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weigern, obwohl in meinem Herzen auch jeder
Funke von Liebe von diesem Moment an er-
storben ist. Daß es hierfür in meinen Kreisen
nur einen möglichen Weg gibt, werden Sie
ebenso gut wissen, als ich es Ihnen sagen könnte.
Sie werfen mir Koketterie vor, Sie mögen Recht
haben, ich mag darin ein wenig zu weit gegangen
sein; ich aber, mein Herr, handelte im guten
Glauben. Ihre Galanterien, Ihre Zärtlichkeit,
Ihre feurige Bewerbung, konnte ich es anders
deuten, als daß dieses Spiel mit einer Heirat
enden würde? Sie mein Herr, handelten von
vornherein als ein Ehrloser, Si drängten sich
in meine Nähe, Sie haben mich durch Ihre offene,
mir ostentativ dargebrachte Huldigung kom-
promittiert, und Sie thaten dies alles in der
Absicht, mich so tief zu erniedrigen, daß, wenn
ich ein Mann wäre, ich Sie züchtigen würde
wie einen Buben. Die Reitpeitsche gehört Ihnen,
mein Herr, dafür, daß Sie vergaßen, mit wem
Sie sprachen. Ich bin die Baronesse von
Wartenegg, mein Herr!“
Der Prinz hatte Ada, während sie sprach,
mit bewundernden Blicken betrachtet.
„Wie schön bist Du im Zorn, Ada! Das
ist Leben, das ist Temperament! Und auf Dich
sollte ich verzichten? Ada, Du bist für mich jetzt
doppelt begehrenswert, nun ich weiß, daß Du
nicht das leichtsinnige charakterlose Mädchen bist,
für welches ich Dich gehalten. Zur Prinzessin
kann ich Dich nicht machen, aber zu meiner
Frau; ich biete Dir die Linke, bist Du nun zu-
frieden, willst Du vergessen, was ich vorhin
gesagt?“
„Prinz Hartenstein,“ erwiderte Ada kalt und
stolz, „die Schmach, die Sie mir heute an-
gethan, werde ich nicht vergessen, so lange mein
Herz noch schlägt. Habe ich gefehlt, so habe ich
heute schwer gebüßt und Ihnen schulde ich wohl
nichts mehr. Jetzt aber, mein Herr, hinaus!“
Mit einer gedieterischen Handbewegung zeigte
sie nach der Thür und wandte dem Prinzen den
Rücken.
Prinz Hartenstein war aber nicht der Mann,
sich von einem Mädchen zur Thür hinausweisen
zu lassen. Er umschlang Ada plötzlich und
preßte sie stürmisch an seine Brust, ihren Mund
mit Küssen bedeckend.
„Vater! Fred!“
Das wurde gellend, im höchsten Zorn heraus-
gestoßen und fast im selben Moment erschienen.
die so ängstlich Herbeigerufenen in der Thür.
Der Prinz hatte Ada freigegeben und stand
nun in peinlicher Verlegenheit da, nicht wissend,
wie er diese Scene dem alten Baron erklären
solle, der sich fragend an ihn wandte.
Indessen fand Ada Zeit, ihrem Bruder hastig
zuzuflüstern: „Er hat mich tötlich beleidigt, Du
bist ein guter Pistolenschütze, räche mich, indem
Du ihn tötest.“
Jetzt wandte sie sich zu ihrem Vater.
„Papa, Prinz Hartenstein hat mir soeben
den Antrag gemacht, seine Maitresse zu werden.“
Der alte Baron trat entsetzt einen
Schritt zurück. Doch ehe er Worte sand, trat
Fred auf den Prinzen zu und sagte mit kaltem
Hohn: „Durchlaucht sind sich jedenfalls klar
darüber, in welcher Weise derartige Beleidigungen
in unserem Stande ausgeglichen werden?“
Der Prinz war sehr blaß geworden.
„Gut. Sekundanten schicken!“
Damit empfahl er sich.
Zweites Kapitel.
„Der Mann hat es zu etwas gebracht!“
sagten die einen mit einem Anflug von Neid,
die anderen im Tone ehrender Anerkennung, wenn
sie an dem schönen in der Viktorienstraße be-
legenen Hause des Fabrikbesitzers Hugo Weichert
vorbeischritten.
Groß und stattlich im Bau, ohne Prätension,
jedoch geschmackvoll mit architektonischen Ver-
zierungen geschmückt, präsentirte sich die Vorder-
front des Hauses als eine wirkliche Zierde der
Straße. Die immer zu zwei Drittel herabge-
lassenen Spitzen-Stoars an den Fenstern der
ersten und zweiten Etage bekundeten den vor-
nehmen Geschmack der Bewohner dieser Räume,
die es nicht liebten, die letzteren den kritischen
und neugierigen Blicken der gegenüber Wohnenden
auszusetzen. Die Bel-Etage hatte der Besitzer
des Hauses, Herr Weichert, mit Mutter und
Pflegeschwester inne, die zweite der Baron von
Wartenegg mit Sohn und Tochter.
Das Parterre, welches ein Bruder der Frau
Weichert, der Zimmermeister Klein, mit seiner
Frau und dem einzigen Sohn bewohnte, stach
dagegen in gewissem Sinne ab, indem es schon
äußerlich mehr den Eindruck solider Spieß-
bürgerlichkeit machte, der durch einen am Fenster
plazierten Nähtisch, auf dem immer eine Näh-
oder Strickarbeit der Frau Klein zu sehen war,
in nicht unangenehmer Weise erhöht wurde.
An den Fenstern der dritten und letzten
Etage waren die Wetterrouleaux fast immer
herabgelassen. Dieselbe wurde nur interimistisch
von dem Prinzen Hartenstein bewohnt, der nur
ab und zu im Winter, während der Theater-
und Konzertzeit nach Berlin kam, um sich in den
Strudel des Residenzlebens zu stürzen.
Zu diesem Hause gehörte ein die Hinter-
front desselben zum Theil begrenzender Garten
und daneben ein Hof, welchem die in einer
Voliere sich tummelnde, befiederte Welt eine
hübsche Staffage gab.
Hinter beiden lag der Zimmerplatz des
Meisters Klein; in diesen und in den Garten
zugleich ragte das vier Stock hohe Haus eines
Nachbargrundstückes hinein, welches mit seiner
schadhaften, wenig eleganten Außenseite einen
ziemlich tristen Anblick bot und lebhaft daran
erinnerte, durch wie wenig Raum in einer großen
Residenz der Reiche vom Armen getrennt ist, ja
daß mitunter bequem der Millionär, wenn er
wollte, dem Bettler die Hand aus dem Fenster
reichen könnte. —
„Ja Tyras, du meinst es gut mit mir, ich
weiß das, aber nun ist es genug!“
Es war ein nicht häßliches, sehr einfach ge-
kleidetes Mädchen, das mit diesen Worten und
liebkosendem Streicheln einen großen Neufund-
länder abwehrte, der sich in seiner ganzen Höhe
vor ihr aufgerichtet hatte, die Vorderpfoten auf
ihre Achseln legte und den Kopf schmeichelnd
ihrem Gesichte nahe brachte.
„Tyras, hierher;“
Dieser Ruf, dem ein befehlender Pfiff folgte,
ertönte aus einiger Entfernung. Der Hund ließ
das Mädchen los und sprang in vergnügtem
Trabe seinem Herrn entgegen, der nun langsam
herankam.
„Ich liebe es nicht, Magda, wenn Fremde
unseren Zimmerplatz als Durchgang benutzen.“
Der Besitzer des Hundes, ein hübscher breit-
schulteriger junger Mann mit blondem Haar und
ebensolchem martialischen Schnurrbart und offen
ehrlich blickenden blauen Augen sagte das in
ziemlich strengem Ton.
Das junge Mädchen sah ihn groß an und
antwortete gleichgiltig: „Ich that es, weil der
Weg zu unserer Wohnung über Ihren Platz ein
kürzerer ist, jedoch werde ich ihn nie wieder
wählen, wenn Sie es nicht gern sehen. Uebrigens
seien Sie unbesorgt, ich stehle kein Holz, wie Ihr
Vater gewöhnlich vermutet, wenn er mich oder
meine Tante über den Platz gehen sieht.“
Ein verächtliches Lächeln hatte bei dem letzten
Satz den nicht unschönen Mund des jungen
Mädchens umspielt.
„Seien Sie doch nicht so thöricht, Magda,
mir ist noch nie eingefallen, zu denken, daß Sie
Holz stehlen könnten. Mit Holzdieben pflegt
Tyras anders zu verfahren als mit Ihnen.“
Das Mädchen wandte sich zum Gehen, ohne
von den Worten des jungen Mannes weitere
Notiz zu nehmen.
„Haben Sie noch eine Minute Zeit, Magda?
Ich möchte Sie um eine Auskunft bitten.“
„Bitte!“ sagte das Mädchen kurz und blieb
stehen.
„Haben Sie vielleicht zufällig am Sonntag
von einem Ihrer Fenster aus, die ja nach dem
Platz hinausliegen, gesehen, daß mein Vater von
zwei Gesellen thätlich angegriffen wurde und
als er sich zur Wehr setzte, einen davon un-
glücklich traf?“
„Und wenn ich es selbst gesehen hätte, Herr
Klein, das Zeugnis einer Holzdiebin wird für
Ihren Vater von geringem Werte sein. Holz-
dieben glaubt man nicht.“
Damit ging sie weiter. Der junge Mann
hielt sie am Arm fest.
„Seien Sie nicht so kindisch, Magda; wenn
mein Vater Sie wirklich im Verdacht des
Stehlens hatte, so kannte er Sie nicht. Unbe-
fugten ist der Zutritt zu diesem Platz untersagt,
wie sie ja auch auf der am Eingang angebrachten
Tafel lesen können. Wer trotz dieses Verbotes
hier als Unberufener angetroffen wird, setzt sich
dem Verdacht aus, hier etwas nehmen zu wollen.“
„Wenn ich nur immer so in eleganter
Toilette einherginge, wie die Baronesse von
Wartenegg, dann würde ich einem solchen
Verdacht nicht ausgesetzt sein, nur in
ärmlich Gekleideten ist man immer bereit, Spitz-
buben zu entdecken.“
Der junge Klein sah Magda überrascht an.
Der bittere, herbe Ton, in dem sie gesprochen,
fiel ihm auf; er hatte der jungen Proletarierin
derartige Ansichten und eine solche Sprache kaum
zugetraut, obgleich sie mit ihm groß geworden
und sie früher — als Nachbarskinder — täglich
miteinander gespielt hatten.
Das war früher!
Bei Kindern wird die soziale Stellung noch
nicht in Betracht gezogen, das Herrenkind spielt
mit dem Kinde aus dem Volke, ohne an einen
Rangunterschied zu denken; die gleiche Freude
über oft recht unbedeutende Nichtigkeiten, die
aber dem Kinderherzen noch der Aufmerksamkeit
wert erscheinen, die gleiche Lust an frohen, wilden
Spielen beseelt sie. Doch die Zeit der Spiele
geht vorüber, das Herrenkind wird durch vielen
und anstrengenden Unterricht mehr an das
Zimmer gefesselt, es wird dem Spiel und den
Gespielen entfremdet.
So auch hier; kaum erinnert sich Fritz Klein
noch der Zeit, in der Magda Weber seine liebste
Gefährtin bei allen tollen Knabenstreichen war.
Denn wild war sie, die schwarze Magda, wie
sie ihres dunklen Teints und ihres kohlschwarzen
Haares wegen, das in wirren Locken ihr Gesicht
umrahmte, genannt wurde. Kein Baum des
Weicherischen Gartens war ihr zu hoch, um ihn
nicht wie eine Katze zu erklettern, wie sie ebenso
anstatt des bequemen Einganges durch die Garten-
pforte sich viel lieber des direkten Weges über
den Gartenzaun bediente, um vom Hofe des
Nachbargrundstückes aus, in welchem sie mit ihrer
Tante wohnte, in den Garten der Weicherts zu
gelangen.
Vielleicht tauchten doch diese Kindheitser-
innerungen für einen Moment vor dem geistigen
Auge des jungen Mannes auf, denn der Ton
seiner Stimme, mit der er nun Magda bat, sich
der Vorgänge auf dem Zimmerplatz am verflossenen
Sonntag zu erinnern, war nun ein weit höf-
licherer und fast klang eine gewisse Herzlichkeit
heraus, als er, die Hand hinstreckend, sagte:
„Nun seien Sie nicht mehr böse wegen des Ver-
dachtes, den mein Vater gegen Sie gehegt und
machen Sie mich nicht mit verantwortlich dafür.“
Magda that, als sehe sie die ihr gebotene
Hand nicht.
„Ob ich böse oder nicht böse bin, kann Herrn,
Klein wohl unmöglich berühren, das wäre zu
viel Ehre für so arme Leute wie wir sind. Wir
sind nur dazu da, beleidigt zu werden, aber uns
beleidigt fühlen, dürfen wir nicht, das Recht
haben nur die Reichen und Vornehmen. Aber
ich nehme mir dasselbe, Herr Klein, mich werden
Sie nicht hindern, Leute zu hassen, die mich be-
leidigt haben.“
Und ohne noch eine weitere Einrede des
jungen Mannes zu erwarten, schritt sie mit
stolzem Gruß an ihm vorüber und verschwand
auf dem Hofe des Nachbargrundstückes, wo sie
im Hinterhause im vierten Stock mit ihrer Tante
eine kleine, nur aus einer Stube und einer Küche
bestehende Wohnung inne hatte.
Aergerlich pfiff Klein dem Hunde, der wieder
dem Mädchen nachlaufen wollte, dann schritt er
mit einem Zug von Mißvergnügen im Gesicht
in das Weichertsche Haus.
Im Wohnzimmer der Familie Klein gab es
sehr erregte Debatten und erhitzte Gesichter.
Frau Klein hatte sogar vom Weinen gerötete
Augen; sie weinte überhaupt sehr leicht und
gern, die kleine, zum Embonpoint neigende Dame.
Da sie selbst wenig oder gar keinen Kummer
hatte, ihr weiches Gemüt aber sehr zur Sentimen-
talität neigte, so las sie mit Vorliebe, wenn sie
nicht zu nähen oder zu stricken hatte, sentimentale
Romane, um sich ordentlich satt weinen zu können.
Heute bedurste sie dieses Hilfsmittel nicht.
Die momentane Ruhe und Gleichförmigkeit des
Lebens dieser hochangesehenen Familie hatte eine
unangenehme Unterbrechung erfahren, die den
Frieden mit einem Mal zu stören schien.
Der Zimmermeister Klein, eine hohe, etwas
robuste Gestalt, schritt, mit den Armen heftig
gestikulierend, im Zimmer auf und ab.
„Wenn ich es Euch doch aber sagte, ich habe
diesen Menschen nicht so treffen wollen! Er hat
mich mit seinen Genossen zuerst angegriffen, ich
war einer gegen zwei, ich war im Zustande der
Notwehr. In der Aufregung griff ich nach einer
mir zur Hand liegenden Latte; ich wollte den
Tumultuanten über den Arm schlagen, um ihn
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