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Seite 4 „Karlsbader Badeblatt und Wochenblatt“ Nr. 247 29. October 1898 ordentliche Verbandstag des nordwestböhmischen Gebirgs- vereins-Verbandes statt, zu welchem 40 Delegierte er- schienen waren. Der Obmann des Central-Ausschusses, Com.-Rath Czermack gedachte nach Eröffnung der Ver- sammlung der dahingeschiedenen Kaiserin von Oesterreich und widmete sodann dem verstorbenen Verbands-Cassier Berthold ehrende Nachrufe. Ferner wurde die Absendung eines Glückwunschschreibens anlässlich des 60. Geburts- tages Dr. Ludwig Schlesingers beschlossen. Vermischtes. (Von der Pest in Wien.) Albine Pecha, die unglückliche Krankenwärterin, ist, wie in Ergänzung und theilweiser Berichtigung früherer Meldungen aus Wien berichtet wird, die jüngste von ihren neun Geschwistern; ihr Vater ist ein Eisenbahnbediensteter in der Nähe von Budweis. Als Albine in das Alter kam, in dem sie selbständig arbeiten und in Dienst treten konnte, gieng sie nach Wien. Sie war die schönste der Schwestern; sie war kaum in Wien, als sich schon Verehrer an sie herandrängten, doch ist der Ruf des Mädchens tadellos geblieben. Vor etwa zwei Jahren kam Albine als Stuben- mädchen in das Hotel du Nord in der Kaiser Joseistraße. Im letzten Frühjahr nahm sie einen Posten als Stuben- mädchen in einem der ersten Hotels in Karlsbad an. In dem Hotel wohnte ein Irländer, ein leidender Herr, der sie als Pflegerin engagierte. Sie sollte jedoch zunächst einen praktischen Cursus in der Krankenpflege mitmachen, und auf Kosten ihres zukünftigen Dienstherrn wurde sie nach Wien geschickt, um sich im Allgemeinen Kranken- hause auf einer internen Abtheilung die nöthigen Kennt- nisse zu erwerben. Am 25. Juni d. J. traf Albine Pecha in Wien ein und fand bei ihrem Oheim, dem Postbe- diensteten Mathias Vaclik, Unterkunft. Nun bewarb sich das Mädchen um eine Krankenwärterinnenstelle im Ru- dolfinum und stellte sich der Oberin der Krankenpfle- gerinnen vor. Die Oberin lehnte die Dienste Albinens mit der Motivierung ab, daſs sie zu jung sei, da zur Krankenpflege nur ältere Personen zugelassen werden. Die Pecha suchte nun im Allgemeinen Krankenhause nach einer Stelle und wurde vorgemerkt. Vor zwei Mo- naten wurde sie im Allgemeinen Krankenhause als Aus- hilfswärterin angestellt. Albine Pecha war keiner be- stimmten Klinik zugetheilt, sondern bald auf der, bald auf jener Abtheilung, wo man eben Aushilfe benöthigte, in Verwendung. Ihr Dienst dauerte einen bis drei Tage, dann hatte sie wieder einige Tage frei. Am 1. November sollte sie das Spital verlassen, um nach Irland zu gehen und ihren Posten anzutreten. Da wurde sie und die ebenfalls erst seit Kurzem im Spitale befindliche Wärterin Hochegger berufen, den an Lungenentzündung erkrankten Spitalsdiener Barisch zu pflegen. Bei diesem Samariter- dienste holte sich Albine Pecha den Keim der furchtbaren Krankheit. (Dr. Müllers Buch über die Pest) In dem zu Ende des Jahres erscheinenden Buch des verstorbenen Dr. Müller über die Pest, das mit vielen Tafeln ver- sehen ist, befinden sich, wie ein Berliner Blatt mitzutheilen in der Lage ist, folgende hochinteressante Stellen: „Das klinische Bild der Krankheit ist folgendes: Dumpfer, furchtbarer Kopischmerz, Delirien, lallende Sprache, hef- tiger Schwindel, der die das Bett verlassenden Kranken wie schwer Trunkene taumeln lässt. Die Krankheit setzt gewöhnlich ohne Vorboten mit hohem Fieber ein, oft mit Schüttelfrost, starkem Kopfschmerz und Schwindel, manch- mal Erbrechen. Was die Ausbreitungsweise der Pest betrifft, so erfolgt diese entweder direct von Mensch zu Mensch, möglicherweise auch von Thier zu Mensch, oder indirect durch die mit Pestbacillen inficierte Umgebung (Wäsche, Kleider, Staub usw.), Schmutz, schlechte Er- nährung, trostlose sociale und hygienische Zustände. Ein- gewurzelte Vorurtheile leisten begreiflicherweise der Aus- breitung dieser furchtbaren Seuche in besonderem Grade Vorschub.Daraus ergibt sich, daſs eine rationelle und planmäßige Bekämpfung der Seuche durch Anwendung sanitärer Maßregeln, durch strenge Isolirung der Pest- kranken und geeignete Desinfection ihrer Excremente durchführbar ist. Die Einschleppung der Seuche aus Indien in unsere Seehäfen durch Waren und Personen ist nicht wahrscheinlich, durch das auf allen Schiffen heimische Volk der Ratten aber denkbar.“ (Ohne Schmerz.) Bei dem Attent auf unsere unglückliche Herrscherin wurde es vielfach als auffallend bezeichnet, das Ihre Majestät, obwohl tödtlich getroffen, ohne Schmerz zu empfinden, noch bis zum Schiff gehen konnte und erst hier zusammenbrach. Daſs derartige Fälle aber nicht so ganz selten vorkommen, beweist eine Zusammenstellung von ähnlichen Ereignissen, die in dem soeben erschienenen Buch von Prof. de Varigny „Der Tod“ (Verlag von Wilhelm Köhler, Minden i. W.) veröffentlicht wird. Wir greifen aus dem dort gegebenen Material folgende Erzählung heraus: Der General A. S. Johnston hatte von den Südstaaten den Auftrag er- halten, ein Gebiet zu besetzen, welches der Feind bereits mit Beschlag belegt hatte, und welches von großer Wich- tigkeit für die Armee werden konnte. Da man ihn in dieser schwierigen Aufgabe anderen vorgezogen hatte, so stand sein Ruf auf dem Spiele. Bis zu einem gewissen Punkte gieng alles gut, doch schienen die Feinde keines- wegs geneigt, das eroberte Terrain wieder aufzugeben. Der General stellte sich also an die Spitze und leitete persönlich den Angriff. Das Glück ist ihm günstig, er reitet einige Schritte zurück, um auch die zweite Brigade in den Kampf zu führen, als ihm plötzlich eine feindliche Kugel eine Pulsader am Bein zerreißt. Ohne darauf zu achten, oder auch nur die mindeste Erregung zu zeigen, gibt er nach wie vor seine Befehle und fährt in seinen Beobachtungen fort, bis sein bleiches, verändertes Aus- sehen die ihn umgebenden Officiere zu der Frage ver- anlasst, ob er nicht etwa verwundet sei. „Ich glaube, ich habe eine ziemlich ernsthafte Verletzung erhalten,“ antwortete der General, aber mit dem Tone eines Menschen, der, obgleich er wohl ein unbestimmtes Gefühl empfunden, sich dessen erst versieht, wenn man ihn darauf aufmerksam macht. Wie gefährlich aber die Wunde war, sah man daraus, daſs die Blutung aus Mangel an Blut bereits aufgehört hatte und das Leben fast erloschen war, und doch hatte der Verwundete kaum gelitten. (Bauern-Revolte in Ober-Italien.) In Clori bei Alessandria revoltierten, wie einem Berliner Blatt berichtet wird, die Bauern gegen die Reblaus-Commission- 100 Soldaten stellten die Ruhe wieder her, wobei es Ver- wundete auf beiden Seiten gab. In San Salvatore schossen Karabiniere auf die Bauern, von denen einige verwundet und getödtet wurden. Von Alexandria gingen 300 Soldaten ab, um die in der Kaserne von Bauern belagerten Karabinieri zu befreien. Beim Zusammenstoß blieben vier Bauern auf dem Platze, zwanzig wurden verwundet. Oberst Carmagnola, Commandant des 7. Bersagliere-Regiments, erhielt eine Schufswunde in den Fuſs. Die Unruhen dauern fort. (Angenehme Fahrt.) Die Moskauer Kauf- mannschaft richtete vor einigen Tagen eine umfangreiche Eingabe an die Regierung, worin sie dringend um eine baldige Besserung der Verkehrsverhältnisse auf der sibi- rischen Bahn ersuchte. Nach den Ausführungen nimmt die Fahrt von Moskau aus bis Irkutst, dem jetzigen Endpunkte der Bahn, mindestens fünfzehn Tage in An- spruch, wobei jedoch die Reisenden einer Unzahl von Ge- fahren und Beschwerlichkeiten ausgesetzt sind. Besonders die Strecke längs des Baikalsees ist derart gebrechlich gebaut, daſs die Fahrt bei ungünstiger Witterung viel- fach unterbrochen oder ganz ausgesetzt werden muſs. Das Schlimmste aber ist die Uebersetzung über den Ob und den Yenisee, wofür seitens der Eisenbahnverwaltung keiner- lei Vorkehrungen getroffen sind. Die Reisenden müssen sich über die reißenden Ströme in gebrechlichen Fischer- kähnen befördern lassen, und während der Winterstürme ist die Ueberschreitung der halb zugefrorenen Ströme nur mit höchster Lebensgefahr möglich. Telegrapfiischie Naciriciten. Das griechische Kron- Wien, 28. October. prinzenpaar ist heute früh hier eingetroffen. Wien, 28. October. Comunique der deutschen Vereinigung. — Die deutsche Vereinigung hat einen Beschluss gefaßt, worin sie bedauert, daſs die deutsche Volkspartei aus der Obmännerkonferenz ausgetreten, jedoch die sichere Erwartung ausspricht, daſs auch künftighin, ein einiges Vorgehen der deutschen Parteien in nationalen Fragen erzielt werde. Budapest, 28. Oct. Der gewesene Minister im Cabinet Andrassy, Balthasar Horwath, ist gestorben. Triest, 28. October. Gestern Abend wurde der von den italienischen Behörden als gefährlicher Anarchist bezeichnete Schlosser Alfons Nebustella auf der Straße verhaftet. Ein spitzer, 25 Ctm. langer Nagel, wurde bei ihm vorgefunden. Arad, 28. Oct. Die Sparcassa beschloß in der heutigen Generalversammlung die Liquidation der Sparcassa. Jaffa, 28. October abends. Das deutsche Kaiser- paar ist nach einer achtstündigen, überaus anstrengen- den Wagenfahrt bei großer Hitze heute abends um 6 Uhr bei bestem Wohlsein hier eingetroffen, nach- dem dasselbe in Sarona vor Jaffa die Huldigung der deutschen Colonie, entgegengenommen hatte. Die Weiterreise zu Pferde erfolgt morgen Freitag früh über Ramlek bis zum Festlager bei Babel Wad. Die Ankunft in Jerusalem wird für Samstag mit- tags in Aussicht genommen. Petersburg, 28. Oct. Die Landgemeinde Iskander im Gebiete von Samarkand wurde für pestverdächtig erklärt. Vokohama, 28. October. (Reuter-Meldung.) Sämmtliche liberale Mitglieder des Cabinets haben wegen Meinungsverschiedenheiten bezüglich der Er- nennung des neuen Unterrichtsministers ihre Ent- lassung gegeben. Der Ministerpräsident hatte einen seiner Parteigenossen für diesen Posten in Vorschlag gebracht. Zur Pestgefahr in Wien. Wien, 28. October. Die Hoffnungen, die man darauf gesetzt hat, daſs die Wärterin Pecha nun schon den achten Tag dank ihrer kräftigen Natur und wahrscheinlich auch, durch das Pestserum widerstandsfähiger gemacht, der Seuche widerstand, scheint sich doch nicht zu erfüllen. Das Krankheits- bild, das die Unglückliche bietet, ist leider das einer Sterbenden. Daſs es für die Unglückliche eine Rettung gibt, ist unwahrscheinlich. Wien, 28. October. Früh-Bulletin. Wärterin Pecha liegt im Delirium und gibt röthlich-weißes Sputum von sich. Der Durchfall ist andauernd. Die Wärterin Hochegger schlief nachts sehr gut. Temperatur 37°. Befindet sich vollkommen wohl. Die Bedienerin Göschl hatte nachts eine Temperatur von 38°, aß abends mit Appetit, erbrach jedoch darauf. Sie klagt über etwas Stechen auf der linken Seite, hustet mäßig, ohne Sputum auszu- werfen; Rachenkatarrh unverändert. Alle anderen befinden sich vollkommen wohl. Wien, 28. Oct. Mittagsbulletin. Wärterin Pecha: Temperatur 38·4, Puls 104, Athmung 40. Jetzt Husten ohne Auswurf, Röthe und Blässe abwechselnd; Hautblutungen auf dem Rücken zu- nehmend; Diarrhoe aufgehört. Um 11 Uhr vor- mittags wurden 60 Cubikcentimeter starkes Serum injiciert. Kampherinjectionen und Sauerstoffinhala- tionen fortgesetzt. Den Pflegeschwestern geht es gut. Wärterin Hochegger: Puls 80, Temperat normal. im Ohre nichts, leichtes Oedem an den Unter- schenkeln, subjectives Wohlbefinden, sie hat Schlaf und Appetit. Bedienerin Göschl: Temperatur 37.3, Pfeifen über die Lunge, trockener Husten, kein Aus- wurf, kein Erbrechen, Appetit noch herabgesetzt, Stechen auf der Brust. Die Anderen befinden sich wohl. Wien 28. October. Bulletin von 8 Uhr abends: Pecha Temperatur 386, Fortsetzung der Kampher- und Sauerstoff-Inhalationen. — Hoch- egger vollkommen wohl, Herzaction schwach, son- stiges Befinden gut; — Göschl: Druckgefühl in der Magengegend, trockener Husten, ohne Auswurf. Die Uebrigen befinden sich wohl. Wien, 29. October. Die Activirung des sogenannten Pestzimmers und die dießbezüglichen bacteriologischen Arbeiten im pathologisch anatomi- schen Institute werden unterbleiben. — Für die einschlägigen Forschungen wird für die Folge eine eigene allen Anforderungen der Hygiene ent- sprechende Baulichkeit geschaffen werden. Vorgänge in Paris. Paris, 28. October. Präsident Faure be- tief gestern um 9 Uhr abends Charles Dupuy und fragte ihn, ob er gegebenen Falles sich einverstanden erklären würde, das Cabinet zu bilden. Dupuy verlangt, seine Antwort bis morgen verschieben zu dürfen, um einige politische Persönlichkeiten befragen zu können. Nach Privatinformationen circuliert in politischen Kreisen folgende Ministercombination: Dupuy Präsidium; Delcasse Aeußeres; Freycinet Krieg; Ribot Finanzen; Bourgeois Unterricht; Constans Justiz Auch der Vicepräsident der Kammer, Leygues, wird in die Combination ein-
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