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Nr. 88.
Sunntag den 10. August 1884.
VII. Jahrgang.
Karlsbader Badeblatt.
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Herausgeber: Ernest Franieck.
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Basel, St. Gallen, Zürich, Genf und Lausanne. Rudolf Mo
München, Straßburg und Zürich. A. Öppelik, Wien und G. L. Daube & Co., Frankfurt a. M.
Badebulletin.
Nach der heute zur Ausgabe gelangenden Kurliste Nr. 305
sind bis zum 8. Aug. 18128 Parteien mit 23735 Personen
zur Kur hier eingetroffen.
Von den Angekommenen des gestrigen Tages nennen wir:
Frau Anna Corbay, Kaufmanns-Witwe aus Petersburg.
(Meerfräulein)
Herr Leon Leirens, Industrieller mit Gem. aus Gend in
Belgien
(Fürst Schaumburg-Lippe)
Herr Adolph Eschwege, Rentier aus Berlin
Herr Herm. Doetsch, Herausgeber der „Kobl. Zeitung“ mit
Etabl. Pupp)
Gemalin aus Koblenz“
Mr. und Mrs. M. F O'Connor mit 2 Töchtern aus
San Raphael in Kalifornia.(Königsvilla)
Herr R. W. Himmelbauer, Kaufmann mit Gemalin aus
(Kanone)
Privoz in Mähren.“
Frau Emilie de Lemos, Kaufmannswitwe aus Hamburg.
Herr D. J. B. Jansen, Kapitän a. D. mit Gemalin aus
(Salle de Saxe)
Holland.
Mr. John Barton, Ingenieur mit Gem. aus London.
(Engl. Haus)
Herr G. van Herwaarden aus Arnhem und
Herr D. van Herwaarden aus Diepenveen in Holland.
(Moltke)
Freiherr Michael von Locatelli, k. k. Kämmerer u. Groß-
grundbesitzer mit Gem. a. Cormons im Küstenlande.
(Hotel Haunover)
Herr Vincent Karski, Proprietär mit Tochter aus Polen.
Frau Adele verw. Dunin-Borkowska aus Krakau.
(Gold. Lamm)
Vergnügungsanzeiger.
Stadtpark.
Nachmittags 4 Uhr. Direktor A. Labitzky.
Konzert der Kur-Kapelle.
1. Fest-Marsch von R. L. Proksch.
2. Ouverture „Robespierre“ von H. Litolff.
3. Jubelfeier, Walzer von J. Labitzky.
4. Schlangenbeschwörung, Scene von Suppé.
5. Violetta, Polka von Joh. Strauß.
Erstes Finale a. d. Op. „Lohengrin“ von R. Wagner.
7. Clopitzky, Mazur von J. Ascher.
Kriegsraketen, Potpourri von Conradi.
Freundschaftssaal.
Grosses Militär-Konzert
der Musik-Kapelle des k. k. Infant.=Regim. Nr. 92
Freiherr von König, unter persönlicher Leitung ihres
Kapellmeisters Herrn Theodor Feichtinger.
1. Wanderlust, Marsch von Wagner.
2. Ouverture zur Oper „Stradella“ von Flotow.
3. Studentenwalzer von Prantl.
4. Fantasie aus „Troubadour“ von Verdi.
5. Myrthenbäumchen, Polka-Mazur von Floßmann.
6. Frühlingslied von Mendelssohn.
7. Cavatina aus „Nabuccodonosor“ von Verdi.
8. Buntes aus der Zeit, gr. Potpourri von Ambrosch.
9. Souvenir, Schnellpolka von Feichtinger.
10. Persischer Marsch von J. Strauß.
Entrée 60 kr.
Anfang 4 Uhr.
Café Panorama.
von einem Theile der Sommertheater-Kapelle.
Entree frei.
Anfang 7 Uhr.
Sommertheater.
Familie Schneck.
Posse mit Gesang in 5 Aufzügen von K. Morre.
Musik von C. Millöcker.
Morgen Montag
der Bettelstudent.
Operette in drei Akten von Fr. Zell und Richand Genee.
Musik von C. Millöcker.
Anfang 4 Uhr.
Stadttheater.
Eine Nacht in Venedig.
Komische Operette in 3' Akten mit freier Benützung einer
französischen Grund-Idee von F. Zell und Richard Genée.
Musik von Johann Strauß.
Morgen Montag.
Debut der Lokalsängerin Frl. J. Negri.
Drei Baar Schuhe.
Lebensbild mit Gesang in 3 Abtheilungen und einem Vor-
spiele von Carl Görlitz, bearbeitet von A. Berla.
Musik von Carl Millöcker.
Anfang 7 Uhr.
Café Posthof.
Morgen Montag
Zum Besten des Penstonsfondes.
der Kur-Kapelle.
unter Leitung des Müsikdirektors A. Labitzky.
1. Marsch. H-moll von Frz. Schubert.
2. Beethoven-Ouverture von E. Lassen.
3. Hermes-Schwingen, Konzert-Walzer von Rehfeld.
4. Fantasie aus Verdi's Oper „Aida“ von Zimmermann.
5. Andante con Variazioni aus dem Septett v. Beethoven
6. a) Spinnerlied op. 67, Nr. 4 von Mendelssohn.
6) Hab' in der Brust ein Vögelein, Lied v. G. Hölzel
7. Siegfried-Idyll von R. Wagner.
8. Zweite Polonaise von Frz. Lißt.
Anfang 4 Unr.
Entrée 50 kr.
Etablissement Sanssouci.
Montag Abends halb 8 Uhr:
Abend-Konzert der Kur-Kapelle.
Telegramme
des Correspondenz-Bureau.
Paris, 9. August. Die „Agence Havas“
meldet: Nachdem China bei den Verhandlungen in
Shanghai eine zu geringfügige Entschädigung an-
geboten und die festgesetzte Frist seit dem 4. August
abgelaufen ist, so sah sich die Regierung Frank-
reichs genöthigt, ihre Reklamation durch Besitzer-
Feuilleton.
Reisebriefe.
Berlin, 9. August.
Wenn wir erst ein „Reichs-Moralitäts-Amt“
besitzen werden, so wie wir uns jetzt bereits eines
„Reichs-Gesundheits-Amts“ und eines „Reichs-
Eisenbahn-Amts“ erfreuen, dann wird wohl endlich
einer Immoralität ein Riegel vorgeschoben werden,
welche gerade jetzt in den Sommermonaten am
heftigsten aufzutreten pflegt: Der Lüge und Heu-
chelei der „Reisebriefe.“
Wer Gelegenheit hat, den rührenden Abschieds-
szenen beizuwohnen, welche sich bei Beginn der
Reise-Saison auf allen größeren Bahnhöfen ab-
spielen, weiß genau, daß keine Abschiedsredensart
so häufig gebraucht wird als die: „Nicht wahr,
Ihr schreibt aber recht bald!? Nicht wahr, Ihr
jeßt nicht zu schreiben!?“
Und sie
halten alle Wort, die „Verreisten“
und schreiben Briefe voll Lug, Trug und Heuchelei,
daß sich Gott darob erbarmen möge. Eine Ent-
schuldigung, wenn eine solche überhaupt möglich,
gibt es ja und das ist der Umstand, daß Jeder-
mann die Verpflichtung fühlt, nur Interessantes zu
berichten. Woher sollen aber die interessanten Mo-
mente, die Piquanterien in unserer heut' Alles
nivellirenden Alltäglichkeit kommen? Wie soll ein
Mensch, der seinen Wohnsitz in der Stadt mit dem
Aufenthalt in einem öden, traurigen, schaurigen
verg
Dorfe in einer „Mode-Gegend“ vertauscht, dazu
kommen, interessante Erlebnisse zu verzeichnen?
Wie soll ein Mensch, dem durch Portemonnaie
und Reisehandbuch die Zwangsroute für seine Ge-
birgsreise angegeben ist, der den Tag über sich
halbtodt „sieht“, um nur sein vorgeschriebenes
Programm zu erledigen, dazu kommen auch nun
noch Sinn und Gelegenheit für interessante Vor-
kommnisse zu haben?“
Sie Alle sind darauf angewiesen, mit allem
Raffinement zu lügen, aufzubauschen, Lichter auf-
zusetzen, zu verschweigen, zu beschönigen.
Man muß nur Sachkenner sein, um diese
„Reisebriefe“ aus dem „Gemachten“ in das „Wirk-
liche“ zu übersetzen und man wird staunenswerthe
Resultate erzielen.
„Unser Leben ist ein himmlisches, geradezu
idyllisches. Da sitze ich in dem einfachen und doch
behaglichen Bauernhäuschen und mein Blick fällt
hinaus auf den Wirthschaftshof mit seiner eigen-
artigen Poesie, auf welchem sich das frohe Volk
der Hühner tummelt. Unsere Lebensweise ist eine
bezaubernd einfache. Und was die Natur dem
Landbewohner bietet, macht uns Freude und wie
herrlich passen in diese Idylle die Naturmenschen,
diese naiven Gemüther, unter denen wir leben. O,
der Gedanke ist schrecklich, alle diese Natürlichkeit
aufgeben und nach der dumpfen, heißen Stadt zu-
rückkehren zu müssen!“
Uebersetzung: „In einer elenden Bauernhütte,
welche wir zu Hause nicht unserem Hofhunde zur
Wohnung anbieten würden, sitze ich und sterbe fast
vor Langeweile. Wohin der Blick auch schweift,
er fällt auf den Düngerhaufen, auf welchem ein
trauriger Hahn mit drei lebensmüden Hennen sein
unreinliches Wesen treibt. Aller Lebensgenuß ist
hier natürlich abgeschnitten, selbst das bischen Essen
wird verleidet, wenn man wochenlang auf ein
Menu, bestehend in Eiern, Milch, Speck und
Schwarzbrod, angewiesen ist. Und dieser brutale
Pöbel von Landleuten mit seinen rücksichtslosen,
bäuerischen, schamlosen Manieren, diese Bande,
welche glaubt, der Sommergast sei expreß dazu
hergekommen, um sich von ihr das Fell über die
Ohren ziehen zu lassen. O, wann wird die Erlö-
sungsstunde schlagen, die es uns anstandshalber ge-
stattet, nach der Stadt zurückzukehren, um wieder
als Menschen unter Menschen zu wohnen!“
- „Nach einer herrlichen Fahrt sind wir an
den Ufern des Meeres angelangt. „Thalatta,
Thalatta!“ gleich den Zehntausend des Xenophon,
als sie zu ihren Füßen das heimatliche Meer nach
qualvoller Wanderung liegen sahen, möchte ich ju-
beln. O Meer, du unendliches Meer, mit deinem
Zauber, wer kann dich fassen, wer dich begreifen?
Schon deine Düfte zu athmen ist herrlich, ist be-
lebend! Und diese aus den pikantesten Elementen
zusammengesetzte Badegesellschaft, in der man täg-
lich kleine Abenteuer erleben kann, weil das Leben
am Strande eben anders, genußreicher ist, als im
öden, todten Binnenlande. Wer zählt Euch Ge-
nüsse! die der Tafel, welche täglich des Meeres
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