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Politische Rundschau.
Karisbac, 8 Mai.
Inland. Wie Prager Blätter
melden, brachte die Regierung am 7.
d. M. eine Gesetzesvorlage über die
80 Millionenschuld ein. Denselben
Quellen entnehmen wir die Nachricht,
Oesterreich beabsichtige im Falle einer
Räumung des Inselforts Adakaleh von
Seite der Türken, dasselbe zu besetzen,
um einer serbischen Occupation vorzu-
beugen. Nach dem „Pester Lloyd“
hätte General Ringelsheim dringend um
Beistellung einer grösseren Truppen-
macht an der Südostgrenze des Reiches
angesucht, da er sonst die Verantwor-
tung für etwaige Ereignisse ablehnen
müsste.
Ausland. Nach Londoner Nach-
richten wäre die Situation als gebessert
zu betrachten. Admiral Hornby soll
in massgebenden Kreisen die Zuversicht
ausgesprochen haben, die Russen, soll-
ten sie Bujukdere mit Erfolg zu besetzen
versuchen, binnen 60 Stunden wieder
hinauszutreiben.
Indessen sehen sich auch die Tür-
ken vor. So vollendeten sie eine neue
Redoute bei Konstantinopel und tauften
selbe — Plevna-Redoute.
Kleine Chronik.
(Se. königliche Hoheit, Gross-
herzog von Mecklenburg) wohnte ge-
stern der Vorstellung der Operette „Fleder-
maus“ im hiesigen Stadttheater bei. Nach-
mittags machte derselbe in Begleitung den
Versuch einer Spazierfahrt über den Schloss-
berg, welcher insoferne scheiterte, als die dem
Landauer vorgespannten Pferde bei der Schwar-
zischen Capelle sich hartnäckig weigerten.
auch nur einen Schritt weiter zu gehen; erst
als die hohen Insassen den Wagen verlassen
hatten, fanden sich die lieben Gäule bewogen,
den fortgesetzten Bemühungen des Kutsc hers
Folge zu leisten und lustig weiter zu traben.
(Festschiessen.) Zu Ehren der An-
wesenheit Sr. königl. Hoheit des Grossherzogs
von Mecklenburg veranstaltet das hiesige k. k.
priv. Schützen-Corps am 16. Mai ein Fest-
schiessen, bei welchem die zahlreichen Ehren-
geschenke des Corps zur allgemeinen Besich-
tigung ausgestellt sein werden.
(Misère.) Da die Miethkutschen ihren
Platz gerade vor dem Theater haben, wäre
es doch wünschenswerth, dass mit minutiöser
Genauigkeit auf Reinlichkeit gesehen würde,
da sich daselbst aus gewissen Ursachen Pfützen
bilden, die bis zum Portal reichen, die Passage
unangenehm machen, den Kartenkäufern nicht
einladend sein können, und auch sonst nicht
gerade einen angenehmen Duft verbreiten.
Hochzeitsfest begieng, den Verlust von Schmuck-
sachen im Werthe von mehr als 1200 fl. zu
beklagen. Der jungen Frau wurden nämlich
nach ihrer Abreise ihre Effecten auf der Bahn
nach Jungbunzlau nachgesendet. Beim Ein-
langen der diversen Kolli in Jungbunzlau
machte man bei Oeffnung eines der Koffer die
unangenehme Entdeckung, dass aus dem ver-
schlossenen Koffer die darin gewesenen
Prätiosen verschwunden waren.
(Herr Faure — Kammersänger)
Das Mitglied der Pariser Oper, Herr Faure,
der sich in Wien auf einem Gastspiel befand,
wurde vom Kaiser zum Kammersänger ernannt.
(Frequenz der Pariser Weltaus-
stellung. Donnerstag den 2. d. M. wurde
die Pariser Weltausstellung von 36.165 Per-
sonen besucht, von denen 27.618 den Eintritts-
preis von 1 Frank erlegten, während die übrigen
entweder abonnirt waren oder mit Freibillets
erschienen. Freitag zählte man in der Welt-
ausstellung 24.500 zahlende und 9000 unent-
geltliche Besucher.
(Dr. Strousberg) ist gestern sammt
Gemalin von Berlin in Prag angelangt, um den
Ausgleich mit seinen Gläubigern zu beschleu-
nigen. Von Prag begibt sich derselbe nach
Zbirow, gegen dessen vom Prager Landes-
gerichte angeordnete Relizitation die Wiener
Hypothekenkasse den Rekurs an das Ober-
landesgericht ergriff.
Karlshader Spaziergänge.
Da stehen sie und gehen sie, die Alten
und die Jungen, die Männlein und Weiblein,
die Schuldigen und Unschuldigen, die Schönen
und die Häss— pardon, das darf man ja nicht
sagen — denn hässliche gibt es ja nach ihren
Begriffen nicht: und trinken! Ein sehr pro-
saisches Geschäft, nicht das Trinken überhaupt,
denn darin liegt mitunter unendlich viel Poe-
sie, aber doch das allemal Wasser trin-
ke'n! Ja du mein Gott, kann man sich denn
auch etwas reizenderes denken, als eine blü-
hende Schöne mit glühenden Wangen, blitzen-
dem Auge und hellem Lachen, wie sie den
perlenden Champagnerkelch an die rosigen
Lippen setzt und Leben schlürft? Gewiss
nicht, und gibt es etwas Prosaischeres, als
dieselbe Schöne, vielleicht beim Sprudel, in
einen langen, unkleidsamen Paletot gehüllt,
aus dem gar so wenig phantasievollen Por-
zellankruge mit bittersüsser Miene Wasser
trinken zu sehen, um den vielleicht durch den
Champagner verdorbenen Magen wieder ein-
zurichten!
Da gefällt mir schon viel besser jener dicke,
behäbige Herr mit gutmüthig dreinblickendem
Vollmondsgesichte, aus dessen Augen Zufrie-
denheit mit sich selbst und der Welt spricht,
und der mit anerkennenswerther Resignation
seine vorgeschriebenen Becher trinkt, im
Stillen sich damit tröstend, dass er später in
den heimischen Penaten durch ein Double
echten vaterländischen Gewächses die der-
zeitige Wasserüberschwemmung wiederum
wett machen werde!
Ganz andere Gedanken aber scheinen in
dem Köpfchen der reizenden kleinen Blondine
(Räthselhafter Diebstahl.) Wie
man uns mittheilt, hat die Tochter des hiesigen
Hoteliers Hammerschmidt, welche jüngst ihr
zu leben, die an der Seite der umfangreichen
Mama an der Quelle steht, und in unbewachten
Momenten so ganz kleine, aber doch schon
recht viel Verständniss bekundende Augen-
aufschläge nach dem hübschen jungen
Manne vis-a�vis wagt, der die im Entstehen
begriffene Bartzierde mit stolzem Selbstbewusst-
sein durch die Finger zu ziehen versucht.
Doch lassen wir die Verliebten ihr Spiel trei-
ben, während sie für die Wiederherstellung
ihres Magens sorgen; vielleicht — sollte aus dem
Pärchen einmal Mann und Frau werden, was
ja auch schon dagewesen sein soll — werden
sie sich vielleicht eine Zeit lang am Herzen,
übrigens aber für gewöhnlich gegenseitig im
Magen liegen. Ob Carlsbad auch dagegen
hilft, ist mir nicht bekannt. Zum Abschiede
haftet mein Auge noch auf jener langbeinigen
Figur, die mit allem Eifer Meister Labitzky's
Tactbewegungen zusieht, und den man des-
halb für einen enragirten Kunstenthusiasten
halten könnte, wenn man nicht wüsste, dass
sich derselbe für gewöhnlich mit der vater-
ländischen Schweinezucht befasst. H W.
Theater- und Kunstnachrichten.
S. Mai.
Die vorgestrige Reprise der „Fledermaus“
gieng unter recht unglücklicken Auspizien in
Scene. Schon vor Beginn der Vorsfellung
musste sich das Publicum mittheilen lassen,
dass Herr Pagay heiser sei. Am besten wäre
es gewesen, der Herr Regisseur hätte bei dieser
Gelegenheit eine allgemeine Heiser-
keit anzukündigen nicht unterlassen. Denn
mit Ausnahme der Frau Pagay, welche ge-
sanglich vielleicht selten so glückliche Momente
gehabt, und deren Spiel von Frische und na-
türlicher Wä rme zeugte, mit Ausnahme Eisen-
steins (Hr. Kicker) und des Falk (Hr. Bartl
wussten die übrigen Darsteller aus ihren mit
unter so reizenden Rollen absolut nichts zu
machen! Adele (Frl. Zampa) kann als Ope-
rettensängerin uns schliesslich ja doch wegen
ihrer schönen Augen nicht vergessen machen,
dass ihre Stimme nirgends hinreicht. Ja selbst
im Conversationstone wollte es diesmal nicht
recht gehen, da das genannte Fräulein die
Gewohnheit angenommen, immer in einer zu
hohen Stimmlage und zu' schnell zu rezitiren.
Die so dankbare Partie Alfreds lag in den
Händen eines Herrn (Straschitz), dem wir
beim allerbesten Willen nichts Anderes zu
sagen wissen, als das wir es nur bedauern,
diesen Part in seinen Händen gesehen zu haben.
Was lässt sich nicht aus dieser reizenden
Nummer machen, wenn der Darsteller auch
nur ein wenig zu singen und zu spielen
versteht. Wir hoffen bei einer Reprise diese
Rolle in anderen, geeigneteren Händen zu
sehen, sonst würde man sich in der That an
sich und am Publicum in unverantwortlicher
Weise versündigen. Da nun an diesem Abend
schon alles schief gehen sollte, kam beim Fi-
nale des 1. Actes auch noch das Orchester
aus dem Contexte und wurde, wie man uns
mittheilt, Prinz Orlovsky (Frl.' Mesch) von
einem Herzkrampf befallen, weshalb wir auch
nicht mit ihr strenge ins Gericht gehen. Um
zum Schlusse doch noch etwas Gutes zu sa-
gen, müssen wir gestehen, dass trotz seiner
Heiserkeit Herr pägay ein’ trefflicher Gefäng-
nissdirector war und uns mit seinem Frosch
(Ehrenfest) über den verunglückten Abend
tröstete.
Dateiname:
karlsbader-badeblatt-1878-05-09-n9_0210.jp2