Text auf der Seite 4
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Seite 4.
(Stadtratsitzung am 29. Oktober 1914)
unter dem Vorsitze des Herrn Bürgermeisters Herm.
Gottl. Künzel und in Anwesenheit der Herren Stadt-
räte Julius Merz, Rudolf Hofmann, Ferdinand Graf,
Heinrich Jena, Christian Pfrötzschner und Rudolf
Adler. Ihr Fernbleiben von der Sitzung haben ent-
schuldigt die Herren Stadträte Eduard Klaubert und
Fritz Künzel.
I. Ueber die in Aussicht genommenen Straßen-
herstellungen im Jahre 1915 hat gestern eine Be-
ratung der Straßenkommission stattgefunden. Nach
eingehender Beratung beschließt der Stadtrat, beim
Gemeindeausschuß die Herstellung folgender Straßen
zu beantragen:
1. Die Wilhelm Weiß-Straße wird vom Markt-
platz ab, soweit sie mit Sturzpflaster bereits her-
gerichtet ist, mit Kleinpflaster befestigt, von dort hin-
auf bis einschließlich Gustav Geipel Ring wird sie
als 7 Meter breite Schotterstraße ausgebaut; vorher
ist der Kanal herzustellen, Gas- und Wasserleitung
einzulegen. Kostenvoranschlag 73.000 Kronen.
2. Die Hochstraße wird als Schotterstraße her-
gerichtet, was 8500 Kronen kostet (ohne Verlegung
der Gasrohre).
3. Die Neuberger Bezirksstraße wird im Ge-
meindegebiete auf 8 Meter verbreitert. Die Verbrei-
terung auf 12 Meter bleibt einstweilen in Schwebe,
dafür wird eine Strecke im Wiesental gepflastert.
Die Verbreiterung stellt sich auf 21.000 Kronen
(ohne Pflasterung).
4. Als Vorbedingung für die Herstellung der
Auerspergstraße ist dieselbe zunächst zu kanalisieren.
Geplant ist die Herstellung eines 20 Zentimeter wei-
ten Tonrohrkanales vom Vereinshaus abwärts bis
zum Geschäftshaus der Firma F. Schmidt's Witwe
und eines 30 Zentimeter breiten Tonrohrkanales in
dem anderen Teile von der Lerchenpöhlstraße herun-
ter. Vom tiefsten Punkte der Straße ab ist in der im
Lagerplan vorgesehenen Straße durch den Grund
der Firmen Carl Adler und Eduard Geipel ein
Betonkanal auszuführen, über dessen Profil noch be-
raten werden muß. Wegen der endgültigen Bau-
linie sind noch Verhandlungen mit den Grundbesitzern
notwendig. Der Stadtrat ist im Prinzip mit der
Kanalisierung einverstanden, die mit 37.000 Kronen
veranschlagt ist.
5. In der Grillparzerstraße wird ein Gehweg
von der Talstraße bis zum Beamtenhaus hergestellt;
Kostenpunkt 1000 Kronen.
6. Weiters wird in der Hoferstraße linksseitig
ein Gehweg mit Rigol von den Pfarrhäusern bis
zur Wunderlichschen Scheune ausgeführt, was 8000
Kronen kostet.
7. Für die Abgrabung des Gehweges Niklas-
Hainbergweg wird ein Betrag von 4000 Kronen
eingesetzt. Dafür sind nach Möglichkeit die Erdarbeiten
zur Verbreiterung des Weges auf 6 Meter durch-
zuführen.
8. Die Grabengasse wird umgepflastert bis ober-
halb des Torweges. Der eingeebnete Platz beim
Bürgerheim wird mit einem Lattenzaun eingefriedet
und als Spielplatz hergerichtet.
Als nicht dringend wird einstweilen zurückgestellt:
9. Die Pflasterung der Parkgasse mit Rand-
steinlegung und Gehwegherstellung (20.000 Kronen).
10. Die Pflasterung der Niklasgasse vom be-
stehenden Pflaster an bis zum Besitz des Herrn Schö-
del, von da aufwärts der Ausbau der Niklas- bezw.
Johannesgasse bis zur Waisenhausstraße als Schotter-
straße (51.000 Kronen).
11. Die Herrichtung der Tegetthofstraße.
12. Wegen der Schuttablagerung aus der Rogler-
straße, deren oberster Teil bis zum steinernen Kreuz
ausgebaut werden soll, wurde wiederholt mit den
Grundbesitzern in der Schafloh verhandelt. Frl. Lud-
wig verlangt für die Ablagerung auf ihrem Grunde
30' Heller für die Fuhre. Herr Ernst Adler läßt
in bereitwilligster Weise auf seinem Grunde an-
schütten, doch ist vorzusorgen, daß durch die An-
schüttung die Quellfassungen seiner Wasserleitung nicht
verunreinigt werden. Damit ist hinreichend Raum
für die Ablagerung geschaffen. Sollte dieser nicht
ausreichen, so ist an die Bürgerliche Brauerei mit
einem Gesuch und Plan heranzutreten, sie möchte
ebenfalls zur Anschüttung auf den weiter unterhalb
gelegenen Gründen des Herrn Ernst Adler, auf welche
sie ein Wasserrecht hat, die Zustimmung erteilen.
13. Wegen Herrichtung der Oststraße und Um-
legung der Wasserleitung dortselbst ist unter Zuzie-
hung sämtlicher Anrainer eine Straßenkommission ab-
zuhalten.
II. Wegen der geplanten Unfallversicherung der Ge-
meindearbeiter ist bei der Arbeiterunfallversicherungs-
anstalt anzufragen, ob die Versicherung nicht pau-
schaliert werden kann.
III. Ueber eine Eingabe des Herrn Georg Baum-
gärtel um Begleichung des Pachtgeldes für die Jahre
1913 und 1914 für die über seinen Grund führende
Notstraße vom Wiesental zur Talstraße ist zu er-
heben, wieviel Grund des Herrn Baumgärtel dabei
in Frage kommt. Dann sind Verhandlungen wegen
Ankauf dieses Grundes einzuleiten.
IV. Wegen Beratung über die Zuschrift an die
Oesterr. Siemens Elektr. Betriebe, mit welchem die
nunmehr beschlossenen Grundlagen für den Abschluß
eines neuen Vertrages der Gesellschaft übermittelt
werden, findet nächsten Dienstag eine Sitzung des
Stadtrates und der Beleuchtungskommission statt.
V. Der Bericht des Landessanitätsinspektors über
die Bemängelungen in den hiesigen Schulgebäuden
wird zur Kenntnis genommen. Der Stadtrat wird
die erforderlichen Arbeiten, sobald sich deren Not-
wendigkeit herausstellt, durchführen lassen. Probe-
weise ist in einem Schulzimmer ein Aiolithfußboden
herstellen zu lassen.
VI. Ein Erlaß der k. k. Statthalterei wegen
Einfuhr von amerikanischem Mehl wird vom Stadt-
rate auf das Wärmste begrüßt. Der Stadtrat ver-
pflichtet sich, einen Waggon Mehl (10.000 Kilo-
gramm) abzunehmen.
VII. Zur Kenntnis genommen wird eine Zuschrift
des Landeshilfsvereines vom Roten Kreuz, in welchem
für die Beistellung von Betten für die Verwundeten
gedankt wird.
VIII. Der Egerer Herrenzweigverein vom Roten
Kreuz ersucht um Sammlung und Uebersendung war-
mer Wäsche für die im Felde stehenden Soldaten.
Der Stadtrat beschließt, einen Aufruf um Beistellung
von warmer Unterwäsche an die Bevölkerung zu er-
lassen. Die Liebesgaben werden aber nicht nach Eger,
sondern direkt an die einzelnen Truppenteile geschickt.
IX. Eine Zuschrift der k. k. Post- und Tele-
graphendirektion in Prag wegen Auswechslung des
Kabelüberführungsobjektes an der Egererstraße wird
zur Kenntnis genommen.
X. Der mit der Herstellung eines großen Bildes
des Herrn Gustav Geipel betraute Hofphotograph
Benade in Wiesbaden hat ein Probebild übermittelt.
Der Stadtrat beschließt die Ausführung in der Größe
von 46x63 Zentimeter (innerhalb des Rahmens ge-
messen) und in einem helleren Farbentone als das
Probebild zeigt.
XI. Die k. k. Gymnasialdirektion teilt mit, daß
die im Genuß der Stipendien aus der Albert Kirch-
hoffstiftung stehenden Schüler gute Lehrerfolge zeigen
und deshalb bei ihrer Unterstützungsbedürftigkeit
weiterhin im Sinne der Stiftsbriefbestimmungen im
Genusse der Stipendien bleiben können.
XII. An die Deutschböhmische Städtekanzlei in
Reichenberg ist über eine Anfrage mitzuteilen, daß
der Stadtrat als dringendste Maßregel zur Linderung
der Arbeitslosigkeit die Ermöglichung der Einfuhr
von Wolle und Garnen aus dem Deutschen Reiche
betrachtet, da im anderen Falle die industriellen Be-
triebe sonst still gelegt werden müßten.
Hierauf Schluß der Sitzung.
Festnahme der in Leutschland lebenden
Englünder.
Amtlich wird gemeldet: Seit längerer Zeit schwe-
ben Verhandlungen zwischen Deutschland und Eng-
land wegen Behandlung der beiderseitigen Staatsan-
gehörigen, die sich bei Ausbruch des Krieges im Ge-
biete des anderen Teiles aufhielten. Dabei stand
die deutsche Regierung auf dem Standpunkt, daß nach
völkerrechtlichen Grundsätzen diese Personen, soweit
sie sich nicht verdächtig gemacht hätten, in ihrer Frei-
heit zu belassen seien und auch ungehindert in ihre
Heimat abreisen dürften, daß jedoch den Engländern
in Deutschland selbstverständlich keine bessere Behand-
lung zuteil werden könnte, wie den in England be-
findlichen Deutschen. Als daher die britische Re-
gierung zunächst so gut wie sämtlichen Deutschen die
Erlaubnis zur Abreise versagte, sind die in Deutsch-
land befindlichen Engländer in gleicher Weise be-
handelt worden. Den deutschen Vorschlag, die bei-
derseitigen unverdächtigen Staatsangehörigen sämt-
lich abreisen zu lassen, lehnte die britische Regierung
ab, doch wurde eine Vereinbarung dahin getroffen,
daß alle Frauen und männlichen Personen bis zu
17 und über 55 Jahren, sowie ohne Rücksicht auf
ihr Alter alle Geistlichen und Aerzte unbehindert
abreisen dürften. Die männlichen Personen zwischen
17 und 55 Jahren wurden nicht in die Vereinbarung
einbezogen, weil die britische Regierung alle Wehr-
fähigen zurückhalten wollte und als solche auch die
Männer zwischen dem 45. und 55. Jahre ansah. In-
zwischen wurden die in England zurückbehaltenen
Deutschen in nicht unerheblicher Anzahl festgenommen
und als Kriegsgefangene behandelt. Nach zuverläs-
sigen Nachrichten ist diese Maßnahme in den letzten
Tagen auf fast alle wehrfähigen Deutschen ausge-
dehnt worden, während in Deutschland bisher nur
verdächtige Engländer festgenommen worden sind.
Die völkerrechtswidrige Behandlung unserer An-
gehörigen hat der Regierung Anlaß gegeben, der
britischen Regierung zu erklären, daß auch die wehr-
fähigen Engländer in Deutschland festgenommen wer-
den würden, falls nicht unsere Angehörigen bis zum
5. November aus der englischen Gefangenschaft ent-
lassen werden sollten. Die britische Regierung hat
diese Erklärung unbeantwortet gelassen, so daß nun-
Aus dem Ascher Stadtrate.
Die drei Schmestern Randull.
Roman von H. Courts-Mahler.
40. Fortsetzung.
(Nachdruck verboten.)
Susi küßte ihr impulsiv die Hand, aber Kläre
hob ihren Kopf empor und küßte sie auf den Mund.
Eilig ging Susi dann an ihre Arbeit zurück.
Kläre aber setzte sich wieder an ihren Schreibtisch
und rechnete in den Büchern. Das war jetzt ein schwe-
res Stück Arbeit. Was erst nur für sie und Liselotte
gereicht hatte, mußte nun auch für die drei an-
deren Mädchen genügen.
Aber Kläre machte bei dem schwierigen Exempel
kein verdrießliches Gesicht. Sie lächelte sogar vor
sich hin. Frischer und froher blickten jetzt ihre Augen.
Sie hatte eine Lebensaufgabe, bei der es hieß, alle
Kräfte anzuspannen, und die erfüllte sie mit Genug-
tuung.
Nach einer Weile trat Liselotte bei ihr ein.
„Tante Kläre, Susi schickt mich, ich soll noch
ein gutes Wort für sie einlegen. Sie ist noch ganz
zerknirscht.“
Kläre sah lachend auf.
„Ist nicht nötig, Liselott. Der arme kleine
Schelm soll sich nun endlich beruhigen. Hast du Zeit?
„Ja, Tante, ich bin mit meiner Arbeit fertig.“
„Dann hilf mir mal hier die einzelnen Posten
durchrechnen, ich möchte vor Tisch noch fertig werden.“
Liselotte setzte sich neben sie und rechnete. Und
dabei bemerkte sie bekümmert, wie enorm sich dies
Ausgaben gesteigert hatten in den letzten Wochen,
seit Mutter und Schwestern anwesend waren.
Sie seufzte tief auf, als sie fertig war.
„Was hast du, Kind?“ seufzte Kläre.
„Ach, liebe, liebe Tante, es muß ja zu viel
für dich werden, wenn wir alle dir auf der Tasche
liegen,“ sagte Liselotte leise.
„Meinst du, Kind? Na ja — ein bißchen knapp
ist es jetzt, weil ich jährlich die zweitausend Mark
abzahlen muß. Aber es muß gehen. Und es wird
auch gehen. Sind nur erst die fünf Jahre um,
dann ist die Schuld getilgt und dann wird es vorzüg-
lich gehen.“
Liselotte holte tief Atem.
„Ich wollte dir etwas sagen, Tante Kläre.“
„Dann heraus damit. Was ist es denn, Lise-
lott?“
„Also — sag' mir zuerst einmal, ob ich jetzt
etwas im Haushalt leisten kann.“
„Willst du Lobreden hören?“ fragte Kläre
neckend.
Liselotte schüttelte den Kopf.
„Nein — ganz ernsthaft nur deine Meinung.“
„Nun also — Du hast viel gelernt, warst eine
sehr anstellige Schülerin, und was dir noch fehlt,
kommt nun ganz von selbst. Bist du zufrieden, ehr-
geiziges Hausmütterchen?“
„Ja, Tante Kläre.“
„Und warum wolltest du das so unbedingt
wissen?“
Liselotte faßte ihre Hand.
„Weil ich das, was ich gelernt habe, verwerten
will, Tante Kläre. Ich will nicht länger auf deiner
Tasche liegen, jetzt, wo es dir so schwer wird, für
alles zu sorgen. Ich sehe, wie du rechnen mußt,
um alles zu schaffen. Das drückt mich. Und deshalb
will ich mir eine Stellung suchen und mir mein
Brot selbst verdienen. Für eine „Stütze“ reichen
meine Kenntnisse wohl aus, denn sonst habe ich außer
der üblichen Schulbildung der höheren Tochter nichts
gelernt, womit ich Geld verdienen könnte. Höchstens
könnte ich noch einen Posten als Gesellschafterin bei
einer nicht zu anspruchsvollen Dame ausfüllen. Viel-
leicht läßt sich beides vereinigen. Ich habe schon
eine ganze Weile darüber nachgedacht. Was meinst
du dazu?“
Kläre hatte sinnend zugehört. Nun sah sie auf.
„Gerade dich soll ich hergeben, Liselott?“ fragte sie
schmerzlich.
Das junge Mädchen umfaßte sie innig.
„Meinst du, mir wird die Trennung von dir
leicht, Tante Kläre? Aber sieh, weder Sandra noch
Susi sind fähig, auf eigenen Füßen zu stehen. Mich
hast du es gelehrt. Und du mußt auch verstehen,
mußt nachfühlen können, daß ich jetzt danach ver-
lange, meine eigenen Kräfte zu regen, auch meiner-
seits mitzuhelfen, daß wir vorwärts kommen. Es
ist mein fester Wille, Tante Kläre, für mich selbst
zu sorgen.“
Kläre Arnstetten sah eine Weile in das junge,
ernste Gesicht. So weh ihr der Gedanke tat, Lise-
lotte fortgeben zu müssen, so sehr leuchtete ihr ein,
daß es nur von Nutzen für sie sein konnte, wenn sie
auch einmal draußen im Lebenskampf auf sich allein
gestellt war. Das hat noch niemand geschadet. Mochte
sie also ihren Willen haben.
„Also gut, Liselott, du sollst tun, was du dir
vorgenommen hast. Dein Entschluß ehrt dich. Wir
wollen es bei Tisch mit der Mutter besprechen. Aber
eins mache ich zur Bedingung — daß du dir in
Ruhe eine passende Stellung suchst, nicht das erste
beste annimmst, und daß du dir immer bewußt bleibst,
daß in meinem Hause deine Heimat ist.“
„Ja, Tante Kläre, liebe, gute Tante Kläre,
das will ich tun. Und voll Mut geh' ich hinaus
in die Welt, da ich weiß, daß ich mich zu dir flüch-
ten kann, wenn es einmal nicht weiter gehen will.
Wenn aber Sandra und Susi einmal heiraten sollten
dann komme ich wieder zu dir, für immer.“
Kläre zog sie fest an sich.
„Und wenn meine Liselott gar eher heiratet
als ihre Schwestern?“ fragte sie lächelnd.
Liselotte schüttelte den Kopf und sah mit feuch-
ten Augen zu ihr auf.
„Du weißt — der, dem mein Herz gehört, ist
mir verloren. Und einem anderen Manne werde ich
nie angehören,“ sagte sie leise.
„Du willst also eine alte Jungfer werden, wie
deine Tante Kläre?“ fragte Kläre weiter.
Liselotte lachte und schmiegte sich an sie.
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