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Nr. Sonntag den 25. Juni 1882. V. Jahrgang. Karlsbader Badcblatt. Saison-Abonnement: Redaktion und Administration Tür Karlsbad im Hause „Vellevne“, Stefanspromenade. ..4 fl. — kr. Saison-Tagblatt. Der Post, Inland6 f. — kr. DeutscheReic 12 Reichsmk. Inserate werden nur gegen Vorauszahlung angenommen (Erscheint mit Ausnahme der Montage täglich.) und kostet die Pspaltige Petitzeile oder deren Monatl. Abonnement: Raum 6 kr. Pränumerationen und Inserate Tür Karlsbad .......— fl. 90 kr. werden in der Administration dieses Blattes und in der Ceihbibliothek „3 Lämmer“, Einzelne Nummer 5 kr. Markt, eutgegengenommen. Herausgeber: Ernest Franieck. Inserate übernehmen: Haasenstein 8amp Vogler, Aunoncenbureau in Wien, Prag, Hamburg, Lübeck, Berlin, Leipzig, Dresden, Breslau, Köln, Frankfurt a. M., Stuttgart, Basel, St. Gallen, Zürich, Genf und Lausanne. Rudolf Mose in Berlin, Breslan, Hamburg, Nürnberg, Wien, Prag, Frankfurt a. ., Leipzig, Stuttgart, Halle a. S., München, Straßburg und Zürich. A. Öppelik, Wien und G. L. Daübe &'Comp., Frankfurt a. M.) Lokal- und Bädernachrichten. (Die papierne Sprudelkolonnade.) Vor uns liegt eine kleine Enpeloppe, deren Vorderseite das Por- tale der Sprudelkolonnade in der Manier der jetzt so viel- fach erzeugten Reliefbilder darstellt. Wir öffnen die Enve- loppe und blicken in den perspektivisch sich darbietenden von vielen Menschen belebten Jnnenraum der Kolonnade, sehen die Säulen hinter einander geordnet, den Orchesterraum mit der Kurkaplle, im Hintergrunde den dampfenden Sprin- ger, im Vordergrunde die Tafel „Rechts gehen“, täuschend nachgeahmt! Das Ganze faltet sich leicht wieder zur flachen Enveloppe zusammen und kann bequem in jedem Notizbuche geborgen werden. Der hübsche Scherz ist eine Novität der Firma Luksch auf der alten Wiese und verdient als kleines Andenken an Karlsbad empfohlen zu werden. (Makarts Gemälde „Im Sommer“,) bietet die Veranlassung von förmlichen Wallfahrten nach dem Kur- hause, wo in einem Salon desselben es ausgestellt ist. — Eine Woche bleibt das Bild noch hier. (Die Feuerprobe) des Ingenieurs Schalla, welche gestern um 5 Uhr nächst dem Schießhause stattfinden sollte mißglückte insoferne, als durch ein Schadhaftwerden des Apparates Schalla aus dem Feuer sich zurückziehen mußte. Morgen findet noch eine Probe statt. (Bilin.) Die Saison 1882 verspricht einen bedeutenden Fortschritt in der Frequenz und ist dieser ebenfalls der im vorigen Jahre erschienenen Broschüre des hiesigen Brunnen- arztes Dr. W. von Reuß zu danken. In derselben waren die Vorzüge der Sauerbrunnbäder und des innerlichen me- thodischen Gebrauches der Biliner Quelle zum ersten Male ausführlich behandelt. Eine Reihe von sorgfältig bearbei- teten Krankengeschichten illustrirt trefflich die oft eklatanten Heilerfolge. Besonders hervorgehoben ist die heilsame Ein- wirkung der Trinkkur auf Kehlkopf und Lungenkatarrhe, die selbst nach längerem Bestande gebessert werden. Von gleichem Werthe ist der innerliche Gebrauch bei Nieren- und Blasenleiden. Bei letzterem übt der Herr Dr. Reuß auch lokale Auswaschungen mit Sauerbrunn. In dritter Reihe wird auch die äußerst wohlthätige Wirkung auf das Verdauungssystem, chronische Magen- und Darmkatarrhe hervorgehoben. Das halbe Kurhaus ist bereits besetzt und sind zahlreiche Bestellungen für die nächste Zeit eingelaufen, so daß in Bälde Platzmangel sich fühlbar machen kann. — Das Fahnenweihfest findet Sonntag den 2. Juli statt. Die feierliche Messe findet unter Betheiligung von gegen 400 Sängern statt. Das Walter-Konzert, über welches wir schon berichteten, wird doch im Kursalon abgehalten. Der Kursalon ist sehr akustisch gebaut, eignet sich daher vorzüglich zu einem Vocalkonzerte und faßt gegen 500 Per- sonen. Viele Teplitzer Kurgäste fragen um Sitze zu diesem genußversprechenden Konzerte an. (Fürst Bismarck) trifft in den nächsten Tagen zu vi erwöchentlichem Kurgebrauche in Kissingen ein. Prozeß „Charles de Hoffmann.“ (Telegramm des Karlsbader Badeblatt.) Wien, 24. Juni. In der Nachmittagssitzung wird die Aussage des Agenten Max Mittelmann vorgelesen; derselbe hätte dem Hoffmann Geld verschaffen sollen, was ihm jedoch nicht gelang. Die Angabe Hoffmann's, daß Mittelmann ihm etwas schuldig sei, hat der Zeuge als unwahr bezeichnet. Hoffmann habe versucht, Aktien einer französischen Gesellschaft zu verwerthen, welche mit Nummern über 20,000 versehen waren, während' überhaupt nur 20,000 Stück Äktien der Gesellschaft existirt hätten. Der Angeklagte erzählt hierüber eine lange Ge- schichte über einen Annullirungs-Prozeß, dessen Ausgang bewirkt habe, daß die Aktien mit den Nummern über 20,000 mehr werth seien, als die alten Aktien. Präs.: Ich konstatire, daß in der Verhandlung gegen einen gewissen Pokorny wegen Betrugs dieselben Aktien mit Nummern über 20000' vorkamen, wobei gleichfalls, so wie im vorliegenden Falle, die Agenten Mittelmann und Bienenstock eine Rolle spielten. In diesem Betrugsprozesse wurde konstatirt, daß die Aktien werthlos seien. Zeude Alfred Schwalb, Bankier, Ziegelei- und Fa- briksbesitzer in Karlsbad, sagt' über die Jugend und das Vorleben Hoffmann's aus. Derselbe ser ein talentirter junger Mensch und aus guter Familie gewesen. Als Hoff- mann im Jahre 1877 in Karlsbad war, escomptirte Herr Schwalb ihm mehrere Wechsel von englischen Firmen, die ihm auf seine Erkundigung als zahlungsfähig bezeichtet wurden. Hoffmann erzählte ihm, daß er das Gut Wolfs- berg angekauft habe. Der Abschluß sei nur noch von dem Erlag von 500,000 fl. abhängig, welche er sich durch Ver- pfändung der Materialien verschaffen werde. Damals kam auch Herr Parker nach Karlsbad und Zeuge hat von den Geschäften mit der Railway Company in Manchester Kennt- niß erhalten. Damals habe Hoffmann zu Parker gesagt, derselbe möge mit ihm einen Abstecher nach Wolfsberg ma- chen. Parker fragte damals Herrn Schwalb, wie es komme, daß Jedermann in Karlsbad über Hoffmann eine ungün- stige Auskunft ertheile. Thatsächlich habe Hoffmann keinen Freund, und Herrn Schwalb gegenüher sprachen Viele ihr Erstaunen darüber aus, daß er mit Hoffmann verkehre. Herr Schwalb sagte Herrn Parker, die ungünstigen Aus- künfte thun nichts zur Sache, aber er möge vorsichtig sein und sich überzeugen, ob Hoffmann als Eigenthümer von Wolfsberg eingetragen sei. Später kam Hoffmann wieder zu Herrn Schwalb mit dem Ansinnen, Wechsel einer engli- schen Bank zu eskomptiren. Obgleich er ihm erklärte, daß Vater und Sohn. Wenn man noch so ruhig dahin lebt, dabei aber ein offenes Auge und ein offenes Ohr mit- gebracht hat auf die Welt, so blickt man nach und nach in eine Anzahl von Tragödien und Komödien, und man braucht nur in dem Bilderbuche seiner Erinnerungen zu blättern, um Geschichten und Gestalten, die Einem schon verdämmert und ent- schwunden waren, wieder vor sich aufleben zu lassen. Wie ich so vor mich hin sinne, um über allerlei interessante Personen und Ereignisse, die ich kennen gelernt, Revne zu halten, fluthen die Reminiscenzen fast erdrückend auf mich ein, traurige und lustige, versöhnliche und erschreckende — ist doch jedes Beobachters Seele ein Spiegel, der seine Bilder nicht wieder losläßt, sondern sie festhält auf immer, für ein Menschenleben! Ein Romanschreiber braucht, um Effekte zu erzielen, nur das Protokoll der Wirklichkeit zu führen. Diese dichtet und schafft für ihn; er braucht nur getreu zu registriren .... Oder vermöchte irgend eine Romane und Novellen gebärende Phantasie etwas Originelleres zu ersinnen, als die Geschichte, die mir just am eindringlichsten in den Sinn kommt, die Geschichte einer sonderbaren Ehe? .... Der Regisseur des wunderlichen Dramas, zum Theil allerdings der unfreiwillige, war Fürst R., einer der reichsten Adeligen der großen Hauptstadt eines großen Reiches Namen thun nichs mehr zur Sache, wenn im Laufe der Zeit die Tagesnenigkeit schon zur Erinnerung geworden. Fürst R., vom Hause aus arm, hatte sein Vermögen seiner Gattin zu verdanken. Er brachte den glänzenden Namen mit, sie das nicht minder glänzende Vermögen. Sie war eine Bürgerliche von Geburt, aber ihr Vater- haus trug das Wappen etlicher Millionen. Die letzteren vertraten die Ahnen. Im Geschlechte Derer von R. herrschte eine große Ebbe an schnödem Gelde und der junge Fürst führte nur einen wohl- erwogenen Entschluß des Familienraths aus, indem er die Tochter eines schlechtgeborenen Krösus zur Frau nahm. Die Ehe verlief ruhig, der Fürst ging seinen vornehmen Vergnügungen nach, trieb allen erdenklichen Sport, nur nicht jenen der Gattenliebe, und als die Fürstin nach der Geburt eines Sohnes auf das Krankenlager fiel und hinsiechte, athmete der Fürst beglückt bei dem Gedanken auf, ein mild- thätiger Tod werde die Mesalliance zerreißen. Keinen Tag hätte er den Horror verwinden können, daß er seine Frau aus einem Bürgerhause geholt; wenn er sich im Ahnensaale seines ehedem ver- schuldeten und erst durch niedriges bürgerliches Geld von den Manichkern befreiten Schlosses erging, schien es ihm oft, als blickten die erzürnten Ahnen ihn mißbilligend an, als seien sie ihm gram wegen seiner Heirath mit einer eigentlich gar nicht „Geborenen“. Die Fürstin ging dem Tode rasch. entgegen, ihr Gatte, von dem edlen Wunsche beseelt, sie vorher mit der Welt zu versöhnen, brachte sie dahin, ein Testament nach seinem liebevollen Sinne abzufassen. Das Kind wurde zum Universalerben bestimmt; der Fruchtgenuß des Vermögens verblieb dem Vater bis zu des Sohnes Großjährigkeit; stürbe der Sohn vor seinem vollendeten zwanzigsten Lebensjahre, so fielen die herrenlos gewordenen Millionen dem Vater anheim. Und als die Fürstin sich hinlegte und starb, verzieh der Fürst ihr beinahe, daß sie ehedem eine Bürgerliche gewesen; er wischte sich sogar mit dem Taschentuche über das rechte Auge, der Form wegen. Von dieser Stunde an war der Vater nur von einer Idee erfüllt: den Sohn zu ermorden — nicht mit dem Dolche in der Hand, sondern auf stillen, unkontrolirbaren Wegen, mit harmlos scheinenden Mitteln. Die Frucht der Ehe mit dem Weibe aus der unadeligen Canaille war ihm an und für sich verhaßt; dagegen liebte er die Millionen, und diese seinem Sprößling abzunehmen, war des Fürsten Ziel. Er ließ das Kind von Anfang an eine unnatürliche Lebensweise führen, es ungenügend nähren oder überfüttern und als der Knabe größer geworden, schickte er ihn im Hochsommer nach Cairo, im Dezember nach Grönland, mit großen finanziellen Opfern und natürlich nur, damit der junge Prinz sich auf Reisen ausbilde, die Welt kennen lerne, oder — wie ein Theil der bösen Menschheit sagte: damit er den Keim einer Krankheit nach Hause bringe. Ein Jahr hindurch mußte der Knabe Tag und Nacht studiren; ein nächstes Jahr entzog man ihm alle Lehrer und Bücher. Seine körperliche und geistige Constitution widerstand Allem. Er wollte durchans nicht hinfällig, nicht blöde und nicht wahn- sinnig werden. Während einer bestimmten Periode wurde der Jüngling von Jagd zu Jagd gehetzt, Feuilleton.
Dateiname: 
karlsbader-badeblatt-1882-06-25-n49_1165.jp2