Text auf der Seite 4

Text: 
Sette 4 „Karlsbader Badeblatt“ Nr. 166 24. Juli 1900 täubte die dort wohnende Familie des Thürmers, ohne jedoch irgend welchen bedeutenden Schaden anzurichten. Ferner schlug er in eine an der Straße nach Altsattl ge- legene Scheuer und zündete, so daſs dieses Object während des Gewitters niederbrannte. In den umliegenden Wäldern entwurzelte der Sturm zahlreiche Bäume. — Auch in dem nahe gelegenen Orte Neusattl schlug der Blitz in ein Wohnhaus und zündete ebenfalls. Die da- selbst wohnende Familie wurde betäubt und konnte nur mit Mühe aus den Flammen durch die Fenster gerettet werden. Bei den an den betäubten Personen angestellten Wiederbelebungsversuchen stellte es sich heraus, daſs die Frau vom Blitze getödtet worden war. Petschau, 22. Juli. [E. B.] (Sommerfrische.) Die bescheidenen Anfänge des Vorjahres, hier eine Sommerstation für Leidende und Echolungsbedürftige zu errichten, sind nunmehr in ein weiteres Stadium getreten, indem die Anwesenheit zahlreicher Gäste zu längerem oder kürzerem Aufenthalt und weitere Anmeldungen be- weisen, wie angenehm der Aufenthalt in unserem schönen Thale ist. In der That bieten die wundervollen Wald- partien Gelegenheit zu stundenweisen Ausflügen mit reizender Abwechslung, wie man diese nicht leicht wieder findet. — Oberdörfles, 22. Juli. [E. B.] (Spenden.) Se. Gnaden der Abt Clementso aus Stift Tepl hat für die hi sigen Abbrändler 100 K, die erste böhmische Spar- casse in Prag 100 K gespendet. Weiter liefen nach- folgende Spenden ein: Von Herrn kaiserlichen Rath Edler von Mattoni in Karlsbad 20 K, von der Marien- bader Sparcasse 60 K, vom deutschen Verein in Prag 100 K und vom bürgerlichen Bräuhaus in Pilsen 20 K. Tausendfachen Dank für die edlen Gaben. Stadttheater. Selten hat eine Novität hier derart eingeschlagen, wie die jüngst zum ersten Male gegebene Operette „Die Puppe“ nach Maurice Ordonnau aus dem Französischen von F. M. Willner in einem Vorspiel und drei Acten für die deutsche Bühne bearbeitet und von Edmond Audran in Musik gesetzt. — Das ganze Werk ist eine originelle und in jeder Hinsicht geschickt arran- gierte Burleske. Die Pikanterien und Feinheiten des französischen Originales wuſste der Uebersetzer auch im Deutschen bestens zum Ausdruck zu bringen und der Compositeur wand mit glücklicher Hand eine harmlose wohl, aber ungemein zierliche musikalische Kleinmalerei um den zur Vertonung sich ganz besonders eignenden Text. — Man sucht vergeblich in der Mufik nach Ton- fülle und größeren Orchestersätzen und auch die Vocal- musik erhebt sich nicht zu imponierenden Ausbrüchen — das ganze Werk ist wie ein Watteau-Bildchen — leicht, zierlich und freundlich anmuthend — also wieder einmal etwas Neuartiges und darum Interesse gewährendes. — Die Handlung, der es allerdings nicht an Absurdität gebricht, ist kurz erzählt folgende: In einem Mönchs- kloster ist Schmalhans Küchenmeister, die Almosen fließen spärrlich ein und Vermögen ist bis auf einen Spar- pfennig von wenig über zweihundert Francs keines vorhanden. Wie soll der Noth abgeholfen werden? — Der Prior weiß endlich Rath — er liest in einem Zeitungsblatt, daſs ein „Erfinder“ Namens Hilarius Puppen von vollkommener Menschenähnlichkeit erzeuge und da einer der jungen Mönche einmal erklärte, er habe einen Onkel, der ihm Hunder tausend Francs aus- zahle, wenn er heirathe, so wird dieser bestimmt, eine solche Puppe zu heirathen und nach gelungenem Coup das Geld dem Kloster einzubringen Zu diesem Zwecke wird ihm das wenige versügbare Geld eingehändigt, damit er reisen und sich equipieren könne. Der junge Mönch führt seinen Auftrag promptest durch — er fiudet eine Puppe wie er sie will, die schön ist und tanzt und singt und spricht, ganz nach Wunsch, die überhaupt ein „Meisterwerk“ des berühmten „Hilarius“ ist. Es ist aber keine Buppe, sondern die eigene Tochter, welche an Stelle der plötzlich defect gewordenen Puppe unterschoben wird und die Hilarius in seiner Kurzsichtigkeit dem jungen Mönch um zwanz'g Tausend Francs verkauft. Das Mädchen, das inzwichen sich sterblich in den Käufer verliebt hat, spielt die Rolle als Puppe ruhig weiter, läist sich als solche trauen und im letzten Acte in einer Kiste auch ins Kloster schaffen, wohin der junge Mönch auch glücklich das Geld des Ontels bringt. — Hier hat allerdings der Schaber- nack bald sein Ende; als Puppe kann das junge Mäd- chen in den Klostermauern ja doch nicht weiter existieren, sie gibt sich zu erkennen und die jungen Leute erklären, nicht mehr von einander zu lassen — aber auch der Bater reclamiert seine irrthümlich verkaufte Tochter. Der Schluss ist naheliegend. Getraut ist das Paar einmal, so soll es auch beisammen bleiben. — — So wie die Handlung, ist auch die Musik burlest; sie setzt überall leicht ein, bleibt aber immer zierlich und originell, nie- mals markanter hervortretend. Eine Anzahl von Chören und Lieder und Duos wechseln angenehm ab und ver- rathen manch gut verwerteten musikalischen Gedanken. — Was nun die hiesige Aufführung anbelangt, so ist der- selben das uneingeschränkteste Lob zu spenden. Director Raul hat wieder einmal einen Haupttrumpf ausgespielt und das Publikum auf das angenehmste überrascht. „Die Puppe“ bleibt voraussichtlich der Schlager der heurigen Salson, da die Aufführung hier vor keiner an einer Residenzbühne zurücksteht. Ausstattung und Besetzung lassen keinen Wunsch offen und die ganze Vorbereitung ist sorgfälltig getroffen. - Fast sämmtliche Decorationen sind neu, die Beleuchtungs-Effecte im ersten Acte geradezu brillant, die Costüme splendid. — Was die Besetzung der einzelnen Rollen anbelangt, so lässt sich nur sagen, daſs dieselbe besser kaum denkbar ist — für die Vertreterin der „Alesia“ wird sich wohl schwer irgendwo noch eine geeig- netere Darstellerin finden, wie hier in Fräulein Walde, die an Zierlichkeit und eigenem Chic gewiss nicht über- boten werden kann. Sie spielt und lingt diese Partie wahrhaft allerliebst. — Für den „Maximius“ stand der Direction der vorzügliche Sänger Herr Arnold vom Teplitzer Ensemble zur Verfügung und durch seine Be- rufung hierher wusste sie den richtigen Mann an die richtige Stelle zu setzen. Man hat Herrn Arnold in dieser Partie zum ersten Male hier zu hören Gelegenheit gehabt — Stimme, Vortrag und Spielmanier gewannen ihm sofort alle Sympathien. — Als „Lancelot“ fiel Herrn Kühns eine Aufgabe zu, für welche sein Individuell ihn nicht geeignet erscheinen lässt; er ist nicht ge- nügend fein geschulter Sänger bei unzureichender lyrischer Veranlagung, um der Figur des jungen Mönches das richtige Colorit zu geben. Dessenungeachtet ist die Mühe anzuerkennen, mit der er bestrebt war, der Rolle zur Geltung zu verhelfen. — Als Puppenfabrikant „Hilarius“ bot Herr Müller (der auch die Regie des Abends vorzüglich führte) wieder eine Cabinetsleistung und bewies neuerdings, welch ein Meister im Masken- machen und in schauspielerischer Aufführung er ist. Um diese Darsteller der Hauptpartien gruppierten sich weiter Frau Dudek als Frau Hilarius, Fräul. Raul als Lehr- ling und die Herren Fischer (Baron Chanterelle) und Kopfauf (Leremois) in durchaus verdienstvoller Weise, so daſs ein tadelloses Zusammenspiel sich ergab. — Das Publikum gab seine hohe Befriedigung in unzwei- deutigster Weise und und rief die Darsteller und den Director wiederholt. — Gäste des Abends, die Auf- führungen der „Puppe“ in Wien und Berlin beigewohnt haben, versicherten, daſs sie von der hiesigen Aufführung zum mindesten gleich befriedigt seien, wie von den dortigen. Vermischtes. (Vom deutschen Gabelsberger Steno- graphentage.) Man meldet uns: An Stelle des verstorbenen Regierungsrathes Prof. Heinrich Krieg wurde Prof. Dr. Clemens in Wolfenbüttel zum Vorsitzenden des Königl. sächsischen stenographischen Institutes ernannt. (Erhöhungen der Kohlenpreise in Böhmen.) Man telegraphiert uns aus Prag: Die Werke des Buschtiehrader und Kladnoer Kohlenreviers erhöhen vom 1. August an die Kohlenpreise je nach der Sorte um 8 bis 10 kr. per Metercentner, einzelne Werke des nord- westböhmischen Braunkohlenreviers um 15 bis 171/2 Mark. (Grimmig hereingefallen) ist in seiner letzten Nummer die socialdemokratische „Volkswille“, der auch sonst eine hübsche Portion Dummheit regelmäßig an seine „Kun- den“ zu verzapfen pflegt. Das Blatt schreibt nämlich unter der Ueberschrift „Ausbeuter-Moral“: „Der bekannte Ausbenter in Deutschland, Herr Krupp, hat anlässlich der chinesischen Unruhen folgende Bekanntmachung er- lassen, welche die „Fränkische Tagespost“ veröffentlicht. Sie lautet: „An meine Arbeiter! Von Barbaren ist die deutsche Flagge beleidigt worden. Das Blut unserer von den Chinesen ermordeten deutschen Brüder schreit zum Himmel. Unser Kaiser braucht Kanonen, um den Schimpf zu rächen. Als vaterlandsliebende Männer werdet ihr von morgen an eine Ueberstunde machen, damit ich unserm Kaiser die Waffen liefern kann, deren er zu seiner heiligen Mission bedarf. Nachschrift. Ihr werdet mit Freude vernehmen, daſs mir von Ihrer Majestät der Kaiserin-Witwe von China der Drachenorden verliehen worden ist, als Anerkennung für die ausgezeichneten Geschütze, die ich der chinesischen Regierung geliefert habe. Rühmend wird insbesondere die Treffsicherheit der Geschütze her- vorgehoben. Zugleich ist eine größere Bestellung ein- gegangen. Um unsere geschätzte Auftraggeberin befrie- digen zu können, ist es nothwendig, daſs ihr eine zweite Ueberstunde macht. Alfred Krupp.“ Essen, 4. Juli 1900. Der deutsche Patriot Krupp appelliert also an seine deutschen Arbeiter, daſs diese eine längere Arbeitszeit ein- halten, damit er dem beleidigten Vaterland und dem Beleidiger, der chinesischen Regierung, zugleich die Mord- werkzeuge liefern kann u. s. w.“ — Aus diesen und den weiteren Bemerkungen, die der Volkswille voller edler Entrüstung an die angebliche „Bekanntmachung Krupps“ knüpft, ist klar zu ersehen, daſs das Blatt dieselbe völlig ernst nimmt, obwohl Jedermann, der nicht gerade auf den Kopf gefallen ist, aus Form und Inhalt auf den ersten Blick erkennen muſs, daſs es sich hier um eine, wahrscheinlich einem Witzblatte entstammende Satire handelt, deren Ironie faustdick ist. Für die Sch-lau- Köpfe des „Volkswillen“ ist sie indess nicht deutlich genug und sie glauben wirklich, daſs sich Krupp selber einen so blutigen Hohn leisten könnte. Für die geistigen Quali- täten dieser Leute, die als „Führer“ unter den Genossen Von dem jüngsten Vesuvausbruch bringt die „Gar- tenlaube“ überaus naturgetreue Bilder bei deren Auf- nahme der unerschrockene Neavler Professor Matteucci von den aus dem Krater auf ihn niederplatzenden Geschossen übel zugerichtet worden ist: der diese charak- teristischen Abbildungen begleitende Aufsatz stammt aus der Feder A. Kellners in Neapel. Von den vielen an- deren zeitgemäßen Beiträgen des beliebten Familien- blattes heben wir hervor eine mit Illustrationen reich gezierte Beschreibung des Grödner Thales von J. C. Platter und die unter der Ueberschrift „Zauberer und Giftmörder“ von Gustav Klitscher beigesteuerte Schil- derung eines Geschehnisses aus der jüngsten Vergangen- heit. Ferner die Artikel „Gold und Diamanten in Süd- afrika“ von Dr. Franz Ritter von Le Monnier und „Die electrische Hoch- und Untergrundbahn in Berlin“ von Heinz Krieger mit zahlreichen Abbildungen Dr. H. J. Klein erzählt uns allerlei Bemerkenswertes über „Irrlichter“ und C. Falkenhorst warnt in einer allgemein- verständlichen Abhandlung vor „verdächtigem Hackfleisch“. Für poetische Beiträge waren Franz Bechert und Georg Busse-Falma uesorgt und den Freund einer guten span- nenden Unterhaltungslectüre werden nach wie vor die Romane „Der Dorfapostel“ von Ludwig Ganghofer und „Kampf ums Glück“ von Paul Robran fesseln. Auch der künstlerische Schmuck der „Gartenlaube“ ist ein aus- erlesen guter und sucht jeder Geschmacksrichtung gerecht zu werden. Daneben werden uns zahlreiche Bildnisse und Jllustrationen vorgeführt, die dem Leben der Ge- genwart entnommen sind. „Die Fackel“, herausgegeben von Karl Kraus, ein nen erscheinendes, in satirischem Tone und actuell ge- haltenes Kampfblatt, das sich die scharfe Kritik aller poli- tischen, volkswirtschaftlichen, künstlerischen und socialen Vorkommnisse zur Aufgabe macht, enthält in seiner letzten Nummer folgenden Inhalt: Feuerlärm. — Eine Taussig-Bahn. — Ein Vortrag über Eisenbahnunfälle. — Steuermoral. — Kleine Parteinachrichten der österreichi- schen Socialdemokratie. — Raimund, Beethoven und die Administration. — Der Börsenwöchner über die Liebe. — Reichstadt. — Universitätshummel. — Neue Freie Chemie. Kielmansegg=-Krise. — Antworten des Herausgebers (Zur Confiscation von Nr. 45 der „Fackel“ Selbstmordberichterstattung; Vom „Deutschen Volksblatt“; Burgtheaterzettel; Der Kranz auf Heines Grab u. s. w.) Die „Fackel“ erscheint dreimal im Monat im Um- fange von 16-32 Seiten Octavformat. — Preis der einzelnen Nummer 20 h = 20 Pf. — Abonnement für Oesterreich-Ungarn ganzjährig portofrei K 7.-, halb- jährig K 3.60; für das Deutsche Reich ganzjährig M. 7.-, halbjährig M. 3.60; für die übrigen Länder des Weltpostvereines ganzjährig portofrei M. 8.20, halb- jährig M. 4.20. Man abonniert bei der Geschäftsstelle der „Fackel“: Verlagsbuchdruckerei von Moritz Frisch, Wien, I., Bauernmarkt 3. Die Verlobung des Königs von Serbien. Belgrad, 22. Juli. Die heute erschienene Proclamation des Königs Alexander hat folgenden Wortlaut: „An das serbische Volk! So ich weiß, daſs mein Volk schon seit geraumer Zeit meine Vermählung wünscht, habe ich den Entschluss gefasst, diesem Wunsche meines Volkes nachzukommen, weil ich es für meine Pflicht erachte, jenem Volke, welches meinen Vor- gängern, ebenso wie mir so viele glänzende Beweise seiner Liebe und Ergebenheit geliefert hat, durch diesen Act die Beständigkeit der Dynastie bezüglich ihrer Zukunft zu sichern. Ich komme dieser meiner Pflicht meinem Volke gegenüber umso freudiger nach, als ich mit diesem wichtigem Schritte meines Lebens zugleich meinen Gefühlen folge, indem ich mir eine Gemahlin wähle, mit der Friede, Glück und Zu- friedenheit in mein Haus einkehren werden. Serbien hat während der kurzen Zeit seines staatlichen Be- standes gar viele Erschütterungen erlebt und so manchen schweren Kampf mitgemacht. Es hat erst in der letzten Zeit zu gesunden begonnen und ich vertraue auf Gott, dass es in Bälde vollkommen hergestellt dastehen wird, wenn es sich auf die Dauer nach jener Richtung hin entwickeln wird, die es seit jenem Tage eingeschlagen, da sich mein Volk meinem Rufe folgend, vereint und verbündet hat. Ich werde es mir angelegen sein lassen, meinem Volke auch fernerhin durch ein einiges, glückliches Eheleben vor- anzuleuchten. Unsere Dynastie ist aus dem Volke hervorgegangen und in dieser Thatsache liegt ihr Stolz und ihre Macht. Das serbische Volk, das aus eigener Kraft unter den schwierigsten Verhältnissen einen nationalen Staat zu begründen, zu befestigen und zu ver- größern verstand, dieses Volk kann mit Recht An- spruch aaf die Achtung Aller erheben. Deshalb glaube ich Recht zu haben, wenn ich mir aus diesem Volke eine Lebensgefährtin erwähle, die mir mein gelten, ist das wieder einmal recht bezeichnend und könnte. Mitleid mit den Letzteren erwecken, wenn es nicht gar so heiter wäre. Vom Büchertisch.
Dateiname: 
karlsbader-badeblatt-1900-07-24-n166_1080.jp2