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Nr. 124. Freitag den 21. September 1883. VI. Jahrgang. Saison-Abonuement: Tür Karlsbad ....... 4 fl. — kr. Der Post, Inhand.6 fl. — kr. euti 12 Reichsmk. Karlsbader Saison-Tagblatt. (Erscheint mit Ausnahme der Montage täglich.) Monatl. Abonnement: Tür Karlsbad ...... —fl. 90 kr. Einzelne Nummer 5 kr. Herausgeber: Ernest Franieck. Redaktion und Administration im Haufe „Bellevue“, Stefanspromenade. Inferate werden nur gegen Vorauszahlung angenomme. und koltet die Aspaltige Petitzeile oderdere Raum G kr. Pränumerationen und Inserat werden in der Noministration dieses Blatte und in der Sethbibliothek „3 Lämmer“, Markt, entgegengenommen. Inserate übernehmen: Haasenstein & Vogler, Annoncenbureau in Wien, Prag, Hamburg, Lübeck, Berlin, Leipzig, Dresden, Breslau, Köln, Frankfurt a. M., Stuttgart, Basel, St. Gallen, Zürich, Genf und Lausanne. Rudolf Mosse in Berlini, Breslau, Hamburg, Nürnberg, Wien, Prag, Frankfurt a. M., Leipzig, Stuttgart, Hallea.S München, Straßburg und Zürich. A. O'ppelik, Wien und G. L. Da“be & Co., Frankfurt a. M. Badebulletin. Nach der heute zur Ausgabe gelangenden Kurliste Nr. 349 sind bis zum 19. Septbr. 20319 Parteien mit 26783 Personen zur Kur hier eingetroffen. — Von den am gestrigen Tage angemeldeten Kurparteien nennen wir:“ Herr Johann Schreuer, k. k. Bezirkshauptmann a. Prestic Concordta.) Frau Fanni Bohlinger, Kaufmanns-Witwe aus Zna. (Havanna.) Herr Anatol Graf Bigot de St. Quentin, k. k. Kämmerer und Rittmeister aus Prag. (K. k. Militärbadehaus) Herr Med. Dr. Moriz Modry, kais. Rath aus Wien. Frau Amalie Gießen, Kfms. Witwe aus Deidesheim. Herr Kart Matzenauer, Baumeister aus Brünn. (Altenburg. Haus.) (Stadt Gotha.) Frau Bertha Hempel aus Bautzen. Herr Curt von Holy-Poniencitz, Lientenant a, Braunschw. (Gold. Schlüssel.) Frau E. Handelsmann, Oekonoms-Gemalin . Mer) Herr E. A. Clegg. Rentier aus Rochdalle, Herr B. J. Winterborn, Geistlicher aus Hornby. (Pension Königsvilla.) Herr Gustav Schönert, Mühlenbesitzer (Erzherzogin Sofie.) Herr Cornelins Edward Cardew, Jngeni (Herzog von Edinburg.) Vergnügungs-Anzeiger. Stadtpark. Heute Abends halb 8 Uhr. Abend-Konzert der Kurkapelle. Stadttheater. Der Bettelstudent. Operette in drei Akten von F. Zell und Richard Genée. Musik von Karl Millöcker. Anfang 1/27 Uhr. Telegramme des Korrespondenz-Bureau. Großwardein, 20. September. Bei dem Bankete zu Ehren des Ministerpräsidenten Tisza brachte derselbe einen Trinkspruch aus, worin er die kroatische Frage und die Antisemiten-Frage be- rührte und betonte, daß Erstere nicht durch Straßen- kravalle gelöst werden könne und daß es die Hauptaufgabe der Regierung sei, die gesetzliche Ordnung herzustellen, sodann aber mit Unter- stützung der Legislative in billigster und coulan- tester Weise vorzugehen. Die Judenfrage sei nicht die Frage des Antisemitismus, sondern jene des guten Rufes und der Ehre des Vaterlandes. Die Regierung habe die Pflicht, das Vermögen und Leben der Bürger zu bewachen und die Pflicht der Gesellschaft sei, schädliche Vorurtheile zu zerstreuen. Es dürfte nur einen Unterschied geben zwischen ehrlichen und unehrlichen Leuten (Beifall). — An dem Bankette nahmen auch Mitglieder der Oppo- sition Theil. Belgrad, 20. September. Das bisherige Wahlresultat ergab 80 Radikale, 35 Regierungs- Anhänger und 13 Liberale, Privat-Telegramme des Karlsb. Badeblatt Berlin, 20. September. Die National-Ztg. meldet, die Begegnung des Kaisers Wilhelm mit dem Kaiser von Rußland werde Ende dieses Mo- nats dennoch stattfinden. London, 20. September. Standard meldet, der Sultan werde demnächst die Höfe der Euro- päischen Großstaaten besuchen. Für heute wird eine weitere Ermäßigung des Diskontes der Bank von England erwartet. Wien, 20. September. Börse.] Mittags Festheit, Kreditaktien von 296.30 auf 295.40, Schluß 295.80; Abends erst 294,40, später 295.20. Berlin, 20. September. Kreditaktien 506.—. Die Generalversammlung der Freiburger Bahn acceptirte die preußische Proposition der Bahnver- staatlichung. Paris, 20. September. Rente 108.55. Frankfurt, 20. September. Die Könige von Spanien und Serbien sind heute hier eingetroffen. Politische Briefe. Berlin 18. Septeniber. Wenn unsere Priester, die Frommen meine ich ganz besonders, wahrhaft religiös wären, müßten sie überaus erfreut sein, über den „religiösen Hauch“, der merkbar durch die deutschen Lande zieht. Welche Ursachen diesen Hauch haben entstehen lassen, das zu untersuchen würde zu weit führen. Nur muß ich hervorheben, daß das Lutherjubtläum, das schon so viel gefeiert worden ist und noch weit mehr ge- Erzählung einer Schwiegermutter. Als mein Sohn Georg Fräulein Fanny Jäger heiratete, sagte ich ihm mit großer Bitter- keit, ich wolle ihn niemals wiedersehen, niemals! Er möge meine Schwelle nie mehr betreten und vergessen, daß ich seine Mutter sei.“ Weshalb? Nun denn, ich liebte das Mädchen nicht, das er gewählt hatte. Fanny war mir fremd, ich hatte sie nie gesehen und sie trotz aller Bitten meines Sohnes nie empfangen. Ich wußte zu ge- nau, daß sie nicht zu mir passe, dieses oberfläch- liche, kaum aus der Schule entlassene Ding, das von der Wirthschaft und den Bedürfnissen des Hauses nichts verstand. Ich hatte Mariechen Greif zu meiner Schwie- gertochter erkoren. Sie war allerdings nicht beson- ders hübsch, aber häuslich und gemüthvoll. Da kam Georg ganz unerwartet mit der Nachricht, er wolle diese Fanny heiraten. Mein Sohn beschwor mich, sie doch nur kennen zu lernen und ver- sicherte mir, ich würde sie alsdann mit offenen Armen bei mir aufnehmen, sie sei gut und lieb wie Keine, er dürfe sie nicht aufgeben, da sie eltern- und schutzlos in der Welt zurückgeblieben sei und er ihrer sterbenden Mutter versprochen habe, der Verwaisten ein treuer Freund zu sein. Um nicht in Versuchung zu kommen, den Un- gehorsam zu verzeihen, beschloß ich, zu verreisen. Nach sechs Monaten erst kehrte ich wieder heim. Eine Mutter ist stets eine Thörin, wenn es sich um ihren einzigen Sohn handelt. So begab ich mich eines Tages auf sein Bureau und ging auf seinen Schreibtisch zu, an dem er eifrigst beschäf- tigt saß, um ihn auszuschelten; doch ehe ich zu Worte kam, hatte er mich fest umschlungen und unter Thränen küßten und umarmten wir uns immer wieder. „Und jetzt, Herzensmama, wirst Du auch Fanny sehen wollen, nicht wahr? Soll sie zu Dir kommen oder willst Du zu ihr gehen und bei ihr auf mich warten, bis ich hier fertig bin?“ Er bat und schmeichelte so lange, bis ich ihm Alles versprach, was er begehrte. Die Wohnung meines Sohnes lag außerhalb der Stadt. Ein Miethwagen brachte mich in einer halben Stunde hinaus. Treppe und Flur waren sehr sauber und freundlich und der Glockenzug, an dem ich klin- gelte, blitzte und glänzte, wie es sich gebührt. Eine hübsche junge Frau in einem einfachen blauen Kattunkleide öffnete mir und als ich fragte, ob Frau Kronau zu Hause sei, antwortete sie? „Ja, das ist mein Name. Ich erwarte Sie schon eine Ewigkeit, doch besser spät als gar nicht.“ „Woher wußten Sie, daß ich kommen würde?“ fragte ich neugierig, wieso Sie mich erkannt; denn wir waren einander nie begegnet und mein Sohn besaß kein Bild von mir. „O, ich wußte es gerade nicht“, entgegnete sie, „ich hatte mir eigentlich vorgestellt, Sie würden gar nicht mehr kommen, aber ich bin froh, daß Sie jetzt da sind. Folgen Sie mir nur, wir haben sehr viel zu thun. — Fräulein Franz hat gestern Alles zugeschnitten und geheftet, wir wollen heute den Besatz annähen.“ „Eine sehr kühle junge Dame“, dachte ich. „Sie lassen sich wohl ein Kleid anfertigen“? er- kundigte ich mich dann. „Einen Anzug, meine Liebe, Rock, Ueberwurf und Dolman. Ich hoffe. Sie verstehen hübsche Knopflöcher zu machen?“ Ich beruhigte sie da- rüber. „So viele Näherinnen verstehen das nicht“, fuhr sie fort, „aber ich bat Frau John, mir eine geschickte Person zu empfehlen und sie sagte mir, Niemand sei geübter in derlei Dingen, als Sie, Frau Schweizer.“ Jetzt fing ich an, zu begreifen; meine Schwie- gertochter hielt mich für die Schneiderin, die sie er- wartete. Ich hütete mich wohl, sie ihrem Irrthum zu entreißen, daß Schneiderinnen in schwerer schwarzer Seide und in einem echten Kaschmirshawl bei ihren Kunden erschienen. Ruhig nahm ich die Arbeit, die sie mir gab, und nähte mit unermüd- lichem Eifer. Sie war sehr hübsch, diese junge Frau, und anmuthig und liebenswürdig. Ich plauderte mit ihr über dieses und jenes, aber sie sagte kein Wort von ihrer Schwiegermutter. Ich erzählte von Leuten, die in Streit mit ihren Ver- wandten lebten, aber sie erwähnte mit keiner Silbe, daß ihr Gatte sich mit seiner Mutter entzweit hatte. Endlich kam ich geradezu auf Schwieger- mütter. „Gewöhnlich können sich Schwiegermütter und Feuilleton.
Dateiname: 
karlsbader-badeblatt-1883-09-21-n124_2605.jp2