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�Karlsbader Badeblatt und Wochenblatt“ Nr. 238
17. October 1896
Handelt es sich um Geschäfte an Private, nicht zum
Zwecke der Weiterveräußerung, so ist der Efüllungs-
ort vorher schriftlich zu vereinbaren. Ebenso muss
nach dem neuen Gesetze besonders darauf geachtet
werden, daſs nicht, wie es jetzt oftmals geschieht,
die Facturen erst Tage oder Wochen nach Absen-
dung der Waren den Bestellern zukommen. Es
müssen vielmehr die Facturen vor oder mindestens
gleichzeitig mit der Ware in den Besitz des Em-
pfängers gelangen. Wir rathen daher unseren
Lesern die nothwendige neue Clausel jetzt schon in
die Facturen aufzunehmen. Bei dem Umstande, als
es möglich wäre, daſs der Thatbestand eines jetzt
ebgewickelten Geschäftes nach dem Jänner 1898 in
der erwähnten Richtung beschworen werden müsste,
ist es rathsam, die alten bisherigen Facturen ganz
außer Gebrauch zu setzen.“
Vermilchtes.
(Mit dem Säbel erstochen) hat am 12. October
in Karlsruhe der Premierlieutenant von Brüsewitz den
26jährigen Techniker Sebmann, mit dem er in einen Wort-
wechsel gerathen war und der ihm eine Ohrfeige versetzt
hatte, worauf der tödtliche Stich mit dem Säbel erfolgte.
Der Officier machte der Polizei Anzeige und meldete sich
dann beim Obersten des Regimentes.
(Eine absonderliche Wette) kam dieser Tage
in Paris zum Austrage. Ein reicher Kubaner, der sich
viel in den dortigen Kaffeehäusern herumlangweilt, unter-
hielt sich mit der Büffetdame über die Kunst der — An-
fertigung von Schinkenbrötchen. Schließlich schlug er ihr
die Wette vor, ob sie in 24 Stunden 2000 Schinkenbröt-
chen vollständig zurechtschneiden und zubereiten könne. Die
Wette wurde angenommen und von der fleißigen Dame
mit Leichtigkeit gewonnen, denn sie vollbrachte das Werk
in 19 Stunden und 40 Minuten, wobei sie 22 ganze
Schinken aufbrauchte. Die ungeheure Masse wurde den
Spitälern von Paris und Umgebung geschenkt, die Siegerin
erhielt den gewetteten Betrag von 1000 Franken — und
der Kubaner war überglücklich, wieder ein tiefes Problem
des Weltalls gelöst zu haben.
(Münzprägung im Jahre 1897.) Nach dem
Ausmünzungsprogramm für das Jahr 1897 sollen in diesem
Jahre nachstehende Münzen zur Ausprägung gelangen:
70 Millionen Kronen in Zwanzig- und 18 Millionen Kronen
in Zehn-Kronenftücken, ferner 10 Millionen Ein-Kronen-
stücke in Silber, 3,100.000 Kronen in Zwei Hellerstücken,
200.000 Kronen in Ein-Hellerstücken. Außerdem ist die
Ausprägung von 200.000 Stück Ducaten und 2 Millionen
Stück Levantiner-Thalern in Aussicht gestellt. An Münzen
der Kronenwährung werden demzufolge im Jahre 1897 in
Gold und Silber weniger, dagegen in Bronze weit mehr
als während des laufenden Jahres geprägt werden.
(Das Aluminium des Handels), welches
elektrloytisch aus Cryolith dargestellt ist, enthält stets etwas
Natrium, welches nach angestellten Untersuchungen die be-
treffenden Aluminiumgegenstände bald ruinieren soll, wenn
diese mit Feuchtigkeit in Berührung kommen; das Natrium
wird hierbei ausgelaugt, das Aluminium dadurch porös
und wird von der gebildeten Natronlauge weiter zerfressen
und zerstört. Bei einigen Proben betrug der Gehalt an
Natrium bis 2 1% und zeigte sich hier die oben angegebene
Erscheinung in auffälligster Weise. (Mitgetheilt vom Inter-
nationalen Patentburean von Carl Fr. Reichelt, Berlin
NW. 6).
(Gegen das Korsett) ist im Namen der Ge-
sundheitspflege, der Schönheitslehre u. s. w. immerfort
geeifert worden — mit wenig Erfolg; selbst flehentliches
Bitten hat die eigensinnige Hälfte der Menschheit nicht
zum Verzicht auf ein Kleidungsstück vermocht, das den
Körper zusammenpresst und eine unschöne Einschnürung
verursacht, deren sich als einer Verkrüppelung eine Venus
von Milo mit ihren 80 Centimetern Tailenweite bis ins
Innerste geschämt hätte Dieser jahrelange vergebliche
Kampf hat nun jüngst in Kalifornien — wie man uns
erzählt — mit einem Schlage eine günstige Wendung ge-
nommen. Und das kam so. Als eines Tages Professor
Meads an der höheren Töchterschule zu Oachland sich be-
strebte, seinen Schülerinnen die Besonderheiten des Ohm-
schen und Ampèreschen Gesetzes an Versuchen klar zu
machen, geschah das Wunder, daſs, so oft eines der jungen
Mädchen sich den Instrumenten näherte, die Nadeln der
Galvanometer die zügelloseste Tarantella tanzten und sich
auf die unwahrscheinlichsten Theilstriche einstellten. Ob-
wohl die Einwirkung auf die Magnete so außerordentlich
deutlich war, ließ sich Prof. Meads leider von der allge-
meinen Bewunderung und Verehrung, welche die ganze
junge Männerwelt plötzlich für magnetische Damen empfand,
nicht hinreißen; er hatte so wenig Achtung vor der Schön-
heit der jungen Kalifornierinnen, daſs er sich vermaß,
öffentlich zu behaupten, die jungen Damen Kaliforniens
trügen Korsette mit Eisenstangen von solcher Stärke, daſs
sie ihm seine Instrumente verdürben. Die Entrüstung
über diese Behauptung war ungeheuer; die Ausdrücke
waren nicht gelind, welche auf den armen Professor her-
niedergiengen. Trotz des Geschreis gieng er aber den
Dingen auf den Grund. Die Sache war schwierig; aber
um seinen wissenschaftlichen Ruf zu retten, schien Mead
hier auch das Ungewöhnliche zulässig. In Gegenwart
würdiger, alter Damen und der Lehrerinnen der Schule
wurde seine Behauptung bestätigt. Jetzt legte sich die
Leitung der Schule ins Mittel; das Tragen von Kor-
setten mit Eisenstangen wurde im Interesse des Unterrichts
verboten. Aber die Instrumente Meads ließen sich nicht
täuschen; sie geriethen ständig in Unruhe, wenn eine junge Dame
in ihre Nähe kam. Die Schulleitung erwog bereits eine Ver-
schärfung des Verbotes dahin, daſs jedes junge Mädchen, das
fürderhin noch einen „moralischen Einfluss“ auf die Instru-
mente ausübte, von der Schule verwiesen werden sollte, als der
Professor der Aesthetik die leidige Angelegenheit zu all-
seitiger Zufriedenheit aus der Welt schaffte. Nur ganz
beiläufig ließ er in seinem Vortrag die Bemerkung ein-
fiießen, daſs die jungen Damen im Osten Amerikas viel
besser gewachsen seien, als die Kalifornierinnen; im Osten
trage kein Mädchen ein Korsett und deshalb gabe es dort
noch „idealschöne“ Mädchengestalten. Von dem Tage an
wurden die Instrumente Meads nie wieder beunruhigt.
(Ein Dorf mit elektrischem Licht.) In
Deutschland gibt es schon Dörfer, die durch günstige Um-
stände in die Lage gesetzt sind, elektrisches Licht zur öffent-
lichen Beleuchtung zu beziehen. So weit aber, wie das
Dorf Borobeke in Belgien sind sie noch nicht vorgeschritten.
Dort ist von einer Gesellschaft eine große Milchwertschaft
errichtet worden, die nach den Plänen des Genter Uni-
versitätsprofessors Schoentjes durch Elektricität betrieben
wird. Diese Gesellschaft hat gleichzeitig die elektrische Be-
leuchtung des ganzen Dorfes übernommen und eingerichtet;
alle Straßen und Wege, alle öffentlichen und privaten
Gebäude, Fabriken und Locale, alle Bauernhäuser sind
elektrisch beleuchtet. Die Bauern wollten zuerst von dieser
neuen Beleuchtung nichts hören; da sie aber jährlich nur
19 Fr. dafür zu zahlen haben, so willigten sie ein. Am
20. d. M. wird zum erstenmale das ganze Dorf in elektri-
lcher Beleuchtung erstrahlen, was unter einer Fülle von
Festlichkeiten geschehen soll.
(Radfahrerlatein.) Wenn einer eine Reise thut,
so kann er was erzählen! Die Wahrheit dieses alten
Liedleins hat der Schneidemühlenbesitzer K. aus Langen-
grassau an sich erfahren können, der kürzlich auf dem
Wege von Dahme nach seinem Heimatsorte die wildreiche
Rochauer Heide auf seinem Zweirade durchquerte. Mitten
im Holze sah er vor sich, wenige Schritte vom Wege ab,
eine alte, von zahlreichen Frischlingen umspielte Bache,
die ihre Jungen vor dem vermeintlichen Feinde zu schützen,
den harmlosen Radler „anzunehmen“ versucht. Dank der
Schnelligkeit seines Stahlrosses entrinnt K. den Hauern
des gefährlichen Thieres, aber nur, um kurz darauf eine
neue Gefahr zu überstehen. Aus dichtem Gebüusch kom-
mend, jagt plötzlich ein Rudel Hirsche vor ihm quer über
den Weg und ehe es sich der Reiter versieht, liegt er
abgeworfen neben seinem stählernen Rosse. Ein Hirsch,
dem er in seinen Weg gekommen war, hatte nothgedrun-
gen über den Reiter hinwegsetzen müssen und ihn hiebei
vom Rade geworfen. Glücklicherweise war nur die Ver-
stauchung eines Fingers die Folge des unfreiwilligen
Sturzes. — Wer's nicht glauben will, der zahl' eine
Krone an die „Frankfurter Oderzeitung“, der wir obige
Jagdgeschichte verdanken.
verzweifeltes Mittel zur Erhaltung eines in seinen
Grundpfeilern längst erschütterten Credits. Heute
oder morgen kann der Zusammenbruch erfolgen,
der meinen Vater und mich unter den Trümmern
unseres auf Sand gebauten Hauses begräht!“
Es herrschte für eine geraume Weile Todten-
stille auf dem kleinen, mondbeschienenen Platze. Die
unerwartete Enthüllung hatte Ewald mit der ver-
nichtenden Gewalt eines tödtlichen Schlages ge-
troffen. Umsonst rang er darnach, wenigstens
äußerlich seine Fassung zurückzugewinnen. Mit
einem Seufzer, der wie das Aufstöhnen eines Ver-
zweifelten klang, fiel er auf die Bank zurück und
stützte die Stirn in die Hände.
„Lass mir Zeit, Antonie, das Ungeheuerliche
zu begreifen!“ sagte er. „Ich mag Dir feige und
erbärmlich erscheinen, aber Du kannst ja nicht be-
greifen, was diese Enttäuschung für mich bedeutet.
Du hast offen und rückhaltlos zu mir gesprochen,
und ich auch ich will Dir auf Deine vorige
Frage eine ehrliche Antwort geben. — Nein —
ich bin unter solchen Verhältnissen nicht im Stande,
Dich zu meinem Weibe zu machen! Ich bin ganz
mittellos. Das kleine Erbtheil meiner Eltern ist
nicht nur längst dahin, sondern meine Schulden
sind auch von einer so drängenden Art, daſs ich
ihnen kaum auf einem anderen Wege werde ent-
fliehen können, als auf dem, welchen schon unser
Großvater mit so gutem Erfolge eingeschlagen hat.
Es ist wahrhaftig ein gutes Ding um die Familien-
traditionen eines alten, vornehmen Geschlechts.“
Er lachte bitter auf und fuhr sich dabei mit
einer wilden Geberde durch das lockige Haar.
„Und meine Mitgift war es, welche Dich retten
konnte?“ fragte sie.
„Willst Du mich vollends zur Verzweiflung
bringen mit solchen Fragen, Antonie?“
„Im Gegentheil! Ich nehme an, daſs wir
jetzt mit einander reden wie zwei gute Freunde!
Bei einem Vater, wie es der meinige ist, eignet
sich ein mutterloses Mädchen bald genug einen
sicheren Blick für mancherlei delikate Verhältnisse
an, und vielleicht findet sich doch noch ein Mittel,
Dir zu helfen, auch wenn wir auf die Erfüllung
eines schönen Traumes für immer verzichten müssen.“
Ewald schüttelte den Kopf.
„Es gibt keine Hilfe für mich!“ sagte er finster.
„Die Summe, deren ich bedarf, ist ein ganzes
Vermögen, und die Galgenfrist, welche mich von
der letzten Katastrophe trennt, zählt nur noch nach
Tagen!“
„Und Deine Gläubiger sollten sich nicht be-
ruhigen, nicht vertrösten lassen?“
„Nein, ihre Geduld ist bereits bis auf's
Aeußerste erschöpft. Sie glauben wohl noch immer
an den Reichthum meines Oheims, aber Sie ver-
langen ungestüm, daſs es endlich Ernst werde mit
der Heirat. Ist in acht Tagen unsere Verlobung
nicht publicirt, so bin ich ein verlorener Mann;
dann ist es um meine Ehre hoffnungslos geschehen,
und ich glaube, von dem Blute der Denkhausen
noch genug in meinen Adern zu haben, um das
nicht länger zu überleben, als man Zeit braucht,
eine Pistote abzudrücken.“
Inhalt der „Wiener Hausfrauen-Zeitung“ Nr. 41;
Ueber Ansprüche. Von Th. Schäfer. Egotsmus und
Liebe. Von Rud. Maria Schubert. — Fragen und Ant-
worten. — Correspondenz der Redaction. — Graphologischer
Briefkasten. — Für Haus und Küche. — Speisezettel für
ein bürgerliches Haus. — Am Arbeitstische. Album
der Poesie: Herbststimmung. Von Anna Cador. A wengl
andascht. Von Kurt Kaßler. — Siteratur. Rüthsel-
eitung. — Schach-Zeitung. Redigiert von Karl Schlechter.
Ueberwunden. Eine österreichische Dorfgeschichte von
Julius Syrutschek. — Feuilleton: Kunstenthustasmus. Eine
literarhistorische Studie von Jgnaz Beck. Kleine Theater-
plaudereien Von Benjamin Schier. — Inserate.
Preis halbjährig fl. 2.50.
Telegramme.
Abgeordnetenhaus. Be-
Wien, 16. October.
ginn der Sitzung 11 Uhr. Vorsitzender Präsident
Freiherr von Chlumecky. Auf der Ministerbank
sämmtliche Minister.
Im Einlaufe befindet sich ein Bericht des Budget-
ausschausses über die Regierungsvorlage betreffend
die Bezüge der activen Staatsbeamten, sowie der
Bericht über die Regierungsvorlage betreffend die
provisorische Regelung der Bezüge der activen
Staatsdiener mit Ausnahme der Diener der Post-
und Telegraphenanstalten. Das Haus geht zur
sich
Tagesordnung über und setzt die Debatte über das
Heimatgesetz fort. Abgeordneter Fux spricht
gegen den Rückverweisungsantrag und für die An-
nahme des Gesetzes aus. Redner warnt vor der
Verhinderung der Reform, da man einen Wider-
ledig“
stand gegen das Gesetz, dessen Grundgedanken auch
seine Gegner als richtig anerkennen müssen,
lich als Engherzigkeit deuten würde.
(Lebhafter Beifall. Redner wird vielfach beglück-
wünscht.) Die Debatte wird hierauf geschlossen.
Generalredner contra Abg. Groß wünscht
(Fortsetzung folgt.)
Dateiname:
karlsbader-badeblatt-1896-10-17-n238_4500.jp2
Porta fontium