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Ascher Zeitung Nr. 116.
Seite 6.
2. Oktober 1918.
enthüllung ist dem Bildhauer Professor Hildebrandt der
erbliche Adel verliehen worden. Der Erzgießer Reichsrat
von Miller hat das Großkreuz des Michael-Verdienstordens
Die abergläubischen Pariserinnen schwören Stein und
Bein, daß es Glück bringt, auf der Straße unver-
sehens einem Buckligen zu begegnen, und wenn es
sogar gelingt, mit der Hand den Buckel zu berühren,
dann kann die Glücksgöttin nicht anders, sie muß
binnen kurzem ihr ganzes Füllhorn über die kluge
Pariserin ausgießen. Mme. Betouille hätte sich ihr
Leben lang Vorwürfe gemacht, wenn sie diese einzig-
artige Gelegenheit achtlos versäumt hätte: sie näherte
sich also diskret dem Buckligen und suchte unbemerkt
ihre Hand leise über den Buckel des Fremden hin-
gleiten zu lassen. Es scheint, daß sie bei dieser Be-
wegung mit zuviel Inbrunst zu Werke ging, jeden-
falls spürte der Bucklige die Berührung, er mochte
sie mißdeuten, kurz: er drehte sich um und grifff
die für sein Empfinden etwas zudringliche Dame ganz
entsetzlich tatkräftig mit seinem Spazierstock an. Und
er muß ein sehr jähzorner Buckliger gewesen sein,
denn in der nächsten Minute packte er die arme
Frau Adele und warf sie ohne viel Federlesens in
das Wasserbassin, das glücklicherweise keinen halben
Meter tief ist. Herbeieilende Polizisten führten die
triefende Schöne aus dem unverhofften Bade; der
temperamentvolle Bucklige aber wird sein Ungestüm
vor Gericht zu rechtfertigen haben.
(Von einer Bombe zerrissen.) Aus Co-
runa wird gemeldet, daß zwei junge Leute in dem
Dorfe Asaodo, die eine Bombe trugen, durch deren
Explosion getötet wurden. Mehrere Vorübergehende
wurden verwundet.
(Aus der „guten“ alten Zeit ...) Das Rau-
chen war auf den Straßen Berlins bis Ende der vier-
ziger Jahre des vorigen Jahrhunderts streng verboten.
Zu Hause und in den Kneipen durfte man paffen, daß
die Wände schwarz wurden, auf der Straße mußten
Pfeife und Glimmstengel verschwinden oder kalt geraucht
werden. Worin eigentlich die Merkmale der Unanstän-
digkeit des Rauchens lagen, ist ewig das Geheimnis der
Polizei geblieben, das sie trotz aller Anzapfungen der
Presse zu verraten nicht geneigt war. Der üble Geruch
konnte es nicht sein; denn, wenn man vermutlich auch
einen scheußlichen Knatter-Batter rauchte, auf den Duft
der damaligen Gassen mußte auch der elendeste Tabaks-
qualm immer noch veredelnd wirken. In Dresden und
München hatte man das Rauchen längst freigegeben, als
man in Berlin mit standhafter Tugend die gefährliche
Sittlichkeit peinlich weiter schützte und den Abgefaßten um
zwei blanke Taler kränkte, eine Summe, für die er sich
ein halbes Jahr lang mit dem allerbesten Kraut versor-
gen konnte. Und als das Gericht etwas mildere Saiten
aufziehen und einen Raucher freisprechen wollte, der den
Frevel in später Abendstunde in entlegener Gegend began-
gen hatte, schwoll, so wird der „Köln. Ztg.“ geschrieben,
dem Herrn Staatsanwalt der Kamm in sittlicher Ent-
rüstung und er erklärte mit dem Grundton innerster und
unwandelbarster Ueberzeugung, daß die Grenzen des An-
und Unanständigen unmöglich nach Ort und Tageszeit
bestimmt werden können! Etwas Gräßliches ereignete
sich dann im Jahre des Heils 1847. Der „Wochenbericht“
der Polizei vom 4. August 1848 hat es für alle Zeiten
historisch festgelegt daß eine Maid von sechzehn Jahren
auf offener Straße in belebtester Gegend beim Rauchen
einer Zigarre abgefaßt wurde. Das Anstandsgefühl der
Häscher war aufs tiefste verletzt; die Sünderin wurde
zur Wache geführt und alle Wohlgesinnten sahen mit
Schaudern in diesen Abgrund menschlicher Verworfenheit.
Erst nach dem „tollen Jahr“ erblühte den Berlinern
die Rauchfreiheit.
(Das Alphabet der Landstreicher.) Es ist
bemerkenswert, daß die Landstreicher aller Nationalitäten,
Franzosen, Italiener und Russen, dasselbe Zeichensystem
benutzen. Man hat die Behauptung aufgestellt, daß dies
durch die Zigeuner kommt, die durch ganz Europa wan-
dern. Einmal traf der Mitarbeiter eines englischen Blattes
einen Landstreicher, der seinen Weg nach London nach
längerem Aufenthalte im Lande „durcharbeitete“. Es war
erstaunlich, zu sehen, wieviel Zeit und Kraft er durch die
Vorsorglichkeit seiner Vorgänger beim Absuchen der Vor-
stadtstraßen ersparte. Statt die Vorgärten zu durchschrei-
ten, um auf gut Glück an die Tür zu klopfen, warf er
nur einen Blick auf bestimmte kleine Kreidezeichen auf
den Toren oder Zäunen und wußte sofort, ob es der
Mühe wert war, zur Türe zu gehen und um Unterstützung
zu bitten, ebenso, in welcher Art er etwas vorerzählen
mußte, um Erfolg zu haben. Wenn Landstreicher nicht
geborene Schauspieler sind, so werden sie in ihrem „Beruf“
nie zu etwas kommen. Es war interessant, den Gesichts-
ausdruck des Bettlers zu sehen, als er die verschiedenen
Zeichen sah. Er sprach an drei verschiedenen Türen vor,
und jedesmal hatte sein Gesicht einen verschiedenen Aus-
druck und sein Körper eine andere Haltung; jedenfalls
nahm auch seine Stimme einen anderen Klang an. Nach-
dem er das dritte Haus verlassen hatte, fragte man ihn,
ob er Abstinenzler wäre; nach einer vorsichtigen Pause
sagte er nein. Und dann begann er seinem Begleiter
die geheimnisvollen Zeichen zu erklären. Ein Kreuz auf
dem Türpfosten bedeutet, daß der Bewohner nichts taugt
und daß es nur Zeitverschwendung ist, dort vorzusprechen.
Die rohe Zeichnung einer Sichel veranlaßt den Land-
streicher, seine Taschen zu durchsuchen und einige Streich-
holzschachteln und Stiefelschnüre'hervorzuholen, denn dieses
Zeichen bedeutet, daß die Hausbewohner wohl Kleinig-
keiten kaufen, aber nicht Geld geben. Wenn der Land-
streicher eine rohe Zeichnung einer zweizinkigen Gabel auf
einem Wegweiser findet, so geht er in der Richtung
weiter, wohin die Gabel zeigt, denn es bedeutet, daß
Leute an jenem Wege gutmütig und mildtätig sind. Ein
Rhombus bedeutet, daß das Haus gefährlich ist, d. h.,
daß die Leute dort imstande sind, den Bettler verhaften
zu lassen, und ein Dreieck zeigt an, daß das Haus durch
das Vorsprechen von allzuvielen Vagabunden schon „ver-
dorben“ ist. Ein Quadrat bedeutet, daß die Menschen
wirklich „nett“, also goldeswert sind. Ein Kreis, der ein
Kreuz enthält, macht den Vagabunden nachdenklich. Es
bedeutet, daß der Inhaber in Fällen wirklicher Bedürf-
tigkeit reichlich gibt, Bettler aber, die für ihre Geschichten
nicht Belege haben, ins Gefängnis schickt.
(Beschränkung des Luftverkehrs bei der
Einweihung des Völkerschlachtdenkmals.) Das
Leipziger Polizeiamt und die Königliche Amtshauptmann-
schaft Leipzig geben öffentlich bekannt: „Am 18. Oktober,
in der Zeit von 9 Uhr vormittags bis 2 Uhr nach-
mittags, ist der Verkehr mit Luftfahrzeugen aller Art,
insbesondere das Ueberfliegen der Stadt sowie des um
das Völkerschlachtdenkmal gelegenen Gebietes zur Ver-
meidung einer Beeinträchtigung der am Völkerschlacht-
denkmal stattfindenden Einweihungsfeierlichkeiten und aus
Gründen der öffentlichen Sicherheit verboten“.
(Einer, der nicht bis 3 zählen kann.) Aus
einer Volksschule im badischen Hanauerland wird das
folgende Geschichtchen erzählt: Im ersten Schuljahr macht
ein Schüler dem Lehrer beim Rechnen unsägliche Not.
Es ist unmöglich, ihm auf gewöhnlichem Wege das Zählen
beizubringen. So nimmt denn der Lehrer ihn besonders
vor und sagt ihm: „Paß auf! Deine Mutter hat gebacken
und gibt dir ein Stück Kuchen, danach noch eins. Wieviel
hast du jetzt?“ Antwort: „Zwei“. Weiter: „Deine
Mutter gibt dir nachher noch ein Stück Kuchen zu essen.
Was hast du dann?“ Antwort: „No han i genua.“
In der Tat, der Junge hatte an jenem Tag „genua“
für immer. Ueber die zwei ist er beim Rechnen nicht
gekommen. Wenn er weiter soll, hat er „gnua“.
(Wie man vor 400 Jahren frühstückte. Messer
Cristofaro, der als Koch in den Diensten des als frei-
gebiger Schützer der Kunst gerühmten Herzogs von Fer-
rara stand, galt für einen der ausgezeichnetsten Küchen-
künstler des 15. Jahrhunderts. Dafür erbringt sein im
Jahre 1556 in Venedig erschienenes Buch: „Ein neues
Buch in dem man Anweisung erhält, jedes Gericht zu-
zubereiten überzeugenden Beweis. Das interessante Koch-
buch Messer Cristofaros enthält daneben auch den Speise-
zettel eines Frühstücks, mit dem der Herzog von Fer-
rara am 14. Februar 1548 seine Gäste bewirtete. Die-
ser Speisezettel gibt uns wertvolle Belehrung darüber,
in welch großzügiger Art die italienischen Großen des
15. Jahrhunderts ihrer Wirtspflicht genügten, und daneben
erhält man einen Begriff, welch beneidenswerte Aufnahme-
fähigkeit der Magen der Herrschaften der Renaissancezeit
besaß. Aus der überlangen Liste der Vorgerichte seien
die folgenden herausgegriffen: Salat aus dem Mark
der Röhrenknochen von Pfauen mit Zedratsaft, Essig,
Zucker und Pfeffer. Gebackene Fleischpastetchen. Wein-
suppe mit Zucker und Zimmt. Rebhühner. Zervelat-
wurst und Würstchen aus einem Füllsel von dem Fleisch
von Wildschweinen und Milchkälbern. Gebratene Tau-
ben mit Fleischfüllung und Speckumhüllung. Nach dieser
Einleitung wurde wohlriechendes Wasser zum Hände-
waschen herumgereicht, worauf die Mahlzeit mit der
Servierung eines Fleischsalates wieder aufgenommen wurde.
Es folgten in bunter Reihe unter anderem Backhühner
mit Fruchtsalat; Kapaune, aus denen die Knochen ent-
fernt worden waren, mit Beilage von in Fett gerösteten
Würstchen; gebratene Fasanen mit Einbrenntunken; Le-
berpasteten, die mit einer Kruste von Zimt und Zucker
serviert wurden; Pfauen mit einer Tunke, die nach
einem Rezept des Herzogs hergestellt war; Kalbsbraten
mit einer Leberfarce; in Schwarzbrot gebackene Hühner,
dick mit Pistazien bestreut; am Spieß gebratene Milch-
ferkel; in Malvasier gekochte Rinderzunge; Apfelschnitten
nach deutscher Art in Fett gebacken und mit Zucker und
Zimt gewürzt; und so weiter bis zum Obst, das in allen
Sorten und Arten zur Verfügung stand. Um diese Spei-
senfolge zu bewältigen, hatte man sich um 1/24 Uhr zu
Tische gesetzt, nachdem man sich an einer Komödie von
Parabosca ergötzt und für die leiblichen Genüsse in
Stimmung gebracht hatte. Um 9 Uhr wurde die Tafel
aufgehoben und man begab sich in die Festsäle, um dem
Tanze zu huldigen. In den Pausen des Balles wur-
den dann Trauben, Zuckerwasser, Aepfel und Konfekt ge-
reicht, worauf man männiglich befriedigt nach Hause ging,
um sich von den Eß- und Trinkstrapazen zu erholen.
(Enthüllung eines Prinzregenten Luitpold-
Denkmales in München.) Montag mittags fand die
Enthüllung des Reiterstandbildes des Prinzregenten
Luitpold statt, welche Bildhauer Professor Hildebrandt
im Austrage der Stadt München geschaffen hat. Das
Standbild, welches den Prinzregenten ohne Kopfbedeckung
darstellt, steht vor dem Nationalmuseum. An der Feier
nahmen Prinzregent Ludwig mit Gemahlin, die Prinzen
und Prinzessinnen, die Staatsminister, das diplomatische
Korps und zahlreiche Deputationen von Veteranen und
Kriegervereinen usw. teil. Oberbürgermeister von Borscht
entwarf in seiner Festrede in großen Zügen ein Bild
des verstorbenen Prinzregenten und feierte den Prinz-
regenten Ludwig als den vornehmsten Bürgerfreund
und weitblickenden Gönner der Residenzstadt. Prinz-
regent Ludwig erwiderte in längerer Ansprache, daß er
sich stets gefreut habe zu sehen, welch warmherzigem Ver-
ständnis in allen Kreisen der Bevölkerung die Sorge
und Hingebung begegnet ist, die sein Vater dem kulturellen
Blühen wie der wirtschaftlichen Erstarkung der Hauptstadt
zugewendet hat. Er werde mit allen Kräften bestrebt
sein, das Erbe der Liebe und Sorge für München, das
sein unvergeßlicher Vater ihm hinterlassen hat, getreu zu
hüten. In dem Standbilde des hochseligen Regenten,
das man sich anschicke zu enthüllen, soll die Liebe und
die Anhänglichkeit, mit der die Münchener die treue
Sorge meines Vaters vergalten, ein Denkmal erstehen.
Unter Glockengeläute und Kanonendonner fiel hierauf
die Hülle des Denkmals. Aus Anlaß der Denkmals-
Kundmachung.
Gemäß der Wehrvorschriften hat sich jeder zur
Rekrutenstellung 1914 in den drei Altersklassen be-
rufene in den Jahren 1893, 1892 und 1891 ge-
borene Stellungspflichtige, ohne Unterschied, ob ein-
heimisch oder fremd, im Monate November d. J.
bei dem Gemeindeamte seines Heimats- oder Auf-
enthaltsortes zu melden.
Fremdzuständige Stellungspflichtige haben zur
Meldung ihr Legitimationsdokument vorzuzeigen.
Diese Meldung kann mündlich oder schriftlich ge-
schehen und kann bei Abwesenden oder im Erkran-
kungsfalle durch die Eltern, gesetzlichen Vertreter oder
durch Bevollmächtigte erfolgen. Die Unterlassung
dieser Meldung wird mit einer Geldstrafe bis zu
200 Kronen bestraft.
Ansuchen um Bewilligung zur Abstellung außer-
halb des heimatlichen Stellungsbezirkes sollen ge-
legentlich der Anmeldung und zwar bis längstens
Ende November überreicht werden.
Wer einen Anspruch auf eine Begünstigung in
der Erfüllung der Militärpflicht geltend machen will,
kann sein diesbezügliches, begründetes Ansuchen im
Monate Januar oder Februar 1914 bei der k. k.
Bezirkshauptmannschaft, spätestens aber am Tage der
Hauptstellung bei der k. k. Stellungskommission ein-
bringen.
Stadtrat Asch, am 1. Oktober 1913.
Der Bürgermeister: Herm. Gottl. Künzel.
Neutschvöll. Hausbesitzerverein Asch.
Wohnungsankündigungen, Haus- oder Grundverkäufe
wollen zwecks Vermittlung bei Herrn Car! Fleißner
betanntgegebenwerden.
Vermietungen:
Eine schöne Wohnung, bestehend aus
zwei Zimmern, Küche und Zubehör ist per
1. November zu vermieten
Friedrich Hofmann, Selberstraße 1409.
Ein kleines Zimmer samt Zubehör ist
per 1. Feber zu vermieten
Bürgerheimstraße 1390.
Ein Hausinstrument, das sich steigender Be-
liebtheit erfreut, ist das Harmonium. Die anheimelnde
weiche Stimmung dieses Instrumentes macht es gerade
für die deutsche Familie zu einem besonders geeigneten
Kameraden der langen Winterabende, und das um so
mehr, als die Harmoniummusik eine vorzügliche Gesangs-
begleitung ist. Güte und Preiswürdigkeit sind die glück-
lichen Eigenschaften des Harmoniums der Firma Aloys
Maier, Königl. Hoflieferant, Fulda. Die Harmoniums
dieser Firma sind über den ganzen Erdball verbreitet.
Dazu trägt sicherlich bei, daß die Preise bequemster
Zahlungsweise mäßig sind. Zweifellos werden die all-
gemein geschätzten Maier'schen Harmoniums in Privat-
häusern noch weit schneller und zahlreicher Eingang fin-
den, nachdem es gelungen ist, einen überaus sinnreich
konstruierten, dabei aber einfachen und billigen (Mk. 35.=)
ohne
Apparat herzustellen, der es jedermann ermöglicht,
musikalische Vor- und Notenkenntnisse vierstimmige Lieder,
Choräle, Opernmelodien ꝛc. sofort ohne Mühe spielen
zu können. Ein neuer Prachtkatalog mit 31 Abbil-
dungen steht allen Freunden guter Hausmusik unentgeltlich
zur Verfügung.
erhalten.
W
AUE ECHITEMG
Gefunden
und am städtischen Polizeiamt hinterlegt wurden:
9 gewaschene Herrenkrägen, eine Geldnote und
Schlüssel.
Dateiname:
ascher-zeitung-1913-10-02-n116_5180.jp2
Porta fontium