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klagten die Generalien ab, was eine Stunde
währt. Hierauf wird die umfangreiche Anklage-
schrift verlesen, deren wesentlichste Angaben wir
bereits oben angeführt haben und deren Verlesung
eine halbe Stunde währt. Wir werden über
den Ausgang des Prozesses berichten.
Ambros Adler in Aussig benützten Räumlichkeiten
Haussuchung vorgenommen und wurden dort
außerordentlich viele, das Geständniß bestätigende
Werkzeuge zur Alditpapierverfälschung bezw.
Halbfabrikate vorgefunden, deren Ausführung wir
aus Raumgründen unterlassen müssen. Es wurde
die Verhaftung des Bernard Lederer, des
Karl Friedrich Kammerer, die des vom Adler
erwähnten Karlsbader Schlossers, des Agenten
Löw und des Bauern Pschorn veranlaßt und
da Lederer und Kammerer sofort ein Geständnis
ablegten, und die Erhebungen die betreffenden
Verdachtsgründe ergaben, wurden auch Wenzl
Kraus und die anderen Beschuldigten in Haft
genommen und bei jedem derselben die Vor-
nahme einer Haussuchung verfügt.
Während die Hausdurchsuchungen bei den
anderen Beschuldigten nur den diesbezüglichen Geld-
und brieflichen Verkehr untereinander sicherstellten,
ergab die Haussuchung bei dem Beschuldigten
Pschorn, daß bei ihm die Fabriksstätte für die
Banknotenerzeugung eingerichtet war. Es wurden.
gleichfalls am 15. Feber 1901 in der Behausung,
des Oekonomen Pschorn zum Theil verborgene,
viele auf die Banknotenfälschung Bezug habende
Gegenstände vorgefunden.
Schon im September 1899 fanden sich die
Beschuldigten Wenzl Kraus, Eduard Modes,
Josef Grimm, Franz Brennich zusammen
und beschlossen, falsches Geld zu machen und
verwirklichten diese Absicht durch Beisteuerung
von Geldbeträgen, Anschaffung der nöthigen
Werkzeuge und des nöthigen Fachmannes. Es
wurde von Kraus der Beschuldigte Franz Se-
linger in die Gesellschaft mit aufgenommen,
durch ihn dessen Stiefbruder, der Beschuldigte
R. Selinger als Berather engagiert, durch die
Beiden der Beschuldigte Josef Zinner als
Buchdrucker aufgenommen, der Beschuldigte
Alfons Auerbach als Graveur behufs Mit-
hilfe in die Geheimnisse eingeweiht. Die An-
klageschrift schildert sehr ausführlich, wie auch
alle übrigen Angeklagten zu der „Gesellschaft“
kamen.
Nach den Angaben des Lederer hat Pschorn
an Geld einen Beitrag von 300 fl. geleistet,
Schlögl einmal dem Reißmann 50 fl., dem Lederer
200 fl., Kempf dem Kammerer 180 fl., Kempf
später dem Lederer 80 fl., Geldbeträge, die selbst-
verständlich nur zur Erzeugung der Banknoten
gegeben wurden. Unterdessen hatte Reißmann
die Zeichnung der Zehnguldennote wie angenommen
wurde, vollständig hergestellt und nun setzte sich
Kammerer mit dem Beschuldigten Ottokar Zinner
in Neudek, den er von Chodau aus kannte, in
Verbindung.
Nun wurden mit der Zeichnung, die Reiß-
mann angefertigt, und mit dem photographischen
Abdruck, den Ottokar Zinner gemacht hatte, von
Lederer, Goldammer, Adler und Pschorn mittelst
der Platten und der Presse in der Pschorn'schen
Behausung Zehnguldenfalsifikate, nach der
Erhebung zirka' 1000 Stück, angefertigt, die aber
nicht gelungen und verbrannt worden sein sollen.
Nach den Erhebungen nahm Lederer und Adler
je ein Paket von fünfhundert Stück zu sich.
Aus dieser Thatsache und aus dem Umstande,
daß Pschorn 2 Stück dieser Falsifikate in Lichten-
stadt ausgegeben resp. auszugeben versucht hat,
läßt sich wohl mit Recht der Schluß ziehen, daß
mindestens nicht alle erzeugten Falsifikate verbrannt
wurden.
Deshalb trachtete Adler im Interesse der Ge-
sellschaft, da er selbst auch 1000 Mark beige-
steuert haben will, noch eine größere Vervoll-
kommnung zu erreichen durch Herstellung eines
besseren Unterdruckes und durch Cliches der Me-
daillons, die dann in die Presse einzusetzen waren.
Bei diesen seinen Bestrebungen wurde er in
Leipzig verhaftet.
Unter außerordentlichem Andrange des Pub-
likums begann die Verhandlung. Vorsitzender ist
L.-G.-R. Traub, als öffentlicher Ankläger amtet
Staatsanwalt Dr. Kostial, beim Verteidiger-
tische sitzen die Herren Rechtsanwälte Dr. Alfred
Bernardin, Dr. Utschik, Dr. Zdenko Schücker,
O. L.-G.=R. Bienert, Dr. Klein und Dr.
Zentner. Die Angeklagten füllen sämtliche
Plätze der Anklagebank und der Bänke für die
Zeugen aus. Alle Altersklassen sind bei den
Angeklagten vertreten. Zwischen dem 21jährigen
Zinner und dem 67jährigen Brennich, der sich,
scheinbar infolge seines Alters, nur mühselig be-
wegen kann, liegt ein ganzes Menschenalter.
L.-G.=R. Traub nimmt den einzelnen Ange-
Aufsehen erregende Meldungen
über die Königin Draga.
Schon als Braut war angeblich eine Nieder-
kunft der Königin Draga zu erwarten, was be-
kanntlich den König Alexander bestimmte, die
Draga zu heirathen. Nunmehr wird aus
Semlin gemeldet: In den dem Belgrader Hofe
nahestehenden Kreisen verlautet, daß nach Ansicht
der dahin berufenen russischen Aerzte eine
Niederkunft der Königin Draga nicht zu
erwarten stehe. Universitätsprofessor Dr.
Stegirew aus Moskau hatte gestern mit dem
russischen Gesandten Czarikow eine längere
Unterredung.
Aus Belgrad, 17. Mai, wird gedrahtet:
Die heutige amtliche Bekanntgabe, daß eine Nieder-
kunft der Königin Draga nicht zu erwarten sei,
hat in Belgrad größte Aufregung hervor-
gerufen. Seit Wochen war es ein offenes Ge-
heimnis, daß im Konak nicht alles richtig sei
und die abenteuerlichsten Gerüchte durchschwirrten
die Stadt. Man erinnerte sich, daß schon an-
läßlich der Vermählung des Königs Aexander
und der vorangegangenen Meldung, daß seine
Verlobte einem Familienereignisse entgegensehe,
welches zunächst König Alexander veranlaßt
hätte, sein Wort an Frau Maschin einzulösen,
ärztliche Autoritäten die Möglichkeit eines der-
artigen Ereignisses auf das Entschiedenste be-
stritten und auf eine bei Frau Maschin vor
einigen Jahren nothwendig gewordene Operation
verwiesen, durch welche eine Mutterschaft bei
ihr ausgeschlossen erscheine. Von anderer Seite
wurde dies aber bestritten. Man erinnert sich
weiter, daß der König sogar das Thronfolgegesetz
in dem Sinne abändern will, daß auch eine
eventuell weibliche Nachkommenschaft zur Erb-
folge berechtigt sei. Alle diese Momente zer-
streuten die Bedenken, welche gegen die bevor-
stehende Niederkunft auftauchten.
Im Konak herrscht die trübste Stimmung
und es soll sehr erregte Szenen gegeben haben,
ehe man sich dazu entschlossen hat, mit der
offiziellen Mittheilung hervorzutreten, daß die
Hoffnung auf einen Thronerben trügerisch war.
Wie verlautet, wird eine eingehende Darstellung
der Sachlage sehr rasch erfolgen. Die aben-
teuerlichsten Gerüchte finden in Belgrad Glauben.
Der ruſsische Universitätsprofessor Dr. Stegirew
aus Moskau ist heute Früh auf einem Donau-
schiffe abgereist, nachdem er dem Könige und
dem Ministerpräsidenten erklärt hatte, daß an
die Möglichkeit einer Niederkunft der
Königin überhaupt nicht mehr zu denken
sei.
Aus Wien, 17. Mai wird gemeldet: Prof.
Dr. Ernst Wertheim, der Vorstand des Bettina-
Pavillons im Elisabeth Spital ist bereits gestern
Abends in Folge telegraphischer Berufung nach
Belgrad abgereist. —
Wie man einem Wiener Blatte aus Belgrad
berichtet, erzählt man sich dort, daß König
Alex ander das Opfer einer raffinirten
Täuschung seitens seiner Gemahlin
Draga geworden sei, welche ihn unter der
Vorspiegelung, daß sie sich Mutter fühle, zu
jenen Schritten bewog, die zu ihrer Verbindung
mit dem Könige führten, den König aber mit
seinen Eltern entzweiten. Die Königin Draga
habe bloß Mutterfreuden fingirt. Wohl
aber sah die Schwester der Königin, welche in
Serbien wegen ihres Hochmuthes sehr mißliebig
ist, einem Familienereigniß entgegen und der
Verdacht, daß eine Unterschiebung ihres
Kindes beabsichtigt war, wird in Belgrad
allgemein geäußert und geglaubt.
Die Aufdeckung der Intrigue soll durch den
aus Rußland, wie verlautet auf Befehl des Zaren,
angekommenen Moskauer Gynäkologen erfolgt
sein. Der russische Fürst P., welcher als Schau-
spieler im Nationaltheater zu Belgrad auftrat,
hatte die geheime Mission, sich über den Zustand
der Königin zu vergewissern. Der Liebens-
würdigkeit und den galanten Manieren des
fürstlichen Amateur-Schauspielers wurde es leicht,
in Belgrad sich Gewißheit über die Thatsache
zu verschaffen, daß König Alexander das Opfer
eines unerhörten Betruges seiner Gattin
geworden.
Zur selben Zeit erfuhr auch König
Alexander aus dem Munde seiner eigenen
Frau, daß diese ihn angeblich aus Liebe getäuscht
habe, in der Hoffnung, im kritischen Augen-
blicke das Kind ihrer Schwester als das
ihrige unterschrieben zu können! Die
angekündigte Ankunft des russischen Gynäkologen,
wie die Todtgeburt der Schwester der Königin
zwangen die Letztere zum Ge ständniß. König
Alexander war durch diese Mittheilung der
Königin ganz niedergeschlagen. Er soll die vor
ihm auf die Knie gesunkene Königin keines Wortes
gewürdigt und ihr verächtlich den Rücken gekehrt
haben. König Alexander trägt sich mit dem
Gedanken, die Ehescheidung beim Metro-
politen zu beantragen. Er soll dem Zaren
selbst Mittheilung über seine traurige Entdeckung
gemacht haben.
Vermischtes.
Kleine Nachrichten.
Karlsbad, 16. Mai.
Für den heutigen
Bäderzug Berlin-Karlsbad sind 451 Platzkarten
gelöst worden; der Zug brachte gegen 500
Personen, ein Ereignis, das noch nie dage-
wesen ist. Man glaubt, daß der neue Sprudel
große Zugkraft ausübt.
Frankfurt a./ M., 17. Mai. Im Festungs-
graben zu Mainz fand gestern ein Pistolenduell
zwischen dem Infanterieoberleutnant Richter und
dem Husarenleutnant Vogt statt. Richter wurde
tödtlich verletzt. Dem Kaiser ist über den Vor-
fall sofort Bericht erstattet worden.
Konstantinopel, 17. Mai. Der Mutessarif
von Prevesa hat den griechischen Bischof Kosma
unter der Anschuldigung der Theilnahme an der
hellenischen Propaganda verhaften und in das
Gefängnis nach Janina bringen lassen. Der
griechische Gesandte und die russische Botschaft
unternahmen wie auch das ökumenische Patriar-
chat bei der Pforte Schritte, um die Freilassung
des Bischofs zu erwirken.
München, 17. Mai. Der Prinzregent be-
gnadigte anläßlich seines 80. Geburtstages gestern
abermals 396 Personen. Damit hat die Am-
nestie, welche insgesammt 1384 Personen zu
Theil wurde, ihren Abschluß gefunden.
Ein schweres Brandunglück wird unterm 17.
d. M. aus Zwickau i. S. gemeldet: In ver-
gangener Nacht entstand im Weißschen Gasthof
in Mülsen St. Jacob, in dem eine Gesellschaft
sich bei einem Tanzkränzchen unterhielt, Feuer,
das sehr schnell um sich griff. Es entstand unter
den Anwesenden eine große Panik. Dabei wur den
zwei Mädchen, das eine im Alter von 17, das
andere im Alter von 21 Jahren, totgedrückt.
Eine Anzahl Personen, die aus den Fenstern
ins Freie sprangen, erlitten Arm- und Beinbrüche.
Die Feuerwehr war schnell zur Stelle, konnte
aber nicht verhindern, daß der Gasthof samt dem
Tanzsaal völlig niederbrannte. Es wird Brand-
stiftung vermuthet.
Eine Mutter mit sieben Kindern verbrannt.
Wie aus Stargard in Pommern gemeldet wird,
hat sich auf einer Seitenlinie der Stargarder
Eisenbahn ein furchtbares Unglück ereignet. Ein
einschichtig gelegenes Wächterhaus, offenbar durch
Funkenflug aus der Lokomotive eines passierenden
Zuges in Brand gesetzt, ist bis auf den Grund
niedergebrannt. Die Gattin des Bahnwächters,
sowie deren sieben Kinder im Alter von drei
Monaten bis zu 13 Jahren, die alle in dem
Häuschen schliefen, kamen in den Flammen um.
Am Morgen fand man im Brandschutte die acht
verkohlten Leichen auf.
Drahtnachrichten.
Eröffnung der Absturz-Saison.
Wien, 18. Mai. (Privatt.) Der „Reichs-
wehr“ zufolge stürzten gestern Mittags die
Wiener Beamten Schranzhofer und Kolarz vom
Peilstein im Wiener Walde ab und waren sofort
todt.
Graf Waldersee.
Berlin, 18. Mai. (Privatt.) Graf Wal-
dersee wird die Heimreise über Japan antreten.
Dateiname:
ascher-zeitung-1901-05-18-n58_2430.jp2
Porta fontium