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Politische Rundschau. Während die Diplomatie sich zu dem Berliner Friedenswerke rüstet, gährt es in Constantinopel neuerdings wie in einem Hexenkessel. In rascher Folge werden Minister ernannt und ge- stürzt lediglich durch Intriguen, oder den jeweiligen überwiegenden Einfluss der sich da gegenüberstehenden beiden Grossmächte, die Ernennung der Ver- treter für den Congress wird zweimal umgestossen, so dass man eigentlich erst nach deren Eintreffen in Berlin Gewissheit über die Persönlichkeiten erhalten mag — aber nicht genug an solchen Widerwärtigkeiten, es verlautet sogar von einem bevorstehenden Herr- scher- oder Dynastiewechsel, und dem „N. W. Tagblatt“ wird über Berlin ge- meldet, es herrsche am goldenen Horn eine starke Agitation für die Einsetzung Midhat Pascha's als Reichsverweser an Stelle des Sultans Abdul Hamid. Wären nicht die Interessen der Westmächte mit der Erhaltung des Osmanenreichs verknüpft, die erwähnten tristen Zu- stände würden wahrhaftig alles Andere eher hervorrufen, als ein Eintreten zu Gunsten der Türkei. Wie man der „Pol. Corresp.“ aus Bukarest berichtet, erfolgten seitens der in Rumänien dislocirten Russen in den letzten Tagen Bewegungen, durch welche die rumänischen Truppen zur Vermeidung von Zusammenstössen ge- zwungen würden, sich mehr zurückzu- ziehen und sei in Folge dessen die ru- mänische Armee von Bukarest abge- schnitten Mit Einstimmigkeit erfolgte, wie schon gemeldet, der Beschluss des Bun- desraths betreffs Auflösung des deut- schen Reichstages. Dem neu gewählten Reichstage sollen ausser den Massnahmen bezüglich energischer Unterdrückung der socialdemocratischen Propaganda auch Gesetze über nothwendige Ergän- zungen des Strafgesetzbuches vorgelegt werden. Aus Berlin meldet man unter'm 11. d., dass auch heute aller Grund vorhanden ist, mit dem Befinden drs Kaisers zufrieden zu sein. Längere Zeit als gestern konnte der Kaiser bereits das Bett verlassen, und es ist alle Aussicht vorhanden, dass er von morgen abädas Bett nicht weiter wird zu hüten haben. Nach den eigenen Wünschen des Monarchen möchte er die Be- vollmächtigten zum Congress empfangen, von denen nicht nur Graf Andrassy ein Schreiben des Kaisurs Franz Joseph, sondern auch Lord Beaconsfield einen handschriftlichen Glück- wunsch der Königin von England überbringt. Im Uebrigen hofft man zuversichtlich, dass der Kaiser in acht Tagen nach Babelsberg über- si deln kann. — Das Befinden des Attentäters Nobiling ist derart unverändert, dass die Ge- richtsärzte gar kein Bulletin über dessen Zu- stand in den letzten 48 Stunden ausgegeben. — In der 7. Criminal-Deputation des Stadt- gerichtes reissen die Verhandlungen über Ma- Kleine Chronik. (Curfrequenz.) Nach der heute zur Ausgabe gelangenden Curliste Nr. 109 sind bis 10. Juni 6309 Parteien mit 8283 Personen hier eingetroffen. Gegen das Vorjahr ergibt sich heuer ein Plus von 297 Parteien mit 376 Personen. „Fatinitza“ gelangt heute mit Frl. v. Meersbeerg als Wladimir zur Aufführung. Ab- gesehen davon, dass die Operette an und für sich zu den besten neueren Schöpfungen dieses Genros zählt, bleibt dieselbe ihres zeitgemässen Sujets wegen stets ein besonderes Zugstück. Wenn dann noch die Partie des Wladimir in so bewährten Händen sich befindet, wie es hier der Fall, denn Frl. Meersberg wurde vom Compositeur Suppé selbst als eine der besten Vertreterinnen dieser Rolle bezeichnet, dann darf man gewiss einer ansprechenden Vor- stellung entgegensehen. (Das Damentrio) der Geschwister Worlicek erntete in dem Concert gestern Abend in künstlerischer Beziehung einen ganzen Erfolg; der Besuch hingegen war ein schwacher. Wir machen auf die heutige Production im Curhause alle Musikfreunde ganz besonders aufmerksam. (Das Städtchen Sonnenberg) im böhmischen Erzgebirge ist am vorgestrigen Tage von einem furchtbaren Brandunglücke heimgesucht und zum grossen Theile in Asche gelegt worden. Details fehlen noch. (Der Schah von Persien) ist Montag von Baden-Baden kommend in Paris einge- troffen. Eine alte Badeschrift über Garlshad in der Hausbihliothek der Auersperge. (Orig.-Feuilleton von R. v. Radics. So viel nun seinen Regenten anbelangt, so besass Theobald Graf von Rohrburg, um das Jahr 1120 dieselbe ganze Gegend und er- baute Elbogen, welches vor Erfindung des Geschützes dor' für) eine wichtige Festung ge- halten wurde. Hierauf eignete vorgedachter Graf seiner Tochter Adelheid anno 1129 die Stadt Eger nebst dem ganzen Lande zur Morgengabe zu, als selbige mit Kaiser Friederico Barbarossà vermählt wurde. Also blieb Eger bei dem römi- schen Reiche bis 1315 Kaiser Ludwig aus Baiern dasselbe König Johanni in Böhmen vor 40,000 Mark Silber verpfändete. Sodann ver- kaufte Caspar Schlick, Hauptmann zu Eger von Kaiser Sigismundò Elbogen vor eine an- sehnliche Summe Geldes, nachmals überliessen es Mathäus und Wenzeslàus Grafen von Schlick, Curfürsten Ernsten zu Sachsen und seinem Bruder Herzog Albrechten vor 23,000 Rhein.- Gulden und hierauf wurde Elbogen anno 1546 durch Wilhelm Thumshirn belagert im nach- folgenden Jahre aber wiederum zu der böhmi- schen Kammer gebracht.“ Nun wird auf das Topographische und Balneologische übergegangen mit der eigenthümlichen Wen- dung: „Jedoch wieder von dem Carlsbade zu reden, so entspringt der warme Brunnen an der rechten Seite des Ufers der Tepel fast mitten in der Stadt, in der Kreutzgasse und wird in einer Röhre in die Höhe getrieben, über welche ein Kästlein erbaut, weil sonsten der heftige Trieb des Wassers sich allzusehr erhöhen und ausbreiten würde Dieser Ausgang, welcher sich mit einem gewaltsamen Geräusche und Stossen erguste (ergiesst) gleichals ob man einen Eymer voll siedend Wasser in die Höhe schüttete, wird insgemein der Prudel oder Prudler (Sprudel genannt, worbey noch zwey kleinere Röhren zu befinden, welche gleichfalls häufig Wasser doch ohne dergleichen mächtiges Steigen und Getöse von sich geben. Alse Rinnen, Wände und Mauern, welche dieses siedende Wasser befeuchtet, werden mit einer rothgelben Steinrinde und alle von Holz oder Thon gemachte Figuren, wenn sie darein gelegt werden, mit rothem Sand- steine überzogen Aus solcher mit Rauch und Dampf umgebenen Quelle wird dieser der Gesundheit wegen unschätzbarer Schatz durch viele über längst den Fluss an den Seiten derer Häuser ge- legenen Rinnen in die unter den häu- sern erbauten Bäder geleitet, also dass fast jede Wohnung, so am Fluss gebaut, ihre besonderen Bäder be- Sitzet. Ueber dieses befinden sich rings um das Carlsbad in den Bergen und Wiesen noch einige Brunnen, unter welchen aber keiner so warm ist, als die Hauptquelle, ange- sehen man mit deren Wasser alsobald ohne Zuthun des Feuers, Eier sieden, auch Hühner und Gänse, wann sie nur zwei oder dreimal hinein getau- chet worden, abbrühen kann.“ Den Schluss der Schilderung bildet die Mittheilung der Analyse. „Dieser Heylbrunnen — heisst es da — führet Kalch, Schweffel, Alaun, Röthel, Salpeter und dergleichen absonderlich aber Vitriol bey sich und hieraus wachset ein rother Wallstein, Tropf- oder Topfsteine in solcher Menge, dass die Badegefässe, Rinnen und andere Holz- werke, davon in wenig Tagen ganz überzogen werden.“ Ueber die Wirkungsweise von Carlsbad darüber aber sollte sich der Leser des Salz- burger Kalenders in Fachschriften Rathes er- holen und schreibt der unbekannte Feuilletonist diessbezüglich: „Was nun solche warme Quellen von Zeiten zu Zeiten wundersame Wirkung bei Kranken und presthaften Personen gethan, da- von zeugen die von verschiedenen Medicis herausgegebenen Beschreibungen, unter welcher die vom Hochfürstlichen Sachsen-Merscbur- gischen Leib Medico Dr. Strausse abgefasste billig den Ruhm behält und ist sich höchlich zu verwundern, dass unerachtet dieses Wasser in so grosser Menge getrunken wird, selbiges doch denen meisten Personen, sie seien wes Alters sie wollen, wenn nur ihre Eingeweide nicht etwa anbrüchig, keinen Schaden oder Ungelegenheit verursachet.“ anit schliesst diese, wenn auch kurze doch gewiss mehrfach charakteristische Be- schreibung des Kaiser Carlsbades in Böhmen.“ Es mag anknüpfend noch erwähnt sein, dass die an medicinischen Werken reiche hoch- fürstlich Auersperg'sche Bibliothek in zahl- reichen die Bäder mehr minder ausführlich behandelnden medicinischen Büchern des XVI. und XVII. Jahrhunderts auch noch längere und kürzere Notizen über „Carlsbad“, „über das Bad bei Elbogen“ u. s'w zu bieten in der Lage ist, doch keinc so ausführliche und mit solcher Drastik (und in deutscher Sprache) gehaltene, wie die von mir in Vorstehendem mitgetheilte, die namentlich durch ihren Schlusspassus als Badereclame in optima forma dienen könnte! jestätsbeleidiger nicht ab; am S. d. wurden daselbst 7 Angeklagte bei geschlossenen Ver- handlungen im kurzen Verfahren verurtheilt und ihnen Gefängnissstrafen von 18 Monaten bis 5 Jahren zugesprochen.
Dateiname: 
karlsbader-badeblatt-1878-06-13-n43_0840.jp2