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Nr. 124.
Freitag den 21. September 1883.
VI. Jahrgang.
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Karlsbader
Saison-Tagblatt.
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Herausgeber: Ernest Franieck.
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im Haufe „Bellevue“, Stefanspromenade.
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Badebulletin.
Nach der heute zur Ausgabe gelangenden Kurliste Nr. 349
sind bis zum 19. Septbr. 20319 Parteien mit 26783 Personen
zur Kur hier eingetroffen. — Von den am gestrigen Tage
angemeldeten Kurparteien nennen wir:“
Herr Johann Schreuer, k. k. Bezirkshauptmann a. Prestic
Concordta.)
Frau Fanni Bohlinger, Kaufmanns-Witwe aus Zna.
(Havanna.)
Herr Anatol Graf Bigot de St. Quentin, k. k. Kämmerer
und Rittmeister aus Prag. (K. k. Militärbadehaus)
Herr Med. Dr. Moriz Modry, kais. Rath aus Wien.
Frau Amalie Gießen, Kfms. Witwe aus Deidesheim.
Herr Kart Matzenauer, Baumeister aus Brünn.
(Altenburg. Haus.)
(Stadt Gotha.)
Frau Bertha Hempel aus Bautzen.
Herr Curt von Holy-Poniencitz, Lientenant a, Braunschw.
(Gold. Schlüssel.)
Frau E. Handelsmann, Oekonoms-Gemalin .
Mer)
Herr E. A. Clegg. Rentier aus Rochdalle,
Herr B. J. Winterborn, Geistlicher aus Hornby.
(Pension Königsvilla.)
Herr Gustav Schönert, Mühlenbesitzer
(Erzherzogin Sofie.)
Herr Cornelins Edward Cardew, Jngeni
(Herzog von Edinburg.)
Vergnügungs-Anzeiger.
Stadtpark.
Heute Abends halb 8 Uhr.
Abend-Konzert der Kurkapelle.
Stadttheater.
Der Bettelstudent.
Operette in drei Akten von F. Zell und Richard Genée.
Musik von Karl Millöcker.
Anfang 1/27 Uhr.
Telegramme
des Korrespondenz-Bureau.
Großwardein, 20. September. Bei dem
Bankete zu Ehren des Ministerpräsidenten Tisza
brachte derselbe einen Trinkspruch aus, worin er
die kroatische Frage und die Antisemiten-Frage be-
rührte und betonte, daß Erstere nicht durch Straßen-
kravalle gelöst werden könne und daß es die
Hauptaufgabe der Regierung sei, die gesetzliche
Ordnung herzustellen, sodann aber mit Unter-
stützung der Legislative in billigster und coulan-
tester Weise vorzugehen. Die Judenfrage sei
nicht die Frage des Antisemitismus, sondern jene
des guten Rufes und der Ehre des Vaterlandes.
Die Regierung habe die Pflicht, das Vermögen und
Leben der Bürger zu bewachen und die Pflicht der
Gesellschaft sei, schädliche Vorurtheile zu zerstreuen.
Es dürfte nur einen Unterschied geben zwischen
ehrlichen und unehrlichen Leuten (Beifall). — An
dem Bankette nahmen auch Mitglieder der Oppo-
sition Theil.
Belgrad, 20. September. Das bisherige
Wahlresultat ergab 80 Radikale, 35 Regierungs-
Anhänger und 13 Liberale,
Privat-Telegramme des Karlsb. Badeblatt
Berlin, 20. September. Die National-Ztg.
meldet, die Begegnung des Kaisers Wilhelm mit
dem Kaiser von Rußland werde Ende dieses Mo-
nats dennoch stattfinden.
London, 20. September. Standard meldet,
der Sultan werde demnächst die Höfe der Euro-
päischen Großstaaten besuchen. Für heute wird
eine weitere Ermäßigung des Diskontes der Bank
von England erwartet.
Wien, 20. September. Börse.] Mittags
Festheit, Kreditaktien von 296.30 auf 295.40,
Schluß 295.80; Abends erst 294,40, später 295.20.
Berlin, 20. September. Kreditaktien 506.—.
Die Generalversammlung der Freiburger Bahn
acceptirte die preußische Proposition der Bahnver-
staatlichung.
Paris, 20. September. Rente 108.55.
Frankfurt, 20. September. Die Könige von
Spanien und Serbien sind heute hier eingetroffen.
Politische Briefe.
Berlin 18. Septeniber.
Wenn unsere Priester, die Frommen meine ich ganz
besonders, wahrhaft religiös wären, müßten sie überaus
erfreut sein, über den „religiösen Hauch“, der merkbar durch
die deutschen Lande zieht. Welche Ursachen diesen Hauch
haben entstehen lassen, das zu untersuchen würde zu weit
führen. Nur muß ich hervorheben, daß das Lutherjubtläum,
das schon so viel gefeiert worden ist und noch weit mehr ge-
Erzählung einer Schwiegermutter.
Als mein Sohn Georg Fräulein Fanny
Jäger heiratete, sagte ich ihm mit großer Bitter-
keit, ich wolle ihn niemals wiedersehen, niemals!
Er möge meine Schwelle nie mehr betreten und
vergessen, daß ich seine Mutter sei.“
Weshalb? Nun denn, ich liebte das Mädchen
nicht, das er gewählt hatte. Fanny war mir fremd,
ich hatte sie nie gesehen und sie trotz aller Bitten
meines Sohnes nie empfangen. Ich wußte zu ge-
nau, daß sie nicht zu mir passe, dieses oberfläch-
liche, kaum aus der Schule entlassene Ding, das
von der Wirthschaft und den Bedürfnissen des
Hauses nichts verstand.
Ich hatte Mariechen Greif zu meiner Schwie-
gertochter erkoren. Sie war allerdings nicht beson-
ders hübsch, aber häuslich und gemüthvoll. Da
kam Georg ganz unerwartet mit der Nachricht, er
wolle diese Fanny heiraten. Mein Sohn beschwor
mich, sie doch nur kennen zu lernen und ver-
sicherte mir, ich würde sie alsdann mit offenen
Armen bei mir aufnehmen, sie sei gut und lieb
wie Keine, er dürfe sie nicht aufgeben, da sie
eltern- und schutzlos in der Welt zurückgeblieben
sei und er ihrer sterbenden Mutter versprochen
habe, der Verwaisten ein treuer Freund zu sein.
Um nicht in Versuchung zu kommen, den Un-
gehorsam zu verzeihen, beschloß ich, zu verreisen.
Nach sechs Monaten erst kehrte ich wieder heim.
Eine Mutter ist stets eine Thörin, wenn es sich
um ihren einzigen Sohn handelt. So begab ich
mich eines Tages auf sein Bureau und ging auf
seinen Schreibtisch zu, an dem er eifrigst beschäf-
tigt saß, um ihn auszuschelten; doch ehe ich zu
Worte kam, hatte er mich fest umschlungen und
unter Thränen küßten und umarmten wir uns
immer wieder.
„Und jetzt, Herzensmama, wirst Du auch
Fanny sehen wollen, nicht wahr? Soll sie zu Dir
kommen oder willst Du zu ihr gehen und bei ihr
auf mich warten, bis ich hier fertig bin?“
Er bat und schmeichelte so lange, bis ich ihm
Alles versprach, was er begehrte. Die Wohnung
meines Sohnes lag außerhalb der Stadt. Ein
Miethwagen brachte mich in einer halben Stunde
hinaus. Treppe und Flur waren sehr sauber und
freundlich und der Glockenzug, an dem ich klin-
gelte, blitzte und glänzte, wie es sich gebührt.
Eine hübsche junge Frau in einem einfachen
blauen Kattunkleide öffnete mir und als ich fragte,
ob Frau Kronau zu Hause sei, antwortete sie?
„Ja, das ist mein Name. Ich erwarte Sie schon
eine Ewigkeit, doch besser spät als gar nicht.“
„Woher wußten Sie, daß ich kommen würde?“
fragte ich neugierig, wieso Sie mich erkannt; denn
wir waren einander nie begegnet und mein Sohn
besaß kein Bild von mir.
„O, ich wußte es gerade nicht“, entgegnete sie,
„ich hatte mir eigentlich vorgestellt, Sie würden
gar nicht mehr kommen, aber ich bin froh, daß
Sie jetzt da sind. Folgen Sie mir nur, wir haben
sehr viel zu thun. — Fräulein Franz hat gestern
Alles zugeschnitten und geheftet, wir wollen heute
den Besatz annähen.“
„Eine sehr kühle junge Dame“, dachte ich.
„Sie lassen sich wohl ein Kleid anfertigen“? er-
kundigte ich mich dann.
„Einen Anzug, meine Liebe, Rock, Ueberwurf
und Dolman. Ich hoffe. Sie verstehen hübsche
Knopflöcher zu machen?“ Ich beruhigte sie da-
rüber. „So viele Näherinnen verstehen das nicht“,
fuhr sie fort, „aber ich bat Frau John, mir eine
geschickte Person zu empfehlen und sie sagte mir,
Niemand sei geübter in derlei Dingen, als Sie,
Frau Schweizer.“
Jetzt fing ich an, zu begreifen; meine Schwie-
gertochter hielt mich für die Schneiderin, die sie er-
wartete. Ich hütete mich wohl, sie ihrem Irrthum
zu entreißen, daß Schneiderinnen in schwerer
schwarzer Seide und in einem echten Kaschmirshawl
bei ihren Kunden erschienen. Ruhig nahm ich die
Arbeit, die sie mir gab, und nähte mit unermüd-
lichem Eifer. Sie war sehr hübsch, diese junge
Frau, und anmuthig und liebenswürdig. Ich
plauderte mit ihr über dieses und jenes, aber sie
sagte kein Wort von ihrer Schwiegermutter. Ich
erzählte von Leuten, die in Streit mit ihren Ver-
wandten lebten, aber sie erwähnte mit keiner Silbe,
daß ihr Gatte sich mit seiner Mutter entzweit
hatte. Endlich kam ich geradezu auf Schwieger-
mütter.
„Gewöhnlich können sich Schwiegermütter und
Feuilleton.
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