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Bedeutend besser war das in den Tagen vom
24. bis 26. Juli 1880 abgehaltene V. Turn-
fest in Frankfurt a. M., zu welchem sich
9798 Turner, darunter Vertreter Belgiens,
Italiens, Englands, Rußlands, der Schweiz und
Nordamerikas eingefunden hatten. Leider wurde
dem sonst so schönen Feste durch eine unglückliche
Feuerwerkskatastrophe, bei der 2 todt und 23
verwundet blieben, ein jähes Ende bereitet.
Unter 22 Siegern von 300 Wettturnern erhielt
damals Heinrich Simon aus Reichenberg den
17. Preis. Nicht unerwähnt sei an dieser Stelle,
daß eigentlich dieses Turnfest für 1878 nach
Breslau bestimmt war, aber in Folge der An-
griffe auf das Leben des deutschen Kaisers ab-
gesagt wurde.
Das VI. deutsche Turnfest fand vom
19. bis 21. Juli 1885 in Dresden statt.
An turnerischer Tüchtigkeit überbot es alle bis-
herigen Feste. 4544 Mann machten die Frei-
übungen und 276 Musterriegen traten zum
Gerätheturnen an. Theilnehmer überhaupt waren
19.803. Unvergeßlich wird uns Oesterreichern
der seinerzeitige großartige Empfang seitens der
deutschen Turnbrüder bleiben und wohl in dem-
selben Maße bei allen Turnern die innige Theil-
nahme des Königs Albert v. Sachsen sammt Gemahlin
und 2 Prinzen. Aus dem damaligen Wettturnen
gingen unter den Oesterreichern als Sieger
F. Otta aus Reichenberg als 4., J. Keil aus
Wien als 14., Ed. Zotter aus Wien als 19.,
F. Pohl aus Neuwelt als 29., und Eugen Märklin
aus Wien als 30. hervor.
Als letztes Turnfest reihte sich endlich in
würdiger Weise, obgleich auch viel vom Regen
gestört, das VII. deutsche Turnfest vom
28. bis 31. Juli in München an. 19.902
Turner hatten sich eingefunden, 221 Musterriegen
turnten in musterhafter Weise an den Geräthen
und 505 Wettturner rangen in schwerem Kampfe
um die Palme des Sieges. 83 davon erhielten
Preis und Anerkennung. Von den österreichischen
Siegern sind zu nennen: F. Otta aus Reichen-
berg als 28., H. Retschnigg aus Graz als 29.,
E. Schulhoff aus Prag als 49., F. W. Lips
aus Königinhof als 51., K. Dworschak aus Kloster-
neuburg als 53., Th. Fischer aus Prag als 55.,
Th. Talmann als 63., R. Krahl aus Schönlinde
als 69., R. Rainer aus Baden als 73.,
L. Nemeczek aus Wien als 71., F. Zinke aus
Stein-Schönau als 72., F. Hopfner aus Prag.
als 75., L. Richter aus Brünn als 81. War
schon für das Dresdner Turnfest die Theilnahme
des Könighauses von Wichtigkeit, so umsomehr die
des bayrischen Fürstenhauses beim Münchner. Der
Prinzregent war Protektor, Prinz Ludwig Ehren-
präsident des Festes. Sie nahmen täglich Theil als
Beobachter und Prinz Ludwig hat durch seine große,
das deutsche Volk insgesammt betonende (poli-
tische) Rede dem Feste den Stempel hoher Bedeu-
tung aufgedrückt. Wer von uns Oesterreichern
wird die freundlichen, unser deutsches Bewußtsein
kräftigenden Begrüßungsworte vergessen können.
War es nicht überwältigend als Prinz Ludwig
sprach: „Ihnen, meine Herren aus Oesterreich
werden, welche auch bei größeren Ausstellungen
durch Prämiirungen ausgezeichnet wurden. Die
Weine des Nikolsburger Bezirkes ähneln im
Allgemeinen den Oesterreicher Weinen und werden
auch vielfach als solche in den Handel gebracht.
Einzelne, wie die Polauer Rothweine, zählen
sogar zu den besten Weinen der Monarchie.
Die Weinernte des Jahres 1893 war qualitativ
sehr gut und die 1893er Weine werden sich
vorzüglich ausbilden; der Preis derselben
ist niedrig und steht nicht im richtigen Ver-
hältnisse zu den Produkten gleicher Qualität
in Gegenden von Ruf. Erwähnt sei noch, daß
sich in dem fürstlich Dietrichstein'schen Schlosse zu
Nikolsburg das größte Faß der Welt befindet,
welches 1786 Eimer 9 Maß faßt und um 198
Eimer 9 Maß größer ist, als das bekannte
Heidelberger Faß. Dieses Faß wurde von dem
Brünner Binder und Bankrichter Christoforus
Specht im Jahre 1643 verfertigt und war bis
zum Jahre 1794 mit Zehentwein gefüllt. — In
der neueren Geschichte ist Nikolsburg durch den
Abschluß der Friedenspräliminare im Jahre 1866
bekannt. Das Fürst Mensdorf-Dietrichstein'sche
Schloß hat eine außerordentlich schöne Lage. In der
Umgebung sind mehrere interessante Ruinen von alten
Ritterschlössern. Von den Polauer Bergen genießt
man eine großartige Rundsicht in das Innere von
Mähren, nach Niederösterreich und den Karpathen.
rufe ich zu: „Halten Sie fest an Ihrer deutschen
Sprache und an Ihrer deutschen Gesinnung!
Vergessen Sie es nicht, ebensowenig wie wir es
vergessen, daß kein deutsches Fürstenhaus Deutsch-
land so viele Kaiser gegeben hat, als wie das
Haus Habsburg.“ Und nun bedenken Sie, daß
Ihr Kaiser Franz Josef es war, der als im Jahre
1859 nach dem für Oesterreich unglücklichen Kriege,
der Kaiser Napoleon das Ansuchen an ihn stellte,
auf Kosten Deutschlands sich mit ihm zu vertragen,
mit den stolzen Worten ablehnte: „Ich bin ein
deutscher Fürst!“
Ja, das waren für uns Deutschösterreicher,
die leider schon bei bloßen Aussprachen des Wortes
deutsch förmlich des Hochverrathes ec. ge-
ziehen werden, erhebende Worte aus Fürstenmunde.
Deutsch wollen wir sein und bleiben! Vor allem
wir deutsche Turner, die das von unserm Turn-
vater Jahn überkommene deutsche Turnerthum
jederzeit treu schützen werden. Wir können uns
ob dieses frei ausgesprochenen Volksbewußtseins
ruhig an die Brust schlagen, denn unsere Vor-
fahren haben seit jeher ihr Blut für unser
Oesterreich zu dessen festem Bestande hergegeben,
sie haben Oesterreich auf die hohe Stufe geistiger
Entwicklung in allererster und kräftigster Weise
gebracht und darum können wir auch als ihre
Nachfolger und jederzeit treuen Söhne Oesterreichs
mit ganz anderem Bewußtsein unser deutsches
Haupt erheben, als jene, deren Vorfahren erst
von den unsrigen aus ihrer geistigen Tiefe herauf-
gezogen werden mußten und die heute, kaiserliche
Abzeichen zu beschmutzen, sowie alle österreichischen
Einrichtungen zu verhöhnen ihr Möglichstes leisten.
Darum wollen wir auch heuer wieder zu
unserem größten deutschen Turnfeste wallen, uns
die Bruderhand reichen und durch unser wackeres,
turnerisches Arbeiten allem Volk und seinen
Herrschern bezeugen, daß wir als Deutsche für
unser Volk, für unsere deutschen Herrscherlinien
die Wehrtüchtigkeit vielleicht (als freie Vereinigung)
in hervorragendster Weise befördern. Deshalb:
Auf deutsche Turner zum VIII. deutschen Turn-
feste nach Breslau! Gut Heil!
Reichsrath.
Am Mittwoch begann das Abgeordnetenhaus
mit der Berathung des Voranschlages des Acker-
bauministeriums. Zuvor widmete der Präsident
dem ältesten verstorbenen Mitgliede des Hauses,
Abg. Nischelwitzer einen ehrenden Nachruf.
Abg. Dötz führt eingehend aus, daß es höchste
Zeit wäre, daß der Landwirthschaft, von der in
Oesterreich 131/2 Millionen Menschen leben, mehr
Aufmerksamkeit geschenkt würde. Redner begrüßt
mit großer Genugthuung den Gesetzentwurf,
mittelst dessen Bildung landwirthschaftlicher Berufs-
genossenschaften angebahnt werden soll. Diesem
anerkennenswerthen Streben, welches die Bauern
zu einem geschlossenen Vorgehen begünstigt, stehen
die Maßnahmen des galizischen Statthalters
Grafen Badeni widerspruchsvoll gegenüber, welcher
Bauernversammlungen verbietet oder mittels
Gendarmen sprengt. Er wünscht den Schutz gegen
die Ausbeutung durch den Raten- und Hausier-
handel. Allein der großkapitalistische Zug der
Mehrheit lasse die Reformen nicht aufkommen.
Redner wendet sich gegen die zweijährige Dienst-
pflicht der Landwehr, welche den Bauern die
nothwendigen Arbeitskräfte entziehe, und bespricht
die Mängel des Höferechtes und die Nothwendigkeit
von Wasserstraßen, besonders des Donau-Elbe-
kanals, der von allen Seiten gefordert wird.
Nur die Regierung zaudere, obgleich sie für Aus-
gaben Millionen zur Verfügung habe. Bei
Wolkenbrüchen und Hagelschlägen solle ein längerer
Steuernachlaß, zirka 8—10 Jahre, bewilligt werden,
als bisher und für die Dauer derselben Gebühren-
freiheit eingeräumt werden. Redner schließt mit
einer sehr richtigen abfälligen Beurtheilung des
Terminhandels und mit dem Wunsche nach einer
ausgiebigen Börsensteuer und nach einer Ver-
besserung des Versicherungswesens. Speziell bei
den Hagelversicherungen machen die Gesell-
schaften, was sie wollen, hier könne nur die
Wechselseitigkeit helfen.
Abg. Freiherr v. Rolsberg schildert die stetig
zunehmende Verschuldung des Bauernstandes und
tritt für die baldige Erledigung der Vorlage
betreffs der landwirthschaftlichen Berufsgenossen-
schaften ein. Die Vorwürfe, daß die Landwirthschaft
Hungerlöhne bezahle, weist Redner zurück. Abg.
Formanek tritt für die Bildung von Wasser-
genossenschaften ein. Abg. Ghon bespricht die
Viehzuchtsverhältnisse in den Alpenländern. Abg.
Kaiser beleuchtet die außerordentlichen Härten,
welche das Gebührenwesen gerade für den Land-
wirth aufweise, die in Folge der Art seines
Gewerbes den Augen des Steuerinspektors nichts
entziehen könne. Sowie die Steuerreform geplant
ist, würde sie durch die Bestimmungen über die
Verschleißstätten, über die Besteuerung jedes
Nebengewerbes u. s. f. vielleicht noch eine schwerere
Belastung der Landwirthschaft herbeiführen. Die
Grundsteuer ist nach Verhältnissen bemessen worden,
die den heutigen ganz und gar nicht entsprechen.
Eine ausreichende Subventionirung der Rind-
viehzucht könnte durch die Herabminderung oder
Aufhebung der Wettrennpreise erzielt werden.
Eine möglichst billige Unfall- und Krankenver-
sicherung, sowie Altersversorgung wäre für die
Lösung der Arbeiter- und Dienstbotenfrage von
Bedeutung. Die Frage, in welcher Weise dem
Börsenspiele in landwirthschaftlichen Produkten
gesteuert werden solle, ist zwar eine schwierige,
aber es muß doch einmal ein Anfang gemacht
werden. Redner erörtert ausführlich die Frage
des landwirthschaftlichen Genossenschaftswesens und
wünscht neben den Bezirksgenossenschaften auch
die Errichtung von Gemeindegenossenschaften. Er
bespricht sodann die Frage des Wanderunterrichtes,
welcher von viel größerer Bedeutung sei, als der
verschiedener landwirthschaftlicher Lehranstalten;
ebenso wünscht er eine Ausgestaltung des land-
wirthschaftlichen Versuchswesens.
Am Donnerstag wird die Berathung fortgesetzt.
Abg. Richter meint bezüglich der Reformen auf
dem wirthschaftlichen Gebiete, daß es meist nur
bei dem Vorhandenen bleibe, während gerade
hier ein ununterbrochenes Fortschreiten dringend
geboten wäre. Das Ackerbauministerium möge
im Einvernehmen mit dem Ministerium für
Kultus und Unterricht an die Errichtung von land-
wirthschaftlichen Volksbildungs-Anstalten schreiten.
Ackerbauminister Graf Falkenhayn spricht zu-
nächst seinen Dank für die mannigfache An-
erkennung und zahlreiche berücksichtigungswürdige
Anregungen aus. Gegen den Abg. Bianchini
sagt Redner: Dalmatien werde dieselbe Fürsorge
zu theil, wie den übrigen Kronländern. Der
Minister weist an der Hand von Ziffern nach,
daß während der Jahre, die er dem Ressort vor-
stehe, der Voranschlag des Ackerbauministeriums
von 329.000 fl. auf 912.000 fl. gestiegen ist.
Dazu komme noch die stete Steigerung der
Unterstützungen für agrarische Operationen und
des Meliorationsfonds in der Höhe von 720.000 fl.
und tritt der Minister der Behauptung entgegen, daß
Böhmen dem Meliorationsfond gegenüber verkürzt
werde. Auch bezüglich der Beschwerden wegen der
Handhabung der Forstgesetze verspricht der Minister
die möglichste Abhilfe. Er tritt der Behauptung
entgegen, daß die Landwirthschaft durch den
deutschen Handelsvertrag geschädigt werde. Die
Getreidepreise werden überhaupt nicht mehr in
Europa bestimmt und wir müssen uns dem an-
bequemen, so lange nicht Europa dagegen
gemeinschaftlich reagirt. Die Zustände in
Östrau besprechend, stellt der Minister fest,
daß in der dortigen Grube, wie überall,
eine starke Agitation getrieben werde, theils
in ehrlichem Glauben, theils in gewissen-
loser Berufshetzerei. Hierbei wirft er dem Abg.
Pernerstorfer in heftigen Worten vor, daß er
agitire. Als gegenwärtiges Schlagwort der
Agitation dient das allgemeine Stimmrecht und
der Achtstundentag. Das allgemeine Stimmrecht
hat, wo es besteht, den Arbeitern den Achtstunden-
tag noch nicht gebracht, es konnte die Panama-
Affaire nicht hindern. Der Achtstundentag besteht
faktisch in drei Vierteln der österreichischen Berg-
werke. Die Menge der Arbeiter sei gegen den
Achtstundentag, fürchte aber die Tyrannei der
Hetzer. Abgeordneter Morre erörtert hierauf
die Frage der Altersversorgung derselben.
Redner stellt den Antrag: Die Regierung wird
aufgefordert, in kürzester Frist ein Gesetz vor-
zulegen, in welchem die Einführung der obli-
gatorischen Altersversorgung der landwirthschaft-
lichen Arbeiter, und zwar sowohl der dienenden,
als der besitzenden Klassen eingeführt wird. Es
sprechen hierauf mehrere Abgeordnete.
In der Abendsitzung tritt Abg. Hermann
Kindermann für eine größere Pflege der Zucht
der Ziege, der Kuh der Armen, ein. Graf
Kaunitz, Generalredner gegen, hätte gewünscht,
daß der Gewerbeausschuß beruhigende Erklärungen
bezüglich der Falkenauer und Ostrauer Vorgänge
abgegeben hätte. Redner spricht weiter gegen
den Minister, der sich aus einem Freunde des allge-
meinen Wahlrechts in einen Gegner verwandelt hat.
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