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23. April 1899
„Karlsbader Badeblatt und Wochenblatt“ Nr 93
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dem Jahresbeitrage von 25 Kronen beizutreten.
Als Sommerübungslocale wurde das Restaurant
„Panorama“ wiedergewählt und die Gesangsproben
für jeden Samstag abend bestimmt. Im Laufe
des Sommers werden mehrere Garten-Liedertafeln
abgehalten und im Herbste ist abermals ein größerer
Sängerausflug in die Alpenländer in Aussicht ge-
nommen. — Bei der hierauf vorgenommenen Neu-
wahl wurden sämmtliche früheren Comitémitglieder
wiedergewählt und zwar: Herr Karl Wirkner als
Chormeister durch Zuruf, ferner Herr Hans Stolz
als Obmann, Herr Josef Wirkser als Schrift-
führer, Herr August Karwath als Cassier, Herr
Johann Pöschl als Bibliothekar und die Herren
Hans Sedlmayr und Albin Bär als berathende
Mitglieder.
(Ehrung.) Der Männergesangverein in
Donitz hat in seiner diesjährigen Generalversamm-
lung den Centraldirector Herrn Richard Kuhlo
aus Nürnberg zum Ehrenmitgliede ernannt.
(Der Verein der Postmeister Böhmens)
hält heute nachmittags 4 Uhr im Restaurant
„Bairischer Hof“ (Gartensalon) seine Kreisver-
sammlung aa.
(Restaurations-Eröffnung.) Das
bekannte Restaurant und Café „Imperial“ Elisabeth-
quai ist von heute ab vollständig eröffnet.
Kohlhau, 21. April. [O.=C.] (Gemeindevor-
steher-Wahl.) Als Nachfolger des auf seine Stelle
resignierenden Vorstehers Herrn Haberer wurde der
Oekonom Herr Josef Schmidt als Gemeindevorsteher
gewählt.
Teplitz. 21. April. [O.-C.] (Sieg der fortschritt-
lichen Handelsangestellten gegen die Socialisten.)
Unter außerordentlicher Theilnahme der Handelsangestellten
aller Branchen — trotz schlechten Wetters waren von 629
Mitgliedern 366 erschienen, war die Turnhalle bis aufs
letzte Plätzchen gefüllt. Auch ein Regierungsvertreter war
anwesend. Die Wahlen ergaben eine imposante Vertrauens-
kundgebung für den bisherigen Vorstand und drang die
officielle Candidatenliste mit einer überwältigenden Majorität
durch. Die socialdemokratischen Handelsangestellten er-
hielten einige 70 Stimmen. Die Versammlung, welche
stellenweise infolge des Vorgehens der Socialdemokraten.
die einen Protest gegen das Vorgehen des bisherigen
Vorstandes einbrachten, einen stürmischen Charakter annahm.
gestaltete sich zu einer großartigen Demonstration für die
Einigkeit der erdrückenden Mehrheit der Teplitzer Ange-
stellten gegenüber den Socialdemokraten und wurde damit
abermals zur Genüge erwiesen, daſs die Angestellten von
Teplitz ihre wirtschaftlichen Forderungen jederzeit selbst-
ständig zu vertreten gewillt sind, ohne Zuhilfenahme von
Elementen, die den Classenhaſs predigen und alles Be-
stehende auf den Kopf stellen wollen.
und brachten mich um das bischen kostenlose Reclame,
das einem heutzutage als honorig noch gestattet ist!
Soll ich mich darüber ärgern? Bewahre! Ich
hätte nichts davon, gerade wie jener College, der
seiner deutschnationalen Entrüstung darüber Aus-
druck gab, daſs man im Zeitungsverzeichnisse des
städtischen Lesesaales just die „Östdeutsche Rund-
schau“, die „Leipziger Neuesten Nachrichten“ und
den „Deutschen Volksboten“ vergessen hat anzu-
führen, während doch die „Narodni Listy“ und die
uns Deutschen besonders „gut“ gesinnte deutsch-
geschriebene „Politik“ breitspurig darin paradieren!
Wer mag wissen, welch finsteres Wölkchen sich da
wieder einmal am Karlsbader Gemeindehimmel
vorschiebt und nicht nur unsere Sternlein, sondern
auch diese Zeitungen verdeckte, so daſs selbe begreif-
licherweise übersehen werden mussten!
Es erinnert dies beinahe an die tschechischen
Stationstafeln der Marienbad-Karlsbader Bahn,
welche bisher im Karlsbader Centralbahnhofe ver-
steckt gehalten wurden. Man hat sie zwar angeschafft.
aber man bringt sie nicht an: man erfüllte den
Wunsch der Tschechen, beleidigte aber nicht die
Deutschen — bei den Zeitungen ist es wahrschein-
lich umgekehrt, man erfüllte den Wunsch der Deutschen
will aber das Auge der — nun, sagen wir meinet-
halben der Tschechen, natürlich aus „kurörtlichen“
Gründen, nicht beleidigen.
Freilich, nun werden die tschechischen Stations-
Vermischtes
(Zur Arbeiterbewegung.) Aus Gabel wird
gemeldet: Auf der Strecke Gabel-Kriesdorf der Localbahn
Teplitz-Reichenberg striken 700 Arbeiter. Die deutschen
und tschechischen Arbeiter werden von den italienischen,
welche höhere Lohnforderungen als die heimischen Arbeiter
aufstellen, an der Arbeitsaufnahme gehindert. Aus diesem
Anlasse wurde ein Beamter, sowie eine entsprechende Ver-
stärkung von Gendarmerie an den Strikeort entsendet. Am
20, d. nachmittags fand in Ringelshain eine Versammlung
der strikenden Bahubauarbeiter (etwa 700) statt. Der
Versammlung wohnten der Bezirkshauptmann, ein Bezirks-
commissär und der dort weilende Gendarmerielientenant.
ferner der Director der Auffig-Teplitzer Bahn Herr Rosche
bei. Eine Gendarmerie-Abtheilung von 29 Mann war in
Ringelshain anwesend. Ausschreitungen sind nicht vorge-
kommen. 22 italienische Arbeiter wurden von der Bau-
unternehmung gekündigt. Dieselben müssen Gabel verlassen,
da sich angeblich ein Anarchist unter ihnen befindet. In
der Versammlung in Ringelshain machte der Bezirkshaupt-
mann die Mittheilung, daſs die Baufirma Pelly & Maroin
einen Accordlohn von 1 fl. 30 kr. täglich zahlen will. Die
Firma verlangt aber die sofortige Aufnahme der Arbeit,
ferner will sie 120 Arbeiter nicht mehr aufnehmen, da sie
derselben nicht bedarf, und fordert, daſs die 22 Arbeiter,
welche die Rädelsführer waren, sich als entlassen betrachten
und sofort abgeschoben werden sollen. Für dieselben er-
liegen die Arbeitsbücher und der Rest des Lohnes bei der
Bezirkshauptmannschaft. Man glaubt, daſs die Arbeit
nunmehr wieder aufgenommen werden wird.
(Reise-Diner.) Man schreibt aus Zürich: Mit
dem Beginn der Reisesaison tritt bei uns eine sehr prak-
tische Einrichtung ins Leben. Es sind die Cartons
„Diner-Express“ von Walter Schelling's Witwe in Zürich.
An den Buffets der Bahnhöfe Zürich, Winterthur,
Romanshorn, Schaffhausen, Olten, Basel, Zug. Arth-
Golgau, Lausanne, Genf und andere stehen elegante
Cartons bereit, deren jeder ein completes feines Diner
zum Preise von 3 Francs 50 Sous (1 fl. 75 kr.) enthält.
Der Nutzen dieser auf außerschweizerischen Linien bereits
sich des größten Zuspruches erfreuenden Cartons ist ein-
leuchtend. Der Carton ist ein einleuchtendes und opu-
lentes „Tischlein deck' dich“ und macht die in die beste
Tageszeit fallende Table d'hote überflüssig und gestattet
dem Reisenden, zu essen, wo und wann er will. Der
Inhalt des appetitlichen Cartons bietet vollgiltigen Ersatz
für die verschiedenen Gänge einer guten Wirtstafel; er
besteht aus Pastete, Schinken, Wurst, Zunge, Schafs-
keule, Roastbeef, Geflügel, Käse, Früchten, Dessert, sowie
Weiß- oder Rothwein nach Wahl, Mineralwasser, Kaffee
und Kirsch. Die eleganten Essgeräthe, Teller, Glas,
Messer, Gabel, Serviette, Zapfenzieher, zwei Cigaretten
u. s. w. sind eine nicht zu verachtende Gratiszugabe.
Die Verdauung befördert das jedem Carton beiliegende
Unterhaltungsblatt.
(Das erzwungene Duell. ) Die in St.
Petersburg erscheinende Militärzeitung „Raswedtschik“
tafeln doch angebracht, denn die Tschechen lassen sich
so etwas nicht bieten und daran dürfte auch kaum
mehr die beschlossene Action sämmtlicher an der
Bahnlinie situierter Gemeindevertretungen etwas
nützen, welche eben dieser Tafeln wegen, zu dem
Eisenbahnminister nach — Canossa gehen wollen. Aber
bitten nützt nun einmal nichts in unserem interes-
santen Besterreich und es sollte mich wundern,
wenn heute auch das Fordern noch was nützte.
Ich wundere mich überhaupt über nichts mehr.
Ich habe es verlernt, von dem Augenblicke an, als
ich die Erfahrung machte, daſs unsere Socialdemo-
kraten sogar höflich sein können. Flattert mir
da Mittwoch ein socialdemokratisches Flugblättchen
auf den Tisch, das in schwülstiger Weise den Bau-
arbeiterstreit behandelte und — man höre und
staune — die Ueberschrift trägt: „An die pleno
titulo Bewohnerschaft von Karlsbad!“ Also eine
pleno titulo Bewohnerschaft seid Ihr Karlsbader
auf einmal geworden? Ihr, die man am selben
Tage in der Wiener Arbeiterzeitung als Spießer
bezeichnete, die angeblich deshalb zittern, weil die
anwesenden Aerzte und das Kurpublicum einen
schlechten Eindruck von dem Kurort empfangen
könnten und die man ansonsten mit dem wenig
schmeichelhaften Titel der „fettgefressenen Bürger-
wänste“ zu regalieren beliebte? Nun seid Ihr auf
einmal eine pleno titulo Bewohnerschaft! Schau,
schau! Ja, sie können auch höflich sein, die Press-
veröffentlicht eine interessante Darstellung der Art, wie
in Ruſsland Offiziersduelle erzwungen werden. In der
Einleitung heißt es, zwei intime Regimentskameraden,
alte Freunde schon von der Schule her, hätten in ihrer
Wohnung gezecht und wären in der Weinseligkeit an
eina der gerathen. Hierbei erhielt A. einen Schlag ins
Gesicht. Andern Tags wird der Geschlagene vor den
Regimentscommandeur beschieden: „Sie erinnern sich,
was gestern abends nach Tisch mit Ihnen geschah?“
„Es geschah nichts Besonderes, Herr Oberst.“ „Gar
nichts?“ „Ich weiß von nichts.“ „Nun, so sage ich
Ihnen: Sie erhielten gestern vom Leutnant Wolotzki
einen Schlag ins Gesicht, als Sie ihm nicht gestatten
wollten, eine Pistole von der Wand zu nehmen. Ent-
sinnen Sie sich dessen?“ „Nein, Herr Oberst. Ent-
schuldigen Sie, wir Beide waren berauscht. Sollte das
auch passiert sein, so jedenfalls ohne Absicht, in der Be-
wuistlosigkeit.“ „Ueber Absichten habe ich kein Urtheit.
Ich kenne die Thatsache. Sie fiel in Gegenwart von
Zeugen vor, im Beisein von Offizieren eines anderen
Regiments. Wie gedenken Sie Ihre Ehre wieder her-
zustellen, die Ihnen angethane Beleidigung abzuwaschen?“
... Der „Beleidigte“ begibt sich zu dem „Beleidiger“,
seinem Herzensfreunde. Der liegt noch zu Bett und
schläft. Er weckt ihn: „Wassia, erinnerst Du Dich, was
Du gestern thatest?“ „Nein, durchaus nicht. Ich war
doch voll wie ein Stiefel. Was gibt's denn?“ „Du
schlugst mich ins Gesicht.“ „Sapperment (Wassja springt
auf)! Verzeih', verzeih', Bruderherz! So ein Thier
war ich! Aber total betrunken ... verzeih', mein
Liebster — nicht?“ „Ich weiß ja Alles, aber es waren
Zeugen zugegen, Iwanzow und Skribitzki. Sie haben
geplaudert und ...“ „Und der Oberst hat Dich des-
halb rufen lassen?“ Er nickte schweigend. Bald darauf
standen die Freunde zur Wiederstellung ihrer Ehre auf
der Mensur. Den Einen tödtete die Kugel, die ihren
Weg unglücklicherweise nicht verfehlte, den Anderen brachte
sein Gewissen zum Wahnsinn!
(Die Frau als Feindin.) Ein bekannter fran-
zösischer Mime, dem ein jüngerer College vor Kurzem
klagte, daſs er unbarmherzig von einem erbitterten Feinde
verfolgt werde, ließ sich zu folgenden originellen Aeußerungen
herbei: „Mein Lieber, seien Sie zufrieden, dass Sie es
mit einem Feinde und keiner Feindin zu thun haben.
Man kann sehr bequem mit einer ganzen Anzahl von
Männern fertig werden, die Einen mit ihrer Feindschaft
beehren. Ein Leben ohne Feind wäre ein Salat ohne
Essig und Pfeffer. Aber wehe dem Unseligen, der sich
eine Frau zur Feindin macht! Wenn ein Mann Ihnen
Rache schwört, so nehmen Sie ruhig den Kampf mit ihm
auf; er wird diesen stets in hellem Tageslicht auf offenem
Felde führen. Ganz anders aber ist es, wenn wir uns
den Hass eines weiblichen Wesens zugezogen haben. Dann
heißt es, unablässig auf der Hut sein, bei jeder Gelegen-
heit einen aus dem Hinterhalt geführten Streich ver-
muthen. Ein Mann begnügt sich damit, einmal derbe
zuzuschlagen, eine Frau findet immer neue Mittel und Wege.
söldlinge eines Dr. Adler und Dr. Verkauf, beson-
ders, wenn es sich darum handelt, „Schön Kind“
wegen eines verpfuschten Streiks zu machen.
Und da wären wir ja wieder am Schlusse
meines eingangs erwähnten Rechenexempels angelangt:
beim Maurerstreik! Ob ich ihn psychologisch de-
leuchte? Nein, denn mich dauern die armen Arbeiter,
welche verhetzt, den Spindellegern auf den Leim
gegangen sind. Aber ein characteristisches Moment
will ich daraus hervorheben, das so recht drastisch
die socialdemokratische Phrase der „Freiheit, Gleich-
heit und Brüderlichkeit“ illustriert: während drei
der Genossen aus dem wirklichen Arbeiterstande
verhaftet, hinter Schloss und Riegel gesetzt wurden,
bei Wasser und Erbsen Reflexionen über diese elende
Welt- und Gesellschaftsordnung anstellten, und statt
des Ausbeuterthums das viele lästige Unge-
ziefer der hiesigen Arrestlocale im Amtsgebäude zu
bekämpfen hatten, saß der andere akademisch gebildete
„Genosse“ zur selben Stunde im Aerztebankett bei
prickelndem Champagner und deliciösen Spargel-
köpfen! Wie heißt doch die Fabel von dem Fuchs.
dem die Trauben zu sauer waren?
Ja. ja, diese elende heutige Gesellschaftsordnung!
Ein donnernd Hoch daher dem rothen, alle Classen-
unterschiede nivellierenden Zukunftsstaate der Social-
demokratie!
Dr. 4*4
Název souboru:
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