir unter vier Augen reden.“
John Croßhall und seine Tochter wechselten einen
raschen, verstohlenen Seitenblick und konnten ein Lä-
cheln nicht unterdrücken. Tante Stasi aber sah den
jungen Mann erstaunt und ein wenig besorgt an.
„So feierlich, mein Junge, hast du mir etwas
zu beichten?
Er preßte ihre Hand schnell an seine Lippen.
„Du wirst schon wissen, Tante Stasi.“
„Keine Ahnung. Aber komm mit auf mein
Zimmer.“
Lothar entschuldigte sich bei den anderen Herr-
schaften und ging mit ihr hinaus.
Wieder tauschten Vater und Tochter ein
Lächeln.
Kaum war Lothar mit der alten Dame allein
da umarmte und küßte er sie plötzlich mit stürmischer
Zärtlichkeit.
„Tante Stasi — liebe gute Tante Stasi!“
Verwundert sah sie ihn an.
„Verstell dich nur nicht,“ sagte er und zog seine
Brieftasche hervor. Er entnahm ihr die sechs Hun-
dertnarkscheine und legte sie auf den Tisch.
„Das ist von den zehntausend Mark übrig ge-
blieben. Wenn du nur wüßtest, wie du mich be-
schänt hast. Ich könnte losheulen wie ein Schul-
junge.“
Tante Stasi sah ihn kopfschüttelnd an.
„Wenn du chinesisch mit mir sprächst, könnte ich
dich auch nicht weniger verstehen. Was willst du
nur? Von was für zehntausend Mark sprichst du
denn?“
Er drückte ihr die Hand, daß sie vor Schmerz
das Gesicht verzog.
„Ach, Tante Stasi, ich weiß ja alles. Heinrich
Salzmann hat mir alles geschrieben und hat mir
auch diese sechshundert Mark mit allen bezahlten Rech-
nungen geschickt. Ich konnte es gar nicht fassen, Tante
Stafi. Aber wenn ich es auch nicht hindern konnte,
daß du die zehntausend Mark an Salzmann schick-
test, diese sechshundert Mark will ich dir wenigstens
vorläufig zurückgeben.“
Die alte Dame sank in einen Sessel und faßte sich
schrocken an.
„Du bist doch nicht krank, Lothar?“
Er lachte und küßte sie.
„Wie du dich verstellen kannst, Tante Stasi. Es
hilft dir aber nichts. Ich habe ja deine Karte an
Scizmann.“
Die alte Dame sank an einen Sessel und faßte sich
an den Kopf.
„Entweoer bist du von Sinnen, oder ich, mein
Junge. Was willst du nur mit Salzmann? Wer
ist denn Salzmann?“
„Was hast du nur, Lothar? Entweder bist du
verliebt oder du hast Dummheiten gemacht.“
Er schüttelte den Kopf.
(Fortsetzung folgt.)
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