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Seite 4 186nde] �Karlsbader Badeblatt und Wochenblatt“ Nr. 266 19. November 1896 (Nur immer „successive!“) Zu dem von dem Abgeordneten Nitsche im Budgetausschusse zur Sprache gebrachten Fall der Ermordung des Gen- darmen Robl bemerkte der Landesvertheidigungs- minister, daſs derartige Fälle gewiss bedauernd empfunden werden müssen. Der Patrouillendienst zu Mehreren sei zweifellos besser, dessen durch- gängige Einführung bedinge aber eine weitgehende Vermehrung der Gendarmerie, welche nur in ge- wissem Maße successive erfolgen könne. (Geschworenen-Verein.) Für die IV. Schwurgerichtsperiode d. J., welche am 2. d. M. begann und am 17. endete, wurden an 13 Mit- glieder 463 fl als Entschädigung ausbezahlt und zwar an 8 Hauptgefchworene 319 fl. und an 5 Ergänzungsgeschworene 144 fl.; an 5 Mitglieder aus der Stadt Eger und unter eine Meile von Eger wohnhaft per Tag 3 fl. = 243 fl. und 8 Mitglied-r über eine Meile von Eger entfernt per Tag 4 fl. = 220 fl. Die höchste Entschädigung für ein Mitglied betrug 48 fl., die niedrigste 33 fl. Seit Bestand des Vereines wurden an 8745 Mitglieder 23557 fl. 50 kr. als Entschädigung ausbezahlt. — In diesem Jahre sind dem Vereine neuerdings 266 Mitglieder neu beigetreten, der höchste Beitritt in einem Jahre seit Bestand des Vereines. Die Bei- trittsliste für das Jahr 1897 ist bereits geschlossen. gehoben. Die Zeitereignisse werden in den reich illustrirten Aufsätzen „Das Jubiläum der Tiroler Freiheitskämpfe“ von J. C. Platter und „Die Eröffnung des Eisernen Thores“ von Paul Lindenberg beleuchtet. „Neue Bahnen“ und „Moderne Goldmacher“ behandeln die neuesten Fort- Shritte der Chemie und Technik. Gustav Kopal schildert in dem Artikel „An der Quelle des Lüneburger Salzes“ die größte Saline Deutschlands. Ferner wird noch dem Nestor der schwäbischen Dichter, Johann Georg Fischer, der letzterzeits seinen achtzigsten Geburtstag gefeiert hat, ein anziehender Artikel gewidmet. In weiteren Kreisen, namentlich unter den Frauen werden schließlich die „Skizzen aus deutschem Frauenleben in fremden Zonen“ lebhaft interessieren. Telegramme. Wien, 18. Nov. (Budgetausschuſs.) In fort- gesetzter Debatte über den Etat des Handelsmini- steriums. Centrale, bespricht Abg. Rutowski die Kanalfrage und befürwortet den Bau des Donau- Oderkanals, der für nahezu alle Kronländer von Wichtigkeit sei und überdies leichter ausführbar und rentabler sei als der Elbe-Moldau-Donau-Kanal. Redner bespricht den Weichsel-Dniester-Kanal und die Dniester-Regulierung. Redner befürwortet ferner die Schaffung eines Gewerbeinspektorats für West- galizien. Abg. Freiherr von Malfatti fragt den Handelsminister, was derselbe zur Hebung der Seidenraupenzucht und der Seidenindustrie im Trentino zu thun gedenke. Abg. Kaizl beanständet, daſs die Centralverwaltung im Handelsministerium nicht nur nicht weniger, sondern sogar noch mehr koste als früher. Redner bespricht die Kartelle und die Aktion der Prager Handelskammer in dieser Angelegenheit und fragt, wie sich der Minister zur Frage der gesetzlichen Regelung des Kartellwesens zu stellen gedenke. Ferner bespricht Redner die Ertheilung von Subventionen an die Genossenschaften und die Verhältnisse der Triester Lagerhäuser und erklärt die Ausführungen des Abg. Nitsche über die Be- zeichnung „Königreich Böhmen“ auf den Drucksorten für unverständlich und kleinlich. Handelsminister Freiherr Glanz v. Eicha er- widert auf die Anfrage des Abg. Kaizl, welche Stellung die Regierung zu einer legislativen Ord- nung des Kartellwesens nehmen wolle, daſs er weder ein Ankläger noch ein Vertheidiger der Kartelle sein könne. Denn darüber sei man einig, daſs nicht alle Kartelle schädlich und gewiss auch nicht alle Kartelle lobenswert seien. Für die Unterscheidung der berechtigten Kartelle von den unberechtigten, müsse ein objectives Kriterium ge- funden werden; ein subjectives sei hier nicht zu- lässig, denn dies variirt je nach dem Umstande, ob man hiebei activ empfindet oder passiv leidet. Auch sei es allgemein auerkannt, daſs die Bekämpfung der Cartelle am wirksamsten durch die Cartelle selbst erfolge. Ein objectives Kriterium für die Unterscheidung zwischen nützlichen und schädlichen Cartellverbindungen liege darin, ob in der Function eines Cartells mit Ausschluss rein speculativer Momente die Erhaltung und Ent- wicklung einer gewissen wirtschaftlichen Thätigkeit im Lande zum Ausdruck komme und ob diese Wirkung sich als nützlich erweise. Die Anwendung eines solchen Kriteriums sei in der Praxis aller- dings sehr schwierig. Damit mag es zusammen- hängen, daſs die allüberall gährende Frage der Cartelle noch nirgends eigentlich eine befriedigende Lösung im modernen Sinne gefunden habe. Mehr könne der Minister dermalen, wo diese Frage in Erwägung bei der Regierung steht, nicht sagen Was die von dem genannten Herren Abgeordneten weiter berührte Angelegenheit der Triester Lager- häuser betrifft, könne der Minister nur darauf verweisen, daſs der Triester Platz schon seit dem letzten Jahre recht schwierige, durch die Lage der Dinge im Orient beeinflußte Verhältnisse durchmachen musste. Trotzdem sei es gelungen, den Betrieb der Lagerhäuser im Jahre 1895 derart zu führen, daſs mit dem im Finanzgesetz für dieses Jahr enthaltenen staatlichen Zuschusse das Aus- kommen im Großen und Ganzen gefunden wurde. Auch die Gebahrung des laufenden Jahres lasse die Hoffnung begründet erscheinen, dass der pro 1896 bewilligte Zuschuss genügen werde. Dies sei nur möglich gewesen durch die zweckentsprechen- den Reformen im Magazinsdienste, welche seither durchgeführt wurden. Andererseits habe die mehr- Aus dem Gerichtssaale. Eger, am 17. November. Raubmord. (Schwurgerichtsverhandlung.) [Original- massenhafter Bethei- Bericht. Unter unverminderter, ligung von Zuhörern, namentlich aus Wildstein, wurde heute die Verhandlung gegen die Raubmörder Pötzl und Ditz an dem Hausierer Jacob Stingl fortgesetzt Zur Einvernahme gelangten noch 13 Zeugen, von welchen nur der im Process vielgenannte Strumpfwirker Schreyer, welcher von Pötzl ebenfalls zur Betheiligung an dem Ueberfall aufgefordert worden war, größeres In- teresse erregte. In Gegenwart dieses Schreyer will Pötzl, welcher die Mitschuld bekanntlich leugnet, von Ditz erst die näheren Details des Raubmordes erfahren haben. Aus der Aussage Schrevers geht hervor, daſs Ditz ihm wohl am nächsten Tage bekannte, den Stingl erschossen zu haben, aber nicht in Gegenwart des Pötzl, so daſs dessen Verantwortung als lügenhaft erscheint. — Nach Beendigung des Beweisverfahrens stellte der Staatsan- walt den Antrag, bezüglich des Pötzl auch eine Frage auf Anleitung zum Mord, und der Vertheidiger des Ditz den Antrag, bezüglich dieses Beschuldigten eine Frage auf unwiderstehlichen Zwang an die Geschwornen zu richten. Nach längerer Berathung legte der Gerichtshof den Geschworenen 7 Fragen vor und zwar lautend: 1.) bezüglich des Ditz auf Mord, 2.) bezüglich des Pötzl auf Mitschuld am Mord, 3.) (Eventualfrage) bezüglich des Pötzl auf Anleitung zum Mord „Belehrung und Un- terricht“, 4.) Zusatzfrage bezüglich Ditz. ob der Mord tückischer Weise erfolgte, 5.) Zusatzfrage auf Raub, 6.) Eventualfrage bezüglich Ditz auf unwiderstehlichen Zwang und 7.) Uebertretung des Waffenpatentes (Ditz). Im Falle der Bejahung der 6. Frage, unwiderstehlichen Zwang, kündigte der Staatsanwalt die Nichtigkeitsbe- schwerde an. Nach den Plaidoyers des Staatsanwaltes und der Vertheidiger und nach dem Resumé des Vor- sitzenden zogen sich die Geschworenen zur Berathung zurück und verkündeten sodann folgenden Wahrspruch: 1. Frage: 12 Stimmen ja, 2. Frage: 11 Stimmen ja, 1 Stimme nein, 3. Frage (entfällt), 4. Frage: 11 Stim- men 1a, 1 Stimme nein, 5. Frage: 12 Stimmen 1a, 6. Frage: 12 Stimmen nein, 7. Frage: 12 Stimmen ja. Der Gerichtshof verurtheilte hierauf den Augustin Ditz, da er noch das 20. Jahr nicht erreicht hat, zu 15 Jahren schweren Kerkers und den Pötzl zum Tode durch den Strang. Vom Büchertisch. Ludwig Ganghofers neuester Hochlandsroman, „Der laufende Berg“, ist in dem soeben erschienenen Heft 12 der „Gartenlaube zum Abschluſs gelangt. Der berühmte Romanschriftsteller hat zu der langen Reihe seiner treff- lichen Werke ein neues hinzugefügt, das sowohl durch In- halt, wie Formvollendung meisterhoft genannt werden darf. Den höchsten Anforderungen der Kunst völlig Rechnung tragend, verdient „der laufende Berg“ dennoch ein volks- thümliches Werk genannt zn werden. Als ein Gegenstück zu diesem im süddeutschen Gebirge spielenden Roman er- scheinen „Die Geschwister“ von Philipp Wengerhoff. Der letztere Roman führt uns in das moderne großstädtische Leben der höheren Beamtenkreise ein Der Autor zeichnet seine Gestalten klar und sicher, selbst die kleinsten Züge sind darin dem Leben abgelauscht und die Tendenz ist eine gute; sie wendet sich gegen das Haschen nach äußerem Schein, hinter dessen Glanz sich nur selten das wahre Glück verbirgt. Außerdem dringt noch die „Gartenlanbe“ einen Beitrag aus der Feder der berühmten Marie von EerEschenbac„Ein Verbot“ ist der Titel des er- greifenden Cultutbildes, das eine wahre Perle echt dich- terischer Darstellung bildet. — Aus der Fülle der Artikel, die dieses Heft dem Leser bietet, seien nur folgende hervor- monatliche Störung im Zuckerhandel eine wenn auch wirtschaftlich nicht freudig zu begrüßende Mehr- einnahme bei den Lagerzinsen ergeben. Abg. Stein- wender führt den Gedanken weiter aus, genossen- schaftliche Unternehmungen durch Vorschüsse von Seite des Staates zu unterstützen. Thue es der gegenwärtige Reichsrath nicht, so werde es der künftige thun müssen. Redner appelliert an den Handelsminister, die Erhaltung der tärnthnerischen Eisenindustrie in die Hand zu nehmen und Triest die unumgänglich nothwendigen Verbindungen mit dem Hinterlande zu geben. Abg. Fux begrüßt es mit Befriedigung, daſs man sich endlich klar werde, daſs die wirtschaftlichen Fragen in den heutigen Zeiten eine ausschlaggebende Wichtigkeit besitzt, hinter der selbst die politischen Fragen zurücktreten müssen. Leider vermisse man bei der Centralregierung noch immer den großen Zug und den weiten Blick. Dem Kleingewerbe werde in den Genossenschaften nicht genug Vertrauen entgegengebracht und genug Schutz gewährt. Die Behörden setzen sich bei ihren Entscheidungen über die Wünsche und das Gutachten der Genossenschaften vielfach hinweg und erzeugen dadurch im Kleinge- werbe Erbitterung und Mißtrauen. Auch die Groß- industrie begegne vielfach dem Mangel an Ver- ständnis und guten Willen. Redner wünscht, daſs die Creditgewährung an das Kleingewerbe reichlicher bemessen werde und verweist auf die in Preußen errichtete Reichsgenossenschaftsbank. Wien, 18. Nov. Im Polenclub fand gestern eine äußerst erregte Devatte über der Etat des Eisenbahnministeriums statt, deren Ergebnis der Obmann R. v. Jaworski in der Versammlung dahin resumierte, dass der Polenclub mit vollem Rechte mit der gegenwärtigen Verwaltung der k. k. Staatsbahnen unzufrieden sei; auch bezüglich der Nordbahn müsse etwas geschehen; der Polen- club müsse mit Nachdruck die Berücksichtigung seiner Mitglieder verlangen; in diesem Sinne werden die polnischen Mitglieder des Budgetausschusses an der bevorstehenden Debatte über das Budget des Eisen- bahnministeriums sich betheiligen. Berlin, 18. Nov. Wie verlautet, wird der langjährige Präsident des Abgeordnetenhauses von Köller, der 73 Jahre alt und von schwanken- der Gesundheit ist, das Präsidium nicht wieder übernehmen. Die Conservativen wollen den Ab- geordneten von Kröcher zum Präsidenten wählen. Berlin, 18. Nov. Der bekannte Germanist und Professor an der Berliner Hochschule Erich Schmidt ist aus dem Verbande der Schillerstiftung ausgeschieden. Der Gelehrte hat sich zu diesem Schritte entschlossen, weil Kaiser Wilhelm dem Vor- schlag auf Zuerkennung des Preises für Gerhart Hauptmanns „Hannele“ die Sanction verweigerte und den Preis an Wildenbruch verlieh. London, 18. November. Der erste Lord des Schatzes, Balfour, führte in einer gestern in Roch- dale gehaltenen Rede aus, es sei augenscheinlich nothwendig, daſs, wenn etwas für die Armenier geschehen soll, dies von dem gesammten Europa geschehen müsse. Es sei aber schwierig, die sechs Großmächte, die in einigen Fragen sich gegenseitig beargwöhnen, zu einer gemeinsamen Arbeit für einen Zweck zu bringen, bei welchem individuell wenig zu gewinnen sei. Zu den hauptsächlichsten Hindernissen gehöre der Argwohn gegen England. Die armenische Agitation in England hatte niemals den Zweck fremdes Landgebiet oder auswärtigen Einfluss für England zu erwerben. Es war ein Miſsgeschick für die ganze Welt, daſs das Ausland die Wünsche Englands falsch auffasste. Für Eng- land sei es angesichts seiner gegenwärtigen Pflichten und Aufgaben unmöglich, einen Kreuzzug, der den Armeniern nichts nützen könnte und England viel- leicht eine erdrückende Verantwortlichkeit auferlegen würde, gegen den Wunsch Europas auszuführen. Constantinopel, 18. Nov. Der zur Ver- handlung des Processes gegen die an den Ereig- nissen vom 26. August l. J. betheiligten Armenier eingesetzte Special-Gerichtshof verurtheilte den ar- menischen Bischof der Vorstadt Hastidt, welcher von seiner Residenz während der Ereigniffe abwesend war, zum Tode. — Der Cassationshof bestätigte das gegen den armenischen Bischof von Bitlis infolge der Unruhen im vorigen Jahre gefällte Todesurtheil.
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