Text na stránkách 5

Text: 
weigern, obwohl in meinem Herzen auch jeder Funke von Liebe von diesem Moment an er- storben ist. Daß es hierfür in meinen Kreisen nur einen möglichen Weg gibt, werden Sie ebenso gut wissen, als ich es Ihnen sagen könnte. Sie werfen mir Koketterie vor, Sie mögen Recht haben, ich mag darin ein wenig zu weit gegangen sein; ich aber, mein Herr, handelte im guten Glauben. Ihre Galanterien, Ihre Zärtlichkeit, Ihre feurige Bewerbung, konnte ich es anders deuten, als daß dieses Spiel mit einer Heirat enden würde? Sie mein Herr, handelten von vornherein als ein Ehrloser, Si drängten sich in meine Nähe, Sie haben mich durch Ihre offene, mir ostentativ dargebrachte Huldigung kom- promittiert, und Sie thaten dies alles in der Absicht, mich so tief zu erniedrigen, daß, wenn ich ein Mann wäre, ich Sie züchtigen würde wie einen Buben. Die Reitpeitsche gehört Ihnen, mein Herr, dafür, daß Sie vergaßen, mit wem Sie sprachen. Ich bin die Baronesse von Wartenegg, mein Herr!“ Der Prinz hatte Ada, während sie sprach, mit bewundernden Blicken betrachtet. „Wie schön bist Du im Zorn, Ada! Das ist Leben, das ist Temperament! Und auf Dich sollte ich verzichten? Ada, Du bist für mich jetzt doppelt begehrenswert, nun ich weiß, daß Du nicht das leichtsinnige charakterlose Mädchen bist, für welches ich Dich gehalten. Zur Prinzessin kann ich Dich nicht machen, aber zu meiner Frau; ich biete Dir die Linke, bist Du nun zu- frieden, willst Du vergessen, was ich vorhin gesagt?“ „Prinz Hartenstein,“ erwiderte Ada kalt und stolz, „die Schmach, die Sie mir heute an- gethan, werde ich nicht vergessen, so lange mein Herz noch schlägt. Habe ich gefehlt, so habe ich heute schwer gebüßt und Ihnen schulde ich wohl nichts mehr. Jetzt aber, mein Herr, hinaus!“ Mit einer gedieterischen Handbewegung zeigte sie nach der Thür und wandte dem Prinzen den Rücken. Prinz Hartenstein war aber nicht der Mann, sich von einem Mädchen zur Thür hinausweisen zu lassen. Er umschlang Ada plötzlich und preßte sie stürmisch an seine Brust, ihren Mund mit Küssen bedeckend. „Vater! Fred!“ Das wurde gellend, im höchsten Zorn heraus- gestoßen und fast im selben Moment erschienen. die so ängstlich Herbeigerufenen in der Thür. Der Prinz hatte Ada freigegeben und stand nun in peinlicher Verlegenheit da, nicht wissend, wie er diese Scene dem alten Baron erklären solle, der sich fragend an ihn wandte. Indessen fand Ada Zeit, ihrem Bruder hastig zuzuflüstern: „Er hat mich tötlich beleidigt, Du bist ein guter Pistolenschütze, räche mich, indem Du ihn tötest.“ Jetzt wandte sie sich zu ihrem Vater. „Papa, Prinz Hartenstein hat mir soeben den Antrag gemacht, seine Maitresse zu werden.“ Der alte Baron trat entsetzt einen Schritt zurück. Doch ehe er Worte sand, trat Fred auf den Prinzen zu und sagte mit kaltem Hohn: „Durchlaucht sind sich jedenfalls klar darüber, in welcher Weise derartige Beleidigungen in unserem Stande ausgeglichen werden?“ Der Prinz war sehr blaß geworden. „Gut. Sekundanten schicken!“ Damit empfahl er sich. Zweites Kapitel. „Der Mann hat es zu etwas gebracht!“ sagten die einen mit einem Anflug von Neid, die anderen im Tone ehrender Anerkennung, wenn sie an dem schönen in der Viktorienstraße be- legenen Hause des Fabrikbesitzers Hugo Weichert vorbeischritten. Groß und stattlich im Bau, ohne Prätension, jedoch geschmackvoll mit architektonischen Ver- zierungen geschmückt, präsentirte sich die Vorder- front des Hauses als eine wirkliche Zierde der Straße. Die immer zu zwei Drittel herabge- lassenen Spitzen-Stoars an den Fenstern der ersten und zweiten Etage bekundeten den vor- nehmen Geschmack der Bewohner dieser Räume, die es nicht liebten, die letzteren den kritischen und neugierigen Blicken der gegenüber Wohnenden auszusetzen. Die Bel-Etage hatte der Besitzer des Hauses, Herr Weichert, mit Mutter und Pflegeschwester inne, die zweite der Baron von Wartenegg mit Sohn und Tochter. Das Parterre, welches ein Bruder der Frau Weichert, der Zimmermeister Klein, mit seiner Frau und dem einzigen Sohn bewohnte, stach dagegen in gewissem Sinne ab, indem es schon äußerlich mehr den Eindruck solider Spieß- bürgerlichkeit machte, der durch einen am Fenster plazierten Nähtisch, auf dem immer eine Näh- oder Strickarbeit der Frau Klein zu sehen war, in nicht unangenehmer Weise erhöht wurde. An den Fenstern der dritten und letzten Etage waren die Wetterrouleaux fast immer herabgelassen. Dieselbe wurde nur interimistisch von dem Prinzen Hartenstein bewohnt, der nur ab und zu im Winter, während der Theater- und Konzertzeit nach Berlin kam, um sich in den Strudel des Residenzlebens zu stürzen. Zu diesem Hause gehörte ein die Hinter- front desselben zum Theil begrenzender Garten und daneben ein Hof, welchem die in einer Voliere sich tummelnde, befiederte Welt eine hübsche Staffage gab. Hinter beiden lag der Zimmerplatz des Meisters Klein; in diesen und in den Garten zugleich ragte das vier Stock hohe Haus eines Nachbargrundstückes hinein, welches mit seiner schadhaften, wenig eleganten Außenseite einen ziemlich tristen Anblick bot und lebhaft daran erinnerte, durch wie wenig Raum in einer großen Residenz der Reiche vom Armen getrennt ist, ja daß mitunter bequem der Millionär, wenn er wollte, dem Bettler die Hand aus dem Fenster reichen könnte. — „Ja Tyras, du meinst es gut mit mir, ich weiß das, aber nun ist es genug!“ Es war ein nicht häßliches, sehr einfach ge- kleidetes Mädchen, das mit diesen Worten und liebkosendem Streicheln einen großen Neufund- länder abwehrte, der sich in seiner ganzen Höhe vor ihr aufgerichtet hatte, die Vorderpfoten auf ihre Achseln legte und den Kopf schmeichelnd ihrem Gesichte nahe brachte. „Tyras, hierher;“ Dieser Ruf, dem ein befehlender Pfiff folgte, ertönte aus einiger Entfernung. Der Hund ließ das Mädchen los und sprang in vergnügtem Trabe seinem Herrn entgegen, der nun langsam herankam. „Ich liebe es nicht, Magda, wenn Fremde unseren Zimmerplatz als Durchgang benutzen.“ Der Besitzer des Hundes, ein hübscher breit- schulteriger junger Mann mit blondem Haar und ebensolchem martialischen Schnurrbart und offen ehrlich blickenden blauen Augen sagte das in ziemlich strengem Ton. Das junge Mädchen sah ihn groß an und antwortete gleichgiltig: „Ich that es, weil der Weg zu unserer Wohnung über Ihren Platz ein kürzerer ist, jedoch werde ich ihn nie wieder wählen, wenn Sie es nicht gern sehen. Uebrigens seien Sie unbesorgt, ich stehle kein Holz, wie Ihr Vater gewöhnlich vermutet, wenn er mich oder meine Tante über den Platz gehen sieht.“ Ein verächtliches Lächeln hatte bei dem letzten Satz den nicht unschönen Mund des jungen Mädchens umspielt. „Seien Sie doch nicht so thöricht, Magda, mir ist noch nie eingefallen, zu denken, daß Sie Holz stehlen könnten. Mit Holzdieben pflegt Tyras anders zu verfahren als mit Ihnen.“ Das Mädchen wandte sich zum Gehen, ohne von den Worten des jungen Mannes weitere Notiz zu nehmen. „Haben Sie noch eine Minute Zeit, Magda? Ich möchte Sie um eine Auskunft bitten.“ „Bitte!“ sagte das Mädchen kurz und blieb stehen. „Haben Sie vielleicht zufällig am Sonntag von einem Ihrer Fenster aus, die ja nach dem Platz hinausliegen, gesehen, daß mein Vater von zwei Gesellen thätlich angegriffen wurde und als er sich zur Wehr setzte, einen davon un- glücklich traf?“ „Und wenn ich es selbst gesehen hätte, Herr Klein, das Zeugnis einer Holzdiebin wird für Ihren Vater von geringem Werte sein. Holz- dieben glaubt man nicht.“ Damit ging sie weiter. Der junge Mann hielt sie am Arm fest. „Seien Sie nicht so kindisch, Magda; wenn mein Vater Sie wirklich im Verdacht des Stehlens hatte, so kannte er Sie nicht. Unbe- fugten ist der Zutritt zu diesem Platz untersagt, wie sie ja auch auf der am Eingang angebrachten Tafel lesen können. Wer trotz dieses Verbotes hier als Unberufener angetroffen wird, setzt sich dem Verdacht aus, hier etwas nehmen zu wollen.“ „Wenn ich nur immer so in eleganter Toilette einherginge, wie die Baronesse von Wartenegg, dann würde ich einem solchen Verdacht nicht ausgesetzt sein, nur in ärmlich Gekleideten ist man immer bereit, Spitz- buben zu entdecken.“ Der junge Klein sah Magda überrascht an. Der bittere, herbe Ton, in dem sie gesprochen, fiel ihm auf; er hatte der jungen Proletarierin derartige Ansichten und eine solche Sprache kaum zugetraut, obgleich sie mit ihm groß geworden und sie früher — als Nachbarskinder — täglich miteinander gespielt hatten. Das war früher! Bei Kindern wird die soziale Stellung noch nicht in Betracht gezogen, das Herrenkind spielt mit dem Kinde aus dem Volke, ohne an einen Rangunterschied zu denken; die gleiche Freude über oft recht unbedeutende Nichtigkeiten, die aber dem Kinderherzen noch der Aufmerksamkeit wert erscheinen, die gleiche Lust an frohen, wilden Spielen beseelt sie. Doch die Zeit der Spiele geht vorüber, das Herrenkind wird durch vielen und anstrengenden Unterricht mehr an das Zimmer gefesselt, es wird dem Spiel und den Gespielen entfremdet. So auch hier; kaum erinnert sich Fritz Klein noch der Zeit, in der Magda Weber seine liebste Gefährtin bei allen tollen Knabenstreichen war. Denn wild war sie, die schwarze Magda, wie sie ihres dunklen Teints und ihres kohlschwarzen Haares wegen, das in wirren Locken ihr Gesicht umrahmte, genannt wurde. Kein Baum des Weicherischen Gartens war ihr zu hoch, um ihn nicht wie eine Katze zu erklettern, wie sie ebenso anstatt des bequemen Einganges durch die Garten- pforte sich viel lieber des direkten Weges über den Gartenzaun bediente, um vom Hofe des Nachbargrundstückes aus, in welchem sie mit ihrer Tante wohnte, in den Garten der Weicherts zu gelangen. Vielleicht tauchten doch diese Kindheitser- innerungen für einen Moment vor dem geistigen Auge des jungen Mannes auf, denn der Ton seiner Stimme, mit der er nun Magda bat, sich der Vorgänge auf dem Zimmerplatz am verflossenen Sonntag zu erinnern, war nun ein weit höf- licherer und fast klang eine gewisse Herzlichkeit heraus, als er, die Hand hinstreckend, sagte: „Nun seien Sie nicht mehr böse wegen des Ver- dachtes, den mein Vater gegen Sie gehegt und machen Sie mich nicht mit verantwortlich dafür.“ Magda that, als sehe sie die ihr gebotene Hand nicht. „Ob ich böse oder nicht böse bin, kann Herrn, Klein wohl unmöglich berühren, das wäre zu viel Ehre für so arme Leute wie wir sind. Wir sind nur dazu da, beleidigt zu werden, aber uns beleidigt fühlen, dürfen wir nicht, das Recht haben nur die Reichen und Vornehmen. Aber ich nehme mir dasselbe, Herr Klein, mich werden Sie nicht hindern, Leute zu hassen, die mich be- leidigt haben.“ Und ohne noch eine weitere Einrede des jungen Mannes zu erwarten, schritt sie mit stolzem Gruß an ihm vorüber und verschwand auf dem Hofe des Nachbargrundstückes, wo sie im Hinterhause im vierten Stock mit ihrer Tante eine kleine, nur aus einer Stube und einer Küche bestehende Wohnung inne hatte. Aergerlich pfiff Klein dem Hunde, der wieder dem Mädchen nachlaufen wollte, dann schritt er mit einem Zug von Mißvergnügen im Gesicht in das Weichertsche Haus. Im Wohnzimmer der Familie Klein gab es sehr erregte Debatten und erhitzte Gesichter. Frau Klein hatte sogar vom Weinen gerötete Augen; sie weinte überhaupt sehr leicht und gern, die kleine, zum Embonpoint neigende Dame. Da sie selbst wenig oder gar keinen Kummer hatte, ihr weiches Gemüt aber sehr zur Sentimen- talität neigte, so las sie mit Vorliebe, wenn sie nicht zu nähen oder zu stricken hatte, sentimentale Romane, um sich ordentlich satt weinen zu können. Heute bedurste sie dieses Hilfsmittel nicht. Die momentane Ruhe und Gleichförmigkeit des Lebens dieser hochangesehenen Familie hatte eine unangenehme Unterbrechung erfahren, die den Frieden mit einem Mal zu stören schien. Der Zimmermeister Klein, eine hohe, etwas robuste Gestalt, schritt, mit den Armen heftig gestikulierend, im Zimmer auf und ab. „Wenn ich es Euch doch aber sagte, ich habe diesen Menschen nicht so treffen wollen! Er hat mich mit seinen Genossen zuerst angegriffen, ich war einer gegen zwei, ich war im Zustande der Notwehr. In der Aufregung griff ich nach einer mir zur Hand liegenden Latte; ich wollte den Tumultuanten über den Arm schlagen, um ihn
Název souboru: 
soap-ch_knihovna_ascher-zeitung-1899-01-25-n7_0335.jp2