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Auswärtige Nachrichten. Frankreich. Der Abg. Audrieux hat anläßlich der Berathung der Revisionsvorlage in der französischen Deputirtenkammer einen Antrag eingebracht, wonach die Mitglieder derjenigen Familien, welche in Frankreich geherrscht haben, nicht für die Präsidentschaft der Republik gewählt werden können. Die republikanische Partei stimmt diesem Antrage im All- gemeinen zu. — Mehr als über die offene Opposition seines Sohnes Viktor, mehr als über den Versuch, seinen zweiten Sohn, Louis, zum Präsidenten zu machen, ist Prinz Jerome Na- poleon über seinen physischen Zustand in Sorgen. Bereits vor sechs Monaten wurde an der rechten Schläfe des Prinzen und über dem Auge eine Fettgeschwulst sichtbar. Diese Geschwulst, die lange Zeit unverändert blieb, hat sich seit einem Monat in sehr empfindlicher Weise vergrößert und hat jetzt die Dicke einer Nuß. Diese in Anbetracht des diabetischen Zustandes des Kranken unheilbare Ge- schwulst entstellt den Prinzen dermaßen, daß er, dessen Aehnlichkeit mit dem ersten Napoleon Jedermann frappirte, dem großen Kaiser nur noch wie eine böswillige Karrikatur ähnelt. Er hält sich daher sehr zurückgezogen und läßt sich nur noch vor seinen intimsten Bekannten sehen. England. In einer Erwiderung auf eine Interpellation betreffs Angra Peguena sagte Lord Granville u. A.: — Das Re- sultat der zwischen der deutschen und der englischen Regierung gepflogenen Verhandlungen biete alle Aus- sicht auf eine befriedigende Lösung der Frage, da die bri- tische Regierung zu der Ueberzeugung gelangt sei, daß kein Grund vorliege, dagegen Einsprache zu erheben, daß die deutsche Regierung die in Angra Peguena angesiedelten Deutschen unter ihren Schutz nehme. Ihrer Majestät Regierung werde dies formell anerkennen, sobald ein Uebereinkommen getroffen worden ist, in welchem Deutschland die Interessen englischer Ansiedler oder englischer Handeltreibenden sichert und sich verpflichtet, keine Strafkolonie an diesem Küsten- striche anzulegen. Holland. Die Beisetzung des Prinzen von Oranien soll am 16. Juli stattfinden. Wie bekannt, hat der Gesundheitszustand des Prinzen stets zu Besorgnissen Anlaß gegeben und eine besonders zurückgezogene Lebensweise nothwendig gemacht. Wie jetzt konstatirt worden ist, waren alle edleren Otgane mit Ausnahme des Gehirns krank; das Herz war sehr klein und mit dem linken Lungenflügel verwachsen; die Leber und die Nieren waren gleichfalls angegriffen. — Der die Vormundschaft über die junge Thronerbin ordnende Gesetzentwurf wird binnen Kurzem den holländi- schen Kammern zugehen. Die Königin Emma wird darin als Vormund bestellt und ihr zur Seite werden mehrere Vormundschaftsräthe gestellt sein. Belgien. Das Ministerium Malou will mit Allem aufräumen, was an die liberale Aera nur irgend erinnert. Noch in diesem Monat, in welchem die Wahlen zum Senat statt- finden, werden sämmtliche Kommunalräthe des Landes aufgelöst werden und die Neuwahlen sollen gleich zu An- fang August stattfinden. Die Liberalen sind nun angesichts des energischen Vorgehens des klerikalen Ministeriums eini- ger als bei den Deputirtenwahlen; ob sie darum auch mehr Erfolg haben werden, ist eine andere Frage. Rußland. Vor Kurzem wurde der Adjutant der Gendarmerie- Leitung in Odessa, Kapitän Gitschan, in seiner Wohnung ermordet gefunden. Es hieß erst, es liege ein Selbstmord vor, dann sprach man von einem durch den Diener began- genen Raubmord. Beide Versionen sind nicht richtig, viel- mehr ist der Kapitän das Opfer eines nihilistischen Atten- tates. Es scheint, daß eine mit körperlichen Reizen beson- ders ausgestattete Nihilistin zu bestricken und sich auch seinen Bekannten als dessen Geliebte aufzuspielen verstanden hat. Es erregte daher kein Aufsehen, daß diese öfter mit dem Diener verkehrte und zu jeder Tageszeit bei diesem Einlaß fand. So wußte sie es auch einzurichten, daß sie eine Nacht in der Wohnung des Dieners zubrachte, und in dieser Nacht ermordete sie den Kapitän und flüchtete dann zum Fenster der parterre gelegenen Wohnung hinaus. Als der Hausmeister dies erzählte und bemerkte, wie der Diener bei seiner Erzählung verlegen wurde, ließ er denselben so- fort verhaften. Bei der Leibesvisitation fand man in einem Stiefel des Dieners 70 Rubel. Befragt woher er das Geld habe, antwortete er: Von meiner Geliebten. Auf die Frage, wer seine Geliebte sei, wollte oder konnte er keine Auskunft geben. Man vermuthet, daß er von dem Mordplan gewußt habe. Das Mädchen ist indessen spur- los verschwunden. — Lokal- und Bäder-Nachrichten. (Bellachini), der bekannte Hofkünstler Sr. Maje- stät des deutschen Kaisers und Königs von Preußen wird heute Sonntag im Kurhaus eine Zauber-Soirée veran- stalten und wird uns mit den amüsantesten und neuesten Täuschungen der modernen Salon-Magie einige angenehme Stunden bereiten; außerdem tritt der berühmte Bauch- redner Professor Otto Nürnberg mit seiner aus zehn Per- sonen bestehenden Automatenfamilie mit auf. Das „Prager Illustrirte Extrablatt“ berichtet: „Herr Prof. Otto Nürn- berg, der mit seinen Vorstellungen in ganz Deutschland, Frankreich und gegenwärtig in Oesterreich Aufsehen erregt, ahmt in der Konversation fünf bis sechs männliche, weib- tiche und Kinderstimmen, welche, was Stimmlage und Stärke anbetrifft, total verschieden sind, vollkommen ver- ständlich und kräftig nach. Sogar Gesangsnummern in verschiedenen Stimmlagen sind Herrn Nürnberg ein Leich- tes. Herr Prof. Nürnverg weiß mit seinen Automaten, zehn an der Zahl, unter denen sich auch eine stereotyp ge- wordene Erscheinung, „der August“ befindet, in äußerst komischer Konversation das Auditorium auf das Beste zu unterhalten. Diesen täuschenden Eindruck wird Jeder em- pfangen, der der Produktion des Herrn Nürnberg beiwohnt, was wir unseren geschätzten Lesern nicht genug anempfehlen können. Herr Professor Nürnberg wurde in seiner Ab- schiedsvorstellung durch Ueberreichung eines Lorbeerkranzes ausgezeichnet.“ (Die Estudiantina Figaro) konzertiren am Dienstag den 8. d. M. hier im Freundschaftssaale. (Girardi) verabschiedete sich gestern Nachmittag im Sommertheater als Benozzo in „Gasparone“ vor einem ausverkauften Hause. Salven von Beifall durchdröhnten wiederholt das Theater und der Sturm am Ende wollte sich lange nicht legen. — Girardi hat noch am Abend Karlsbad verlassen und sich nach Teplitz begeben, wo er morgen sein Gastspiel beginnt. (Als bald erwartete Gäste) an unserer Bühne werden uns genannt der Reuter-Interprete Herr Junker- mann und der treffliche Komiker Engels aus Berlin. (Fahrpreise Wien-Karlsbad.) Die k. k. Direktion für Staatseisenbahnbetrieb macht die neuesten Fahrpreise Wien-Karlsbad bekannt. Schnellzug via Eger ab Kaiser Franz Josefs-Bahnhof in Wien 1. Klasse 25 fl. 65 tr., 2. Klasse 20 fl. 42 kr., 3. Klasse 12 fl. 88 kr. Personenzug 1. Klasse 21 fl. 5 kr., 2. Klasse 15 fl. 82 kr., 3. Klasse 10 fl. 58 kr., Personenzug welcher ab Eger als Schnellzug verkehrt 1. Klasse 21 fl. 56 kr., 2. Klasse 16 fl. 20 kr., 3. Klasse 11 fl. 60 kr. (Feuerlösch-Experiment.) Der hier anwe- sende Erfinder des Feuerlöschmittels „Pyrothanaton“ wird am Montag Nachmittag 6 Uhr im Schützenhause mit diesem Mittel experimentiren und mehrfache Löschversuche anstellen. Näheres beliebe man der Annonce zu entnehmen. (Sauerbrunn Bilin.) General-Feldmarschall Freiherr von Manteuffel, Statthalter von Elsaß-Lothringen mit seiner Tochter und seinem Adjutanten dem Oderst von Strantz sind zu mehrwöchentlichem Kurgebrauche von Karls- bad hier eingetroffen. (In Gießhübl-Puchstein) ist vorgestern die fünfte Nummer der Kurliste ausgegeben worden; dieselbe weist 89 Kurparteien mit 145 Personen aus und nennt die Zahl der Passanten mit circa 7000 Personen. (Ueber den Besuch des deutschen Kaisers in Wiesbaden) berichtet der „Rhein. Kourier“: Der Kaiser sah vortrefflich aus, verließ raschen Schrittes seinen Salonwagen, begrüßte hierauf auf's Freundlichste die Könige von Dänemark und Griechenland, ihnen die Hand reichend. Der König von Dänemark stellte dem Kaiser seine Enkel, die beiden griechischen Prinzen und den Prinzen Eduard von England, vor, worauf der Kaiser mit einigen freund- lichen Worten auch jedem Prinzen die Hand reichte und sich dann wieder mit den Königen von Dänemark und Griechenland unterhielt. Letztere fuhren hierauf nach dem Parkhotel. Der Kaiser in Cwilkleidern unterhielt sich von seinem Wagen aus noch kurze Zeit mit dem hier wohnen- den pensionirten General von Barnekow und fuhr dann im offenen, mit zwei Trakehner-Rappen bespannten Wagen durch die Wilhelm- und Burgstraße, welche im reichsten Flaggenschmucke prangten, nach dem königlichen Schlosse, auf dem ganzen Wege von einer überaus großen Menschen- menge mit enthusiastischen Hochrufen begrüßt und für diese Ovationen durch huldvolle Grüße dankend. Um halb drei Uhr stattete der Kaiser den dänischen und griechischen Herr- schaften im Parkhotel einen dreiviertelstündigen Besuch ab, den letztere bald nachher im königlichen Schlosse erwiderten. Bald nach 4 Uhr nahmen der Kaiser, die Könige und Kö- niginnen von Dänemark und Griechenland, die griechischen Prinzen und Prinz Eduard von England bei Herrn und Frau Regierungspräsident v. Wurmb ein Dejenner ein. Die Tafelmusik wurde von der Kapelle der 80er unter Ka- pellmeister Münch's Direktion im Garten des Regierungs- gebäudes ausgeführt. Nach beendeter Tafel, kurz nach sechs Uhr, fuhr der Kaiser in das königliche Schloß zurück, während die griechischen und dänischen Herrschaften nach dem Parkhotel zurückfuhren. Um 7 Uhr 40 Min. reiste der Kaiser mittelst Extrazuges wieder nach Ems zurück. Bei der Fahrt nach dem Bahnhofe wiederholten sich die- selben lebhaften Ovationen wie bei der Auffahrt zum Schlosse. Zur Verabschiedung hatten sich auf dem Perron des Rhein- bahnhofes die Könige und Königinnen von Dänemark und Griechenland eingefunden. Nachdem der Kaiser im Kaiser- salon sich auf's Herzlichste von den dänischen und griechi- schen Majestäten verabschiedet hatte, wurden ihm, als er den Perron betrat, von Frau v. Knoop, Frau Staatsrath v. Grimm und anderen Damen prächtige Blumensträuße überreicht, wofür er huldvollst dankte. Unter den begei- sterten Hochrufen fuhr der Kaiser um 7 Uhr 40 Minuten nach Ems ab. (Ein Marienbader Brief) des Schriftstellers J. Landau enthält folgende artige Neuigkeiten: Fräulein Schläger vom Wiener Hofopernhause, die mit Mißbehagen den Umfang ihrer Stimme von dem ihrer Taille über- troffen sieht, will sich hier in's Junonische transformieren und in den letzten Tagen erregte hier eine Dame durch eine kurze Zeitungsnotiz das, was sie durch die längsten Rollen während ihrer Theaterlaufbahn nicht zu erregen vermochte: Aufsehen. Es war Fräulein v. Schönerer, die Käuferin des Theaters an der Wien, die als Fräulein Alexander in der Theaterwelt eine sehr bescheidene Existenz führte. Ein Fürst im Reiche der Kunst wird eben stünd- lich und mit großer Spannung erwartet: Rubinstein. Eine kleine Gemeinde seiner intimsten Verehrer hat sich um seinetwillen hier zusammengefunden, Bösendorfer hat bereits zwei Konzertflügel aus Wien herbeigesandt, die er dem Meister zur Verfügung stellt. Rubinstein wird sich hier wohl mit den beiden Instrumenten viel zu schaffen machen, denn er kommt nach Marienbad, um die Oper, an der er eben arbeitet, zu vollenden. Und in Marienbad ist er vor dem tragikomischen Schicksal sicher, das er eben in Dresden erlebte: Im Vikoria-Hotel war's. (Mehrere Zeitungen bringen diesen Vorfall so unklar, daß der Leser unbedingt wähnt, er habe sich in dem renommirten Hotel „Viktoria“ in Marienbad ereignet.) Rubinstein empfing Abends einige Freunde bei sich und in angeregtester Stim- mung setzte er sich hin, um eine Phantasie auf dem Kla- vier vorzutragen. In wahrer Verzückung scheinen seine Zuhörer die Töne zu trinken — da erscheint der Hotelkellner und überbringt Rubinstein eine Visitenkarte. Sofort ver- stummen die Töne und Rubinstein macht das verdutzteste Gesicht. Die Visitenkarte trug den fein lithografirten Namen einer Dame und darunter mit Bleistift die wenigen klassischen Worte: „Ich bitte meine Nachtruhe nicht zu stören.“ Ru- hinstein wird so bald wohl nicht zu bewegen sein, abends in einem Hotelzimmer zu spielen, die Dame aber soll am anderen Tage in recht träbseliger Stimmung abgereist sein, als sie erfuhr, wem sie ihre liebenswürdige Visitenkarte zu- gesandt hatte! (Newyork.) Die amerikanische Staatsschuld hat vom 1. Juli 1883 bis 1. Juli 1884 um 101,040.000 Dol. abgenommen. Am höchsten war die amerikanische Staats- schuld am 31. Angust 1865 mit 2.756,400.000 Dollars, wo- für an Zinsen 151,000.000 Dollars erforderlich waren. Am niedrigsten ist nun die Staatsschuld am 1. Juli 1884 mit 1.450,000.000 Dollars, welche an Zinsen circa 49 Millionen erfordern. Wiener Börse vom 5. Juli 1884. Einheitliche Staatsschuld in Roten . Einheitliche Staatsschuld in Silber .. Oesterr. Goldrente Noten-Rente Aktien der österr.-ungar. Bank ... Kreditaktien London .......... 20-Francs-Stücke K. k. Münz-Ducaten Deutsche Reichsbanknoten 8050 81.45 103.15 95.75 855 30375 121.80 9.67 5.76 59.55 MATTONF SESSNUt Troinster alkalischer SKUERBRUNI bestes sisch- und Erfrischungsgetränk, Vorräthig in jedem Hause. Als Trinkwasser beim Kurgebrauche ärztlicherseits bestens empfohlen Trinkhalle „Merkur“, Marktbrunn.
Dateiname: 
karlsbader-badeblatt-1884-07-06-n58_1230.jp2